Žižek in Teheran
Von Sama Maani
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Über dieses E-Book
Bei der Suche nach den Urhebern dieses die Existenz der Islamischen Republik gefährdenden Textes stoßen die Geheimdienste des Regimes auf die Spur Kardans, eines in Teheran äußerst beliebten, seit der islamischen Revolution inhaftierten Schauspielers und Regisseurs, den die sogenannten Reformfaschisten unter den islamischen Herrschern dazu bewegen wollen, ihnen bei der Produktion der "beliebtesten Fernsehserie aller Zeiten" zu helfen.
Eine zweite Spur führt in das "Haus des Vergessens des Internats Islamischer Mädchen", in dem den Internatsschülerinnen die Möglichkeit geboten wird, den Inhalt ihres Lieblingsbuches mithilfe eines Brain-Computer-Interface aus ihrem Gedächtnis zu löschen, so dass sie den Genuss der ersten Lektüre – frei von der Erinnerung an diese – wiederholen können. Dass die Anwendungsmöglichkeiten der Technologie dieses Hauses nicht auf das Vergessen von Büchern beschränkt bleiben, liegt auf der Hand.
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Buchvorschau
Žižek in Teheran - Sama Maani
1
Nachdem er sich hingelegt hat
Nimmt sich der Gefängnisarzt Zeit
Um sich auf der Couch einzurichten
Klopft das Kissen zurecht, fährt sich mit den Händen
An der Hose entlang, dann durch’s Haar
Dann fällt ihm ein, daß er die Schuhe ausziehen will
Wie oft habe ich gesagt, daß er die Schuhe nicht ausziehen braucht
Es nervt, daß er glaubt für
Diese Art „Analyse"
Sich auf der Couch auch noch einrichten zu müssen
Und ich betone Diese Art „Analyse"
Und setze Analyse in Anführungszeichen
Sofern man Worte, die man denkt, betonen
Respektive in Anführungszeichen setzen kann.
Es nervt, und schon beginnt er zu reden
Die gewunderten Vögel belästigen ihn. Sie sind aus den Resten ehemaliger Vorhöfe des Himmels gebildet, also selig gewesener Menschen. Sie können nichts als sinnlos auswendig gelernte Phrasen herzusagen. Jedesmal, wenn sie die eingebläuten Phrasen abgeleiert haben, gehen sie mit den Worten
Verfluchter Kerl!
in seiner Seele auf, den einzigen Worten, deren sie, um eine echte Empfindung auszudrücken, fähig sind. Den Sinn der Worte verstehen sie nicht, haben aber eine
Empfänglichkeit für den Gleichklang der Laute.
Es macht für sie wenig Unterschied, ob man sagt:
Santiago oder Carthago
Chinesentum oder Christentum
Abendrot oder Atemnot
Ackermann oder Ariman
Ariman?
2
Ich litt, als ich nach Teheran kam
An einer Bronchitis, die ich mir bei einer Nutte geholt hatte
In Graz
Bei keiner gewöhnlichen allerdings
Ingeborg.
Wie alle Grazerinnen mit germanischen Namen
Gudrun
Gerlinde
Friedrun
Anstatt eines anständigen christlichen
Stammt Ingeborg aus einer Faschistenfamilie
Hör auf mit deinem Faschismus!
Mit meinem, LeserIn?
Die du glaubst über Graz
Oder dich
Etwas zu wissen
Was nicht heißt, daß nicht auch die anderen, mit den christlichen Namen
Franziska
Gabriela
Johanna
Von Faschisten abstammen könnten
Ausschließen
Sollte man schon gar nichts in Graz.
Und in Teheran auch nicht.
Aber ich meine, wenn ich
Keine gewöhnliche Nutte sage, was anderes.
Vor Jahren, als sie studierte
Chemie oder Biologie, es interessierte mich nicht
Jobbte sie
Im Sommer als Eisverkäuferin, in der Fußgängerzone
Ich flanierte, was man damals noch tat
Oder es schien so
Ich schleckte am Pistazieneis
Sie sagte
Ich schreibe
Später veröffentlichte sie Romane
Die Menschenverwalterin (u.a.)
Ich führte neben meiner Existenz als Analytiker
Der ich damals nicht war
Ein Leben als Schriftsteller, von dem niemand wußte
Die einzige Ingeborg.
