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Auf dem falschen Gleis, mit voller Fahrt voraus und noch lange nicht am Ziel
Auf dem falschen Gleis, mit voller Fahrt voraus und noch lange nicht am Ziel
Auf dem falschen Gleis, mit voller Fahrt voraus und noch lange nicht am Ziel
eBook154 Seiten2 Stunden

Auf dem falschen Gleis, mit voller Fahrt voraus und noch lange nicht am Ziel

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Über dieses E-Book

Ein Umfeld aus Gewalt, Alkohol und Demütigung bestimmte seinen Alltag von Geburt an. Das Versagen der Mutter beim Schutz ihres ersten Kindes. Flucht, um das Zweitgeborene zu schützen. Einsamkeit und Schicksalsschläge, die den Zug fast zum Entgleisen brachten. Er ist seit der Geburt auf dem falschen Gleis, es geht immer weiter auf ein Ziel zu, vorbei an all den Grausamkeiten, dem Horror eines gewalttätigen Vaters und der Angst, genauso zu werden. Dank guter Weichensteller ging es voran. Auf dem falschen Gleis aber stets dichter an das Richtige heran, Weiche um Weiche. Selbst gestellt und mit Angst vor jeder neuen. Mit voller Fahrt voraus und noch lange nicht am Ziel.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum14. Jan. 2022
ISBN9783755746850
Auf dem falschen Gleis, mit voller Fahrt voraus und noch lange nicht am Ziel
Autor

Michael Schmauser

1977 geboren in Bamberg, Vater zweier Söhne, 1996 Lehre als KFZ-Mechaniker, 1996 Eintritt in die Bundeswehr, der Autor lebt heute in Rostock

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    Buchvorschau

    Auf dem falschen Gleis, mit voller Fahrt voraus und noch lange nicht am Ziel - Michael Schmauser

    1. Die Entschuldigung

    Es ist der 24.06.1998. Ich sitze mit meinen drei besten Freunden in einem kleinen Café, direkt neben einer Metzgerei. Das Internet hat in die kleine Stadt Bamberg Einzug gehalten. Die Metzgerei, mit einem hervorragenden Angebot, wird durch einen findigen Bamberger Metzger betrieben. Er hat in seinem Café, das an die Metzgerei angeschlossen ist, ein kleines Internetcafé eingerichtet. So sitzen wir nun da und chatten in einem der ersten Chatprogramme, weit vor Facebook und Instagram, mit Menschen in der ganzen Welt. Der Geruch von Fleisch, Salami und Gebratenem ist allgegenwärtig und das ein oder andere Wurstbrötchen mit Cola wird beim eifrigen Tippen verzehrt.

    Ich bin seit fast einem Jahr Soldat in der Bundeswehr, besitze mein erstes Handy, zweizeilig und unzerstörbar. In ein paar Tagen darf ich das erste Mal ins Ausland. Ich habe noch einmal meine Heimatstadt besucht und meine erste große Liebe, bevor es dann ins schöne Kanada gehen soll.

    Als ich gerade eine angeregte Konversation führe, klingelt mein Handy. Ich hebe ab und höre zum ersten Mal seit Jahren die Stimme meines Vaters. Sofort schlägt meine Stimmung um, von frei und gelöst zu angespannt und voller Wut. Ist er wieder betrunken? Will er mich wieder beleidigen? Meine Mutter herabwürdigen oder mich einfach nur wieder um Geld bitten und mich ausnutzen? Dafür ist zwar normalerweise meine Mutter zuständig, aber wenn der Schnaps knapp wird, ruft der Papa auch mal seinen Sohn an.

    Er beginnt und gratuliert mir ohne Umschweife zum Geburtstag, der heute ist. Ein knappes „Danke Papa" und ich bin schon geistig am Auflegen. Nicht zu lang quatschen – das geht nur schief.

    Da höre ich leise ein „Michael, unsicher. „Ja was, sage ich. Und mit leiser, nüchterner Stimme kommt ein: „Es tut mir leid! „Was?, frage ich. „Alles!, bekomme ich als Antwort. Ein knappes „Aha und „Ist ok" kommt über meine Lippen. Ich lege auf. Der ist bestimmt wieder voll und weiß gar nicht, dass er telefoniert oder was er da sagt, denke ich mir noch. Dann geht es wieder zum Chat.

    Vier Wochen später, wieder zurück aus Kanada, klingelt das Telefon. Der Mann stellt sich als Beamter der Polizei Bamberg vor und ich solle bitte nach Hause kommen, um meinen Vater zu identifizieren.

    Ich fahre nach Hause und brauche für den Weg von Erlangen nach Bamberg keine halbe Stunde. Bei meinem Vater in der Wohnung angekommen, erwarten mich bereits meine Mutter, die Polizei und der Leichenwagen. Also betrete ich die Wohnung in Begleitung der Beamten.

