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Stracciatella und Mitropa: Kurzgeschichten
Stracciatella und Mitropa: Kurzgeschichten
Stracciatella und Mitropa: Kurzgeschichten
eBook205 Seiten1 Stunde

Stracciatella und Mitropa: Kurzgeschichten

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Über dieses E-Book

Über fragmentarisch versachlichte Kurzgeschichten spannt der Autor Bögen zwischen sächsischer Kleinstadtidylle und mecklenburgischer Ostseeregion, beschreibt Sachen von vor dem Mauerfall bis ins Heute.
Darüber hinaus lotet er die Belastungsgrenzen des Lesers aus, wenn er sich kritisch, boshaft und satirisch an die Sicht eines mittelkleinen Mannes auf noch kleinere Männer, auf Randgruppen sogar, wagt, um diese dann in die Mitte zu rücken, und mit Hang zur Alltagsdetailversessenheit darzustellen.
Auch macht sich der Schreiber über dies und jenes lustig, wenn er zum Beispiel kleinlich und eifrig energische Texte präsentiert, die seziert Situationen und Szenen mittels seltsamer Wortverzahnungen und abenteuerlich- progressiver Silbenschöpfungen darstellen.
Verschiedene literarische Stilmittel, Bürokratensprache, mit frenetischer Akribie zusammengetragene Fakten, verpackt in Worthülsen, die mit Buchstabenkleister gefüllt zu sein scheinen, Gummilitzensätze ohne Anfang und Ende gehören zu seinem Handwerkszeug.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum5. Juni 2021
ISBN9783754129654
Stracciatella und Mitropa: Kurzgeschichten
Autor

Rocco Reichelt

Rocco Reichelt, hat weder Abitur noch studiert, weder ist er Yogalehrer irgendwo im Ausland, noch unterrichtet er sonst irgendwas, weder ist er Journalist, noch beherrscht er südamerikanische oder orientalische Tänze. Seine Freizeit widmet er seit Kindheit dem Schreiben von erlebten und erfundenen Sachen: erst mit Stift in Schreibheften, später auf Schreibmaschinen und heute auf Schreibtastaturen, die an Computeranlagen angeschlossen sind. Handbeschriebene gefaltete Zettel wusste er schon früh zu verschenken, als es aber mehr dieser Blätter wurden und er in Richtung geklammerte Hefte mit bis zu 112 Seiten tendierte, bekam er hin und wieder Kopeken und Groschen zugesteckt, damit er ja sowas weiter machen möge. Wegen weiter gestiegenen Textumfangs: nun Bücher.

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    Buchvorschau

    Stracciatella und Mitropa - Rocco Reichelt

    Ratten und eine Brünette

    Eines Tages musste ich in der Flöhaer Katakombe von Trägers Preisbombe debütieren.

    Erwartungsvoll starrten mir sinnvolle und unsinnige Produkte aus den Regalen entgegen, als würden sie darum betteln, aus dem Schummerlicht des Ramschladens befreit zu werden.

    Zum Klobürstenborstenzählen allein tauchte ich ja auch nicht an einem Ort auf, der von einer bärtigen Kassiererin mit rauchiger Stimme regiert wird.

    Gerade oder ungerade, vielleicht sogar Primzahl, sie liebt mich- sie liebt mich nicht. Entschlossen ignorierte ich die Verlockungen und griff mir aus den Nachbarregalen einmal Aufwaschmittel, einmal Toilettenreiniger und ein Bodenwischerset, dreiteilig mit Teleskopstiel, fest getackert daran eine Werbekarte, die mich darauf hinwies, dass ich es mit einem anthrazitgrau-türkisen Produkt zu tun hatte, die darüber hinaus eine Brünette (halblang um die Haare) mit quer gestreiftem Pullover (ordentlich Oberweite) und legeren Jeans zeigte, welche überaus glücklich einem dunklen Eichenparkettboden zu Leibe rückte.

    Allerdings mit einem nicht anthrazitgrau-türkisen Bodenwischerset, wie ich nach mehrmaligem genauem Betrachten feststellen musste.

    Inzwischen verbreitet sich in der ganzen Wohnung ein scharfer ätzender Geruch, dessen Ursprung im ersten Ungezieferbekämpfungsversuch mit dem Toilettenreinigergel „Ocean" (mit einer surftauglichen Welle auf dem Behälterkonterfei) liegt.

