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Mäuse-Mina und der Drachenzauberer
Mäuse-Mina und der Drachenzauberer
Mäuse-Mina und der Drachenzauberer
eBook460 Seiten5 Stunden

Mäuse-Mina und der Drachenzauberer

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Über dieses E-Book

Mäuse-Mina lebt im Keller eines Hauses, das am Ende einer langen Straße steht. Adoptiert von einer Mäusefamilie, ist sie ganz zufrieden mit ihrem Leben bis ein alter Mann im Haus auftaucht. Mäuse-Mina ist sicher, dass er böse ist, und bald bestätigt sich ihr Urteil: Der alte Mann spuckt Feuer, stellt Mausefallen auf und scheint auch sonst finstere Pläne zu hegen. Auf der Flucht vor ihm stolpert Mäuse-Mina unfreiwillig durch Tore in ihrem Haus und gerät in andere Welten, in denen sie Drachen, Hexen und weiteren seltsamen Wesen begegnet. Bald stellt sich heraus, dass sie und ihre Freunde nur dann eine Chance haben, den bösen Zauberer zu vertreiben, wenn sie sein Herz finden, das irgendwo in einer der Welten versteckt ist ...
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum5. Mai 2015
ISBN9783738026184
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    Buchvorschau

    Mäuse-Mina und der Drachenzauberer - M.C. Hermann

    1

    In dem Augenblick, in dem Mäuse-Mina den alten Mann zum ersten Mal sah, wusste sie, dass die Dinge im Haus sich ändern würden. Er sah nicht aus wie irgendein alter Mann, und sie spürte, dass er böse war. Eisig pfiff der Wind durch den Spalt der Kellertür, hinter der sie sich verbarg, und durch sämtliche Löcher in ihrem abgetragenem alten Mantel, sodass sie schauderte. Aber es kam nicht nur von der Kälte.

    Der alte Mann schlurfte durchs Treppenhaus. Dünne, grauweiße Haare krochen wie durchsichtige Würmer über den Kragen seines langen, grauen Mantels, der sonderbar schuppig wirkte, als wäre er aus Krokodilleder gemacht. Kurz konnte Mäuse-Mina seine Augen sehen und wäre vor Schreck fast zurückgeprallt. Sie waren gelb und sahen aus, als wären sie aus den Splittern zerbrochener Flaschenböden zusammengesetzt. Und sie glitzerten auf verwirrende Weise, als spränge das Licht, das auf sie traf, von einem Splitter zum anderen. Mäuse-Mina hatte noch nie solche Augen gesehen. Sie sahen böse aus. Auf kalte, grausame, gelbe Art böse.

    Wo war der alte Mann hergekommen? Er war einfach im Haus aufgetaucht. In dem Haus, das Mäuse-Mina als ihres betrachtete. Sie war wütend.

    Und sie hatte Angst.

    Einige Tage später stand sie an der Hinterseite des Hauses auf der Kellertreppe und beobachtete, wie vier oder fünf Elstern ein Eichhörnchen durch den verwilderten Garten jagten. Vielleicht war der Nager um die Gelege der Vögel herumgeschlichen und erwischt worden. Sie waren wirklich hinter ihm her, verfolgten ihn übers Gras, immer nur knapp einen Meter hinter ihm, versuchten ihm den Weg abzuschneiden, und als er einen Baumstamm hinaufhuschte, griffen sie ihn auch da von allen Seiten an. Mäuse-Mina drückte dem kleinen Kerl die Daumen. Eierdieb oder nicht, fünf gegen einen war gemein.

    Die Elstern griffen in Geschwaderform an. Mit ihren schwarzen Rümpfen und den weißen Flügeln sahen sie aus wie Jagdflugzeuge aus Metall. Gnadenlos.

    Mäuse-Mina hörte über sich jemanden lachen. Schnell duckte sie sich in den Rahmen der Kellertür und schaute hoch. Der alte Mann lehnte sich aus einem Fenster im dritten Stock und beobachtete die Jagdszenen. Immer wenn es so aussah, als ob es dem Eichhörnchen an den Kragen ginge, kicherte er vergnügt und klatschte in die Hände. Als es dem armen Tierchen schließlich gelang, sich im Unterholz einiger Sträucher in Sicherheit zu bringen, schlug der alte Mann enttäuscht die Fäuste aufs Fensterbrett. Sein Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Wut und Hass.

    Mäuse-Mina hatte keinen Zweifel.

    Er war böse.

    Das Haus, in dem Mäuse-Mina wohnte, stand am Ende einer langen Straße, ganz am Ende, wo niemand mehr so genau hinsah und keiner sich darum kümmerte, was dort vorging. Sie war sicher, es gehörte nicht mehr so richtig dazu und war aus den Gedanken der Menschen herausgerutscht. Die Ziegel der Wände waren verwittert und bröckelig, die Fenster staubig und hier und da fehlten ein paar Dachschindeln.

