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Madras: Zauber der Palmblätter
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eBook243 Seiten3 Stunden

Madras: Zauber der Palmblätter

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Über dieses E-Book

Illustrierte Ausgabe

Die Palmblattbibliotheken: Tausende Jahre alt und bis heute ein ungelöstes Rätsel. Das Geheimnis dieses Ortes ist das Thema dieses Buches. Die Geschichte dreht sich um eines der größten Rätsel der Menschheit.
Eine Reise führte mich dort hin. Ich habe meine kleine Heimatstadt verlassen um der sagenumwobenen Legende auf den Grund zu gehen, die besagt, dass dort alle Lebensgeschichten aller Menschen niedergeschrieben sind; allerdings nur von denjenigen, die sich aufmachen, um danach zu suchen.
Eben das habe ich getan. Und dies ist es, was ich gefunden habe.

Dieses Buch liegt in deutscher und englischer Fassung vor.

Menschen, die dieses Buch gelesen haben:

Ein interessantes Buch. Wer will, findet die Antwort auf die Frage: Wie viele Leben hat ein Mensch?
Günther Prinz, Publizist, ehemaliger Chefredakteur der Bild, Deutschland

Da steht also mein ganzes Leben auf einem Palmenblatt in Madras. Dieses Buch hat mein Verständnis von Raum und Zeit grundlegend verändert.
Fritz Bloomberg, Ex-Vizepräsident Burda Media, New York

Ein außergewöhnliches Lesevergnügen, das meine Sicht auf die Welt verändert hat.
Gregor Tessnow, Schriftsteller und Drehbuchautor

Webseite der Autorin:
www.antonia-katharina.de
SpracheDeutsch
HerausgeberTWENTYSIX
Erscheinungsdatum11. Dez. 2017
ISBN9783740756093
Madras: Zauber der Palmblätter
Autor

Antonia Katharina Tessnow

Vieles von dem, was wir gemeinhin über die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg zu wissen glauben, wird von Augenzeugen- und Erfahrungsberichten aus jener Zeit widerlegt. Auch dieses kleine Buch veranschaulicht das Zeitzeugnis von Betroffenen, das damit den Tiefen der Zeit und der Kluft des Vergessens entrissen ist. Glücklicherweise wurden diese Aufzeichnungen viele Jahre lang aufbewahrt, die nun aufgearbeitet und niedergeschrieben wurden. Mögen diese Erinnerungen die Seelen der Menschen berühren und sie davor bewahren, die Geschichte zu wiederholen. Möge das Gewissen eines jeden Menschen für Unrecht, Unterdrückung und politisch indoktrinierten Hass sensibilisiert werden. Und mögen all die Menschen, welche die Last eines ungerechten und überflüssigen Krieges zu tragen hatten, niemals vergessen sein. Webseite der Verfasserin: www.antonia-katharina.de

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    Buchvorschau

    Madras - Antonia Katharina Tessnow

    50

    1

    Ich bin 28. Alexander und ich sind kaum ein Jahr verheiratet, als er mit seinem Motorrad verunglückt und noch auf dem Weg ins Krankenhaus stirbt. Als der Unfall geschah, saß ich in einem Zug nach Ravensburg, und kurz darauf in einem Funkloch. Somit erfahre ich erst einen Tag später davon, bei einem Waldspaziergang, als mein Handy für ein paar Momente Empfang findet. Es ist der 9. November 2003, als ein entfernter Bekannter anruft, der von dem Unglück in der Zeitung gelesen hat. Ich kenne ihn kaum und habe jahrelang nichts von ihm gesehen oder gehört. Er erscheint mir wie ein Geist in der Gestalt dieser fast fremden Stimme am anderen Ende des Telefons, einzig und allein um mir diese Nachricht zu überbringen. Unmittelbar danach verschwindet er in der Versenkung, aus der er gekommen ist. Ich habe nie wieder etwas von ihm gehört.

    Das Konstrukt, das mein Leben gehalten hat, bricht innerhalb weniger Augenblicke komplett zusammen. Ich sehe keine Zukunft mehr. Sie ist es, die gemeinsam mit meinem Mann stirbt.

    Ich stürze mich die nächsten zwei Jahre in meine Arbeit und mein Studium. Sie sind mein Halt, der es mir erlaubt, weiter zu leben. Ich mache mehrere Studiengänge gleichzeitig, gehe zu Fortbildungen und arbeite nebenbei, um mein Leben zu finanzieren.

