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Marismera: Die Insel der Zaubersmaragde
Marismera: Die Insel der Zaubersmaragde
Marismera: Die Insel der Zaubersmaragde
eBook319 Seiten4 Stunden

Marismera: Die Insel der Zaubersmaragde

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Über dieses E-Book

Die elfjährige Veronica kann ihren Augen kaum trauen, als sie einem sprechenden Hund und einer sprechenden Katze gegenübersteht. Diese waren mit einem fliegenden smaragdfarbenen Boot auf einem kleinen See vor Veronicas Augen gelandet. Aus dem Gespräch mit ihnen erfährt Veronica, dass die beiden aus Marismera stammen, einer vom Rest der Welt abgeschnittenen Insel, und dringend Veronicas Hilfe brauchen. Sie sollte den zwei Tieren dazu verhelfen, deren einstige menschliche Gestalten wiederzuerlangen. Doch dafür muss Veronica mit dem fliegenden Boot nach Marismera reisen und sich dort auf die Suche nach acht Zaubersmaragden begeben, die überall versteckt sein könnten – auch in dem gefahrvollen Urwald in der Inselmitte. Als Veronica beschließt, sich auf das Abenteuer einzulassen, ahnt sie nicht, welche Überraschungen und Gefahren dieses für sie bereithält. Doch bald entdeckt sie, dass sie sich dem nicht allein stellen muss, denn neue, außergewöhnliche Freunde schließen sich ihr an. Wird es ihnen gelingen, die Zaubersmaragde ausfindig zu machen? Und werden sie sich vor dem schauderhaften Monster in Acht zu nehmen wissen, das in dem großen Urwald lauert und sich zum Ziel gesetzt hat, Veronica an ihrer Aufgabe zu hindern?

Abenteuerroman für Kinder ab 10 Jahren, ebenso für Jugendliche und junggebliebene Erwachsene.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum18. Juli 2017
ISBN9783737587990
Marismera: Die Insel der Zaubersmaragde

