Friedrich Nietzsche - Der Wille zur Macht
Von Reinhold Widter
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Über dieses E-Book
Hinter Nietzsches Fragen liegt auch eine persönliche Anfrage an den Leser dieser Biografie: Ist unser Glaube eine wahre Begegnung mit dem lebendigen Gott oder vielleicht doch nur ein mystisches Fantasieprodukt?
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Buchvorschau
Friedrich Nietzsche - Der Wille zur Macht - Reinhold Widter
Der Wille zur Macht
Friedrich Nietzsche
Reinhold Widter
Impressum
© 2014 Folgen Verlag, Wensin
Autor: Reinhold Widter
Cover: Eduard Rempel, Düren
Lektorat: Mark Rehfuss
ISBN: 978-3-944187-16-7
Verlags-Seite: www.folgenverlag.de
Kontakt: info@folgenverlag.de
Shop: www.ceBooks.de
Der Wille zur Macht – Friedrich Nietzsche ist früher als Buch im Verlag Schwengeler, Berneck, erschienen.
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Inhalt
Vorwort
Verwendung im Unterricht
Zehn Thesen zur Person und Philosophie Friedrich Nietzsches
Selbstaussagen
Teil I: Der kulturelle Hintergrund
Das 16. und 17. Jahrhundert, eine Anfrage an uns
Das 18. und 19. Jahrhundert, unsere Vorboten
Teil II: Biographischer Überblick
Die Ahnen
Der Vater
Der Vaterlose in den Spuren des Vaters
Die Krise muss kommen
Studentenjahre
Das »freisinnige« Basel
Schaffensperiode und jähes Ende
Teil III: Das Werk Nietzsches
Die »Wahrheit« über das Christentum
Umwertung der Werte
Das philosophische System und seine politischen Folgen
Teil IV: Das Allzumenschliche im Leben Nietzsches
Die Psyche des Philosophen
Mangelnde Sexualbewältigung
Okkulte Einflüsse
Nachwort
Unsere Empfehlungen
Meinen Kindern
Thomas, Sabine und Sarah
Vorwort
Es ist schwer zu sagen, ob Friedrich Nietzsche der Philosophiegeschichte oder doch der Theologiegeschichte zugeordnet werden muss. In ihm begegnen wir einem »Philosophen«, der sich mit einem Generalthema beschäftigt hat: mit Gott. Welches Resultat findet er vor? Er zieht den Schluss: Gott ist tot! In Gott ist das Nichts vergöttlicht!
Wie kommt Nietzsche zu dieser blasphemischen Erkenntnis? Welche objektiven, überprüfbaren Gründe führt er an, um seine Behauptungen zu belegen?
Ein Blick in die Biographie und das Werk Nietzsches zeigt uns die tragische Gestalt eines Menschen, der von frühester Kindheit – buchstäblich von Geburt an – ein Christentum kennenlernt, dem das Fundament der Bibel fehlt. Statt dessen hatte er sich in religiöse Spekulationen verstiegen, das Evangelium zu einer gutbürgerlichen Weltanschauung degradiert und begonnen, an den theologischen Ausbildungsstätten die Autorität und Unfehlbarkeit des Wortes Gottes systematisch in Frage zu stellen. Aus all diesen Fehlentwicklungen zieht Nietzsche den unberechtigten, verhängnisvollen Schluss auf Gott selbst. Was er an Kirche, »christlicher« Gesellschaft, verschwommenen Glaubensinhalten und Infragestellungen der Schrift antrifft, betrachtet er als das wahre Gesicht der christlichen Botschaft. Diesem Zerrbild von Wahrheit, dem er begegnet, hält er seine Wahrheit entgegen. Es ist die »Wahrheit der Gottlosigkeit«, die radikale Konsequenz aus dem, was dem Philosophen an »Christlichem« begegnet. Insofern trifft Nietzsche mit seinem Urteil zielsicher: Er trifft nicht den wahren, lebendigen Gott, auch nicht das Evangelium der Liebe in Jesus Christus. Er schlägt aber folgerichtig die Auswüchse eines unglaubwürdigen Christentums. Spricht er von Gott, so hat er stets eine Karikatur Gottes vor Augen. Sein Urteil schlägt jene, die fromme Einbildung mit schriftbezogenem Glauben verwechseln. Religiöse Phantasie aber kann einem Wahrheitstest nicht standhalten. Sie muss in doppelter Weise scheitern: am Felsen der Bibel und am Scharfblick der Feinde Gottes.
