Zwei schließen Freundschaft: Kinderärztin Dr. Martens 95 – Arztroman
Von Britta Frey
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Über dieses E-Book
Kinderärztin Dr. Martens ist eine weibliche Identifikationsfigur von Format. Sie ist ein einzigartiger, ein unbestechlicher Charakter – und sie verfügt über einen extrem liebenswerten Charme. Alle Leserinnen von Arztromanen und Familienromanen sind begeistert!
»Ich verstehe das nicht. Es ist nicht zu fassen!« Die Stimme der jungen Frau klang beinahe verzweifelt, als sie fortfuhr: »Sagen Sie doch selbst, Herr Doktor – es kann doch nicht normal sein, daß ein siebenjähriger Junge nachts immer noch ins Bett macht.« »Nein«, gab der Kinderarzt zu, »nein, das ist nicht normal. Aber organisch ist Dorian gesund, Frau Wellershoff. Das Bettnässen kann verschiedene Ursachen haben. Im seelischen Bereich zum Beispiel. Und dafür bin ich leider nicht zuständig. Ich bin einfacher Kinderarzt und kein Psychologe. Die Psyche eines Kindes ist nicht selten noch komplizierter als die von erwachsenen Menschen. Kinder können sich nicht so gut ausdrücken, Frau Wellershoff. Man muß suchen, man muß versuchen, ihr Vertrauen zu gewinnen. Das kann unter Umständen sehr lange dauern. Das läßt sich auch sehr schlecht in der Praxis eines Kinderarztes bewerkstelligen.« »Ja, aber – was soll denn geschehen?« Marita Wellershoff strich sich nervös über die müden Augen. Und da sagte der Kinderarzt mitleidig: »Warum sollten wir Dorian nicht in die Kinderklinik Birkenhain in Ögela geben? Dort können Sie ihn besuchen, dort wird man sich eingehend mit ihm beschäftigen, und ich bin sogar sicher, daß man ihn auch von seiner Krankheit wird heilen können.« Marita Wellershoff sah auf Dorian, der dasaß, schuldbewußt, mit blassem, beschämtem Gesicht, dem man ansah, daß er selbst am meisten darunter litt, immer noch nicht »sauber«
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Kinderärztin Dr. Martens
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Buchvorschau
Zwei schließen Freundschaft - Britta Frey
Kinderärztin Dr. Martens
– 95 –
Zwei schließen Freundschaft
Beide haben ein schweres Päckchen zu tragen
Britta Frey
»Ich verstehe das nicht. Es ist nicht zu fassen!« Die Stimme der jungen Frau klang beinahe verzweifelt, als sie fortfuhr: »Sagen Sie doch selbst, Herr Doktor – es kann doch nicht normal sein, daß ein siebenjähriger Junge nachts immer noch ins Bett macht.«
»Nein«, gab der Kinderarzt zu, »nein, das ist nicht normal. Aber organisch ist Dorian gesund, Frau Wellershoff. Das Bettnässen kann verschiedene Ursachen haben. Im seelischen Bereich zum Beispiel. Und dafür bin ich leider nicht zuständig. Ich bin einfacher Kinderarzt und kein Psychologe. Die Psyche eines Kindes ist nicht selten noch komplizierter als die von erwachsenen Menschen. Kinder können sich nicht so gut ausdrücken, Frau Wellershoff. Man muß suchen, man muß versuchen, ihr Vertrauen zu gewinnen. Das kann unter Umständen sehr lange dauern. Das läßt sich auch sehr schlecht in der Praxis eines Kinderarztes bewerkstelligen.«
»Ja, aber – was soll denn geschehen?« Marita Wellershoff strich sich nervös über die müden Augen. Und da sagte der Kinderarzt mitleidig: »Warum sollten wir Dorian nicht in die Kinderklinik Birkenhain in Ögela geben? Dort können Sie ihn besuchen, dort wird man sich eingehend mit ihm beschäftigen, und ich bin sogar sicher, daß man ihn auch von seiner Krankheit wird heilen können.«
Marita Wellershoff sah auf Dorian, der dasaß, schuldbewußt, mit blassem, beschämtem Gesicht, dem man ansah, daß er selbst am meisten darunter litt, immer noch nicht »sauber« zu sein.
