Die Träume der Miss Minou: Chase Elliots letzter Fall
Von Anna Holub
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Über dieses E-Book
Eine reiche Klientin, die noch dazu gut aussieht – das ist genau das, wovon der abgebrühte Privatdetektiv Chase Elliot in seinen Whiskey-Träumen fantasiert hat. Er kann es kaum glauben, dass eine solche Katze jetzt tatsächlich vor ihm steht – und ihm ein verdammt gutes Honorar in Aussicht stellt. Bestens, denn sein Luftschiff pfeift schon aus dem letzten Dampfloch.
Der Auftrag ist so angenehm wie einfach: Wie schwer kann es schon sein, in Cathattan eine Jazzsängerin aufzuspüren?
Wäre da nicht die Mafia. Und die Familie der Sängerin. Und eine geheimnisvolle Sekte. Sie alle verknüpft ein Mythos, der Chase merken lässt, dass die zu klärenden Fragen viel größer sind, als er geglaubt hatte:
Wer ist der Träumer?
Wovon träumt er?
Was passiert, wenn er aufhört zu träumen?
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Buchvorschau
Die Träume der Miss Minou - Anna Holub
Die Träume der Miss Minou
Anna Holub
Band 7 der Katzenreihe
Für Merlin und Gandalf,
die flauschigen Bewacher meiner Träume.
Cathulhu-Graffitti©Anna Holub 2021
Machandel Verlag Haselünne
Charlotte Erpenbeck
Cover-Bild: luckyway / shutterstock.com
Illustrationen: Anna HOlub
1. Auflage Juni 2021
ISBN 978-3-95959-314-4
1. Nice Work If You Can Get It
Cathulhu ChaseDie Reichen träumen von Liebe, die Armen träumen von Geld. Wovon ich in meinen whiskygetränkten Nächten träume, weiß ich nicht. Aber generell nicht von Damen in enganliegenden Kleidern, die plötzlich an die Tür meines Luftschiffs klopfen.
Also kann es wohl kein Traum sein, beschließe ich. Ich rücke meine Fliege gerade, stehe vom Sofa auf und schlüpfe in meine Anzugjacke.
Das Klopfen an der Eingangstür wird lauter. Ich begutachte den Sitz meines Anzugs im Spiegel und fahre mir mit einer benetzten Pfote über den Kopf, um mein Fell behelfsmäßig geschniegelt aussehen zu lassen. Es ist ja nicht so, als ob ich den Anschein erwecken will, in meinem Büro geschlafen zu haben – auch wenn das seit ein paar Wochen sehr wohl der Fall ist.
Dann öffne ich die Tür und sehe von der Dame zum ersten Mal mehr als einen Schattenriss durch das Milchglas.
Meine sonst so professionelle Miene droht für einen Moment zu verschwinden und mit meiner Kinnlade in die Tiefen der Häuserschluchten zu stürzen. Aber ich beherrsche mich gerade noch.
Die Katze, die vor meiner Tür steht, ist nicht nur attraktiv, sie ist eine Bombe!
Und noch dazu rothaarig. Meine Lieblingsfarbe.
Das Kleid der Dame ist in jenem eleganten Grün, weder zu dunkel noch zu hell, welches das Rot ihres Fells am besten in Szene zu setzen vermag. Ihre Schnurrhaare wie auch ihr halblanges Fell sind exquisit coiffiert – vom Kopf bis zur Schwanzspitze. In der untersten Ecke der perfekt regelmäßigen Dreiecke ihrer Ohren glitzern Diamanten und eine Perlenkette schmiegt sich um ihren Hals. Die Dame weiß sich einzukleiden, und sie hat das Geld dafür. Verheiratet – sie muss es sein, denn wenige Katzen ihres Standes und Alters sind noch unverheiratet, und die meisten davon würde ich aus den Boulevardzeitungen erkennen – doch sie trägt keinen Ehering. Interessant. Und gefährlich, setzt mein inneres Stimmchen hinzu, dem ich immer noch vertrauen kann.
„Mister Elliott? Chester J. Elliott?", fragt sie mit einer Stimme, die Heilige verführen könnte.
Ich nicke knapp. „Chase Elliott, bitte."
Die Pfote zum Gruß auszustrecken wäre zu vulgär, ihre Pfote zu küssen, zu schmeichelnd. Also bitte ich sie mit einer knappen Verbeugung zur Tür hinein. Professionell abgehobenes Benehmen, wie ich es in der Polizeischule gelernt habe. Vielleicht nicht, was von einem Privatdetektiv erwartet wird – die meisten, die diesem sehr speziellen Typ Katzen angehören, haben nicht das Privileg genossen, irgendeine Schule zu besuchen, sei es Polizei- oder anders. Aber meiner Erfahrung nach beruhigt Professionalität die Kunden und lässt sie wissen, dass sie bei mir in guten Pfoten sind.