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    Buchvorschau

    Marismera - Anna-Maria Nagy

    Impressum

    Copyright © 2017 Anna-Maria Nagy

    Alle Rechte vorbehalten

    Lektorat: Brigitte Eifert

    Umschlaggestaltung: Jeannette Zeuner, www.bookdesigns.de

    Umschlagmotive: © Ase/shutterstock; © Michele Pacione/shutterstock

    Verlag: neopubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

    ISBN 978-3-7375-8799-0

    Für meine Mutter

    Inhalt

    Impressum

    Inhalt

    Kapitel 1: Veronica nimmt Abschied

    Kapitel 2: Das fliegende Boot

    Kapitel 3: Die Katze, die keine Katze ist, und der Hund, der kein Hund ist

    Kapitel 4: Die Reise nach Marismera

    Kapitel 5: Die misslungene Landung

    Kapitel 6: Der Smaragd des Regens

    Kapitel 7: Das Schicksal des fliegenden Bootes

    Kapitel 8: Der Smaragd der Gesundheit

    Kapitel 9: Die Haie des Ozeans

    Kapitel 10: Ein geplatzter Traum

    Kapitel 11: Der Angriff

    Kapitel 12: Der Smaragd der Verwandlung

    Kapitel 13: Das neue Bandmitglied

    Kapitel 14: Der Smaragd des Glücks

    Kapitel 15: Der Smaragd des Mutes

    Kapitel 16: Der zweite Angriff

    Kapitel 17: Die Blaue Spinne

    Kapitel 18: Der Smaragd des Feuers

    Kapitel 19: Der Smaragd des Fliegens

    Kapitel 20: Der Smaragd der Liebe

    Kapitel 21: Zwei besondere Geschenke

    Kapitel 22: Der Felixia-Wettbewerb

    Kapitel 23: Der Abschied und das Wiedersehen

    Epilog: Neun Tage später

    Die neun Monate auf Marismera

    Die neun Wochentage

    Die neun Feiertage

    Über die Autorin

    Kapitel 1: Veronica nimmt Abschied

    Veronica schlug die Augen auf. Ihr Blick fiel auf das breite Fenster gegenüber, durch das grelle Sonnenstrahlen hereinfielen, die sie blendeten. Einen Augenblick lang wusste sie nicht, wo sie sich befand, und sie konnte sich nicht erklären, weshalb die Unterlage, auf der sie lag, sich so hart anfühlte. Das war gar nicht ihr Bett! Dann fiel es ihr ein: Sie war hier eingeschlafen. Sie setzte sich auf und blickte zum Fernseher in der Ecke. Er war schwarz und stumm. Sie konnte sich nicht erinnern, ihn gestern Abend ausgeschaltet zu haben. Ob er …? Doch sie brachte den Gedanken nicht zu Ende, denn schon war sie aufgesprungen und aus dem Zimmer hinaus in den kleinen Eingangsflur gerannt. Dort waren seine Schuhe … und an der Garderobe hing seine Jacke. Er war zurückgekehrt. Er hatte den Fernseher ausgeschaltet.

    Sie kehrte ins Zimmer zurück und setzte sich auf das harte Sofa, auf dem sie die Nacht verbracht hatte. Wann war er zurückgekommen? Und wie würde sie ihm ihr Vorhaben beibringen? Ruckartig drehte sie sich um und sah hinter das Sofa. Ihr kleiner Rollkoffer stand immer noch da. Und auf dem Glastisch neben dem Sofa erblickte sie Reste des Mohnkuchens, den sie gestern nach der Schule gekauft hatte. Für ihren elften Geburtstag – den er vergessen hatte.

    Plötzlich vernahm sie Schritte, die aus dem Flur zwischen dem Wohnzimmer, in dem sie sich befand, und den hinteren Schlafzimmern kamen. Das Wohnzimmer hatte zwei gegenüberliegende Türen, eine, die in den kleinen Eingangsflur führte, in dem sie soeben gewesen war, und eine andere, die in den langen hinteren Flur führte, durch den man zu den Schlafzimmern gelangte. Diese zweite Tür öffnete sich nun mit einem leisen Quietschen. Im Türrahmen erschien ihr Bruder. Veronica nahm wahr, wie er seinen Blick über die Bettdecke und das Kopfkissen schweifen ließ, die neben ihr auf dem Sofa lagen. Ohne ein Wort durchquerte er das Wohnzimmer und verließ es durch die andere Tür, die in den Eingangsflur führte. Von dort aus betrat er die Küche.

    Veronica blieb einige Augenblicke sitzen, bevor sie ihrem Bruder nachlief. Als sie die Küche betrat, schmierte er sich gerade im Stehen eine Brotscheibe mit Butter und Marmelade. Sie setzte sich an den Küchentisch und beobachtete ihn.

    „Wann ist er heimgekommen?", durchbrach sie die Stille.

    Ihr Bruder stellte das Marmeladenglas zurück in den Kühlschrank und nahm den Teller mit der Brotscheibe in die Hand. „Wieso fragst du das mich? Du hast die ganze Nacht auf ihn gewartet." Damit wandte er sich zum Gehen.

    Veronica sah ihm nach. „Wo gehst du hin?"

    „In mein Zimmer."

    „Warum frühstückst du nicht hier?"

    „Ich hab meinen Computer schon eingeschaltet." Ohne ein weiteres Wort verließ er die Küche.

    Veronica sprang auf und lief ihm in den Flur nach. „Dennis, warte!"

    „Was ist?"

    „Ich bin eingeschlafen. Ich hab nicht mitbekommen, wann er nach Hause gekommen ist. Sie sah sich in dem kleinen Eingangsflur um. „Seine Jacke und seine Schuhe sind hier.

    Ihr Bruder biss ein Stück von seiner Brotscheibe ab. „Er schläft. Tief und fest. Bis zum Nachmittag kriegst du ihn nicht wach."

    „Ich will heute mit ihm reden."

    Schwach lächelnd wandte sich ihr Bruder wieder zum Gehen. „Viel Spaß." Mit diesen Worten ging er ins Wohnzimmer, dann den langen hinteren Flur entlang zu seinem Zimmer.

    Veronica kamen die Tränen, als sie ins Wohnzimmer zurückging und sich auf das unbequeme Sofa sinken ließ. Die Wanduhr zeigte sieben Uhr an. Als sie überlegte, ob sie sich für ein paar Stunden wieder hinlegen sollte, hörte sie erneut Schritte im hinteren Flur. Schwere Schritte und ein trockenes Husten. Er war wach! Hastig wischte sie sich die Tränen ab und sprang auf die Beine. Im gleichen Augenblick schwang die Tür auf.