Als ich sie kennenlernte, hatte Ingeborg einen Freund
Ich durfte nur küssen
Und steckte ein paar Mal
Den Finger in den Po, nicht ohne pistaziengrün
zu sagen Zu ihren Augen
In Teheran gibt es keine Fußgängerzone
Aber eine Viertelmillion Nutten
90% der Frauen in Teheran sind Nutten
Behauptet die Schwester, sagt aber Prostituierte statt Nutten.
Später
Als wir ein Liebespaar wurden
Mit Unterbrechungen dreieinhalb Jahre
Mehr Unterbrechungen als Jahre
Wenn man ein Doppelleben führt, lebt man länger
Doppelleben führten wir beide
So schienen die Jahre
Mit Unterbrechungen
Doppelt mal doppelt so lang.
So ein Schwachsinn, sagt Mutter
Während die Schwester ihr iPhone zückt
Um den Standard-Artikel zu finden
In dem das mit den 90% stehen soll
Laß sehen, sagt Mutter
Die Schwester liest vor
90% aller Prostituierten in Teheran haben Matura.
Nach Ablauf der dreieinhalb Jahre hatte sie einen andern
Ich gehöre ihm, sagte sie, nur ihm
Mit Betonung auf nur
Er war verheiratet
Dann verfiel sie auf die Idee, daß sie ihm so sehr gehörte
Daß er das Recht hätte, sie zu verdingen
Sie sagte verdingen, nicht verkaufen
Ich kaufte (in unregelmäßigen Abständen)
Daher die Bronchitis
Die ich mir am Abend vor meiner Rückkehr nach Teheran holte.
In den dreieinhalb Jahren
In denen wir ein Liebespaar waren
(Mit Unterbrechungen, mehr Unterbrechungen als Jahre)
Redeten wir über Romane
Die wollten wir schreiben
Gemeinsam oder jeder für sich
Die Romane sollten aufeinander verweisen
In den Romanen ging es um Graz
Und um Teheran
Graz hieß Miesen, Teheran Braunland.
Wann immer Ingeborg
In meinen Armen lag
In den dreieinhalb Jahren (mehr Unterbrechungen usw.)
Nannten wir sie braunländisches Mädchen
Und stellten uns vor, sie empfängt mich
An der Grenze zwischen Teheran und Nicht-Teheran
Sollte ich je zurück.
3
Ich bin impotent, sagte er
Ohne daß er angerufen hätte oder ein E-Mail geschickt
War er einfach gekommen
Ich bin impotent
Stand
Hinter dem niedrigen Zaun
Aus Holz, der für einen Garten in Teheran ganz untypisch ist
Wie auch der im Garten stehende Container
In dem sich meine Ordination für Psychoanalyse befindet
Für Teheran ganz untypisch ist
Wie es für Teheran
Überhaupt ganz typisch zu sein scheint
Daß dort ständig Dinge passieren
Die für Teheran (eigentlich) ganz untypisch sind.
Als es läutete, dachte ich
Es ist der Postmann
Weil ich einen Brief erwarte, ich gestehe
Von Ingeborg.
Ich bin impotent
Der Gefängnisarzt trägt ein gelbes Hemd und ein grünes Sakko
Oder umgekehrt
Jedes für sich schon unendlich geschmacklos
Ich bin impotent, quasi als Begrüßung
Wäre untypisch auch in Graz
Sonst
Machen mich professionelle Kontakte nie verlegen.
Über den Kiesweg
Folgt er mir zum Container
Und durch das Wartezimmer und eine Tür in einer Trennwand
Bestehend (die Tür, nicht die Trennwand)
Aus einer Gipskartonplatte, einer Spanplatte und einer Akustikplatte
In den Behandlungsraum.
Setzen Sie sich
Er scheint verwirrt, das heißt sein Äußeres
Wie Columbo
Aber nicht so intelligent
Obwohl Columbo auf den ersten Blick auch nicht intelligent wirkt.
Möglich, daß ich seine Hose anstarre
Weil sie mich, obwohl grün, an die Hose
Meines Analytikers, meines Lehranalytikers, erinnert
Kinz, in Graz
Den sie Rote Hose nannten
Was den Gefängnisarzt, hätte er es gewußt
In der Vorstellung
In der Psychoanalyse geht es immer um Sex
Bestärkt hätte.
Dieselben Nerven sind im Frühjahr in den Leibern von Finken, im Sommer in denjenigen von Schwalben, im Winter in denjenigen von Sperlingen oder Krähen. Nach der mir wohl bekannten Klangfarbe ihrer Stimmen sowie nach den ihnen eingepfropften Redensarten, steht die Identität der betreffenden Seelen für mich außer Zweifel.