In der vorliegenden Biographie habe ich versucht, die wichtigsten Zusammenhänge aufzuzeigen, wie Nietzsche zum Propheten der Gottlosigkeit wurde. Wie sah sein Elternhaus aus, wie echt war der Glaube? Welche Weichenstellungen sind ihm mit auf den Weg gegeben worden? Welchen Einflüssen hat er sich ausgesetzt? In welche Krisen ist er hineingetrieben? Welche Aussagen hat er als selbsternannter »Antichrist« gemacht? Wo liegen aus biblischer Sicht die Wurzeln, dass es dazu kam? Hinter solchen Fragen liegt auch eine seelsorgerliche Absicht. Denn auch wir müssen uns der Anfrage stellen, ob unser Glaube eine wahre, schriftbezogene Begegnung mit dem dreieinigen Gott darstellt oder vielleicht doch nur ein mystisches Phantasieprodukt ist. Könnte es auch sein, dass wir beides, Schrift und gutmeinende Einbildung, bedenkenlos vermengen? Wie echt sind wir? Das ist die Frage! Wohin der Mangel an Wahrhaftigkeit in Familie, Kirche und Gesellschaft führen kann, zeigt sich am Lebensweg des Philosophen auf erschütternde Weise.
Reinhold Widter
Verwendung im Unterricht
Die vorliegende Biographie stellt eine Einführung aus christlicher Perspektive in das Leben und Werk Friedrich Nietzsches dar. Als solche wurde sie im Besonderen für Gymnasiasten und Studenten verfasst. Für den Unterricht sind die Fragen zum Nachdenken und die Hinweise auf weiterführende Literatur gedacht, die jeweils ein Thema abschließen. In diesem Zusammenhang können auch die einzelnen Themen oder Aspekte aus dem Leben und Werk Nietzsches durch Seminararbeiten ergänzt werden. Die Beschäftigung mit Nietzsche ist nicht zuletzt deshalb so wichtig, weil sie einen Wendepunkt in der Ethik darstellt. Vom »Willen zur Macht« und der »Umwertung der Werte« lassen sich viele Parallelen von früheren Jahrhunderten bis hin zu unserer Zeit ziehen.
Zehn Thesen zur Person und Philosophie Friedrich Nietzsches
Nietzsches Philosophie ist in hohem Grad von seiner Jugend geprägt, in der subjektive, gefühlsorientierte Religiosität mit den objektiven Glaubensaussagen der Bibel grob verwechselt wurden. Diese Verwechslung bringt Nietzsche dazu, auf inhaltliche Beweisführung kaum Rücksicht zu nehmen und eine antirationalistische Religionsphilosophie aufzubauen, die im Wesentlichen seine persönlichen Erfahrungen verarbeitet.
Nietzsche ist in seiner Jugend unter überstarken weiblichen Einfluss geraten, wird in seinen Wesenszügen feminin geprägt und kompensiert diese Spannung durch verstärkte Aggressivität, Selbstisolierung, Frauenhass und Männlichkeitsparolen. Triebfedern seiner Persönlichkeit waren: seine labile Wesensmitte, unbewältigte zwischenmenschliche Konflikte, seine starken psychosomatischen (?) Störungen, der unbewältigte Sexualtrieb, seine seelische Verarmung und Vereinsamung und wohl auch der okkulte Einfluss.
Nietzsches Philosophie »der Stärke« ist als Reaktion auf seine depressive Lebensstimmung zu verstehen, die er – nach einer Vertiefung durch Schopenhauer – durch eine diametrale Kehrtwendung in das Gegenteil umpolt.
Die historisch-kritische Methode ist der wichtigste Schlüssel für den philosophischen Ansatz Nietzsches. Er lernt sie bereits am humanistischen Gymnasium kennen und ahnt schon als Schüler, dass dem Christentum »große Umwälzungen bevorstehen«, weil es sich auf bloßen »Annahmen gründen« würde.
Durch den Einfluss von David Friedrich Strauß, Franz Overbeck u.v.a. vertieft Nietzsche seinen theologischen Liberalismus auf der Grundlage seiner historisch-kritischen Erkenntnisse – die er absolut setzt – und wirft Christen wie Juden bewusste Geschichtsfälschung vor, die dazu dienen solle, eine priesterliche Machtstruktur gesellschaftspolitisch zu wahren.