    „Papa!"

    Ihr Vater starrte sie an. Sein Haar war zerzaust und unter seinen Augen traten dunkle Augenringe hervor. Sein schlaftrunkener Blick fiel auf die Bettdecke und das Kopfkissen auf dem Sofa. Schweigend durchquerte er das Wohnzimmer und ging in Richtung Küche. Veronica folgte ihm und setzte sich erneut an den Küchentisch.

    Geräuschvoll durchstöberte ihr Vater mehrere Schubladen. „Haben wir kein Aspirin mehr?"

    „In der oberen Schublade", antwortete sie.

    Er stöberte weiter. „Da sind keine. Seufzend setzte er sich ihr gegenüber und stützte den Kopf auf die Hände. „Ich habe entsetzliche Kopfschmerzen. Musst du heute nicht in die Schule?

    „Wir haben Sommerferien. Weißt du nicht mehr? Heute ist der erste Ferientag."

    Er sah auf. „Warum hast du im Wohnzimmer geschlafen?"

    „Ich hab auf dich gewartet."

    „Wieso?"

    „Ich wollte mit dir reden."

    „Worüber denn?"

    Sie zögerte. „Darüber, dass du jeden Abend betrunken nach Hause kommst."

    „Ich komme nicht jeden Abend –"

    „Doch! In den letzten Wochen schon. Du hast damit angefangen, als du arbeitslos wurdest. Aber das ist schon ein halbes Jahr her! Am Anfang hast du dich nur am Wochenende betrunken, dann immer öfter, und seit Wochen jeden Tag. Das weißt du genauso gut wie ich!"

    „Veronica bitte … Schrei nicht so. Mein Kopf platzt. Das ist nur eine vorübergehende Situation. Bald werde ich wieder Arbeit finden und dann wird alles so sein wie früher."

    „Das sagst du schon seit Monaten. Sie hielt inne. „Das sind die ersten Sommerferien, in denen wir nicht in Urlaub fahren. Wir sind bis jetzt jeden Sommer ans Meer gefahren – auch nachdem Mama gestorben war.

    Ihr Vater wich ihrem Blick aus. „Wir können uns dieses Jahr keinen Urlaub leisten. Du und Dennis wisst das doch. Das Arbeitslosengeld reicht kaum zum Leben aus."

    „Warum gehst du dann jeden Abend aus und betrinkst dich?"

    „Das zahl’ ich nicht von meinem Geld. Meine Freunde spendieren mir die Getränke."

    „Tolle Freunde hast du, Papa. Nun wich sie seinem Blick aus. „Du hast vergessen, dass gestern mein Geburtstag war.

    Ihr Vater schwieg.

    „Ich habe letzte Nacht nicht deshalb auf dich gewartet, fuhr sie fort. „Sondern, weil ich dir sagen wollte, dass ich dich nicht mehr jeden Tag betrunken sehen will ... und dass ich weggehe.

    „Was meinst du damit?"

    „Ich laufe von zu Hause weg."

    „Spiel nicht mit mir, Veronica. Ich bin voll verkatert."

    „Meinen Koffer habe ich schon gepackt. Abrupt stand sie auf und hastete ins Wohnzimmer. Dort griff sie nach ihrem kleinen Rollkoffer und kehrte mit ihm in die Küche zurück. „Und wie du siehst, habe ich letzte Nacht nicht im Schlafanzug geschlafen, sondern in meiner Tageskleidung. Ich brauche mir nur noch die Schuhe anzuziehen und dann bin ich weg. Sie sah ihren Vater lange an, zögerte kurz, dann fügte sie hinzu: „Als Mama gestorben ist, passierte das in einer Sekunde. Seitdem sind zwei Jahre vergangen ... aber du benimmst dich so, als würde sie seitdem jede Sekunde sterben. In diesem Haus gibt es keine Freude mehr, kein Lachen. Nur noch ernste Gesichter. Und in letzter Zeit den Alkohol. Ich vermisse Mama auch sehr, aber ... Erneut zögerte sie. „Ich weiß, du glaubst mir nicht ... aber ich spreche oft mit ihr. Und sie spricht mit mir. Ich weiß nicht, wie, aber ich kann sie hören. Und sie hat mir jedes Mal gesagt, dass sie nicht will, dass wir traurig sind, weil sie fort ist. Denn sie ist nicht fort ... sie meinte, dass sie immer in unserer Nähe ist. Und ich spüre das auch. Spürst du es denn nicht?