»Aber – er war noch nie von daheim fort«, wandte Marita ein. Da hob Dorian den Kopf und sah seine Mutter entschlossen an.
»Ich möchte in diese Klinik, Mama. Ich möchte, daß man mir endlich hilft, nicht mehr ins Bett zu machen. Ich – ich hab’s dir schon immer zu erklären versucht – ich mach’s doch nicht absichtlich. Es – kommt von ganz allein. Ich kann nichts dagegen tun. Und ich selbst find’s auch ganz schlimm.«
»Am besten, ich gebe Ihnen eine Überweisung für die Kinderklinik Birkenhain, Frau Wellershoff. Dorian versäumt ja nichts, denn es sind Ferien. Und selbst, wenn keine wären – in der Kinderklinik werden die Kinder auch unterrichtet, wenn es sein muß.«
»Das klingt gut.« Marita sah auf ihren Ältesten. »Und wenn du selbst es willst…?«
»Ja, bitte, Mama. Ich möchte es wirklich gern, denn ich find’s ja auch schlimm, daß ich immer noch…« Dorian schwieg, aber er mußte auch nicht weiterreden, denn man wußte, was er meinte.
*
»Sieht so aus, als hätte man den kleinen Dorian Wellershoff daheim völlig falsch behandelt«, sagte Hanna, nachdem sie Dorian zum erstenmal untersucht hatte. Das machte sie grundsätzlich immer ohne die Anwesenheit der Angehörigen. Damit hatte sie außerordentlich gute Erfahrungen gemacht. In Anwesenheit von Mutter oder Vater oder von beiden wagte ein Kind kaum etwas zu sagen, das entfernt nach Kritik aussah.
Hanna war äußerst beliebt bei ihren Patienten, aber sie wußte auch, daß kein Kind wie das andere war. Jeder ihrer kleinen Patienten in der Kinderklinik Birkenhain war ein eigenständiges Wesen, das Anspruch darauf hatte, daß man auf es einging und sich auf es einstellte. Das erwarteten die Erwachsenen schließlich auch.
Hanna umschlang Dorian ganz fest mit beiden Armen und hob ihn auf den Untersuchungstisch. Dann sah sie ihn lachend an und sagte: »Na, viel zu untersuchen gibt’s bei dir ja wohl nicht. Du weißt ja, aus welchem Grund du hier bist. Ich möchte von dir nur wissen, ob es etwas gibt, was dir ein bißchen Angst macht. Vielleicht in der Schule oder so?«
»Nein, die einzige Angst die ich habe, ist die, daß ich wieder ins Bett mache.«
»Dann ist deine Mama wohl ganz schrecklich wütend auf dich, oder?« fragte Hanna wie nebenbei, aber sie merkte doch, wie die Augenlider des hübschen Jungen zu flattern begannen.
»Na ja«, sagte er endlich bedrückt. »Ist ja auch nicht angenehm, nicht wahr? Mama sagt, daß ein Siebenjähriger so etwas einfach nicht macht. Und damit hat sie auch recht. Ich glaube, wenn meine Schulkameraden davon wüßten, würden sie mich auslachen. Noch viel schlimmer. Dann traute ich mich ganz sicher überhaupt nicht mehr in die Schule. Jeden Abend nehme ich mir vor, daß es nicht mehr geschieht – und dann passiert es doch wieder.«
»Paß auf, nicht nur du mußt arbeiten, daß es nicht mehr passiert. Das muß deine Mama auch. Und wenn ihr das gelernt habt, dann ist das alles vorbei und vergessen.«
»Das sagen Sie – aber so einfach ist das auch wieder nicht.«
»Nur keine Sorge, Dorian, das kriegen wir alles in den Griff, viel schneller, als du heute noch denkst. Komm, bevor ich mit deiner Mama spreche, bringe ich dich erst mal auf dein Zimmer. Ich dachte mir, es ist vielleicht ganz gut, wenn du nachts ein Einzelzimmer hast. Du bist ja nicht bettlägerig und kannst tagsüber mit den anderen Kindern spielen. Aber es geht niemanden etwas an, was dir dann und wann nachts passiert. Einverstanden?«
»Ich finde dich große Klasse, Dr. Hanna!« erklärte Dorian, und Hanna lächelte. Sie hatte wieder einmal eine Liebeserklärung bekommen, und kein Mensch ahnte, wie wichtig ihr solche Bestätigungen waren. Zeigten sie ihr doch, daß sie wieder einmal instinktiv das Richtige getan hatte.