Was reden Sie da?
Will ich sagen, sage aber nix
Das wäre unanalytisch
Aber einmal muß ich es sagen
Und werde.
Wann immer er nicht über seine Impotenz spricht
Spricht er
Als zitierte er aus einem Buch
Geschrieben von einem Verrückten
Aber höchst Intelligenten.
Was immer aber der Gefängnisarzt sein mag
Verrückt ist er nicht.
Das Buch, das der Gefängnisarzt zitiert
(Aber warum, in Gottes Namen, macht er das?)
Scheint eine Übersetzung zu sein
Aus einer europäischen Sprache (vermutlich)
Daß es sich um eine Übersetzung handeln muß
Merkt man Übersetzungen in die Sprache Teherans sofort an
Schneller zum Beispiel
Als man es einer Übersetzung ins Deutsche anmerken würde
Wenn überhaupt.
Die Möglichkeit, die Vögel durch das Zusammenwerfen ähnlich klingender Worte zu verwirren, hat mir oft als eine Art Kurzweil dienen und mir eine sonderbare Unterhaltung bereiten können. So scherzhaft das klingen mag, so hatte die Sache für mich auch eine ernste Bedeutung. Der obere und der niedere Gott, die ebenso gut wie ich von der Eigenart der gewunderten Vögel, auf gleichklingende Laute hineinzufallen, unterrichtet sind, spielen diese Eigenart wechselseitig gegeneinander aus. Beide haben das Bestreben, sich zurückzuhalten und immer den anderen Teil vorzuschieben; da nun durch das Hereinfallen der Vögel auf den Gleichklang jedesmal die Anziehung desjenigen Teils beschleunigt wird, zu dessen Lager die betreffenden Stimmen gehören, so läßt der obere Gott von den Personen meiner Umgebung mit Vorliebe solche Worte sprechen, die dem Stimmenmaterial des niederen Gottes angehören und umgekehrt, während ich, da mir an einer Vereinigung aller Strahlen gelegen ist, stets entsprechend entgegenzuwirken suche.
Übersetzung
Aber noch etwas anderes
4
Gedicht
Alle Teheraner sind Dichter
Auch ich
Und immer ichter
Von Kindesbeinen
Mit Kinderreimen
Graz reimt sich
Auf Teheran nich
t
Auch icht
Nicht
Wenn ich Ingeborg
Fickte
Ich den Namen
Einer Faschistin
Aber Ingeborg ist nicht
Faschistin
Ja! Natürlich
Sondern Ökologin, Esoterikerin, Feministin
Wie alle Grazerinnen
Bioresonanz
Ich fickte, wenn ich Ingeborg fickte
Im Dienste der Geschichte
Als wäre ich Jude
Aus Rache
Ein schon merklich schwächelnder Alter sagt
Geh
Im Stadtpark, in Graz
(Wunderschön übrigens)
Zu einem Halb-Afrikaner
Geh zurück!
Ich springe und reiße den Pensionistenhut vom Schädel
Und spucke
Wer weiß, hätte ich in weiterer Folge gewürgt
Als der Parkwächter kam.
Wäre ich nicht Analytiker, ich hätte gewürgt
(War ich damals aber eh noch nicht)
Ich hasse Menschen
Sagt Ingeborg
Bei Gelegenheit
Und zahlreiche Analysanden
Dennoch liebte ich
Lakritzentötung
War der Roman eines Grazers
Der Sechziger
Dessen Übersetzung in die Sprache Teherans
Drückten sie mir im Teheran
Der Siebziger (ich m.o.w. Kind)
In die Hand
Gedicht
Ich bin
Will aber nicht
Ein anderes aber war
Ein anderes aber Mutter
Seelenallein
Aber wahr
Sätze wie diese
In der Lakritzentötung
Zerstörten meine Kindheit
Ich wollte Dichter sein
Ich sagte
Als wäre ich Jude
Mit Betonung auf wäre
Daß ich kein Opfer bin, ist nicht wahr
Von Graz, aber das macht doch nicht froh
Und fickte Ingeborg
Aus Rache
Für Verbrechen, die sie gar nicht begangen
Eh net
Noch ihre Eltern
In Graz
Und in Teheran
Sucht Geschichte nach Ausdruck.
Wie der Geschichtelehrer in Graz
Der Volksdeutsche, aus dem Mund riechende, aus Siebenbürgen Stammelnde
Gesagt haben wird
In Siebenbürgen schießt auf einmal die Erde aus dem Boden heraus
Ganz genauso
Schießen in der Lakritzentötung
Auf einmal Gedichte aus der Prosa
Gottseitig bloß
Wenn sie sich treffen
Zum Abendrausch
Die Lakritzentötung handelt von einem Schloß
Im Süden (von Graz?)