    „Du täuschst dich selbst, Veronica. Deine Mutter ist tot. Für immer. Sie kann nicht mit dir sprechen, weil sie nicht mehr existiert. Ich verstehe, dass du in deinem Alter noch an solche Dinge glaubst. Aber es gibt keine Magie, das wirst du noch herausfinden."

    „Ich glaube, du täuschst dich, Papa." Veronica wandte sich rasch um und schleppte ihren Koffer in den Eingangsflur. Dort zog sie schnell ihre Sandalen an.

    Einige Sekunden später erschien ihr Vater hinter ihr. Er räusperte sich. „Veronica ... Wegen deines Geburtstags – das tut mir sehr leid ..."

    Schweigend berührte sie die Wohnungstürklinke.

    „Und wo willst du hingehen, wenn ich das wissen darf?", fragte er.

    „Weit weg! Ganz weit weg!"

    „Ich finde dein Spiel spannend. Aber ich weiß, dass du in ein paar Minuten wieder da bist."

    Veronica drückte die Klinke nieder und öffnete die Tür. Dann sagte sie, ohne sich umzudrehen: „Ich hab mich von Dennis nicht verabschiedet. Sag ihm, er soll auf dich aufpassen. Mach’s gut, Papa."

    Kapitel 2: Das fliegende Boot

    Veronica schlang die Arme um ihre Knie und blickte aufs Wasser hinaus. Sie saß auf einer niedrigen Holzbank an einem kleinen See, nicht weit von ihrer Wohnung entfernt, an dem sie früher oft mit ihrer Mutter gewesen war. Das Ufer, an dem sie sich befand, war menschenleer, und am anderen Ufer erblickte sie nur zwei Jogger. Es war noch zu früh für Spaziergänger. Die Sonne stand noch nicht hoch am Himmel, doch ihre Strahlen tanzten bereits auf der stillen Wasseroberfläche. Nicht weit von Veronica entfernt glitten zwei Enten still über das Wasser.

    Ihre Mutter hatte den See geliebt – von ihr hatte Veronica die Liebe zum Wasser geerbt: zu den Flüssen, Bächen, Seen und vor allem zum Meer. Dies waren die ersten Sommerferien, die sie nicht am Meer verbringen würde. Als ihre Mama noch gelebt hatte, waren sie jedes Jahr dreimal in Urlaub gefahren – jedes Mal ans Meer. In den Sommerferien waren sie immer ins Ausland gefahren, während sie die Oster- und Weihnachtsferien in Deutschland verbracht hatten, abwechselnd an der Ostsee und der Nordsee. Auch letzten Sommer, ein Jahr nach Mamas Tod, waren Veronica, ihr Vater und ihr Bruder zusammen an die Westküste Frankreichs gefahren. Doch dieses Jahr reichte das Geld nicht für einen Urlaub. Veronica vermisste das Meer sehr, und wenn sie daran dachte, dass sie sich dieses Jahr nicht in seiner Nähe befinden würde, spürte sie den Schmerz nicht nur in ihrem Herzen, sondern im ganzen Körper.