    Schon kurz nach ihrem Einzug hatte Mäuse-Mina gemerkt, dass dieses Haus nicht geheuer war. In den vier Jahren, in denen sie hier lebte, schienen sich die Gänge des Kellers, wo sie ihr Lager hatte, verdoppelt zu haben. Und sie waren lang. Sie hatte nie den Mut gehabt, ihnen länger als zehn Minuten zu folgen. Es war, als streckte das Haus seine Fühler immer weiter in ein seltsames Nirgendwo aus.

    Natürlich hatte Mäuse-Mina sich davon überzeugt, dass alle Wohnungen leer standen, bevor sie sich im Keller niederließ, und dort wohnte sie nun seit ihre Eltern sie davongejagt hatten. Eigentlich hatten ihre Eltern sie nicht wirklich davongejagt, wie sie sich manchmal eingestand, aber sie hatten einfach zu viele Kinder gehabt und zu wenig Geld. Mäuse-Mina erinnerte sich an den ständigen Hunger. Und an die Schläge. Eines Tages, kurz nach ihrem siebten Geburtstag, war sie einfach davongegangen, und niemand hatte versucht, sie aufzuhalten.

    Ohne lange suchen zu müssen, fand sie das Haus am Ende der langen Straße. Sie hatte sich gefühlt, als wäre sie auch ein bisschen aus den Gedanken der Menschen herausgerutscht, und manchmal dachte sie, das Haus hätte sie gefunden und nicht umgekehrt.

    Ohne große Umstände war sie von einer siebenköpfigen Mäusefamilie, die im Keller lebte, adoptiert worden. Die Mäuse versorgten das neue Familienmitglied bereitwillig mit Essen und schleppten Käsestückchen, Brotrinden und Wurstzipfel aus der ganzen Gegend heran. Sie fanden immer etwas, auch wenn es manchmal nicht viel war und einiges davon schimmlig. Mäuse-Mina lernte, mit wenig auszukommen. Außerdem lernte sie die Sprache der Mäuse. Es war eine piepsige Sprache, und es kostete sie einige Mühe, aber nach einem Jahr konnte sie sich fließend mit ihrer neuen Familie unterhalten.

    Wenn sie sich manchmal in den weniger staubigen Fensterscheiben der Wohnungen gespiegelt sah, fand sie, dass sie inzwischen selbst fast wie eine Maus aussah. Ihre Haare fielen in dünnen, braunen Strähnen unter einer grauen Wollkappe heraus, und dazwischen streckte sich eine spitze Nase hervor. Tagaus tagein trug sie über T-Shirt und Hose einen braunen Mantel, den sie in einem alten Koffer im Keller gefunden hatte. Wenn sie darauf achtete, von Schatten zu Schatten zu huschen, war es schwierig, sie überhaupt zu entdecken, und darauf war sie besonders stolz. Sie hütete sich, von Erwachsenen gesehen zu werden, denn sie hatte nicht die geringste Lust, in einem Heim zu landen oder bei irgendeiner doofen Familie. Die Mäusefamilie reichte ihr völlig. Und sie hatte auch keine Lust, zur Schule zu gehen, obwohl gleich nebenan eine stand, nur ein verwildertes, abschüssiges, von Unkraut und Sträuchern überwuchertes Rasenstück und einen Maschendrahtzaun entfernt. In den frühen Morgenstunden schlich sie durch einen Gang im Keller, den die Mäuse ihr gezeigt hatten, zu dieser Schule hinüber, um sich und ihre Sachen dort zu waschen - gelegentlich jedenfalls - und um Plastikflaschen mit Trinkwasser zu füllen. Ansonsten aber mied sie die Schule wie die Pest.

    Es war ein altes Gemäuer, aus dunkelroten Ziegeln erbaut, und roch nach Holzbänken und Tinte. In den langen düsteren Gänge verirrte sich Mäuse-Mina manchmal, vor allem im Winter, und wenn dann der Hausmeister auftauchte und die Lichter anmachte, gelang es ihr oft nur gerade so eben, im Keller zu verschwinden, bevor die Schulkinder eintrafen.

    Alle kannten sie. Von ihnen hatte sie auch ihren Namen bekommen. Manchmal, wenn sie mit ihrer Mäusefamilie durch den Garten ging, kamen die Kinder in die Ecke des Pausenhofs gelaufen, die dem Haus am Ende der Straße gegenüberlag, standen am Zaun und piepsten und lachten und riefen „Mäuse-Mina! Mäuse-Mina!"

    Es machte ihr nichts aus. Sie mochte den Namen. Ihren richtigen Namen hatte sie verloren, als sie unterwegs gewesen war. Sie hatte nicht besonders darauf achtgegeben.

    Die Kinder verrieten sie nie. Mäuse-Mina nahm an, sie vergaßen sie in dem Moment, in dem sie das Haus betrat, das aus den Gedanken der Menschen herausgerutscht war, und sie war froh darüber.

    Alles in allem mochte Mäuse-Mina ihr Leben im dem Haus am Ende der langen Straße, hinter dem es nur Ödland, verlassene Fabriken und einen Kanal gab, und hätte es gegen kein anderes eintauschen wollen.

    Bis zu dem Moment, in dem der alte Mann auftauchte.