Auch wenn eine Handlung als solche
Wie in allen Grazer Romanen nicht existiert.
Zwei Sorten Menschen bewohnen das Schloß
Die Innen- und die Außenbewohner
Was sie voneinander unterscheidet, weiß man nicht recht
Dürfen sich doch die Außenbewohner
Auch im Inneren bewegen, ja dies Innere sogar bewohnen
Gesetzt sie beherrschen
Den Lakritzencode.
5
Neulich, sagt der Gefängnisarzt, hab’ ich eine kennengelernt
Die mit mir intim werden wollte
Ständig, sage ich, lernen Sie eine kennen
Die mit Ihnen intim werden will
Ständig, sagt der Gefängnisarzt.
Warum, denke ich, warum lerne ich keine kennen
Die mit mir intim werden will?
Eine Musikerin, Oboistin vom
Teheraner Symphonieorchester
Das Symphonieorchester gibt es nicht mehr, denke ich
Sag’ aber nix
Beim Joggen hab’ ich sie von hinten erkannt.
Von hinten? Erkannt?
Ich kenn’ sie vom Fernsehen
Weil, wissen Sie, dieses Blond
Ich meine, Blond ist ja in Teheran gar nicht so selten
Dieses besondere Blond aber schon
Golden Brown
Der Gefängnisarzt singt jetzt
Texture like sun
Lays me down
With my mind she runs
Throughout the night
No need to fight
Golden Brown
http://www.youtube.com/watch?v=d7R7q1lSZfs
Golden brown, will ich sagen, ist nicht blond, sondern braun.
Sag aber wieder nix
In den letzten Stunden
Hat der Gefängnisarzt begonnen, gelegentlich zu singen
Ich soll alles sagen, sagt er, was mir einfällt
Und wenn mir eine Musik einfällt?
Schon fällt ihm eine Musik ein
Raftam be Sahra
Didam Ghoorbaghe
Goftam Ghoorbaghe!
Damaghet chaghe!
Dála Lalálay
Láy Lálam
Ich ging aufs Feld
Und sah die Kröte
Und sagte Kröte!
Schaust aus wie Goethe!
Dála Lalálay
Láy Lálam
Seitdem singt er
Bevor, während und nachdem er über seine Impotenz gesprochen hat
Mindestens einmal pro Stunde
Beim Joggen ist sie mir zu schnell
Ich kann sie nicht einholen
Einmal sitze ich
Auf der Parkbank und warte
Sie wird langsamer, ich sprinte
Und hole sie ein.
Was machen Sie außer Joggen?
Daß ich weiß, daß sie Oboistin ist, sag’ ich nicht
Paintball, sagt sie
Wir treffen uns
In der Sport-Bar ihres Paintball-Clubs
Female Justice
Die haben Sie dort reingelassen?
Als Mann?
Es gibt dort Männer zuhauf.
Wenn Sie wer fragt, sagen Sie
Ich bin Trainer
Es fragt aber niemand
Einen besseren Ort
Um Frauen anzumachen als Sport-Bars
Gibt es im ganzen Teheran nicht
Schick sind sie obendrein
Hallo, sage ich und setze mich
Und
Ich bin impotent
Sie schüttet mir
Das Bier ins Gesicht.
Das Bier …
Dann packt sie mich, Sie entschuldigen, am Schwanz
Das weißt du erst, wenn du mich gehabt hast.
6
In ihrer Wohnung
Fängt sie an, sich zu wehren
Eine Tussi aus Nord-Teheran
Ich muß sie aber haben
Sie legt Musik auf, keine klassische
Wir trinken Whiskey mit Wasser
Ihre Stimme nervt
Ich werde zudringlich.
Was erwartest du von einem Mann?
Sie kichert, ihr Haar ist fantastisch
Frauenhaare sind meine einzige Chance
Gegen
Sie wissen schon …
Gegen die …
Genau, aber das war früher
Ich küsse und öffne
Den Reißverschluß
Dann ist es aus.
Es ist aus …
Sie weiß ja, daß ich impotent bin
Ich sage es allen im voraus
Und jede glaubt, nur sie …
Kann Sie heilen
Ich öffne den Reißverschluß
Und schäle den Oboistinnen-Po wie einen Apfel
Aus der Schale
Dann ist es aus
Sie gehen?