    Sie konnte verstehen, dass ihr Vater nach dem Tod ihrer Mutter traurig war, sie konnte aber nicht begreifen, warum er sich in den letzten Monaten immer öfter betrank und fast jeden Tag spät in der Nacht nach Hause kam. Sie wünschte sich sehr, dass er wieder eine Arbeit fand und mit dem Trinken aufhörte. Auch wünschte sie sich, die Atmosphäre bei ihnen zu Hause wäre wieder so fröhlich wie zu der Zeit, als ihre Mutter noch lebte. In den vergangenen zwei Jahren hatte Veronica ihren Vater kaum lächeln sehen; und ihr Bruder, der früher ihr bester Freund gewesen war, schloss sich nun die ganze Zeit, die er zu Hause war, in seinem Zimmer ein und blieb allein mit seinem Computer. Veronica vermisste ihre Mama auch sehr, aber aus den täglichen Gesprächen, die sie mit ihr führte, wusste sie, dass diese nicht wollte, dass ihre Familie so lange um sie trauerte. Erst vor kurzem, als Veronica ihr erzählte, wie schlimm es um ihren Vater stand, hatte ihre Mutter ihr gesagt: „Mein Tod war nicht so schlimm, wie ihr ihn euch vorstellt; ich starb bei dem Autounfall sofort, in weniger als einer Sekunde. Es ist normal, dass ihr eine Weile um mich trauert, aber dein Vater leidet seit zwei Jahren umsonst – in seinem Kopf stellt er sich ununterbrochen vor, wie ich sterbe. Da wundert es mich nicht, dass er seine Arbeit verloren hat und sein Leben nicht auf die Reihe kriegt. Er leidet unter einer falschen Vorstellung, nicht unter meinem Tod, der kurz und schmerzlos war und sich nur einmal ereignet hat. Es ist auch normal, dass ihr mich vermisst, aber deshalb braucht ihr nicht euer Leben aufzugeben; außerdem bin ich gar nicht so weit weg – ich bin ganz in eurer Nähe, die ganze Zeit, und werde es immer sein. Nur dass ihr mich nicht mehr mit euren Augen sehen könnt, aber dafür mit euren Herzen. Du spürst es, deshalb können wir uns auch miteinander unterhalten. Veronica hatte versucht, all dies ihrem Vater zu erklären, aber sie hätte wissen müssen, dass er es nicht glauben würde. Sie wusste selbst nicht, warum sie die Gegenwart ihrer Mutter so stark spürte und mit ihr sprechen konnte. „Magie hatte ihr Vater es genannt, und er war der Meinung, dass es so etwas nicht gab.

    Während sie weiter auf die Wasseroberfläche starrte, begann sie sich zu überlegen, wo sie als Nächstes hingehen könnte. Sie hatte nicht viele Verwandte; ihre Mutter war ein Einzelkind gewesen und ihr Vater hatte nur einen Bruder. Dieser lebte mit seiner Familie in Hamburg, und das lag in Norddeutschland, während Veronica in Süddeutschland lebte. Ihr erspartes Taschengeld würde für eine Fahrkarte nach Hamburg nicht reichen. Und selbst wenn sie irgendwie dorthin käme, würde ihr Onkel sie mit dem ersten Zug zurückschicken. Anita, ihre beste Freundin, konnte sie auch nicht besuchen, denn diese verbrachte die Ferien bei ihren Großeltern. Veronicas Großeltern hingegen lebten nicht mehr.

    Während sie sich den Kopf darüber zerbrach, was sie als Nächstes tun sollte, kamen ihr die Tränen. Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen und ließ den Tränen freien Lauf. Nach einiger Zeit hob sie den Kopf und blickte wieder auf den ruhigen See hinaus. Ihr Blick war von den Tränen getrübt, doch sie konnte die zwei Enten von vorhin erkennen. Und durch den Schleier ihrer Tränen erkannte sie noch etwas, das hoch über den Enten, mitten in der Luft, zu schweben schien.

    Verwundert rieb sie sich die Augen. Dann blinzelte sie ein paar Mal, um wieder klar zu sehen, und schaute nach oben. Einige Meter über der Stelle, an der die Enten über das Wasser glitten, schwebte mitten in der Luft ein kleiner Gegenstand. Er war so klein wie eine Obstschale, hatte aber die Form eines Bootes. Seine türkisgrüne Farbe glänzte wie ein Smaragd in der strahlenden Sonne. Ganz langsam schien das kleine Boot auf das Wasser zuzusteuern.

    Veronica blickte oberhalb des Bootes, um nach einem Seil zu suchen, an dem es womöglich hing. Ihr erster Gedanke war, dass jemand in einem der Bäume am Ufer versteckt war und sich einen Scherz erlaubte. Doch das Boot schien an keinem Seil zu hängen – es schwebte so sicher und eigenständig in der Luft, als befände es sich auf dem Wasser.

    Mit pochendem Herzen beobachtete Veronica, wie sich das Boot langsam der Stelle auf dem Wasser näherte, an der die zwei Enten schwammen. Offenbar wollte es auf dem See landen. Als wollten sie Platz machen, entfernten sich die Enten gemächlich von der Stelle. Das Boot war nur noch etwa einen Meter vom Wasser entfernt, als zwei Köpfe aus seinem Inneren hervorlugten. Veronica schlug ihre Hand vor den Mund, um einen Schrei zu unterdrücken. Denn aus dem türkisgrünen Boot in der Luft schauten eine kleine schneeweiße Katze und ein dunkelbrauner Hund hervor. Beide stützten ihre Vorderpfoten auf dem oberen Rand des Bootes ab und blickten auf den See unter ihnen.