    Man hätte glauben können, er wäre in eine der Wohnungen im dritten Stock eingezogen. Er hatte sogar ein Namensschild an die Tür gehängt. Aber Mäuse-Mina ahnte, dass er nicht von außen in das Haus gekommen war. Das hätten sie und die Mäuse gemerkt. Und in einem Haus wie diesem wurden keine Wohnungen vermietet. Es gab keine funktionierende Heizung und kein fließendes Wasser, geschweige denn Strom. Wer hier wohnte, hatte Grund sich zu verstecken.

    Mäuse-Mina hätte nichts dagegen gehabt, ihr Haus mit jemandem zu teilen. Sie war nicht wild darauf, aber sie wusste aus eigener Erfahrung, dass man manchmal eben so ein Haus brauchte. Aber wenn sie an die Augen des alten Mannes dachte, wollte sie ums Verrecken nicht von ihm bemerkt werden.

    Wer war er? Was wollte er hier? Was würde er tun, wenn er merkte, dass sie hier wohnte?

    Ihr erster Gedanke war, das Haus zu verlassen.

    Weg hier! Bevor er mich bemerkt.

    Aber wo sollte sie hin? Häuser wie dieses gab es nicht viele. Und dann war da noch ihre Mäusefamilie. Sie konnte sie nicht einfach so verlassen wie ihre Eltern damals, denen es egal gewesen war.

    „Ist vielleicht gar nicht so schlimm, sagte sie sich. „Vielleicht ist er wirklich nur ein alter Mann, der kein Geld hat.

    Aber sie versuchte vergeblich, sich etwas vorzumachen. Sie wusste, dass sich die Dinge in diesem Haus ändern würden. Und sie war alles andere als glücklich darüber.

    2

    Eine Woche nachdem der alte Mann aufgetaucht war, zog ein seltsamer Geruch durch das Haus. Nicht unangenehm, sondern süß und würzig. Mäuse-Mina hatte keine Ahnung, worum es sich handelte, aber es roch lecker, und sie verspürte einen kaum bezähmbaren Appetit auf das, was den Geruch verursachte.

    Was trieb der alte Mann da oben in seiner Wohnung?

    Schon jetzt hatte sich ihr Leben erheblich verändert. Jeder Schritt musste sorgfältig bedacht werden. Sie mied das Treppenhaus und wagte sich nur noch im Dunkeln ins Freie. Von der Schule aus sah sie, dass die Fenster der Wohnung im dritten Stock mit schwarzen Tüchern verhängt waren. Kein Licht drang heraus, aber der Holzboden knarrte die ganze Nacht so laut, dass es bis in den Keller zu hören war. Der alte Mann schien niemals zu schlafen.

    Mäuse-Minas Gedanken kreisten den ganzen Tag um den neuen Hausbewohner. Sie merkte, dass es keinen Sinn hatte, sich nur zu verstecken. Sie musste mehr über den Alten herausfinden.

    Eines Abends trommelte sie die Mäusefamilie, die ihre Besorgnis teilte, zusammen und beriet sich mit ihr.

    „Ich glaube, er ist gefährlich, sagte sie. „Wir müssen wissen, warum er hier ist und was er hier macht.

    „Am besten, wir spionieren ihn aus, sagte der Mäusevater. „Das ganze Haus ist voller Mäuselöcher. Wir werden sie alle besetzen und ihn beobachten.

    „Gut, sagte Mäuse-Mina. „Aber seid vorsichtig. Lasst euch ja nicht sehen. Er darf auf keinen Fall erfahren, dass er nicht allein ist im Haus.

    Die sieben Mäuse nickten ernst. Man beschloss, sich am Morgen zu treffen, um Bericht zu erstatten.

    Es wurde eine schlaflose Nacht für Mäuse-Mina. Sorgen und Vorwürfe wechselten sich ab. Sie hatte ihre Familie durch diese Spionagemission in Gefahr gebracht, aber was sollte sie sonst tun? Der alte Mann war unheimlich. Vielleicht hatte er etwas vor, das sie alle ins Verderben stürzen würde.

    Am Morgen versammelte sich die Mäusefamilie - vollzählig, wie Mäuse-Mina erleichtert feststellte - in der Kellernische, in der sich das Lager des Mädchens befand. Sie stellten sich im Halbkreis um den Haufen aus verschimmelten Decken auf und machten betretene Gesichter.

    „Was ist?, fragte Mäuse-Mina ungeduldig. „Was habt ihr gesehen?

    „Die Lage ist ernst, sagte der Mäusevater. „Ich habe das Unheil gesehen.

    „Ich auch, sagte die Mäusemutter. „Der alte Mann hat Mausefallen aufgestellt.

    Die ganze Familie stöhnte entsetzt und schauderte.

    „Seit Mäusegedenken hat es in diesem Haus keine Mausefallen mehr gegeben, sagte der Vater. „Der Urgroßvater meines Großvaters war der Letzte, der eine gesehen hat. Schlimme Geschichten hat er erzählt, und sie wurden weitergegeben und weitergegeben, damit keine Maus jemals vergisst, was für schreckliche Gefahren es in der Welt gibt.