Ich bleibe und rieche
An der Strumpfhose und diskutiere
Über Gott.
Über Gott?
Muß sie irgendwie ablenken
Musikerinnen, wissen Sie, haben’s in Teheran zumal
Irgendwie mit Gott
Gott ist nur Nerv, nicht Körper, demnach etwas der menschlichen Seele …
Nicht schon wieder!, denke ich
Die Gottesnerven besitzen die Eigenschaften der menschlichen Nerven, in einer alle Begriffe übersteigenden Potenz. Sie haben die Fähigkeit, sich umzusetzen in alle möglichen Dinge. In dieser Funktion heißen sie
Strahlen.
Zwischen Gott und den Sternen besteht eine innige Beziehung. Ich wage nicht zu entscheiden, ob man sagen darf, daß Gott und die Sternenwelt dasselbe sind, oder ob man sich die Gottesnerven als etwas über und hinter den Sternen – und demnach die Sterne und unsere Sonne nur als Stationen – vorzustellen hat, auf denen Gott den Weg zu unserer Erde zurücklegt.
Das Buch, das der Gefängnisarzt zitiert
Muß eine Übersetzung sein, ich sagte es schon
Aus einer europäischen Sprache vermutlich
Und einer Sprache (ich werde es später kapieren)
Einer anderen Zeit.
7
Warum er
Die Frauen überhaupt jagt, will ich wissen
Und davonläuft, bevor er mit ihnen –
Das sollten Sie mir sagen
Sagt’s
Und kippt schon wieder
Ins Verrückte
Die licht- und wärmespendende Kraft der Sonne, die Ursache alles Lebens, ist eine Lebensäußerung Gottes. Weshalb denn auch die der Sonne gezollte göttliche Verehrung zwar nicht die volle Wahrheit in sich schließt, aber doch einen, von der Wahrheit nicht allzu weit sich entfernenden, Kern derselben – Es reicht!
Sie reden entweder über
Impotenz
Oder kippen in dieses Gerede
Über Gott und die Strahlen und …
Das ist doch verrückt!
Ich soll doch sagen, was mir einfällt
Das sind keine Einfälle
Das müssen Sie auswendig gelernt haben
Das sind die Worte eines Verrückten
Aber eines höchst intelligenten
Aber Sie … sind nicht verrückt.
Weder verrückt
Noch höchst intelligent
Wollte ich sagen, sag’ aber nix.
Der Gefängnisarzt
Will aufstehen
Tut leid, aber ich kann nicht mehr kommen.
Kann nicht kommen, kann auch noch etwas anderes heißen
Ich weiß, aber ich geh’ jetzt.
Macht er in der Analyse das gleiche wie bei den Frauen?
Daß er von Gott spricht oder geht
Um von der Impotenz abzulenken?
Warum kommt er mir
Aber überhaupt mit der Impotenz
(So wie er’s den Frauen ja eh auch erzählt)?
Warum kommt er in Analyse?
Nach den Stunden
Kann ich mich an keinen einzigen Satz
Dieses verrückten Textes erinnern.
Eine Wolke umhüllt mich, wenn er von den Wolken
Und Vögeln und Nerven und Gott spricht
Ist er weg, ist die Wolke und mit der Wolke
Sind Gott und die Vögel und Nerven
Dahin
8
Der Gefängnisarzt kommt nicht
Sein Platz auf der Couch
Ist leer
Ich habe ihn (noch) nicht vergeben
Ich liege montags, mittwochs, freitags, Punkt zwei
Auf der Couch
Und schließe die Augen
Die durch den Läuterungsprozeß gereinigten Seelen steigen zum Himmel und gelangen zur Seligkeit. Die Seligkeit besteht in einem Zustand
ununterbrochenen Genießens
verbunden mit der Anschauung Gottes. Für den Menschen würde die Vorstellung eines ewigen Nichtstuns etwas Unerträgliches bedeuten, da für ihn erst die Arbeit das Leben süß macht. Allein man darf nicht vergessen, daß die Seelen etwas anderes sind als der Mensch. Für die Seelen bedeutet das fortwährende Schwelgen im Genuß und zugleich in den Erinnerungen an ihre menschliche Vergangenheit das höchste Glück. Dabei sind sie in der Lage, im Verkehr untereinander ihre Erinnerungen auszutauschen, und vermittelst göttlicher Strahlen von dem Zustand auf der Erde lebender Menschen, für die sie sich interessieren, Kenntnis zu nehmen.