    Der Sturz in die Arbeit ist meine Art der Betäubung und gleichzusetzen mit dem direkten Sturz ins Vergessen. Es ist Angst, die mich antreibt; Angst, vor lauter Trauer ins Bodenlose zu fallen und wahnsinnig zu werden.

    Ich weiß nicht, wohin ich mich wenden soll. Es heißt immer, man soll seinen Träumen folgen. Die Bilder im Kopf und Geist sind unsere Wegweiser. Und die Verwirklichung unserer Ideen, welche wir von uns selber haben, der eigentliche Sinn unseres Daseins. Was nun aber, wenn keine Bilder existieren? Was, wenn es keine Visionen, keine Ideen gibt? Was, wenn man das Vertrauen auf die Zukunft verloren hat?

    Welche Bedeutung hat mein Leben? Wer bin ich? Wo geht meine Lebensreise hin? Welchen Sinn hat das alles und wo gibt es Antworten?

    Es dauert zwei lange Jahre, bis der Schock über den plötzlichen Tod, der in mein Leben trat, seinen eisernen Griff lockert. Unsere Tutorin erwähnt die Palmblattbibliotheken in Indien. Wir reden in einer Vorlesung für ganzheitliche Psychologie darüber. Sie erzählt uns, dass dort die Lebensgeschichten aller Menschen niedergeschrieben sind. Weiter wird über dieses Thema nicht gesprochen. Doch für mich reicht es, um aus meinem Dornröschenschlaf zu erwachen. Was ist das, eine Palmblattbibliothek? Und was ist dort zu finden? Vielleicht die Antwort auf mein Schicksal? Die Antwort auf meine Zukunft?

    2

    Umgehend beginne ich mit meinen Recherchen und sauge alle Informationen über Palmblattbibliotheken in mich auf, die ich finden kann. Die Legende besagt tatsächlich, dass in den Palmblattbibliotheken die Lebensgeschichte jedes Menschen niedergeschrieben ist. Allerdings nur von denjenigen, die die Bibliotheken besuchen werden.

    Die Geschichte dieser Bibliotheken ist auf Rishis zurückzuführen und deren vor ca. 5000 Jahren erschauten Visionen. Als Rishi bezeichnet man einen Meister der Meditationskunst. Ein Rishi ist in der Lage, in der sogenannten 'Akasha-Chronik' zu lesen. Die 'Akasha-Chronik' wird als das 'Weltwissen' oder auch als das 'Weltgedächtnis' bezeichnet, in welchem alle Informationen aller Zeiten gespeichert sind. Um darin zu lesen, tauchen die Rishis in den Bewusstseinszustand des 'ewigen Samadhis' ab. Ein Samadhi ist ein Erleuchteter. Sich im 'ewigen Samadhi' zu befinden bedeutet, erleuchtet zu sein.

    Rishis sind demnach Erleuchtete. Nicht Suchende, sondern Wissende. Sie leben in dem allgegenwärtigen Bewusstsein, Teil eines unendlichen Universums zu sein. Eine ewig lebende Seele, inkarniert in einen Körper, eine ganz spezielle Lebensaufgabe erfüllend.

    Vor vielen tausend Jahren bestand ihre Lebensaufgabe darin, Bibliotheken zu gründen und in Alt-Sanskrit die von ihnen erschauten Lebensgeschichten niederzuschreiben.

    In Europa begann zur selben Zeit das Zeitalter des polierten Steins, das 'Neolithikum' oder auch das, was wir als Jungsteinzeit bezeichnen. In England reihte man enorme Felsbrocken, die Megalithen, auf. Stonehenge entstand und kurz zuvor war im Kaukasus das Rad erfunden worden.

    Es heißt weiter, dass bis heute alle 800 Jahre Abschriften von den übermittelten Informationen angefertigt werden, da die Palmblätter vertrocknen und zerfallen.

    Diese 'Geschichte' ist mir zu fantastisch, als dass ich sie glauben kann. Andererseits: Es gibt die Palmblattbibliotheken ja wirklich. Sollte also doch etwas dran sein?

    Ich spüre das erste Mal wieder ein wenig Hoffnung und sehe ein kleines bisschen Licht in das Dunkel meines Gemütes fallen. Zu lange irre ich schon orientierungslos durch mein Leben. Doch die Idee, dass es direkte Überlieferungen von Erleuchteten geben soll, die in dem Weltwissen gelesen haben, entzündet ein Feuer in mir.