Mein Büro nimmt den größten Teil der winzigen Kabine meines Luftschiffs ein. Es ist, aus Platzgründen und weil ich mir schon lange keine Putzhilfe mehr leisten kann, ziemlich überfüllt. Doch falls die Unordnung sie abschreckt, lässt sie es mich nicht merken. Ihr Nerz, der mehr als mein Jahreseinkommen gekostet haben muss, gleitet von ihren Schultern, und sie mustert die Einrichtung, während ich ihn gekonnt auffange und auf dem Hutständer neben der Tür drapiere. Dann fällt ihr Blick, wie es dem Großteil meiner Gäste unweigerlich geschieht, auf die geschrägte Fensterwand hinter meinem Schreibtisch, die sich über die komplette Länge der Kabine zieht.
„Welch wunderbare Aussicht", haucht sie.
Ich lächle geschmeichelt. „Eine der besten in ganz Cathattan."
Die Aussicht ist der wichtigste Grund, warum ich die horrenden Mieten für den Stellplatz und die Notwendigkeit, mangels Geld für eine echte Wohnung in der winzigen Bürokabine des Luftschiffs zu schlafen, einem wirklichen Apartment vorgezogen habe. In jedem Job, in dem man sein eigener Marktschreier ist, muss man Erfolg vortäuschen, bis man ihn hat. Und die exquisite Aussicht hat bis jetzt noch jeden Kunden beeindruckt. Ein beeindruckter Kunde ist oft auch ein zahlender Kunde.
Von der Seite des Hochhauses, an dem das Luftschiff vertäut ist, hat man einen weiten Blick auf die neuen Wolkenkratzer Cathattans, mit denen die Reichen wetteifern, sich in immer mehr schwindelerregende Höhen zu schrauben. Im Süden kann man sogar einen Blick auf den Central Park erhaschen. Nach Osten, auf der andere Seite des East River, liegt Queens in Morgennebeln, gefolgt von Astoria und Corona. Hat man Glück, kann man sogar die Baustelle der neuen Weltausstellung am Flushing Bay erahnen.
Sie nickt und studiert die Morgensonne, die den East River ganz unnatürlich zum Glitzern bringt. Die schwindelerregende Höhe, in der sich das Luftschiff befindet, scheint ihr tatsächlich keine Angst zu bereiten. Eine Frau nach meinem Geschmack.
Ich weise auf den einzigen guten Stuhl, denjenigen, den ich für Kunden reserviert habe. „Bitte setzen Sie sich. Kann ich Ihnen etwas anbieten, Miss …?"
Sie schüttelt den Kopf. Was gut ist, denn ich habe wohl keinen Brandy im Hause, über den sie ihr delikates Näschen nicht empört rümpfen würde.
Sie dreht sich nach mir um, als ich durch den Raum schreite und eine Kristallflasche aus dem Bücherregal nehme. Ich spritze pro forma ein paar Tropfen bernsteinfarbener Flüssigkeit aus der Karaffe in ein Glas. Das stelle ich auf meinen Schreibtisch, setze mich ihr gegenüber und verschränke die Pfoten auf der grünen Schreibunterlage, ganz professioneller Privatdetektiv.
„Also. Womit kann ich dienen?"
Die Dame senkt den Kopf und sieht mich aus überdimensionalen grünen Augen an. Wenn sie nicht nervös ist, dann spielt sie es sehr gut. Nun, die meisten meiner Kundinnen sind nervös. Das liegt in der Natur meines Metiers.
„Ich habe gehört, dass Sie … gewisse Dienste anbieten, Mr. Elliott. Diskrete Dienste."
Ich verziehe den Mund. „Das kommt darauf an, von wem Sie das gehört haben."
Sie seufzt. „Thomas Malone. Reicht Ihnen das?"
Ich nicke. Thomas Malone ist ein alter Kollege aus Polizeizeiten. Er schickt mir von Zeit zu Zeit Kunden, die Aufträge gewissenhaft und diskret ausgeführt haben wollen, ohne die Bullen selbst zu involvieren.
„Und womit denkt Mister Malone, dass ich Ihnen helfen kann, Miss?"
„Ich suche nach einer bestimmten Katze. Nein, nicht, was Sie denken, Mister Elliott. Ich will … nur wissen, wo sie sich aufhält. Ich will mit ihr sprechen. Das ist alles."