Zurückzuweisen ist die Vorstellung, daß das Glück der Seelen durch die Wahrnehmung, daß ihre noch auf der Erde lebenden Angehörigen in unglücklicher Lage sich befinden, getrübt werden könnte. Denn die Seelen besitzen zwar die Fähigkeit, die Erinnerung an ihre eigene menschliche Vergangenheit zu bewahren, nicht aber neue Eindrücke, die sie als Seelen empfangen, auf eine irgend in Betracht kommende Zeitdauer zu behalten. Dies ist
Die natürliche Vergeßlichkeit der Seelen
welche neue, ungünstige Eindrücke alsbald bei ihnen verwischt.
Auf einmal erinnere ich mich, LeserIn
An den Text des Gefängnisarztes
D.h. nicht des Gefängnisarztes, sondern dieses intelligenten Verrückten
Hat es bloß des leeren Platzes bedurft?
Auf der Couch?
Ich liege auf meiner psychoanalytischen Couch
Und die Wolken, die mich umhüllten
Wenn er von Nerven und Vögeln und Gott sprach
Umhüllen mich wieder
9
Es stimmt aber nicht, daß ich in den
Noch immer!
Für den Gefängnisarzt reservierten Stunden
Immer nur auf der Couch, auf seinem leeren Platz, liege
Und an den Text denke
Im Garten
In dem der Container steht
In dem sich meine Ordination für Psychoanalyse befindet
Läßt es sich bestens flanieren
Am Container vorbei führt ein Weg
Zur hinteren Mauer, ein Kiesweg, ich treffe dort
Die Narzisse
Und grüße.
Beim Sprechen mit Narzissen
Verlasse ich mich auf das Wissen der Mutter
Und Freuds
Narzisse, Osterglocke, Familie der Amaryllisgewächse
1560 bis 1620, orientalische Phase der Gartenkultur
Narzisse, von griechisch ναρκειν
Betäuben, Narkose, Dichternarzisse
(Freud hatte
Natürlich
Recht, daß die Texte der Dichter Narkotika sind)
Deren Zwiebel enthalten die giftigen Alkaloide Narcissin und Narcipoetin
Narcissin
Narcisse
Narkose
Narcipoetin
Narko-Poet
A Narkopoet
Anarcho-Poet
Der Anblick der Narzisse
Löst eine Assoziationskette aus, eine Kaskade von Erinnerungen
Und am tiefsten Punkt
Steht der Name
Der Narges
10
Nostalgie, sagte mein Lehranalytiker Kinz
Nicht in der Analyse, sondern im Café Rainer, in Graz
Wo wir uns zu treffen pflegten
Um zu kiffen und das
Steirische Institut für Psychoanalyse
Zu administrieren
(Das Institut bestand aus meinem Lehranalytiker Kinz, meiner Wenigkeit
Und einem jungen Theologen
Der in der Lehranalyse dekompensierte
D.h. daß er den Glauben verlor und glaubte
Daß er wahnsinnig sei
Den pflegten wir wöchentlich in der
Centralanstalt für Geisteskrankheiten der Jugend
Der
C.G. Jung-Klinik Graz
Zu besuchen)
Nostalgie, sagte mein Lehranalytiker Kinz
Ist ein von Anfang mißverstandenes Wort.
Schon
Dr. Johannes Hofer
Der das Wort 1688 aus νόστος, nóstos, Heimkehr
Und άλγος, álgos, Schmerz zusammengesetzt hätte
Ein Schweizer, um eine Krankheit von Schweizern zu beschreiben
Die sich von ihren Heimatkantonen entfernt hatten
Schon Dr. Hofer hätte, so mein Lehranalytiker Kinz
Das von ihm selbst erfundene Wort
Mißverstanden
Und sei im übrigen der Überzeugung gewesen
Nostalgie betreffe ausschließlich Schweizer.
In Wahrheit sei Nostalgie, so mein Lehranalytiker Kinz
Der Schmerz des Heimkehrenden
Und nicht, wie alle seit und mit Dr. Hofer glauben
Die Sehnsucht nach der Vergangenheit oder der Heimat.
Was schmerzt den Heimkehrenden?
Narges heißt in der Sprache Teherans Narzisse
Meine Aufmerksamkeit
Erregt eine Stelle an der Außenwand des Containers
Der kein Container ist, sondern ein
Portacamp
Das Wort hatten wir
Seit Jahren nicht mehr
Oder ist es die Narzisse, die erregt?
Oder erregt ist?
