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Der Pflegefall: Kriminalroman
Der Pflegefall: Kriminalroman
Der Pflegefall: Kriminalroman
eBook194 Seiten2 Stunden

Der Pflegefall: Kriminalroman

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Über dieses E-Book

Anna Zerbst tritt eine Stelle als Pflegerin an. Sie soll den alten Herrn Brunt betreuen. In der Villa Brunt herrscht von Anfang an eine beklemmende Stimmung. Herr Brunt selbst ist schwer zu ertragen. Er ist mürrisch, greift die Menschen in seiner Umgebung an, beleidigt sie. Anna findet heraus, dass ihn nicht nur Altersbeschwerden, Hilflosigkeit und das lange Warten auf den Tod erbittern, Brunt war immer schon ein problematischer Charakter und in seiner Vergangenheit liegt so einiges im Argen. Das Hausmeisterehepaar, Nella und Markus Schmitts, erzählen Anna schließlich, dass sich Brunt an ihrer behinderten minderjährigen Tochter vergangen hat und er seinen einzigen Sohn, Tobias, ständig quälte. Auch soll es beim Tod von Tobias Mutter nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Herr Brunt hingegen erzählt eine ganz andere Geschichte. Als Anna mitbekommt, dass Nella, Markus und Tobias den alten Herrn schleichend vergiften, ringt sie mit sich, ob sie zur Polizei gehen soll. Hat es ein Monstrum nicht verdient, vergiftet zu weden? Wenn nun aber Herr Brunt doch kein Monstrum ist? Wem soll sie nur glauben?
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum24. Apr. 2018
ISBN9783742740786
Der Pflegefall: Kriminalroman
Autor

Olivia Monti

Olivia Kleinknecht, 1960 in Stuttgart geboren, studierte Rechtswissenschaft in München und promovierte am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz. Seit 1994 ist sie freie Autorin und verfasst Romane und Sachbücher. Sie publizierte u.a. bei der Frankfurter Verlagsanstalt, S. Fischer, Königshausen & Neumann. Sie lebt, schreibt und malt in Ludwigsburg und Zürich.

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    Buchvorschau

    Der Pflegefall - Olivia Monti

    Olivia Monti

    Der Pflegefall

    Impressum

    Der Pflegefall

    Olivia Monti

    Copyright: © 2018 Olivia Kleinknecht

    Cover: © Sammyboy77

    Druck, Veröffentlichung und Vertrieb erfolgen über

    epubli, ein Service der neopubli GmbH, Berlin

    Konvertierung: sabine abels | www.e-book-erstellung.de

    Der Pflegefall

    Mein Arbeitsplatz hat sich in Rauch aufgelöst. Überall liegen Glassplitter und Schutt auf dem Boden. Rasen und Büsche sind ergraut. Es riecht nach Asche. Ich blicke zu den Nachbarvillen mit ihren bunten Gärten. Nebenan ist alles wie immer. Dann schaue ich erneut auf die verheerte Stelle. Die Farben dort sind gestorben.

    Es passierte in der Nacht von Donnerstag auf Freitag. Heute ist Dienstag, und ich bin froh, dass weder Nella Schmitts, die Frau des Hausmeisters, noch ihr Mann da sind. Das Dienstbotenhäuschen der Schmitts ist wie durch ein Wunder unversehrt geblieben.

    Von meinen Sachen ist nichts mehr übrig: Meine Kleidung, meine Bücher, alles, was man so braucht, wenn man irgendwo länger wohnt, sind verbrannt. Den Monat August wird mir niemand mehr bezahlen. Und auch meinen Schaden wird keiner ersetzen. Nicht, dass ich etwas Wertvolles verloren hätte, aber immerhin Dinge, die ich jetzt nachkaufen muss.

    Ich trat meine Stelle bei Herrn Brunt erst vor Kurzem an. Ich antwortete auf eine Annonce in der Lokalzeitung. Ist man nicht wählerisch, und das heißt in erster Linie, mit einem kleinen Lohn zufrieden, findet man auch als nicht ausgebildete Pflegekraft ziemlich rasch eine Stelle. Es ging mehr um Betreuung. Herr Brunt war nicht bettlägerig, nur alt, senil, wie Frau Schmitts behauptete, und schwach, kurz, nicht mehr in der Lage, sich selbst in seinem Haus zu versorgen.