    „Ach, lass doch diese alten Geschichten, sagte Müriel, die älteste Tochter, mürrisch. „Wir alle wissen, was Mausefallen sind und was sie tun können.

    Müriel war meistens schlecht gelaunt. Sie war ein bisschen altjüngferlich und etepetete. Beklagte sich immer darüber, dass Mäuse aus guten Familien niemals in ein Haus wie das ihre kämen. „Wie soll ich einen Mann finden?, fragte sie oft säuerlich. „Ich werde noch eine Kanalratte heiraten müssen. Und dann schüttelte sie sich vor Grauen und seufzte melancholisch.

    „Was tun sie denn eigentlich, diese Mausefallen?, fragte Miller, der älteste Sohn, ein etwas traniger Bursche. „Sind sie wirklich so gefährlich wie immer behauptet wird?

    Die Familie stöhnte.

    „Miller, Miller!, sagte der Mäusevater tadelnd. „Du solltest dich wirklich mehr mit Geschichte und Kultur deiner Art beschäftigen, anstatt den ganzen Tag nur vor dich hin zu schnüffeln und ans Fressen zu denken. Wenn du in eine Mausefalle gerätst, bist du verloren. Die Menschen packen leckeren Käse hinein. Du willst ihn dir holen, und ehe du dich versiehst, schnappt die Falle zu. Das schwere Eisen klappt runter, und deine Rübe ist ab.

    Miller starrte ihn mit offenem Mund an. „Aber dann wär ich ja tot!", rief er entgeistert.

    Die Familie stöhnte wieder.

    „Ja, Miller, dann wärst du tot, sagte der Mäusevater entnervt. „Deshalb sind die Drecksdinger ja so gefährlich. Also mach einen Bogen um sie. So weit wie es geht.

    Miller versank in betroffenes Schweigen.

    „Wo hat er die Fallen aufgestellt?", fragte Mäuse-Mina.

    „Überall in seiner Wohnung", sagte der Mäusevater.

    „Und im dritten Stock des Treppenhauses", meldete sich Halbschwanz, der zweitälteste Sohn zu Wort. Er hieß so, seit ihm eine Katze die Hälfte seines Schwanzes abgebissen hatte. Wenn man ihm glauben durfte - und er redete gern und oft darüber, wie Mäuse-Mina aus leidvoller Erfahrung wusste -, war es ein harter, um nicht zu sagen verbissener Kampf gewesen, und er bildete sich viel auf seine Kriegsverletzung ein.

    „Vor jedem Mauseloch steht eine, sagte er. „Deshalb konnten wir ihn nicht auskundschaften. Der Kerl hat sich total abgesichert. Klare Sache. Der hat was zu verbergen.

    „Schlaumeier!, sagte Mintz, die zweitälteste Tochter. Sie war eine ziemlich kecke Mäusin. „Wie bist du darauf nur gekommen? Sie kicherte spöttisch.

    Halbschwanz piepste ärgerlich vor sich hin. Er sah sich als tapferen Mäusekrieger und mochte es nicht, wenn man ihn auf den Arm nahm.

    „Reg dich ab, sagte Mintz. „Es stimmt, er hat alle Löcher mit seinen blöden Fallen verbarrikadiert, aber es gibt noch andere Möglichkeiten, seine Wohnung zu beobachten.

    „Hast du was rausbekommen?", fragte Mäuse-Mina gespannt.

    „Nun, sagte Mintz lässig, „ich glaube, wo der Kerl herkommt, gibt es keine Häuser mit Zentralheizung. Die Rohre der Heizkörper in seiner Wohnung sind alle durchgerostet. Viele schöne Löcher zum Rausgucken. Offenbar ist er gar nicht auf die Idee gekommen, sich dort abzusichern. Der hat keine Ahnung, was die Dinger darstellen sollen. Sie lachte selbstzufrieden.

    Mäuse-Mina überlegte. Das war ein wichtiger Hinweis. Wo immer der alte Mann herkam, hier jedenfalls schien er sich nicht richtig auszukennen.

    „Willst du etwa behaupten, du bist durch die Ofenrohre gekrochen?, fragte Miller ungläubig. „Die sind doch viel zu eng!

    „Für dich vielleicht, sagte Mintz mit einer Spur Gehässigkeit. „Aber ich bin eben nicht so eine dicke Maus wie du. Sie konnte manchmal sehr boshaft sein.

    „Ja ja, niemand ist so schlank und schön wie du, Mintz, sagte Müriel und verdrehte verächtlich die Augen. „Aber nun sag schon, was du gesehen hast.

    „Falls du etwas gesehen hast", sagte Miller beleidigt.

    „Er hat mitten im Wohnzimmer etwas gebaut, sagte Mintz triumphierend. „Aus Steinen. Und es hängt ein Kessel darüber, in dem er irgendwas kocht.

    „Eine Feuerstelle?. fragte Mäuse-Mina erstaunt. „Er hat eine Feuerstelle gebaut?