Ich errege sie jedenfalls nicht.
Weshalb ich mich von ihr abwende
Formlos
Und gehe zu jener Stelle
An der Außenwand des Containers, der kein Container ist
Sondern ein Portacamp
In dem sich meine Ordination für Psychoanalyse befindet.
Es ist noch da
Und in Konturen erkennbar
Das Gekritzel an der Außenwand des Portacamps
Das Narges anlocken sollte
Oder abekeln.
Daß der Heimkehrende heimkommt
Und alles ist, wie gehabt
An seinem Platz
Das, LeserIn, ist Nostalgie
Der Schmerz des Heimkehrenden
11
Als ich das Portacamp sah
In dem sich jetzt meine Ordination für Psychoanalyse befindet
Wußte ich.
Ich stehe am niedrigen Zaun
Aus Holz, der für einen Garten in Teheran
Ganz untypisch ist
Und warte auf den Vermieter
Einen Teheraner Alt-68er
Geringeltes schlohweißes Haar, Designerbrille
Immerhin.
Das Portacamp
Habe er in der Deponie eines Altwarenhändlers erworben
Portacamp sagt er natürlich nicht
Sondern Container
Zu bewohnen, Industriecontainer, sei in Teheran
Eine Zeit lang groß in Mode gewesen
Das ist kein Container, sage ich
Und suche einen Beleg dafür
Daß der Container kein Container gewesen sein kann
Sondern ein Klassenzimmer
Den Container habe er gekauft
Nicht wegen jener Mode der Nullerjahre bei den Teheraner Bobos
Im Container zu wohnen
Sondern wegen des Recycling-Gedankens
Und um gegen die Immobilien-Mafia
Ein Zeichen zu setzen
Die gefährlicher sei als das ganze Regime
Er sei Umweltaktivist
Und Architekt
Und habe aus dem Container
Eine Wohnung gemacht, eine Behausung
Sei das freilich nicht, sondern Kunst.
Es ist noch
In Konturen erkennbar
Das Gekritzel an der Außenwand des Portacamps
Das Narges anlocken sollte
meine mene tekel u parsin
Es spricht
Die Narzisse
Lispeln und Wispeln, niemand darf es wissen
Geh hin!, sagt sie
Und weiß, daß ich weiß
Das Wohin?
Das ich (verzweifelt) rufe
Hilft nichts
Ich weiß
Und ich weiß, daß sie weiß
Daß ich muß
An den Ort.
Ich will aber nicht.
Ohnehin liegt sie
Das hatte ich schon der Annonce des Vermieters entnommen
Um die Ecke
Die Deutsche Schule
Jetzt natürlich
Das Internat für Islamische Mädchen
Geil, gell?
Ich will aber nicht.
12
Den Haupteingang meide ich
Um am Seiteneingang zu stehen
Und zu warten
Daß
Sesam öffne Dich!
Ein Wunder passiert
Und heraus
Treten zwei islamische Mädchen
Voller Kraft durch Freude
Der Jugend
Sympathisch
Aber unendlich hübsch sind sie nicht
Leuchtende Haut und rotbraune Haare
Kopftücher nach oben und hinten versetzt
Woher kommen Sie?
Was für Teheran typisch zu sein scheint, LeserIn
Als Auslandsteheraner
Wirst du von InlandsteheranerInnen
Sogleich als solcher erkannt
Typisch, erklärlich aber nicht.
Aus Graz
Die Mädchen
Sind natürlich beeindruckt
Und verstummen sogleich
Graz enthält
Zwei mal zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Konsonanten
Gr und ts
Hingegen die Sprache Teherans
Zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Konsonanten nicht kennt
(Es sei denn, es geht ihnen ein Vokal voraus
Enqelab
Erteja’
Enteha
Revolution
Reaktion
Ende)
Die Mädchen
Halten Bücher in ihren leuchtenden Händen
Ein Buch pro islamisches Mädchen
Und lachen
Den einen Titel
Die Nonne von Diderot
Bin ich imstande (mit ein paar Verrenkungen) zu erkennen
Und wundere mich
Das braucht Sie gar nicht zu wundern, sagt Schirin
(So heißt das eine islamische Mädchen)
In der Bibliothek haben wir lauter solche Bücher
Kommen Sie!
Ich erröte
Und wir betreten das Areal
Der Deutschen Schule von Teheran
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Gleich
Nachdem wir das Tor passiert haben, das blechblaue
Biegen die Mädchen nach links.