    Eigentlich könnte ich jetzt ein neues Leben beginnen. Es fällt mir aber schwer, sofort das nächste Kapitel aufzuschlagen. Ich bin müde. Ich brauche noch Zeit. Vor allem möchte ich mir klar darüber werden, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Ich hatte gespürt, wie sich ein Gewitter zusammenbraute. Es war nur eine Frage der Zeit, bis es krachte.

    Irgendwann bin ich wieder zu Hause in meiner Zweizimmerwohnung mitten in der Stadt. Auf dem Weg war ich so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht mitbekam, wie ich nach Hause gelangte.

    *

    Mittwoch, früh am Morgen. Ich öffne alle Fenster. Kühle fließt herein. Ich stehe nur da und lausche dem Blubbern des Wasserkochers. Der Kocher ist quasi lebendig, er hat etwas von einem Tier. Dann gieße ich das sprudelnde Wasser langsam in den Kaffeefilter. Kaffeeduft. Ein guter Duft ist für mich wie die Anwesenheit einer Person. Ich habe gestern Abend noch Croissants besorgt. Beim Hineinbeißen blättert der Teig auf das weiße Schreibpapier, das ich bereitgelegt habe, und hinterlässt eine durchsichtige Fettspur.

    Am besten, ich fange ganz von vorn an. Um es mir leicht zu machen, tue ich so, als sei heute mein erster Arbeitstag bei Herrn Brunt. An diesen Tag kann ich mich besonders gut erinnern. Eine neue Stelle ist immer mit Angst beladen. Was erwartet einen? Wie schlimm wird es? Ist man der Aufgabe überhaupt gewachsen? Man hat Angst und zugleich ist man wie ein Raubtier auf dem Sprung, in Höchstform. Ich kann mich besonders gut an diesen Zustand erinnern. Wahrscheinlich bleiben solche Zustände besonderer Wachheit leichter in der Erinnerung haften. Bevor ich den Stift zwischen die Finger nehme, wische ich meine Hände am Küchenhandtuch ab.

    *

    Ich finde die Magnolienstraße auf Anhieb. Ich kenne das Villenviertel am Stadtrand. Eben noch drängte ich mich durch die U-Bahn im Lärm und Mief der zur Arbeit Strömenden in den dunklen Eingeweiden der Stadt. Jetzt ist es ringsum leer, ruhig, besonnt, grün. Keine Menschenseele ist hier unterwegs.

    Die Nummer 71 liegt in einem großen Garten, fast in einem Park. Im Gegensatz zu den anderen Gärten gibt es keine Blumenbeete oder -rabatten. Es ist ein geräumiges Haus aus den Zwanzigerjahren. Das Haus wurde schon länger nicht mehr verputzt, sieht aber ordentlich aus. Schöne Gebäude altern auch gut, sage ich mir immer. An der Mauer zur Straße steht ein weiteres Gebäude, ein Dienstbotenhäuschen.

    Bevor ich an der vergitterten Eingangstüre klingle, hole ich ein paarmal Luft und wische meine Haare aus der Stirn. Eine Frau in meinem Alter öffnet. Sie stellt sich als Nella vor. Nicht sehr groß und stämmig. Verräterischen Haarwuchs im Gesicht. Eine Frau in den Wechseljahren. Die mit dem Verlust an Attraktivität zu kämpfen hat. Vielleicht ist sie aber auch nie hübsch gewesen. Sie lächelt mich sogar an. Ich bin erleichtert, dass sie mich zuerst in die Küche bittet, einen Kaffee kocht und mich über vieles informiert, bevor ich meinem neuen Arbeitgeber gegenübertrete. Ich werde für Herrn Brunt Diät-Mahlzeiten zubereiten, ihm bei der Körperpflege, beim An- und Auskleiden helfen und ihm Gesellschaft leisten, wann immer er will, ferner sämtliche Zimmer aufräumen und reinigen, während Nella und ihr Mann im Haus die groben Putzarbeiten erledigen. Mindestens einmal am Tag soll ich Herrn Brunt zum Gehen bewegen. Ein paar Schritte in den Garten. Mehr möchte er nicht. Nachts schlafe ich im oberen Stock. Dort höre ich die Funkklingel von Herrn Brunt, der im Erdgeschoss schläft. Im Notfall muss ich auf einen roten Alarmknopf drücken. Dann kommt der Krankenwagen. Herr Brunt hat einen solchen Alarmknopf neben sich am Bett. Es ist das Übliche.