    Mein Vater liegt auf seinem Bett mit dem Gesicht nach oben. Scheinbar ist er gestürzt, hat sich im Todeskampf das Gesicht am Boden zertrümmert und sich so gewunden, dass eine Identifikation nicht mehr so einfach möglich ist. Diese Aufgabe soll ich jetzt übernehmen. Meine Mutter konnte den Anblick ihres Ex-Manns nicht ertragen und trotz allem, was er ihr und uns angetan hat, liebte sie ihn bis zu seinem Ende und darüber hinaus.

    Es riecht süßlich nach Verwesung und Tod. Der Geruch des Ölofens, der die letzten Tage durch geheizt hat bis der Tank leer war und der seit Jahren allgegenwärtige Alkoholgeruch in der Bude, nimmt mir den Atem. Ich gehe ins Schlafzimmer. Dort liegt er. Die Sanitäter und der Leichenbeschauer haben ihn bewegt und aufs Bett gelegt, jedoch sind auf dem Boden die Spuren des Todeskampfes nicht zu übersehen. Sein Gesicht ist verschoben, zertrümmert. Dennoch erkenne ich ihn sofort: seine schlechte Elvis-Tolle, sein Batman- und Palmentattoo auf dem Arm. Ganz klar er.

    Als ich meine Erkenntnisse der Polizei mitteile, wird er abtransportiert und wir bleiben in der Wohnung zurück. Der Vermieter stößt dazu, klagt uns sein Unheil, aber mein Vater ist wenigstens nicht schuldig. Er hat die Miete in der letzten Woche beim Glücksspiel gewonnen und somit ist er da schuldenfrei. Überall liegen ausgetrunkene Kornflaschen. Die Wohnung ist leer, bis auf eine Couch und den alten Fliesentisch, dem ich ein paar Narben zu verdanken habe, wenn er meine kindlichen Bewegungen unsanft mit seiner harten Kante stoppte. Beim Durchsehen der Schränke stellen wir fest, dass NICHTS mehr da ist, was irgendeinen Wert hat, weder monetär, noch als Erinnerung.

    Als wir die Wohnung verlassen, steht dort einer seiner Saufkumpanen. Bamberg ist klein. Wenige Stunden später nach dem Anruf bei der Polizei weiß die Alkoholikergemeinde Bescheid. Er ist nur kurz da, um sich ein paar Dinge abzuholen, die ihm gehören, ein paar Flaschen Schnaps und Geld, das ihm mein Vater schuldet. Falls es nicht da sein sollte, hat er auch kein Problem damit, wenn ich es ihm gebe. Schließlich bin ich doch beim Bund und der Supermarkt ist um die Ecke. Da könne man auch ein paar Flaschen kaufen gehen und gemeinsam auf meinen Vati anstoßen, der schließlich so stolz auf mich war und dem ich so viel verdanke.

    Bis zum heutigen Tag bin ich über meine Reaktion entsetzt und gleichzeitig froh, dass nicht mehr passiert ist. Ich bin langsam zu ihm gegangen, ganz dicht vor sein Gesicht und sagte mit ruhiger und leiser Stimme: „Geh oder ich töte dich, jetzt und hier".

    Der Kerl weicht zurück, dreht sich um und geht wortlos.

    Er kam ein paar Tage später zur Beerdigung, betrunken und lamentierte, dass ich ihm hätte geben müssen, was ihm zusteht. Zum Glück habe ich das nicht. Das Karma sorgt dafür, dass Jeder bekommt, was er verdient.

    In den nächsten Tagen erfahre ich, dass mein Vater alles über mich wusste. Meine Mutter hatte sich in den letzten Monaten sehr um ihn gekümmert, mit Putzen, Kochen, Alkohol und Geld. Dabei war auch ich Thema und mein Vater hatte sich in den letzten Monaten seines Lebens wohl darüber Gedanken gemacht, was er war: ein Monster, ein Nazi, grausam und brutal. Erst als die Leberzirrhose im Endstadium war und er wusste, dass es nur noch ein paar Wochen dauern würde, hat er bereut.

    Als sein Sarg durch den Vorhang ins Krematorium fuhr, habe ich ihm vergeben, alle Wut hat geendet, nichts mehr zum Vergeben, nichts zum Nachdenken. Nur der Wunsch: „Lass mich nie so werden!" Lass mich ein Vater werden und ein Mann, den seine Kinder und die Mutter der Kinder lieben. Ich habe meinen Vater anonym beerdigen lassen. Kein Grab, kein Stein. Nur ein ENDE.

    2. Alkohol und Fleiß

    Mein Vater hat mir jahrelang erzählt, wie stolz er bei meiner Geburt war. Meine Mutter war am frühen Abend des 23.06.1977 in die Frauenklinik Bamberg eingeliefert worden. Der Arzt sagte, dass es eine schwere Geburt werden und entweder die Mutter oder das Kind überleben würde. Schwere Blutungen und die Exzesse der letzten Wochen hatten meine Mutter geschwächt und es stand nicht gut um uns. Mein Vater sagte dem Arzt, dass er ein gesundes Kind will und er soll alles dafür tun, dass sein Stammhalter überlebt. Dann ging er zurück in seine Firma und arbeitete. Mein Vater war unglaublich fleißig und einer der besten Handwerker, die ich in meinem Leben getroffen habe. Leider hat ihm der Alkohol jede Möglichkeit auf Erfolg zerstört, und meine Mutter war nur eine allzu willige Begleiterin in Kneipen, Bars und beim Bierchen Daheim auf der Couch.