    Veronica sprang auf und versteckte sich hinter der Bank. Dann streckte sie den Kopf ein wenig seitlich hervor, um zu beobachten, was als Nächstes geschah.

    Für einen kurzen Augenblick verschwanden die Katze und der Hund im Inneren des Bootes, und als ihre Köpfe wieder hervorschauten, kam eine große hellgrüne Flasche zum Vorschein. Die zwei kleinen Tiere stützten die Flasche mit ihren Vorderpfoten und hielten sie hoch über den Bootsrand. Dann neigten sie sie leicht und ein smaragdfarbenes Pulver schoss hervor. Augenblicklich erfüllte grünlich schimmernder Glitzer, der zu Veronica herüberwehte, die Luft. Kleine Glitzerpartikel fielen auf sie wie Schneeflocken im Winter herab, nur dass sie smaragdgrün waren. Sie fühlte sich mit einem Mal benommen und verspürte den Drang zu niesen. Mehrmals hintereinander nieste sie. Als sie wieder um sich blickte, war der Glitzer verschwunden und ihre Benommenheit verflogen.

    Das Boot ließ sich nun auf dem Wasser nieder, nur ein paar Meter von Veronica entfernt, und steuerte langsam auf das Ufer zu. Es hatte keine Ruder und es war auch kein Motorengeräusch zu hören. Das Boot schien von selbst zum Ufer zu gleiten. Als es auf dem kiesbedeckten Ufer angelangt war, sprangen die zwei Bootsinsassen heraus. Die weiße Katze war eine Spur kleiner als ihr Begleiter und hatte eine himmelblaue Schleife um den Hals. Der dunkelbraune Hund trug keine Schleife, hatte aber einen großen weißen Fleck oberhalb des rechten Auges.

    Veronica stellte mit Entsetzen fest, dass die zwei in Richtung ihrer Bank kamen. Und dann sah sie die Katze ihre Lippen bewegen.

    „Die Arme, sie ist erschrocken."

    Als Veronica diese Worte vernahm, presste sie beide Hände gegen den Mund, um nicht loszuschreien.

    Kapitel 3: Die Katze, die keine Katze ist, und der Hund, der kein Hund ist

    Veronica wäre über die weite Wiese, die sich hinter der Bank erstreckte, schon längst davongelaufen, wenn sie sich nicht erinnert hätte, dass ihr Koffer noch immer vor der Bank stand. Sie wollte ihn nicht zurücklassen, wagte jedoch nicht, aus ihrem Versteck hervorzukommen.

    Hinter der Bank geduckt, wartete sie, dass die zwei merkwürdigen Gestalten, die soeben aus dem fliegenden Boot gestiegen waren, wieder verschwanden. Um nicht entdeckt zu werden, vergrub sie ihr Gesicht zwischen den Knien und machte sich so klein wie möglich.

    Kurz darauf vernahm sie zu ihrer Rechten ein leises Rascheln. Vorsichtig hob sie den Kopf. Der dunkelbraune Hund war um die Bank herumgekommen und stand jetzt nur wenige Schritte von ihr entfernt.

    „Hallo", sagte er.

    Veronica wollte sofort losrennen. Doch als sie sich aufzurichten versuchte, sackten ihr die Beine ein und sie fiel nach hinten.

    Nun war auch die Katze um die Bank herumgekommen und stellte sich neben den Hund. „Guten Morgen", sagte sie.

    Auf dem Boden liegend, tastete Veronica nach einem Stein, mit dem sie sich würde wehren können, falls die zwei sie angreifen würden.

    „Es tut uns leid, dass wir dich so überfallen, sprach wieder die Katze. „Es ist nicht unsere Absicht, dich zu erschrecken.

    „Ich hoffe, dass wir durch unser für dich etwas ungewöhnliches Auftauchen, sagte der Hund, „keinen allzu schlechten Eindruck auf dich gemacht haben. Wir würden uns gerne mit dir anfreunden, denn wir brauchen deine Hilfe.

    Veronica sah sich um, doch es waren weit und breit keine Menschen zu sehen, die ihr hätten zu Hilfe kommen können. Sie war nun bereit, sich auch ohne ihren Koffer davonzumachen. Wenn ihre Beine ihr nur gehorchen würden!