    Nella zeigt mir noch die Küche in allen Einzelheiten, wie der Herd funktioniert, wo sich alles befindet, Lebensmittel, Geschirr, Töpfe ... Und sie händigt mir eine Liste aus, was Herr Brunt nicht essen darf. Alles ist ein bisschen alt ‒ die cremeweiße Farbe blättert mancherorts ab ‒, aber hell.

    Nella führt mich in den oberen Stock. Die breite Holztreppe knarrt unter meinen Sohlen, als ich meinen schweren Koffer hinaufschleppe. Dort habe ich mein Zimmer und ein Bad für mich alleine. Das Zimmer ist mehr ein Schlauch, war vielleicht früher eine Abstellkammer. Die anderen Zimmer werden nicht mehr benutzt. Das Schlafzimmer mit Ehebett. Das Zimmer des Sohnes. Ein Büro- und Bibliothekszimmer. Nella lässt mich überall einen Blick hineinwerfen und schärft mir ein, die Zimmer geschlossen zu halten, damit nichts verdreckt. Oben muss ich nur alle zwei Wochen Staub wischen. Es riecht überall abgestanden. Das Eheschlafzimmer wirkt auf mich wie eine Gruft. Mein Zimmer hat als einziges nichts Totes. Es duftet sogar ein wenig nach zitronigem Deodorant.

    Herrn Brunts Schlafzimmer wurde nach unten verlegt, weil er die Treppe schlecht hochkommt und keinen Treppenlift will. Ich atme auf. Ich habe ein ganzes Stockwerk für mich alleine. Das ist das erste Mal. Oft wohnt man in einem ganz kleinen Zimmer in derselben Wohnung mit der zu pflegenden Person und fühlt sich nur mitten in der Nacht ungestört, wenn alles schläft.

    Jetzt kommt der schwierige Teil. Nella führt mich im Erdgeschoss in den Salon. Es sind eigentlich drei große, ineinandergehende Räume mit alt riechenden, dunklen Möbeln. Der ovale Esstisch und seine Stühle strahlen Trauer aus in ihrem schwarzen Holz. Nur die bunten Perserteppiche heben sich freundlich ab. Herr Brunt sitzt auf einem grauen Sofa vor dem Fernseher. Ich denke gleich, der Mann ist zu groß für das Sofa. Sein dünner Oberkörper ist seltsam lang. Auch die Beine sind es. Als ich in sein Gesicht sehe, wird mir unwohl. Sind es die Augen, die mich irgendwie stumpf anblicken, unbewegt, ohne Funkeln, ohne Glanz? Wie zwei trübe Knöpfe. Ist es sein zerfurchtes Gesicht, das fast schon entstellt wirkt? Oder was ist es? Ich stammle: „Ich bin Anna Zerbst."

    Seine Worte schneiden. „Interessiert mich nicht … Hauptsache, Sie machen Ihre Arbeit."

    Ich bin verwirrt und bleibe stumm vor ihm stehen, bis mich Nella am Ellbogen fasst.

    „Sie können gleich mit dem Mittagessen anfangen", sagt Nella, als wir wieder in der Küche sind.

    In der Küche ist die Stimmung normal, drüben im Salon lag eine Schwere in der Luft. Ich selbst fühlte mich dort so schwer, als hingen Gewichte an mir. Gut, dass ich sofort ins kalte Wasser springen muss, keine Zeit zum Nachdenken habe. Der Anfang ist immer belastend. Alles ist neu. Ich muss mich erst zurechtfinden.