Ich hingegen
Blicke verstohlen nach rechts
Wo noch immer
Ein Portacamp steht
In dem sich damals unsere Klasse befand
Das aber eigentlich
Im Garten bei mir stehen und in dem ich
Psychoanalytisch ordinieren sollte.
Und auch der Zwischenraum
Ist immer noch dort
D.h. die Zwischenräume zwischen Portacamp
und Hecke Und Hecke und Mauer.
Ich folge aber den Mädchen nach links
Auch dort steht etwas noch immer
Das kleine, längliche Häuschen
Der Bibliothek der in der Sprache Teherans verfaßten Bücher
Alles ist, wie es war
(Oder nicht wie es war, sondern ich, wie ich war?)
Wobei mit in der Sprache Teherans verfaßten
Nicht nur in der Sprache Teherans verfaßte
Sondern auch
In die Sprache Teherans übersetzte
Bücher gemeint sind, wie Die Nonne zum Beispiel
Ich folge natürlich den islamischen Mädchen
Aber meine Blicke wollen natürlich
Nach rechts
Unser Lager
War zwischen Hecke und Mauer
Narges war das Opfer
Die Narzisse.
Wie auch immer
Ich folge den Mädchen
(Wie immer)
Zu dem Häuschen
Auch dieses hat sich
Natürlich
Überhaupt nicht verändert
Nur der Rahmen des Fensters
An der Längsseite
Der Bibliothek der in der Sprache Teherans verfaßten Bücher des Internats
Islamischer Mädchen
Eines Ziegelsteinbaus
Ist jetzt rot.
Im Fenster hängt ein transparentes Papier
Das es fast zur Gänze bedeckt
Und auf dem etwas steht
Der Text wird, wenn es denn einer ist
Von farbigen Rechtecken unterbrochen
Vermutlich von Fotografien.
Schirin nimmt meine Hand
Und/oder ihre Kommilitonin
Und führt mich
In das Häuschen
Der Bibliothek der in der Sprache Teherans verfaßten Bücher des Internats Islamischer Mädchen
Aber weder betreten wir eine Bibliothek, LeserIn
Noch ist es ein Häuschen
Auch wenn es, von außen betrachtet, ein solches zu sein scheint
Wir passieren also die Türe
Des Häuschens
Der Bibliothek der in der Sprache Teherans verfaßten Bücher des Internats Islamischer Mädchen
Um uns
Auf dem Haupt- oder Marktplatz einer Kleinstadt zu befinden
Könnte Graz sein
Ist es aber nicht.
Draußen ist
Oder war gerade
Hellichter Tag
Hier: später Abend
Wir sind, genauer gesagt, auf dem Bühnenbild einer
Soll ich sagen
Märchenbühne?
Oder in einer (allerdings sehr großen) Nische einer
Märchengrottenbahn
Nicht nur befinden wir uns
An einem fremden Ort, LeserIn
Sondern in einer anderen Zeit
Ja, genau wie bei den Texten des Gefängnisarztes
Respektive jenes intelligenten Verrückten
In einer anderen Zeit
Aber in welcher?
Ist es ein Haupt- oder Marktplatz des Mittelalters?
Des neunzehnten Jahrhunderts?
Oder ein Haupt- oder Marktplatz des Mittelalters
Mit den Augen des neunzehnten Jahrhunderts betrachtet?
Der Platz ist (von wegen Graz) gepflastert
Aus den Vitrinen (also doch kein Mittelalter?)
Und Fenstern dringt grünes Licht, respektive oranges und rotes
Die Sterne am Himmel
Sind gelb.
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In dieser Bibliothek, die keine Bibliothek ist
Sondern eine Bühne, ist es still, LeserIn
Und herrscht eine Nacht
Die glaubst du zu riechen
Nicht die Nacht der Natur
Sondern Molton und künstliches Licht.
Wir, die Mädchen und ich, verteilen uns
Auf dem Haupt- oder Marktplatz
Ich weiß die Mädchen in meiner Nähe
Sind jedoch keine Nebenmenschen
Die stören
Sondern angenehme Gestalten
Der Phantasie
Behescht anjast k’asari nabaschad
kassi ra ba kassi kari nabaschad
Freiheit
Gleichheit
Gleichgültigkeit
So schaut’s aus
Das Paradies
Ich stehe
Oder wir
Vor der Türe eines Hauses, dreistöckig
Oder einer Bühnenfassade
Zu beiden Seiten des Eingangs
Das gelbe Licht der Vitrinen (kein Mittelalter, nein)
Eines Hutladens oder so