    Mintz nickte und putzte sich mit den Pfoten die Barthaare. Sie war sehr eitel. „Da ist Feuer zwischen den Steinen. Es kommt Dampf aus dem Kessel. Und dieser leckere Geruch."

    „Das ist aber nicht ungefährlich, sagte die Mäusemutter besorgt. „Offenes Feuer im Haus! Der spinnt wohl.

    Mäuse-Mina zuckte mit den Schultern. „Der Herd funktioniert mit Strom, und den gibt es hier nicht."

    „Wahrscheinlich weiß er gar nicht, was ein Herd ist", sagte Mintz verächtlich.

    „Was ist denn ein Herd?", fragte Miller.

    Die Familie stöhnte.

    „Das Ding, wo man Töpfe drauf stellt, um Essen in ihnen warm zu machen", sagte der Mäusevater.

    „Ach so, sagte Miller. „Na gut. Obwohl ich keine Ahnung habe, wozu das gut sein soll. Unser Essen ist doch auch nie warm.

    „Die Menschen sind da anders, sagte die Mäusemutter. „Sie mögen es, wenn ihr Essen richtig heiß ist. Trotzdem, das mit dem Feuer gefällt mir nicht. Wie leicht kann da was passieren, und mir nichts dir nichts brennt unser Haus ab.

    „Das will er wohl mit den Steinen verhindern, sagte Mäuse-Mina. Sie erinnerte sich dunkel an ein Bild in einem Buch. „An solchen Feuerstellen hat man früher das Essen warm gemacht, als es noch keinen Strom und keinen Herd gegeben hat.

    Kam der alte Mann aus der Vergangenheit und kannte sich deshalb nicht aus? Vielleicht hatte er hundert Jahre geschlafen. Oder tausend. Vielleicht hatte man ihn verzaubert, weil er böse und gefährlich war, und nun war er entkommen. Der Gedanke beunruhigte sie. Sie zupfte nachdenklich an den Wollfäden, die aus ihrer Kappe heraushingen.

    „Wie hat er das Feuer angemacht?, fragte sie. „Hast du das gesehen?

    „Ach ja, das ist das Tollste!, rief Mintz. „Das hätte ich fast vergessen. Sie schaute mit dramatischem Blick in die Runde. „Der alte Kerl spuckt Feuer!"

    „Was?", riefen die anderen wie aus einem Mund.

    Mintz nickte aufgeregt, und ihr Schwanz kringelte sich nervös. „Er speit Feuer! Aus seinem Mund. Ich hab´s gesehen. Er hat ihn aufgemacht, und es kam ein Feuerstrahl heraus. Irgendwie grünlich. Mit viel Rauch. Es klang, als ob eine Katze faucht. Widerlich! Der Feuerstrahl ging zwischen die Steine, und kurz darauf fing´s im Kessel an zu brodeln."

    Mäuse-Mina schüttelte den Kopf. „Das kann nicht sein. Niemand spuckt Feuer. So was gibt es gar nicht."

    „Genau!, rief Halbschwanz. „Der würde doch verbrennen, wenn da Feuer in ihm drin wäre. Du spinnst, Mintz! Willst uns ´nen Bären aufbinden, weil du als Einzige was gesehen hast. Er lachte sarkastisch, offensichtlich erfreut, sich für den Spott revanchieren zu können, mit dem seine Schwester ihn vorhin bedacht hatte.

    „Ich spinn überhaupt nicht!, rief Mintz hitzig. „Und wohl hab ich das gesehen! Kriech doch selber durch ein Ofenrohr und kuck´s dir an, du Blödmann! Dann wirste schon sehen!

    „Kinder! Kinder!, sagte die Mäusemutter besänftigend. „Vertragt euch! Das ist eine wichtige Angelegenheit. Wir müssen alles ganz genau wissen.

    „So ist es, sagte der Mäusevater. „Also, Mintz, bist du ganz sicher, dass du gesehen hast, wie der alte Mann Feuer spuckt?

    Mintz nickte würdevoll.

    „Vielleicht hat er ein Gerät gehabt, aus dem ein Feuerstrahl kam, meinte Mäuse-Mina. „Und du hast nur gedacht, er käme aus seinem Mund.

    „Nee!, sagte Mintz ärgerlich. „Ich hab´s genau gesehen. Das Feuer kam aus seinem Mund.

    Mäuse-Mina schwieg nachdenklich. Es war nicht so, dass Mintz eine notorische Lügnerin gewesen wäre, aber sie stand gerne im Mittelpunkt des Interesses, und manchmal schoss sie ein bisschen über das Ziel hinaus.

    „Mal angenommen, du hättest Recht, Mintz, sagte der Mäusevater, „was würde das bedeuten? Er sah Mäuse-Mina fragend an.

    Sie zuckte mit den Schultern. „Nur Drachen spucken Feuer."

    „Was sind denn Drachen?", fragte Miller.

    Die Familie stöhnte nicht.

    „Ja, was sind denn Drachen?", fragte der Mäusevater.