    „Um zwölf hat das Essen auf dem Tisch zu stehen." Nellas Ton stört mich.

    Aber gut. Ich habe noch Zeit. Jetzt ist das Essen das Wichtigste. Alles andere lerne ich später. „Ich mache Spaghetti mit Tomatensoße. Und Apfelmus zum Nachtisch. Geht das?"

    „Sie wissen ja, alles laktose- und glutenfrei. Und nichts, was bläht. Kein Kohl, kein Kraut, keine Bohnenkerne … und Süßes nur in Maßen …"

    „Ist Herr Brunt zuckerkrank?"

    „Nein. Das einzig Ernsthafte sind sein empfindlicher Magen und der zu hohe Blutdruck. Medikamente muss er dafür nicht nehmen. Ab und zu nimmt er eine Schlaftablette."

    „Dann ist er praktisch nicht krank."

    „Nein, er ist nicht krank, nur alt. Und immer schlecht gelaunt."

    *

    Ich bin schon fast fertig mit der Soße. Schneide nur noch ein paar Basilikumblättchen in feine Streifen, als es laut klingelt. Nella kommt mit einem Putzlappen in der Hand hereingerannt und ruft: „Los, Sie müssen zu ihm!"

    Als ich in den Salon eile, ruft Herr Brunt mir entgegen: „Wann bringen Sie endlich mein Essen?"

    Es ist erst elf. Aber das tut nichts zur Sache. Ich begreife, dass man am besten nichts entgegnet und gleich tut, was er verlangt. Ich schaffe es, die glutenfreie Pasta in sieben Minuten al dente zu kochen, es sind glücklicherweise Spaghettini, und auch noch Käse zu raspeln. Nella hilft sogar: „Warten Sie, ich decke rasch den Tisch. Hier ist eine Schüssel … Und bringen Sie die Weinflasche und das Wasser …"

    Ich trage die Pasta-Schüssel und die Getränke auf. Die Spaghettini sehen nass aus und dampfen. Der Tisch ist gedeckt. Für eine Person. Nella hilft Herrn Brunt, vom Sofa aufzustehen. Er lehnt sich weit vor, um sein Körpergewicht zu Hilfe zu nehmen. Dann packt er Nellas Arm und zieht sich vollends hoch. Nella stemmt die Füße in den Boden und ächzt. Herr Brunt überragt Nella um zwei Köpfe. Wenn er aufrecht ginge, wäre er noch größer.

    Herr Brunt hält sich am Tisch fest, bis Nella den Stuhl hinter ihm zurechtrückt. Seine Arme wackeln, vielleicht vor Anstrengung. Dann lässt er sich fallen. Der Stuhl knarzt laut.

    Was soll ich jetzt tun? Muss ich ihm beim Essen helfen? Gabel für Gabel die Spaghettini mundgerecht aufdrehen?

    Herr Brunt macht nur eine Handbewegung, als verscheuche er eine Fliege. Dann beugt er sich über den Teller. Sein Kopf hängt nach unten. Ich glaube, sein Kopf ist ihm zu schwer. Nella nimmt mich wieder am Ellbogen.

    Beim Verlassen des Salons spüre ich eine Enge in der Brust. In der Küche verfliegt die Beklemmung wieder. Nella weist mich an, einen Diätkuchen zu backen. Um 15.00 Uhr trinkt Herr Brunt seinen Nachmittagskaffee. Das ist die einzige Mahlzeit, bei der ich mit ihm den Tisch teilen muss. „Und dass Sie das richtige Pulver benutzen! Brunt kriegt den magenschonenden Kaffee. Süßen können Sie ihn mit dem Zucker." Sie zeigt auf eine Dose mit braunem Zucker. Daneben steht ein Fläschchen mit der Aufschrift Süßstoff.

    „Und wozu ist der?", frage ich und zeige auf das Fläschchen.

    „Morgens hat er immer Sodbrennen. Da kriegt er Süßstoff in den Kaffee. Schmeckt ekelig, das Zeugs. Für uns nehmen wir den normalen Zucker. Klar?"