    Am Morgen des 24.06.1977 hat sich meine Geburt angekündigt und der Arzt hat sowohl Mutter als auch Kind gesund und munter durch diesen Vorgang gebracht. Keiner starb, keiner blieb zurück. Mein Vater, verständigt durch das Personal, kam ins Krankenhaus. Man schwor sich Liebe, ab jetzt wird alles anders und dann ging er. Fünf Tage später kam er betrunken und aggressiv nach Hause. Er hat die Geburt seines Sohnes gefeiert und etwas die Zeit vergessen. Meine Mutter wurde von ihrer Mutter nach Hause gebracht, wir lebten noch im Haus meiner Urgroßeltern, im 3. Stock des Hauses, zur Miete. Meine Ticktackoma (Uroma) hatte im Erdgeschoß einen kleinen Tante-Emma-Laden und wohnte in der dahinter liegenden Wohnung. Als mein Vater an diesem Tag nach Hause kam, holte er sich ein paar Flaschen Bier von seiner Oma aus dem Laden, ging nach oben. Er war sehr erzürnt darüber, dass meine Mutter ihren häuslichen Pflichten nicht nachgekommen war und auch kein warmes Essen auf dem Tisch stand. Meine Mutter war eine sehr einfache Frau, fleißig, ängstlich, ungebildet aber immer ehrlich und hat später als Großmutter alle Fehler wieder gut gemacht, die sie je bei ihren Kindern begangen hatte. An diesem Tag jedoch war es egal, wie fleißig sie war. Kein Essen auf dem Tisch. Sie lag im Bett, um sich auszuruhen. Eine Ohrfeige später wusste sie, dass sie das sofort ändern musste und es so oder so Zeit war, in die Klinik zu gehen, um mich zu besuchen. Sie würde das gleich mit einem Einkauf verbinden und ihrem Mann, der sich jetzt hingelegt hatte, um sich auszunüchtern, etwas Gutes am Abend kochen.

    Da ich so klein und schwach war, durfte ich noch nicht nach Hause. Der Zigaretten- und Alkoholkonsum meiner Mutter führte dazu, dass ich nächtelang schrie und unter entsetzlichen Entzugserscheinungen litt. Die Schwestern der Abteilung tanzten des Nachts oft den Schneewalzer mit mir und so schlief ich in ihren Armen ein. Das führte dazu, dass ich die ersten Monate meines Lebens, wenn nicht sogar das 1. Jahr, nur im Kinderwagen einschlief oder wenn man mit mir tanzte. Auch als Kleinkind wurde ich immer noch in den Schlaf geschunkelt.

    Meine Mutter arbeitete tagsüber in der Firma meines Vaters, AVO Messebau, die Messestände und Plattformen herstellte. Er trank am Abend in der Kneipe um die Ecke ein kleines Bierchen und sie ging nächtelang mit dem schreiendem Kind im Kinderwagen um die Häuser, um ihren Mann nicht zu wecken. Sie hatte bereits erlebt, was es bedeutete, wenn er nachts betrunken aufwachte. Es kam auch vor, dass er sie mit Schlägen weckte und sie barfuß, Sommer und Winter, mit dem schreienden Kind in die Nacht trieb. Dann lief meine Mutter mit mir im Arm oder im Kinderwagen, zu ihrer Mutter in das Dorf, welches zehn Kilometer entfernt von Bamberg lag.

    Mein Vater, der zu dieser Zeit noch einen Führerschein hatte, arbeitete von früh bis spät auf Messen oder in seiner Firma. 10 Stunden täglich – sieben Tage die Woche. Die Firma lief sehr gut und der Umsatz stieg. Am Abend wurde gefeiert und der Geschäftspartner kümmerte sich um die Finanzen. Beim gemeinsamen Feiern wurden immer wieder neue Projekte beschlossen. Man hielt es für eine gute Idee, dass ein Partner allein die Finanzen verwaltete, während der andere mit Fleiß und Geschick für den Erfolg der Firma sorgt. Da zum Abend immer ausreichend Bier, Sechsämtertropfen und Whiskey zur Verfügung standen, kam man auch nie auf die Idee, die Bücher zu prüfen. Die Jahre gingen dahin und der Firmenerfolg ermöglichte einen guten Lebensstil. Die häufige Abwesenheit meines Vaters erleichterte meiner Mutter das Leben. Leider führte sie die Einsamkeit auch sehr dicht an Alkohol und Zigaretten. Sie suchte wiederum die Nähe ihrer Mutter und fuhr mit dem Taxi nun fast täglich aufs Dorf, um bei ihr zu sein. Das kleine Bündel Kind auf dem Arm, um dort etwas Geborgenheit und Liebe zu spüren.

    Eines Tages liefen die Geschäfte jedoch schlechter. Trotz all des Fleißes

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