In Jesus Christus sieht Nietzsche einen politischen Verbrecher, der auf Grund seines »angezettelten Aufstandes« gegenüber der herrschenden Priesterkaste gestorben sein soll. Aus dieser Überlegung zieht er den Schluss: Jesus Christus starb für seine eigene Schuld. Gottessohnschaft, das Erlösungswerk, seine Wiederkunft und das kommende Gericht seien ihm nachträglich angedichtet worden. Die Jünger hätten sich auf diese Weise gerächt, die Priester durch »göttliche Strafandrohungen« unter dem Volk in Verruf gebracht und dadurch nicht nur die geschichtlichen Fakten, sondern auch das eigentliche Urevangelium Jesu der »absolut widerstandslosen, d.h. dekadenten Liebe« auf den Kopf gestellt.
Aus dieser Sicht, dass christlicher Glaube mit geschichtlicher Wahrheit nichts zu tun hätte, sondern sich – unter scheinheiliger Berufung auf »Wahrheit« – vorsätzlicher Verfälschung historischer Tatbestände bedienen würde, folgert Nietzsche, dass alle christlichen Moralkriterien erfunden worden seien, genauso wie Gott (»dieses hybride Verfallsgebilde aus Null«), damit der Priestertypus als Mittler zwischen Sünde und Vergebung seine Erwerbsquelle hat (AT: Opfer; NT: kirchliches Amt). Von diesen »erniedrigenden Machenschaften« sagt sich Nietzsche los und erklärt sich zum ersten »Immoralisten«.
Sein Programm der »Umwertung aller Werte« beruht: a) auf verzerrten Vorstellungen über den tatsächlichen Inhalt der Bibel, wahre Nachfolge Jesu und biblisches Denken, b) auf dem Absolutheitsanspruch der Bibelkritik, der er jene uneingeschränkte Zuverlässigkeit im Urteil zuerkennt, die nur dem Wort Gottes zusteht, c) auf dem Grundsatz, dass der Mensch an die Stelle Gottes treten müsse und durch den Willen zur Macht selbst über sein Schicksal bestimmt, d) auf dem konsequent durchgezogenen System, die christlichen Wertmaßstäbe jeweils in das exakte Gegenteil zu übertragen.
Das tragische Ende Friedrich Nietzsches in geistiger Umnachtung (progressive Paralyse) ist wahrscheinlich durch mehrere Faktoren bedingt: a) durch genetische Vererbung, b) durch stetige Rauschgifteinnahme, c) durch Dämonisierung, d) als Folge der seelischen Verarmung durch seine Philosophie der »Fernsten-Liebe«, e) als Folge seines Realitätsschwundes, seiner abstrakten Illusionswelt, die stets den Wahn als dionysischen Rauschzustand positiv wertet. e) Die Möglichkeit einer Syphilisinfektion wäre denkbar, scheint jedoch im Blick auf die gehemmte, neurotische Persönlichkeitsstruktur des Philosophen eher nicht zuzutreffen.
Die Auswirkungen der Philosophie Nietzsches begrenzen sich nicht auf die Ideologie des Nationalsozialismus bzw. Faschismus. Ihr Grundkonzept vom »Willen zur Macht« oder von der »Umwertung aller Werte« bestimmten die Wertmaßstäbe unserer heutigen Gesellschaft. An Stelle der Gebote Gottes ist das allgemeine Bewusstsein getreten, dass ethische Wertmaßstäbe relativ, veränderbar seien. Durch den Einfluss der »Frankfurter Schule« wurde der »Wille zur Macht« dem Kollektiv übertragen. Dadurch stellt sich unsere Gesellschaft als gesamte in den Aufstand gegen Gott, indem sie es sich anmaßt, selbst das Urteil über »gut und böse« zu fällen.