Ich nicke und verkneife mir die Fragen. „Und Sie wollen, dass die Affäre diskret behandelt wird."
„Natürlich."
„Selbstverständlich, Miss …"
Der Bruchteil eines Zögerns vor der Antwort, eine Pause der Breite eines Katzenhaars. „Sagen wir, Georgia."
Nun gut. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich Fälle behandle, deren Auftraggeber mir ihren tatsächlichen Namen verschweigen. Solange, und das ist ein großes „Solange", sie trotzdem bezahlen …
Die Dame muss meine Gedanken gelesen haben, denn sie kommt mir zuvor und erspart mir die Peinlichkeit, sie selbst darauf ansprechen zu müssen.
„Ich habe etwas von meinem Taschengeld gespart. Sie lächelt verlegen, doch ihr nächster Satz klingt professionell und geschäftsmäßig. „Sagen wir, tausend Dollar die Woche, für Honorar und Ausgaben. Für maximal fünf Wochen. Würde das reichen?
Mein Pokerface verbleibt passiv. Aber 5000 Dollar würden zumindest meinen Stellplatz und meine dringendsten Schulden für diesen Monat bezahlen. Das wäre der beste Auftrag, den ich seit dem Sommer hatte.
„Meine Stundenrate ist …"
„Ich bin mir sicher, dass Sie sich Ihre Stundenrate aus der Summe herausnehmen können, Mr. Elliott."
„Das Wichtige zuerst, meine Dame, tadele ich sie leicht. „Ich habe doch noch gar nicht gesagt, ob ich überhaupt in der Lage bin, diesen Auftrag für Sie auszuführen. Das kommt ganz auf den Zeitaufwand an, und wie weit ich dafür reisen müsste. Erzählen Sie mir erst einmal mehr, und dann sage ich Ihnen ganz ehrlich, was ich für Sie tun kann und was es kostet, in Ordnung?
Eine nicht ganz der Wahrheit entsprechende Aussage – ich habe keine anderen Aufträge am Laufen, und für fünf Riesen würde ich im Moment ziemlich weit fahren. Sogar bis nach Georgia. Aber eine Dame wie sie tritt nicht jeden Morgen in mein Luftschiff, und solch ein Fisch will behutsam ans Land gezogen werden. Wenn fünftausend Dollar für sie Taschengeld sind, dann ist da vielleicht noch Luft nach oben.
„Ach ja." Sie lächelt etwas peinlich berührt.
Ich lächle zurück und wische die Sache vom Tisch. „Also. Erzählen Sie mir über diese Dame, nach der Sie suchen, Miss Georgia."
Sie hüstelt leicht nervös. „Es, ah, handelt sich um eine … eher delikate Angelegenheit. Eine … Jazzsängerin." Sie reicht mir ein Foto.
Eine Jazzsängerin, allerdings. Die winzige Fotografie ist vergilbt und überbelichtet, kann aber nicht verbergen, dass sie außer ihrem reinweißen Fell wenig trägt und die Kaschemme dahinter eher schmierig anmutet. Ich ziehe eine Augenbraue hoch.
„Oh, Mister Elliott, Sie können sich sicher denken, weshalb jemand wie ich nach jemandem wie ihr suchen würde." Die Dame schnaubt und ihre Schnurrhaare zittern. Feingeschärfte, roséweiße Krallen drücken sich in ihr Taschentuch.
Dramatisch. Etwas zu dramatisch, sagt mein angeborener Skeptizismus. Aber noch verkneife ich mir jeglichen Kommentar.
„Und wie ist der Name dieser Sängerin?"
„Der … Sie verstummt und sieht hilfeheischend zu mir auf. „Ach, ich kenne ihren wirklichen Namen nicht!
„Der Name des Lokals, dann."
Sie lächelt mit sichtlicher Erleichterung. „Sie singt in einer Bar namens Dutch Angle. Sie nennt mir die Adresse und ich gebe vor, sie mir zu notieren. Als ob ich den Angle nicht kennen würde. „Oder zumindest hat sie dort gesungen.
Ich nicke. „Und sie hat keine Adresse hinterlassen."
„Nein. Aber mein M…"
Sie unterbricht sich abrupt. Mein Mann sollte das wohl heißen? Eine Konkurrentin in der Liebe oder ein Seitensprung, dem die Dame auf den Grund gehen will. Ich schüttle mir den Gedanken aus dem Kopf. Es geht mich nichts an, und es sollte mich auch nichts angehen. Diskretion. Der Auftrag ist das Wichtige.
Ich nicke. „Das sollte zu machen sein, Ma’am. Und wenn ich sie gefunden habe, was sollte ich dann