    In Ungezieferalpträumen weit vorn: natürlich Ratten, die sich heißhungrig auf der Jagd nach einem Bissen Fallrohre empor hangeln, behänd, wie es in ihrem Naturell liegt, während ich, wie es in meinem Naturell liegt, sitzend beide Ausscheidungsvarianten vollziehe. Gewiss könnte ich sie anders als mit einer Prise „Ocean" um die Ecke bringen, anlocken mit verdorbenem Essen und dann mit dem Teleskopstiel aus dem dreiteiligen Bodenwischerset auf sie einprügeln, bis sie ihre Vitalität zu den Akten gelegt haben, aber ich kann beim besten Willen kein Blut sehen und keine vorwurfsvollen Knopfaugen.

    Als blaugrau würde ich übrigens die Augen der Brünetten bezeichnen.

    Dystopie: Chemnitz

    Am Rande einer der Demonstrationen gegen dies und das, am Rande der Großdemonstration gegen dies mit 10000 Teilnehmern, geschätzt von den Teilnehmern selbst auf 70000 Stück, und der demonstrativ- stationären Kundgebung mit 4000 Volk (Ihr seid Volk, wir sind Völker) heruntergerechnet von der Demonstration gegen dies auf 1000 Völker, beobachtete ich Anneliese S., Deckname Lieschen S., die ungefunden auf der Straße auf ihre Kontaktperson aus dem Kreis der Global Elite Deep Stater wartete, um ihr (der Kontaktperson) einen Störsender zur Unterbindung von Livestreams aus dem Demonstrantenlager, der gegen die Diesigen demonstrierenden (Teilnehmerzahl aufgrund neuester Schätzungen auf etwa 150000 Volk erhöht) zu übergeben. Anneliese „Lieschen S., lauernd im Schatten von Plakaten „Wir sind der rationale Widerstand, „Wir sind der vaginale Widerstand und „Ich bin ein linksgrünversifftes Pazifistenschwein, arbeitet inkognito auch noch zur Rentenaufbesserung für das Pentagon als eine von über 30000 Informations- und Geldweitergebern, genau jenes Pentagon, welches höchstselbst den Bürgerkrieg in Deutschland anzetteln wird, durch Manipulation der Bürger, die sich gegen dies oder das entscheiden müssen und die gegen dies oder das auf einem riesigen Schlachtfeld kämpfen werden, was zur Ausrufung des Kriegsrechtes führen wird, welches eine Abwahl, der, von den gegen die Diesigen Seienden, so gehassten Regierung unmöglich macht.

    Unter den mittlerweile geschätzt 450000 Demonstranten von gegen dies wird kostenlos Alkohol ausgeschenkt.

    Am Rande der Kundgebung von gegen das, die auf etwa 19 Völker geschrumpft ist, wird eine 850 Meter breite Bühne aufgebaut, auf der Sänger und Instrumentenspieler kostenlos bald gegen die Gegner von dies singen und tanzen werden.

    Die Demonstranten von gegen dies, oft als diktaturverliebt gebrandmarkt (präteritumversessen), unterstellen den diktaturablehnenden Demonstranten von gegen das, dass diese sich aktuell einer Diktatur unterordnen, egal wie diktaturablehnend sie auch sein mögen, egal ob sie überhaupt in einer Diktatur leben, oder ob sie ihre Lebensumstände womöglich gar nicht als diktatorisch empfinden, vielleicht nur so rebellieren, zum Spaß womöglich noch.

    Die Demonstration von gegen dies durchbricht inzwischen die Schallmauer von einer Million, weitere drei Millionen wurden an Autobahnabfahrten von über 50 Millionen Polizisten der, von gegen dies als Diktatur bezeichneten, Regierung abgefangen, bevor sie die Stadt fluten konnten.

    Frau S. übergibt mit Einbruch der Dunkelheit ihren hochfrequenten Störsender an einen Mann von dies.

    Am späteren Abend wird sich herausstellen, dass er von einem Störsender, der gegen die Diesigen installiert wurde, in seiner Arbeit gestört wird.

    Wenigstens habe ich mein Leben gelebt., wird Frau Schmidt seufzen, wenn in den Folgetagen dem virtuellen Chaos die realen Tumulte folgen.