    Ich nicke und beobachte, wie Nella das Mittagessen für uns beide und ihren Mann vorbereitet. In der Küche gibt es noch eine Speisekammer. Dort befindet sich ein zweiter Kühlschrank und lagert das normale Essen, das Essen für uns, die Angestellten. Für uns gibt es heute Schweinekottelets, grüne Bohnen und Pommes frites. Die Klingel schrillt schon wieder. „Gehen Sie! Er ist fertig mit essen. Machen Sie ein paar Verdauungsschritte mit ihm im Salon."

    Ich habe schon wieder Angst. „Wie stützte ich ihn? Er ist so groß und schwer."

    „Keine Sorge, er hält sich an Ihrem Arm fest, und dann gehen Sie in seinem Tempo mit ihm auf und ab, bis er sich wieder setzen möchte, und zwar auf das Sofa vor dem Fernseher. Dort macht er dann auch seinen Mittagsschlaf. Ich räum solange ab."

    Beim Betreten des Salons sträuben sich die Härchen auf meinen Unterarmen, als ob ich anfange zu frieren. Herr Brunt stemmt sich vom Tisch hoch. Ich springe herbei, um ihm zu helfen. Er schafft es aber alleine, auf die Beine zu kommen. Er hängt sich bei mir ein, ohne mich anzusehen. Er sagt auch nichts.

    Wir gehen mechanisch ganz langsam in den drei Zimmern auf und ab. Alle paar Schritte stützt er sich schwerer auf meinen Arm. Ich mache zwei Schritte, während er einen macht. Ich bin fieberhaft damit beschäftigt, sein Gewicht zu halten und gleichzeitig seinen Rhythmus nicht zu stören. Von meinen Achseln fließen warm und kitzelnd immer mehr Tropfen abwärts. Schon nach zwei Durchquerungen der Räume keucht Herr Brunt und steuert auf das graue Sofa zu. Er dreht sich mit dem Rücken umständlich zur Sitzkante. Ich halte ihn, so gut ich kann, an beiden Händen, bis er ins Polster plumpst.

    „Die Fernbedienung!"

    Zum Glück erblicke ich sie gleich auf dem Couchtisch und reiche sie ihm. Er schaltet den Apparat an. Ich bin Luft für ihn und verziehe mich wieder in die Küche.

    Dort sitzt bereits Nellas Mann am Tisch. Sein klein gelocktes Haar wirkt wie Wolle. Er ist stark gebräunt. Ich bin froh, dass ich vor vollendete Tatsachen gestellt werde, jetzt muss ich nicht auch noch Angst davor haben, dass Nellas Mann hereinkommt, er ist schon da. Es ist immer schwierig, es mit neuen Personen zu tun zu bekommen. Du suchst sie dir nicht aus, du weißt nicht, was dich erwartet. Was sind ihre Schwächen, was ihre Laster? Wie nehmen sie dich wahr? Sind sie feindlich, sind sie freundlich? Da sitzt also Nellas Mann und nickt zur Begrüßung knapp mit dem Kopf. Nella zeigt auf meinen Stuhl. Ich setze mich. Auf dem Herd brutzeln die Schweinekoteletts im Fett und zischen die Pommes frites im Öl.

    Herr Schmitts blickt in das spritzende Öl. „Und, wie war‘s?", fragt er.

    Ein bisschen hatte ich mich entspannt. In der Atmosphäre von anscheinender Normalität. Jetzt schrecke ich hoch, da ich auf keine Frage gefasst bin. „Merkwürdig", bringe ich hervor.

    „Tja, der Alte ist nicht einfach. Vor zwei Jahren ist er gestürzt. Seither hat er laufend abgebaut. Während der Zeit hat er schon zehn Pflegerinnen verschlissen."

    Ich sehe Herrn Schmitts nur an.

    „Für uns ist es auch nicht einfach. Wenn ich jünger wär, wär ich schon längst fort. Mit zweiundsechzig will dich aber keiner mehr. Da giltst du heutzutage auf dem Arbeitsmarkt als halb tot."

    Ich erwidere vorsichtshalber nichts. Man darf am Anfang vor allen Dingen nichts zu Persönliches

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