Toskana-Tiger
Von Rike Waldmann
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Über dieses E-Book
Da biegt ein Auto um die Ecke und Anna zieht mit ihren Eltern, Geschwistern und Streuner, dem schlausten Hund der Welt, im Nachbarhaus ein. Das ändert alles. Maxi erlebt die aufregendsten Ferien seines Lebens, erkundet Ruinen, findet eine Flaschenpost und lernt, dass nicht alle Mädchen doof sind.
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Buchvorschau
Toskana-Tiger - Rike Waldmann
Maximilian in der Hängematte
Maxi war muffelig. Falls jemand nicht wissen sollte, wie das ist, wenn einer muffelig ist, muss er sich ungefähr Folgendes vorstellen:
Du befindest dich in einem kleinen, dunklen Keller, den seit Jahren niemand mehr betreten hat. Links von dir steht eine halb vermoderte Kartoffelkiste, und vor dir befinden sich die Reste eines alten, rostigen Herrenfahrrads. Auf dem Regal an der Stirnwand lagern fünf vergessene, schrumpelige Äpfel, die langsam vor sich hin faulen.
In gleichmäßigen Abständen erklingt ein dumpfes Plopp – Plopp – Plopp, wenn von der feuchten Decke ein weiterer Wassertropfen auf den steinigen Fußboden fällt. Kannst du dir ungefähr vorstellen, wie es in so einem Raum riecht? Genau: muffelig.
Muffelig ist also etwas völlig anderes als zum Beispiel stinksauer oder abgrundtief traurig oder auch unzufrieden. Muffelig ist anders, eben – na ja, man kann es eigentlich nicht richtig erklären.
Wie die meisten Menschen, denen es so geht, wusste auch Maxi nicht so ganz genau, warum er sich in dieser trostlosen Stimmung befand. Um muffelig zu sein, braucht man keinen besonderen Grund. Im Gegenteil: Eigentlich klappt es nur so richtig, wenn es gar keinen Grund für schlechte Laune gibt.
Diese Voraussetzung war bei Maxi perfekt erfüllt. Er befand sich nämlich in einer Hängematte, die im Schatten zwischen einem Olivenbäumchen und einer alten Korkeiche ausgespannt war. Das Olivenbäumchen und die Korkeiche befanden sich im Garten eines alten Bauernhauses, und das Bauernhaus befand sich in Italien. Gestern war Maxi zusammen mit seinen Eltern angekommen, und für die nächsten drei Wochen sollte er hier wunderschöne Ferien verleben.
So war es jedenfalls geplant. Und es gab überhaupt keinen Anlass, daran zu zweifeln: Das Meer und ein breiter Sandstrand waren ganz in der Nähe, der große, verwilderte Garten verlockte zu ausgiebigen Abenteuer-Streifzügen, und nicht weit vom Grundstück gab es außerdem eine halb verfallene Turmruine.
Gestern Abend hatte Maxi auch das Haus sehr gemütlich gefunden: die Küche mit dem roten Fliesenboden und den alten Holzstühlen, die große Terrasse, auf der Wein, Hibiskus und Oleander wuchsen – vor allem aber sein eigenes Zimmer. Es lag im ersten Stock, war eigentlich eher eine Dachkammer und ziemlich klein. Aber es hatte ein Bett mit einem blaugepunkteten Bezug, der nach Heu und frischen Kräutern duftete.
Und es hatte einen eigenen, winzigen Balkon, dessen Stützpfeiler unten im Garten verankert waren. Sie waren alt und knorrig und würden einen ausgezeichneten Treppenersatz abgeben – falls man mal unbemerkt verschwinden wollte. Maxi war sehr zufrieden gewesen.
Stop, un momento! Ich glaube es wird Zeit, dass ich langsam eingreife! Maxi, das bin nämlich ich. Eigentlich heiße ich gar nicht Maxi, sondern Maximilian. Das fand Mama damals schick. Glücklicherweise nennt mich kein Mensch so, und mit Maxi bin ich ganz zufrieden.