    Wie ich mal einen Staplerlehrgang machte

    Auf dem Weg zum Universalgelehrten entschloss ich mich, beziehungsweise mein Arbeitgeber für mich, dass ich doch eine Ausbildung machen sollte, die mich ermächtigt zu meiner an Kreditkarten, Eintrittskarten, Kassenbons, Kalenderkärtchen, Notrufnummern von Autohäusern und Autoversicherungen (im Falle eines Liegenbleibens mit dem Personenkraftwagen oder eines Zusammenstoßes mit Wild, Fußgängern, Radfahrern und anderen Personenkraftwagen, schlimmstenfalls auch Lokomotiven von Zügen oder Straßenbahnen) reich gefüllten Geldbörse auch noch einen Flurförderzeugfahrausweis hinzuzufügen.

    Das wohl bekannteste Flurförderzeug ist der Gabelstapler.

    Mit dem Gabelstapler kann man Lasten heben, senken, transportieren und dann hier und dort einfügen und abstellen.

    Für ihn erfunden wurde das Lagerregal, welches bis heute neben Uhu das beliebteste Vorwärtsrückwärtswort sein dürfte.

    Punkt acht Uhr saß ich in einem Unterrichtsraum in Chemnitz und mit mir ein erlauchter Kreis ohne größere Idiotendichte, welche man meist in solchen Umgebungen zu erwarten hat.

    Mein Banknachbar: achtzehn Jahre, Auszubildender im Unternehmen eines langjährigen HSV- Kreditgebers, mit einem fußballszenetypischen ELLESSE- Pullover, mit einem ganzen Haufen verschiedener Pickel im Gesicht (wie ich als hobbymäßig unterwegs seiender Furunkelforscher feststellte) hörte ruckzuck die Stimme des Vorträgers bald nur noch aus der Tiefe des Zimmers und immer weiter weg, bis sie verschwand und dann doch durch eine Lautstärkeerhöhung wieder präsent wurde.

    „War wohl gestern spät geworden?"

    „Ja. Darf ich einen Kaffee holen?"

    „Okay, aber nur fünf Minuten. Automat ist um die Ecke."

    Sein Mitazubikollege schloss sich ihm an und sorgte diese zwei Tage für den meisten Gesprächsstoff im Raum und auch draußen.

    Heimatland: Guinea.

    Geflüchtetenstatus ohne Hierbleibanerkennung.

    Deutschkenntnisse überschaubar.

    Daraus schlussfolgernd für unseren zwischen Galgenhumoristen, Empörtbürger und stark affektierten Effekthascher pendelnden Lehrer:

    „Das schafft der sowieso nicht, ich sag’s euch. Was geht’s mich an. Wie soll der die Prüfungsfragen beantworten. In Italien kam der an Land, dort hätte er sich registrieren lassen müssen. Der kann nur französisch. Das schafft der sowieso nicht, ich sag’s euch, was geht’s mich an."

    Tageinwärts pflanzte man uns in die Köpfe was man so in die Köpfe gepflanzt bekommt: Tragfähigkeitsdiagramme, Kraftarme, Radstand, Achsaufhängung, Antriebsarten, Gefahrstoffe, Brems- und Beschleunigungskräfte, Hydrostatik und Pendelachsen- garniert mit Anekdoten zu besonders schönen Arbeitsunfällen, ausgeschmückte Personen- und Finanzschäden, also das ganze Programm, was Bruder Leichtfuß so drohen könnte, wenn man nicht...und wenn man statt…

    Kurzum: er wurde also nicht müde zu mahnen vor jeder Art von Sachen, die man dann später sowieso machen muss, weil es dem Arbeitgeber nicht schnell genug geht, was er natürlich auch weiß und weswegen zwischen seinen Mahnungen und der Realität eine Kluft klaffte, die er als unsäglich bezeichnete.

    Zwischendurch suchte er häufiger Kontakt zum dunkelhäutigen Mitstreiter.

    „Hast du verstanden?"

    Guineer: „Ein bisschen."

    „Hast du verstanden?"

    „Guineer: Ein bisschen."

    Copy und Paste in Tonform.

    Schlimmer war für mich ein ständig Einwürfe streuender Mitbürger, der alles wusste und alles kannte und der den Weg vom Transporttor zum Transportör eigentlich schon gemeistert zu haben glaubte, aufgrund gewisser Vorkenntnisse und Allwissen-heiten in sämtlichen Bereichen des Lebens.