    Auf der Abenteuerreise meiner Recherchen begegnet mir die Geschichte zweier deutscher Wissenschaftler, die ähnlich fasziniert gewesen sein müssen, wie ich es bin. Sie fuhren nach Indien, fanden tatsächlich ihr Palmblatt und haben sich das ihre lesen lassen.

    Die Bibliotheken samt der sich darin befindenden Schriften gelten als heilig. Die Blätter werden gelesen, jedoch nicht aus dem Bestand der Bibliothek herausgenommen. Das ist ein Gesetz. Doch die beiden Forscher durften ihre Blätter ausnahmsweise mit nach Deutschland nehmen und brachten sie in die Universität Heidelberg. Dort war es möglich, sie zu datieren und ihre Substanz zu bestimmen. Das Ergebnis: Das jüngste, bis heute wissenschaftlich untersuchte Palmblatt, welches eine wahre Lebensgeschichte beschreibt, ist 500 Jahre alt.

    3

    Unzählige Fragen überfluten meinen Geist. Wenn diese Legende wahr ist, wenn diese Überlieferung wirklich stimmt, ist es dann nicht so, dass alles schon geschrieben stand, bevor ich überhaupt geboren wurde und mein Schicksal schon vor vielen hundert Jahren feststand? War von Anfang an klar, dass Alexander sterben würde? War es seit jeher vorgesehen, dass wir uns treffen, eine ganz eigene und geheime Wahrheit erleben und auf diese Art und Weise scheiden sollten? Wenn das so ist, dann muss das Leben einen vollkommen anderen, höheren Sinn haben, als ich es mir in meinem beschränkten Vorstellungsvermögen ausmalen kann. Was ist dann die Botschaft an mich durch mein Schicksal?

    Das Leben in Indien wurzelt in einer Kultur, der die Philosophie einer ewig lebenden Seele zugrunde liegt, die in den Kreislauf von Wiedergeburt und Karma eingebettet ist. Diese Philosophie besagt, dass alle Ereignisse in einem Leben so konfiguriert sind, dass unsere Seele der nächst-höheren Erfahrungsebene zugetragen wird. Sämtliche Umstände wie Geburtsland, -ort und Familie sind kein Zufall, sondern entsprechen exakt der Erfahrung, die wir als nächstes brauchen, um den nächsten Entwicklungsschritt vollziehen zu können. Alles ist dafür geschaffen, das Bewusstsein zu erweitern. Es existiert einzig und allein die reine Essenz gemachter Erfahrungen.

    Sind die Bibliotheken der Beweis dafür, dass unsere Existenz mehr als ein Leben umfasst? Sind sie der Beweis dafür, dass es für uns ein Leben vor unserem jetzigen gegeben hat und dass es ein weiteres nach diesem geben wird?

    Was offenbarte das Weltwissen den Rishis über mein Leben, das ich zeitweise als eine so große Last empfinde? Was ist der Sinn hinter all den Gefühlen, die mich zerreißen? Was offenbaren die Palmblätter über mein Schicksal?

    Obwohl ich die Entscheidung, dorthin zu fliegen, ganz für mich im Stillen fälle, organisiert sich meine Reise nach Indien praktisch wie von selbst. Oder ist es von jeher klar, dass ich nach Indien fliegen würde? Wahrscheinlich ist es das. Wahrscheinlich ist es das schon immer gewesen.

    4

    Zwei Wochen nachdem meine Recherchen begannen, besuche ich die Jubiläumsfeier der Essensausgabestelle für Bedürftige der Potsdamer Tafel in Teltow. Seit eineinhalb Jahren bin ich dort einmal in der Woche ehrenamtlich tätig. Neben vielen vertrauten Gesichtern treffe ich einen entfernten Bekannten.

    Bisher habe ich mit niemandem über meine Reisepläne gesprochen. Nicht einmal mit meinen Freunden und meiner Familie. Keiner weiß, dass ich in wenigen Wochen nach Madras, Südindien, fliegen werde. Doch in dem Gedränge der Feier habe ich den Impuls, diesem entfernten Bekannten davon zu erzählen:

    Ich fliege nach Indien, flüstere ich ihm zu.