    „So was Ähnliches wie große Schlangen, aber mit Beinen und Flügeln. Mäuse-Mina dachte angestrengt nach. Sie erinnerte sich vage an Filme, die sie gesehen hatte, als sie noch bei ihrer Menschenfamilie lebte. „Sie spucken Feuer und sind ziemlich gefährlich. Aber ich glaube, es gibt sie nur in Geschichten. Vielleicht hat es sie vor langer Zeit gegeben. Keine Ahnung.

    „Große Schlangen mit Flügeln?, fragte Halbschwanz. „Das würd ich gern mal sehen.

    „Gib nicht so an, Halbschwanz, sagte Müriel. „So ein Drachendings würde dich vermutlich aus Versehen rösten, wenn es niest.

    Mintz lachte beifällig. „Oder unter einem Fuß zerquetschen, wenn es landet."

    „Ihr seid so doof!", schrie Halbschwanz. Er hatte sich schon oft bei Mäuse-Mina darüber beklagt, dass es Schwestern gab. Mäuseschwestern, wie er immer eilig hinzufügte.

    „Wenn ich das richtig verstanden habe, sagte der Mäusevater, „kann der alte Mann kein Drache sein, ob es sie nun gibt oder nicht, da er ein Mensch ist und keine Schlange mit Flügeln. Wieso kann er trotzdem Feuer spucken?

    „Wenn das überhaupt stimmt", warf Halbschwanz mürrisch ein.

    „Genau", sagte Miller, der im Zweifelsfall immer zu seinem Bruder hielt.

    „Ich weiß es nicht, sagte Mäuse-Mina. „Das müssen wir noch rausfinden. Wenn es wirklich stimmt, wär das sehr sonderbar und ein Grund mehr, auf der Hut zu sein. Hast du feststellen können, was er da in seinem Kessel kocht, Mintz?

    Die Mäusin schüttelte den Kopf. „Nee, leider nicht. Ich weiß nur, wie es riecht, aber das wissen wir ja alle."

    „Ich weiß, was er da kocht", sagte Zwick. Er war der jüngste Spross der Familie und hatte sich bislang noch nicht zu Wort gemeldet.

    „Du?, fragte Mintz spöttisch. „Woher willst du das wissen?

    „Ich pass noch besser durch die Ofenrohre als du, sagte Zwick, „und ich kann nicht nur durch die Löcher kucken, sondern auch rauskrabbeln.

    „Du bist in der Wohnung des alten Mannes gewesen?", fragte Mäuse-Mina.

    „Was fällt dir ein, Zwick?, rief die Mäusemutter. „Hast du nicht an die Fallen gedacht?

    „Doch, hab ich, sagte Zwick lässig. „Und ich hab einen großen Bogen um sie gemacht. Zuerst hab ich nur beobachtet, wie Mintz. Der alte Mann hat in seinem Kessel gerührt und gerührt, und dann hat er was von dem Zeug da drinnen mit einer Kelle ausgeschöpft, gewartet, bis es abkühlt, und dann hat er es zwischen den Händen gerieben, bis eine Stange draus geworden ist. Eine bräunliche Stange. Er hat sie sich angekuckt und dann hat er Feuer auf die Stange gespuckt. Danach war sie schwarz. Mintz hat Recht, wisst ihr? Er spuckt tatsächlich Feuer.

    „Da habt ihr´s!", rief Mintz triumphierend.

    „Ist die Stange verbrannt?", fragte Müriel.

    „Nee, sagte Zwick. „Sie ist irgendwie hart geworden. Er hat sie in eine Tüte gesteckt, die aussah, als ob schon viele Stangen drin wären. Dann hat er wieder von vorne angefangen und eine neue Stange gemacht. Ich hab gewartet, dass er mal abhaut, weil ich wissen wollte, was das für Stangen sind.

    „Zwick!", rief seine Mutter entsetzt.

    „Schließlich ist er in ein anderes Zimmer gegangen, fuhr Zwick ungerührt fort. „Und blieb ziemlich lange weg. War überhaupt nichts zu hören. Ich dachte, der pennt bestimmt. Bin aus dem Ofenrohr raus und rüber zu der Tüte. Blitzschnell. Hab ´n Loch reingenagt und mit den Zähnen ´n Stück von ´ner Stange abgebrochen.

    Er verschwand kurz in den Schatten des Kellergangs und kam dann wieder zurück. Dabei hatte er ein schwarzes längliches Stück, so groß wie das oberste Glied eines kleinen Fingers, in seinem Maul. Er ließ es fallen, und es rollte zwischen die anderen Familienmitglieder, verfolgt von neugierigen und misstrauischen Augen. Es war spiralenförmig gedreht, und auf vier Seiten zog sich eine dünne rote Linie durch das Schwarz.

    „Was ist ´n das?", fragte Miller.

    Mäuse-Mina nahm das Stück auf und betrachtete es genau. Sie roch daran. Es war der Geruch, der seit Tagen durchs Haus zog, nur schwächer.

    „Ich glaube, das ist Lakritze", sagte sie.

    „Lakritze?, fragte der Mäusevater, ehe Miller etwas sagen konnte. „Was soll das sein?

    „Ich hab mal so was gegessen. Es schmeckt nicht schlecht, solange man nicht zu viel davon isst. Süß, aber auch ein bisschen bitter. Es wird aus Pflanzen, Zucker und Mehl gemacht."