Also, ich sitze hier in dieser Hängematte und bin überhaupt nicht muffelig. Ich hab’ nur Hunger, und mit dem Frühstück kann es noch etwas dauern, weil Mama und Paps ausschlafen wollen nach der langen Reise.
Vielleicht sollte ich mir mal den Garten ansehen, ob es da Tomaten gibt oder Obstbäume. Eigentlich müssten jetzt die Aprikosen reif sein, und das wär’ für den Anfang ja nicht schlecht. Allerdings würde ich womöglich den Moment verpassen, wo die beiden Langschläfer endlich aufwachen. Und wenn ich dann nicht da bin, machen sie sich gleich wieder Sorgen um mich. Sie machen sich überhaupt ständig Sorgen um mich, besonders Mama. Als ob man mit zehn Jahren nicht sehr gut auf sich selbst aufpassen könnte.
Um euch nur ein klitzekleines Beispiel zu geben: Sie haben mir streng verboten, allein an den Strand runterzulaufen. Dabei sind das höchstens 500 Meter. Und schwimmen kann ich schon seit Jahren! Aber Mama hat Angst, es könnte mich jemand anquatschen und mitnehmen. Völliger Blödsinn – wo ich doch überhaupt kein Italienisch kann. Na ja, ich glaube, Paps sieht das auch nicht so eng; vielleicht kann ich das Thema in ein paar Tagen von Mann zu Mann regeln.
Denn mal ehrlich: Soll ich hier etwa jeden Ferienmorgen in der Einöde vertrödeln, nur weil Mama viel Ruhe braucht? Ruhen könnte sie ja schließlich auch am Strand,
oder?
Als ich das vorgeschlagen habe, ist sie allerdings ziemlich sauer geworden. Sie lässt sich nicht hetzen, sagt sie, und von mir schon gar nicht, und im Urlaub schon überhaupt nicht. Bloß, weil sie im letzten halben Jahr ständig von ihrem Chef genervt worden ist, muss ich jetzt darunter leiden!
Aber damit das klar ist: Sonst ist Mama eigentlich ziemlich in Ordnung. Und Paps auch. Und in den Ferien sind sie immer besonders in Ordnung, weil sie sonst so wenig Zeit für mich haben. Glauben sie! Und um ihr Gewissen zu beruhigen, darf ich im Urlaub meistens bestimmen, was wir machen.
Dagegen habe ich natürlich überhaupt nichts einzuwenden! Eltern, die ein schlechtes Gewissen haben, sind nämlich pflegeleicht. Und gerade in Italien, wo an jeder Ecke eine Kirche oder eine alte Tempelruine rumsteht, die man unbedingt besichtigen muss, da ist ein schlechtes Elterngewissen Gold wert. Oder mindestens Gelato!
Wenn die wüssten, wie froh ich bin, dass bei uns nicht den ganzen Tag jemand zu Hause ist, der nur darauf wartet, mich zu erziehen. Mein bester Freund, Lennart, der kann ein Lied davon singen!
Seine Mutter ist nämlich nicht berufstätig, weil er zwei kleine Schwestern hat. Als ob das nicht schon Strafe genug wäre, steht er noch dazu den ganzen Tag unter Beobachtung. Ätzend!
So, jetzt hole ich mir aber doch eine Tomate. Giovanni hat gestern Abend ausdrücklich gesagt, wir dürfen im Garten ernten, was wir mögen. Giovanni ist Italiener (natürlich!), und ihm gehört das Haus, in dem wir wohnen. Er hat noch ein kleines Haus dicht bei den Olivenbäumen am Hang. Früher hat es seinem Onkel gehört, und jetzt wohnt er da ganz allein mit seinem dicken, grauen Kater Umberto.
Das hat er uns alles gestern Abend erzählt. Selbstverständlich auf Deutsch, sonst hätten wir ja kein Wort verstanden. Giovanni kann deutsch, weil er früher mal in einer Pizzeria in Dortmund gearbeitet hat. Ausgerechnet in Dortmund, wo meine dicke Tante Hermine wohnt! Vielleicht war sie ja Stammgast in seiner Kneipe und