    Oh, erwidert er, ebenso leise, ich habe einen Cousin in Indien. Er lebt ... warte .. irgendwo in Südindien. In Ma ... Ma ..

    Jetzt sag nicht Madras.

    Ja, genau, in Madras.

    Kannst du den Kontakt zu ihm herstellen?

    Er ist in zwei Wochen hier in Teltow, dann kannst du selbst mit ihm sprechen.

    Damit ist die Unterhaltung beendet. Wir sagen nicht mehr als das, inmitten dieser Menge. Niemand hat uns gehört, denn es herrscht ein Lautstärkepegel, der es uns erlaubt, ungehört Konversation zu führen.

    Kurz darauf treffe ich den besagten Cousin aus Madras in dem Teltower Café, wo ich zwei Jahre zuvor meinen Mann das letzte Mal sah. Herr Bilson, der ebenfalls Alexander mit Vornamen heißt, wartet schon vor dem Eingang auf mich. Ich erkenne ihn sofort ohne ihn jemals gesehen zu haben.

    Es scheint ihm Freude zu bereiten, von dem Land zu erzählen, welches er 13 Jahre zuvor zu seiner Wahlheimat erklärt hat. Er redet von seiner Frau, die Inderin ist, und von der Kultur, in die er durch seine Familiensituation und die vielen dort verlebten Jahre tiefe Einblicke hat. Er berichtet von Indiens Legenden und von seiner Geschichte, über die er ein schier grenzenloses Wissen zu haben scheint.

    Seine Frau arbeitet als Stewardess bei einer Indischen Airline. Darum wohnen er und seine Familie nicht weit vom Flughafen entfernt. Natürlich werde ich vom Flughafen abgeholt und bei ihnen wohnen, ohne Frage, so gehört sich das schließlich in indischen Familien. Doch die gastfreundschaftliche Zuwendung wird weit über das hinausgehen, was hier, bei diesem ersten viel zu kurzen Treffen mit Alexander Bilson besprochen wurde und was ich erst bei meinem Eintreffen in Madras erfahren soll.

    Der zweite Mensch, dem ich Tage später von meinen Reiseplänen erzähle, ist ein mir etwas näher stehender Freund, der mir während der schweren Jahre meiner Trauer zur Seite stand, auch wenn er meinen Mann nie hat kennengelernt.

    Ich weiß nicht warum, aber er erwidert auf meine Erzählungen über Madras' Bibliotheken, dass ich bei ihm 'noch etwas gut habe' und bucht für mich ein Flugticket nach Indien, das ich ein paar Tage später in meinem Briefkasten finde. Auch das wundert mich nicht. Mittlerweile wundert mich so ziemlich gar nichts mehr. Berauscht von der Legende der Palmblattbibliotheken und der Vorstellung der ihnen zugrunde liegenden Wahrheit, scheint nichts mehr Zufall, sondern alles Fügung und vorherbestimmt. Das kurze Gespräch mit meinem entfernten Bekannten, das Treffen mit Alexander Bilson, das Flugticket in meinem Briefkasten. Es geschieht, was geschehen soll. Ich halte innerlich und äußerlich still und warte ab. Ich bin Beobachter und beobachte den Lauf der Dinge und mein Leben, welches sich in diesen Tagen ohne mein Zutun vor mir abspielt.

    Es gibt noch einen Menschen, der mir sehr wichtig ist und zu dem ich eine enge Verbindung habe. Wir verbringen fast jeden Abend gemeinsam, oft, ohne uns wirklich zu unterhalten oder uns eingehender miteinander zu befassen. Sie wohnt zwei Straßen von mir entfernt, einem Fußweg von nicht einmal fünf Minuten. Tagsüber schreiben wir uns SMS, abends, wenn sie von der Arbeit zurückkommt, gehe ich meist zu ihr. Unser Zusammensein tut uns beiden gut.

    Irgendwann, nicht lange bevor mir die Legende der Bibliotheken begegnete, entdeckten wir die 'Herr Der Ringe'-Trilogie für uns. Die Fantasiewelten, in die wir uns begaben, waren eine willkommene Ablenkung von unseren Leben, die wir führten, und die von jedem von uns viel Kraft und Standhaftigkeit forderten.