    Am nächsten Tag war es ganz früh, es regnete, es war noch dunkel und der Wind blies auf dem Hof gar arg zu praktischen Anfängen und Abschlussprüfungen.

    Der eben erwähnte prahlhansende Hansdampf wurde schmalhansig und stellte sich weniger überragend an, vielleicht stellte er sich aber auch alles nur so einfach vor, wie er es schon hundert Mal erlebt hatte.

    Vortägige Vermutungen, dass der Guineer mit Theorieprüfungsdurchfall nun nicht mehr kommt, entpuppten sich als falsch- wer nicht sofort, sondern mit einstündiger Verspätung aufschlug, war sein Mitazubikollege, der den fulminanten ELLESSE- Hoodie gegen ein brachiales OSTDEUTSCHLAND- Basecap eingetauscht hatte.

    Die durchaus kritische Nachfrage, ob er verschlafen oder sich zeitlich vertan hätte, beantwortete jener mit:

    „Ich musste heute früh erst mal kotzen."

    „War wohl gestern spät geworden?"      

    „Ja."

    Wir gaben uns beim Durchqueren von Kegeln mit aufgehuckten Gitterboxen, leeren Bierkästen auf Europaletten („Die sind immer 800 mal 1200, glaubt mir!") und dem Ein- und Ausladen in einen LKW- Anhänger und dem Auf- und Abstapeln dieser Dinge auf schwierigem Gefälle den letzten Schliff vor der anstehenden Prüfung.

    Als komplett ambitionsfrei entpuppte sich niemand und so konnte unser Ausbilder seines Amtes walten und mit einer schwungvollen Unterschrift, die einem das Herz aufgehen ließ, auf den Urkunden bestätigen, dass wir auf dem Weg zur Selbstoptimierung eine weitere Hürde genommen, ja, man kann getrost sagen: einen Titel errungen haben.

    Und anhand der geschulten Lärmbelastungswarnungen erfuhr ich darüber hinaus, dass der gewöhnliche Schneefall mit einem Lärmpegel von 10 Dezibel um die Ecke kommt.

    Materialangelegenheiten

    Als im Jahre 1924 Osram und Philips beschlossen, dass ihre Glühbirnen aller tausend Stunden kaputt gehen müssen, ahnten sie nicht, dass es knapp hundert Jahre später findige Gegner ihres (und inzwischen auf alle Wirtschaftsbereiche ausgeweiteten) organisierten Problems des ständigen Nachkaufenmüssens geben wird.

    Die also ständigen Handyupdates, die das Handy langsamer machen und zu wiederum gekauften neuen und schnelleren Handys führen, die ausgeleierten Schraub- und Steckverbindungen, die zu Neuanschaffungen von Schraub- und Steckverbindungen beinhaltenden Sachen führen, die kurz nach Garantieablauf kaputt gehenden Bildschirme, die zu mit neuen Garantien ausgestatteten Bildschirmen führen, selbiges geltend für Abspielgeräte von Ton- und Bildträgern, Zeitmess- und Wiedergabegeräte, Haushaltsgegenstände mit und ohne Stromversorgung und darüber hinaus sämtlichen Verschleißdingen, die uns umgeben, den Kampf ansagen würden.

    Vorerst springen jedoch gerade zwischen Black Friday und Totensonntag und um Weihnachten herum Konsumpioniere und Marktwirtschaftsstützer auf die von den Herstellern bereitgestellten Züge und müllen weiter ihre Wohnungen mit Dingen zu, die dem technischen Fortschritt und der aktuelle Mode Rechnung tragen.

    Wenn aber die Gegner dieser Verbrauchsdiktatur zu Partnern in einzelnen Geschäftszweigen werden, kann sich das Blatt schnell wenden.

    Schon jetzt malträtieren Konsumenten Anbieter mit Forderungen nach Serviceleistungen, die das eigentliche Produkt von seiner uneingeschränkten Macht (mit allem Für und Wider) befreien.      

    So möchte doch gern nur Licht gekauft werden und nicht Glühbirne und Strom, so möchte man keinen Teppich, sondern Gehstunden auf diesem erwerben, keine Schreibtischmöbel dafür Sitz- und Tischstunden

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