    Die Katze trat einen Schritt vor. „Du brauchst keine Angst vor uns zu haben. Wie du siehst, sind wir klein und machtlos. Es geht keine Gefahr von uns aus."

    „Wenn du möchtest, sagte der Hund, „kannst du aufstehen und dich wieder auf die Bank setzen. Wir sind nicht hier, um dir etwas anzutun, sondern weil wir deine Hilfe brauchen.

    Veronica fasste sich an die Schläfen und murmelte vor sich hin: „Ich träume. Das ist nur ein Traum. Bald wache ich wieder auf." Sie schloss die Augen und hoffte, dass die zwei sich bald in Luft auflösen würden. Doch als sie Sekunden später die Augen wieder öffnete, standen die zwei sprechenden Tiere immer noch vor ihr.

    „Dies ist kein Traum, das kann ich dir versichern, sagte die Katze. „Wir wissen, wie ungewöhnlich es dir vorkommen muss, zwei sprechenden Tieren zu begegnen. Aber wir sind in Wirklichkeit gar keine Tiere. Es würde uns sehr glücklich machen, wenn du uns eine Chance geben würdest ... und uns zuhörtest.

    Als Veronica begriff, dass die zwei nicht die Absicht hatten, sie anzugreifen, fasste sie ein wenig Mut. „Wie ... wie könnt ihr sprechen?"

    Der Hund seufzte. „Das ist eine lange Geschichte. Wenn du bereit bist, sie dir anzuhören, erzählen wir sie dir gern."

    „Vorher sollten wir uns aber vorstellen, sagte die Katze. „Ich heiße Lidia und das ist Ricky, mein Verlobter. Und wie heißt du?

    Als Veronica nichts erwiderte, sagte der Hund: „Ist in Ordnung, vielleicht verrätst du uns später deinen Namen. Möchtest du jetzt aufstehen und dich auf die Bank setzen?"

    Veronica zwickte sich in den Arm, doch der Schmerz verriet ihr, dass dies kein Traum war. Vielleicht bin ich verrückt geworden, dachte sie, und ich bilde mir ein, dass Katzen und Hunde sprechen können. Sie erinnerte sich an das, was ihr Vater an diesem Morgen zu ihr gesagt hatte, nämlich dass es keine Magie gab. Er sollte in diesem Moment hier sein!

    „Wir sind dir sehr dankbar, sagte die Katze nun, „dass du nicht vor uns weggelaufen bist. Nicht viele Menschen lassen sich auf ein Gespräch mit uns ein. Die meisten laufen schon davon, wenn sie von weitem unser Boot sehen.

    Veronica beschloss herauszufinden, wie verrückt sie denn nun geworden war. Sie würde den beiden den Gefallen tun und ihnen zuhören. Wenn dies nur ein Traum war, müsste sie früher oder später wieder aufwachen. Sie richtete sich auf und umklammerte mit ihrer Hand einen kleinen Stein. Wenn es nötig wäre, würde sie sich damit wehren. Langsam ging sie um die Bank herum und setzte sich darauf. Der Hund und die Katze folgten ihr und setzten sich auf ihre Hinterpfoten ihr gegenüber. Das kleine Boot lag nur ein paar Schritte hinter ihnen am Ufer.

    „Wir kommen aus Marismera, begann der Hund, „und bevor wir Hund und Katze wurden, waren Lidia und ich normale Menschen. Genauso wie du.

    „Fast", fügte seine Begleiterin hinzu.

    Veronica blickte sich um, doch es waren immer noch keine Menschen auf dieser Uferseite. „Wo ist Marismera?", fragte sie.

    „Mitten in einem großen Ozean, erwiderte der Hund. „Es ist eine Insel. Dort sind wir geboren und dort haben wir unser ganzes Leben verbracht. Allerdings nicht immer in diesen Gestalten. Bis vor fünfzehn Jahren waren wir noch Menschen – jung und hübsch. Lidia war jedenfalls sehr hübsch. Der Hund schaute seine Begleiterin verschmitzt an.

    „Und jetzt sind wir fünfunddreißig Jahre alt und du siehst, was aus uns geworden ist", fügte die Katze hinzu.

    „Was ist denn passiert?", fragte Veronica.

    „Als wir beide zwanzig waren, wurden wir

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