*
Oberschwester Elli schien den sogenannten siebten Sinn zu entwickeln, wenn sie gebraucht wurde. Jedenfalls war sie immer dann zur Stelle, wenn man sie benötigte. So auch hier, als Marita Wellershoff völlig verunsichert im hübschen Aufenthaltsraum saß und nicht verstehen konnte, daß sie, als die Mutter, nicht bei der ersten Untersuchung dabeisein durfte.
Elli hatte die Kanne mit dem Kaffee bei sich und zwei Tassen auf dem Tablett, dazu ein Kännchen Sahne und Zucker. Ohne Umschweife ließ sie sich bei Marita nieder und strahlte sie an, als gäbe es absolut keine Sorgen.
»So, ich habe uns Kaffee mitgebracht. Den wollen wir uns jetzt erst mal schmecken lassen. Und dann können wir uns unterhalten, bis Frau Dr. Martens mit der Untersuchung Ihres Jungen fertig ist.«
Das war das Stichwort für Marita. Sie warf der Oberschwester einen anklagenden und gleichzeitig auch verständnislosen Blick zu.
»Ich begreife nicht, wieso ich als Mutter nicht bei der Untersuchung anwesend sein darf. So etwas habe ich noch nie gehört.«
»Nicht?« wunderte Elli sich und schenkte den Kaffee ein, dessen Duft allein schon beruhigend wirkte. »Das finde ich aber merkwürdig. Nun, Ihr kleiner Sohn ist sicher auch noch nie in einer Klinik gewesen, oder?«
»Ja, das stimmt. Dorian war noch nie von daheim fort.«
»Ich habe ihn nur kurz im Vorübergehen gesehen. Aber er scheint ein aufgeweckter kleiner Junge zu sein. Möchten Sie mir nicht ein bißchen von ihm erzählen? Ich bin übrigens Oberschwester Elli.«
Vorsichtig probierte Marita den Kaffee und sagte ehrlich: »Der ist aber prima. Haben Sie ein besonderes Rezept?«
»Nein, eigentlich nicht.« Um nichts auf der Welt würde Elli verraten, daß sie außer einer Prise Salz auch noch ein Stückchen Mokkaschokolade hineingab.
»Dorian ist Bettnässer«, sagte Marita da unglücklich. »Ich habe schon alles mögliche versucht – aber nichts hat bisher geholfen. Und da hat mich der Kinderarzt aus Celle hierhergeschickt. Ich wußte gar nicht, daß es ganz in der Nähe von Celle eine Kinderklinik gibt.«
»Und gar nicht mal eine so schlechte«, betonte Oberschwester Elli stolz. »Wir sind weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Aber unsere beiden Chefärzte und alle anderen, die hier arbeiten, sind auch ganz besonders tüchtig. Sie verstehen mit Kindern umzugehen. Das ist nämlich manchmal gar nicht so einfach.«
»Wem sagen Sie das? Ich habe schließlich drei.« Marita seufzte tief auf. »Und nun darf ich bei Dorians Untersuchung noch nicht mal dabei sein.«
»Oh, dafür gibt es Gründe, ganz wichtige sogar. Wir haben zum Beispiel im Laufe der Jahre die Erfahrung gemacht, daß Kinder, wenn die Angehörigen nicht dabei sind, mitteilsamer sind.«
»Das kann ich nicht glauben. Dorian und ich haben ein ausgesprochen gutes Verhältnis zueinander.«
»Um so gehemmter würde er sein, wenn Sie anwesend wären. Lassen Sie das nur Dr. Hanna Martens machen. Die kennt sich in solchen Dingen aus wie kaum ein zweiter. Höchstens noch ihr Bruder. Die Kinder mögen beide gleichermaßen. Und das, finde ich, ist schon mal sehr wichtig. Das