    „Kann ich mal probieren?", fragte Miller hoffnungsvoll.

    Mäuse-Mina schüttelte den Kopf. „Lieber nicht. Kommt mir nicht geheuer vor. Wieso macht der alte Mann da oben Lakritze in einem Kessel über einer Feuerstelle? Das ist verrückt. Man kann es überall im Supermarkt kaufen. Keiner macht es selbst."

    „Vielleicht will er es verkaufen, sagte Müriel. „Ein Lakritzemacher, der durch die Gegend zieht und sich so sein Geld verdient.

    Mäuse-Mina zog die Nase kraus. „Hab noch nie von so einem Lakritzeverkäufer gehört. Ich glaube kaum, dass man davon leben kann. Und außerdem, wieso hat er Feuer drauf gespuckt?"

    „Um sie fertig zu backen", meinte Miller, der immer noch gierig auf das Stückchen Lakritze starrte.

    „Diese roten Linien, sagte Mäuse-Mina nachdenklich. „Was es damit wohl auf sich hat?

    „Vergessen wir nicht etwas?, fragte Mintz. „Ich meine, der Typ spuckt Feuer! Wie ich euch vorhin schon gesagt habe. Aber mir glaubt ja keiner. Es ist immer noch ungeklärt, wieso er das kann, wenn er kein Drache ist.

    „Du hast Recht, sagte Mäuse-Mina. „Das mit dem Feuerspucken ist ´ne merkwürdige Sache. Ich glaube, der alte Mann ist nicht von hier. Am besten wär´s, wir versuchten erst mal rauszufinden, woher er kommt.

    „Wie machen wir das?", fragte Müriel.

    „Frag ihn doch einfach, sagte Halbschwanz zu Mäuse-Mina. „Ich würd´s tun.

    „Ja ja, der tapfere Halbschwanz, spottete Mintz. „Kämpft gegen Katzen und Drachen, und alle fürchten sich vor ihm.

    „Klappe, Mintz!" Halbschwanz streckte ihr die Zunge raus. Diese Geste hatten sich die Familienmitglieder von Mäuse-Mina abgeschaut. Sie wirkte bei ihnen sehr eigenartig.

    „Ich werd ihn ganz bestimmt nicht fragen, sagte Mäuse-Mina grimmig. „Ich will auf keinen Fall, dass er auf uns aufmerksam wird.

    „Wie willst du es sonst rausfinden?", fragte der Mäusevater.

    „Das Namensschild!, rief Mäuse-Mina. „Er hat doch ein Namensschild an seine Tür gehängt.

    Die Mäuse blickten skeptisch.

    „Lasst mich nur machen", sagte Mäuse-Mina.

    3

    Die folgenden Tage verbrachten Mäuse-Mina und ihre Familie damit, die Gewohnheiten des alten Mannes auszuspionieren. Man fand heraus, dass er jeden Vormittag um zehn aus dem Haus ging und um eins wieder zurückkam. Nachdem sich Mäuse-Mina von der Regelmäßigkeit dieses Vorgangs überzeugt hatte, schlich sie an einem grauen Morgen um halb elf durchs Treppenhaus nach oben, bewaffnet mit einem Blatt Pappkarton und einem Stückchen Kohle. Beides hatte sie im Keller gefunden.

    Nach langem Grübeln darüber, wie sie den Namen des alten Mannes von seinem Namensschild herunter und in ihr Ohr hinein zwingen könnte, hatte sie sich schließlich einen Plan ausgedacht, der ihr etwas kompliziert, aber machbar erschien.

    Verzagt stand sie vor der Tür der Wohnung im dritten Stock und lauschte einige Minuten bang ins Treppenhaus hinab, um sicherzugehen, dass der Alte sie nicht überraschen würde. Dann schaute sie sich die Zeichen auf dem Namensschild genau an und malte jedes einzelne sorgfältig mit Kohle auf der Pappe nach. Mehrmals verglich sie das Ergebnis mit dem Original, bis sie zufrieden feststellte, dass alle Striche und Bögen an den richtigen Stellen saßen. Ehrfürchtig faltete sie den Karton zusammen, ganz sorgfältig, um die Kohle nicht zu verschmieren. Es kam ihr vor, als hätte sie dem alten Mann durch Zauberkraft etwas gestohlen, und nun, da es in ihrem Besitz war, verschaffte es ihr ein wenig Macht über ihn. Sie überlegte kurz, ob er den Diebstahl bemerken könnte. Vielleicht sah man es den Zeichen an, wenn man sie abmalte und ihre Bedeutung mit sich davontrug. Vielleicht nutzten sie sich dadurch ein bisschen ab, und ihr Besitzer merkte es, wenn er genau hinsah.

    Mäuse-Mina zuckte mit den Schultern. Das war ein Risiko, das sie eingehen musste.

    Jetzt, da sie die Zeichen gestohlen hatte, wusste sie aber immer noch nicht, wie sie klangen, wenn man sie las und aussprach. Hier wurde ihr Plan ein wenig gefährlich, denn sie brauchte jemanden, der ihr die Zeichen auf dem Karton vorlas.