    Der Herr der Ringe erzählt von Frodo, der den Ring des Bösen vernichten muss, Symbol für die Macht, die alles zerstört, um die Welt zu retten, damit sie am Ende von Licht und Liebe regiert werden kann. Und sie erzählt von seinem treuen Begleiter Samwise Gamgee, genannt Sam. Sam ist Frodos treuer Freund, der immer an seiner Seite steht, unerschütterlich ist, ihn auf seinem beschwerlichen Weg unterstützt und keine Mühen scheut, Quelle der Kraft und Halt zu sein.

    Sam geht mir ans Herz. Ich wünsche mir auch einen Sam und das erzählte ich meiner Freundin. Der Name gefällt mir, der Charakter berührt mich. Ich sehne mich auch nach einem treuen Begleiter auf meinem Weg. Einem, der mir hilft, das Böse in meiner Welt zu zerstören und gegen das Dunkle in mir anzukämpfen, welches mir in Form meiner tiefen Traurigkeit Nacht für Nacht begegnet. Ich wünsche mir einen Sam. Einen Begleiter und Mitstreiter. Einen Verbündeten, der mir Kraft und Halt gibt.

    Ein Sam in meinem Leben würde mich vielleicht vor einem Fall bewahren, der unausweichlich sein wird, wenn ich so weiterlebe wie jetzt. Ein Sam, wie in diesen Filmen beschrieben, wäre vielleicht meine Rettung. Und eine Rettung vor mir, meinem Leben und seiner erdrückenden Last sehne ich mir in meinen stillen Momenten mehr als alles andere herbei.

    5

    Es ist der 15. November 2005, als ich die Abschlussprüfung der Tierheilpraktik absolviere, der 16. November 2005, als ich den Studiengang der ganzheitlichen Psychologie abschließe. Am 1. Dezember geht mein Flug über Paris nach Madras. Die Ausbildung zur Therapeutin für Klinische Massagen habe ich im Laufe des Jahres bereits abgeschlossen und die amtsärztliche Heilpraktikerprüfung ist für Mai 2006 angesetzt, auf die ich mich konzentrieren will, sobald ich aus Indien zurück bin. Ich erinnere mich genau, weil der 15. November des Jahres 2005 mein 30. Geburtstag ist, den ich alleine, lernend und in Vorfreude auf meine erste, eigene Reise, verbringe. Es ist 15 Jahre her, dass ich verreist bin. Ich war damals mit meiner Mutter in Polen. Alexander und ich verreisten nie, unser Urlaub war unser Zusammensein. Meine Welt bestand jahrelang aus der Berufsreiterei, und die vorangegangenen zwei Jahre aus diesem nicht endenwollenden Rausch durch Arbeit, Studium und Ausbildungen. Es ist an der Zeit, dass dies alles ein Ende findet.

    Meine Reise nach Indien ist nun offiziell. Ich mache kein Geheimnis mehr daraus. Zwar berichte ich nicht jedem davon, aber einige wenige wissen es, und die Nachricht macht ihre Runde.

    Bevor ich das Flugzeug nach Indien besteige, habe ich noch eine letzte schicksalhafte Begegnung mit einem Mitstudenten der Heilpraktik.

    Wenn du nach Indien fliegst, MUSST du den 'Alchemisten' lesen, von Paulo Coelho.

    Nein, keine Ahnung. Aber ich glaube nicht, dass ich Zeit habe, mir vor meiner Abreise noch ein Buch zu kaufen, antworte ich und hoffe, dass er mich in Frieden lässt.

    Du MUSST dieses Buch lesen! Glaube mir!, bohrt er weiter.

    Ich habe keine Zeit. Ich habe auch noch die Prüfungsvorbereitungen am Hals.

    Du MUSST! Es ist DAS Buch für dich! Ich sag's dir!

    Ich KANN NICHT!, versuche ich ihm klar zu machen. Vergebens. Er lässt nicht locker.

    Okay, sagt er, ich besorge dir das Buch. Aber eins kannst du wissen: Wenn du das auf deinem Weg nach Indien nicht liest, spreche ich nie wieder ein Wort mit dir!

    Gut, dann soll es so sein. Bei meinem letzten Besuch in der Uni bringt er es mir tatsächlich mit. Ich nehme das Buch dankend an, packe es in mein Handgepäck und mache mich am 30. November, nach einer schlaflosen Nacht, morgens um vier, auf zum Flughafen Tegel. Die Straßen sind leer. Die Stadt schläft noch. Ich bin hellwach.

    Beim Abheben der Maschine schaue ich von oben auf die

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