Selbstaussagen
»Ich erst habe den Maßstab für „Wahrheiten" in der Hand, ich kann erst entscheiden. Wie als ob in mir ein zweites Bewusstsein gewachsen wäre ...«
»Und allen Ernstes, niemand wusste vor mir den rechten Weg, den Weg aufwärts: erst von mir an gibt es wieder Hoffnung, Aufgaben, vorzuschreibende Wege der Kultur - ich bin deren froher Botschafter ... Eben damit bin ich ein Schicksal.«
»Ich bin kein Mensch, ich bin Dynamit.«
»Ich bin bei weitem der furchtbarste Mensch, den es bisher gegeben hat.«
»Ich verurteile das Christentum, ich erhebe gegen die christliche Kirche die furchtbarste aller Anklagen, die je ein Ankläger in den Mund genommen hat ... Ich heiße das Christentum den einen großen Fluch, die eine große innerlichste Verdorbenheit, den einen großen Instinkt der Rache, dem kein Mittel giftig, heimlich, unterirdisch, klein genug ist - ich heiße es den einen unsterblichen Schandfleck der Menschheit ...«
»Hat man mich verstanden?«
»... ich bin, auf griechisch und nicht nur auf griechisch, der Antichrist.«
»Hat man mich verstanden? – Dionysos gegen den Gekreuzigten ...«¹
Friedrich Nietzsche, geboren am 15. Oktober 1844, »der« Maßstab für Wahrheit? Friedrich Nietzsche, gestorben am 25. August 1900, in geistiger Umnachtung, »der« frohe Botschafter für neue Hoffnung? Schicksal, Dynamit, Ankläger des Christentums? Der Antichrist, Zarathustra, Dionysos gegen den Gekreuzigten? Wer war Friedrich Nietzsche? Welche Philosophie hat er entwickelt? Was sind die Ursachen für sein vehementes „Nein!" gegenüber dem christlichen Glauben?
1 Friedrich Nietzsche: verschiedene Selbstaussagen aus seinen Werken. Zitiert nach No Frenzel (Hrg.): Friedrich Nietzsche, Werke in zwei Bänden. (Nach der Ausgabe von Karl Schlechta). Zürich 1977.
Teil I: Der kulturelle Hintergrund
Jedes Jahrhundert weist bestimmte Entwicklungen auf, die sich erst im Denken der folgenden Generationen nachhaltig auszuwirken beginnen. Es werden Weichen gestellt, die den künftigen Kurs bestimmen. Auch das Leben und Werk Friedrich Nietzsches ist in solche Weichenstellungen eingebettet; er ist im wahrsten Sinn des Wortes »ein Kind seiner Zeit«, das konsequente Produkt seiner Vorgänger und der Prophet einer materialistischen, gottlosen Zukunft.
Doch ehe wir uns seiner Zeit zuwenden, sollten wir einen Blick auf jene Epochen werfen, als deren Abschluss sich Nietzsche verstand.
Das 16. und 17. Jahrhundert, eine Anfrage an uns
Zurück zur Reformation!
Geprägt von den Denkansätzen des 18. Jahrhunderts sah Friedrich Nietzsche sein Lebenswerk darin, das 16. zu überwinden. Was ist im 16. Jahrhundert geschehen? Es war die Zeit der Reformation. Eine Umbruchszeit wie auch das 19. Jahrhundert; doch während im letzteren alles nach Auflösung strebte, führte die Reformation zur festgefugten Ordnung des Wortes Gottes zurück. Es verhielt sich damals ähnlich wie bei der Josianischen Reform des Alten Testamentes (2. Kön. 22-23,30) oder wie nach der Babylonischen Gefangenschaft: Die in Verfall geratene Kirche wurde wieder erneuert. Auch die Reformation war die Antwort auf eine Weichenstellung, die ihr durch die früheren Jahrhunderte vorgegeben war; doch sie war eigentlich nicht die Antwort genialer Menschen, sondern die des lebendigen Gottes, der mit seinem Evangelium in die Menschheitsgeschichte eingriff. Die Vorboten der Reformationszeit waren Sittenverfall, eine immer verhängnisvollere Entfremdung von den Lehraussagen der Heiligen Schrift, die einbrechende Säkularisierung unter den gebildeten Kreisen und die Verrohung breiter Gesellschaftsschichten. Diese Weichenstellung gab den Kurs »Chaos«, »Untergang des christlichen Abendlandes« an. Es war dieselbe Weichenstellung, wie wir sie heute - viel schärfer ausgeprägt - vorfinden.
Und doch führte es nicht zur Katastrophe, weil Gott Männer erweckte, die das Steuer im letzten Moment herumrissen. Durch das Studium des Wortes Gottes hatten sie erkannt, dass die Gesellschaft und Kirche nur dann aus ihrer Krise herauskommen würde, wenn die Botschaft des Evangeliums wieder zum Zug käme. Sie bemühten sich, den Willen Gottes in dem Maß wieder aufzurichten, wie es die komplizierten, kirchenpolitischen Umstände zuließen. Ihr Einsatz wuchs zu einem erbitterten Kampf aus, denn die Feinde des Evangeliums antworteten mit Verfolgung, Scheiterhaufen und politischer Intrige. Hatten die Gegner auch nicht die geistigen Mittel zur Hand, um den Vormarsch des Evangeliums zu stoppen, so versuchten sie, mit