    Sie hatte nicht viel Auswahl. Von der Kellertür auf der hinteren Seite des Hauses aus schaute sie hinüber zur Schule und wartete darauf, dass es zur Pause klingelte. Es war ein trüber Tag. Krähenwetter, nannte Mäuse-Mina es für sich, denn an solchen Tagen saßen die schwarzen Vögel überall mit eingezogenen Köpfen auf Zäunen und Ästen oder watschelten in Gruppen nachdenklich über den Rasen.

    Endlich erklang das vertraute Klingeln, und die Kinder strömten auf den Schulhof. Es hatte keinen Zweck, sich einer Gruppe zu nähern. Man würde Radau machen, spotten, lachen und dadurch womöglich einen Lehrer herbeilocken. Mäuse-Mina musste ein einzelnes Schulkind erwischen und versuchen, möglichst unauffällig mit ihm ins Gespräch zu kommen.

    Zunächst wollte sich keine Gelegenheit ergeben. Die meisten Kinder standen in Grüppchen zusammen oder rannten umher oder rannten sogar in Grüppchen umher. Es gab Auseinandersetzungen, vor allem zwischen Mädchen und Jungen. Boten wurden von den Grüppchen ausgeschickt, überbrachten Beleidigungen oder Herausforderungen und wurden mit Worten oder Taten in die Flucht getrieben und gejagt. Dann wurde unter höhnischem Gelächter gewartet, bis sich ein weiterer herantraute. Insgesamt war es ein lautstarkes Spektakel, und Mäuse-Mina, die das Treiben auf dem Schulhof noch nie so genau beobachtet hatte, fragte sich ungeduldig, wie sie ihr Ziel erreichen könnte. Schließlich klingelte es wieder und alle Kinder verschwanden schlagartig im Schulgebäude. Der Schulhof, eben noch Schauplatz ausgelassenen Trubels, lag verlassen und still da, als wäre alles nur ein Spuk gewesen.

    „Das wird nichts, sagte Mintz, die Mäuse-Mina begleitete, um ihr den Rücken zu stärken. „Du wirst auffallen, sobald du dich dem Zaun näherst.

    „Wir müssen eben Geduld haben, sagte Mäuse-Mina, vor allem zu sich selbst, denn insgeheim teilte sie die Befürchtungen ihrer Mäuseschwester. „Manche Pausen sind länger. Dann werden sie vielleicht müde, bevor es wieder klingelt.

    In der nächsten Pause ging es zunächst genauso zu wie in der vorigen, doch zu Mäuse-Minas eigener Überraschung traf ihre Vorhersage ein. Das Treiben beruhigte sich nach einer Weile, die Gruppen entfernten sich voneinander und blieben für sich oder lösten sich auf. Manche der Kinder zogen sich zu zweit in eine Ecke zurück, vielleicht um mit dem engsten Freund oder der engsten Freundin Neuigkeiten oder Geheimnisse zu besprechen. Andere blieben allein, aßen ihr Pausenbrot oder starrten wie gebannt auf ihr Handy.

    Mäuse-Mina beobachtete alles aufmerksam. In der Nähe der Ecke, die an das Rasenstück hinterm Haus grenzte, stand ein Junge an den Drahtzaun gelehnt. Die Schatten einer Fichte fielen auf sein Gesicht und verbargen seine Gedanken. Man konnte nicht sehen, ob er unbedingt allein sein wollte, aber Mäuse-Mina hatte keine Wahl. Die Pause würde bald zu Ende sein, und dies war vielleicht die beste Gelegenheit, die sich ihr bieten würde.

    „Der da?", fragte Mintz zweifelnd.

    „Der da", sagte Mäuse-Mina.

    Mintz rümpfte zweifelnd die Nase. „Aber der hat rote Haare."

    „Na und?"

    „Ich kannte mal eine Katze, die solche Haare hatte. Ein widerliches Mistvieh. Hätte mich fast gefressen."

    „Darauf kann ich jetzt keine Rücksicht nehmen", sagte Mäuse-Mina entschlossen und schlich unauffällig hinüber zum Zaun. Mintz folgte ihr durch das Gras, blieb aber einige Schritte hinter ihrer Adoptivschwester zurück.

    Mäuse-Mina hockte sich in die Schatten der Fichte neben dem Zaun. Außer dem Jungen waren keine Kinder in unmittelbarer Nähe, und niemand achtete auf sie.

    „He! Du da!", rief sie leise.

    Der Junge am Zaun blickte kurz zur Seite, ohne Mäuse-Mina zu entdecken.

    „Du da! Mit den roten Haaren!", rief Mäuse-Mina etwas energischer.

    Der Junge löste sich vom Zaun und drehte sich um. Als er Mäuse-Mina im Gras sitzen sah, schaute er sich unsicher um.

    „Ich?", fragte er.

    „Ja. Komm mal her!"

    „Warum?", fragte der Junge misstrauisch.

    „Ich will dich was fragen. Keine Sorge,

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