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Geheimnis Fussball: Auf den Spuren eines Phänomens
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eBook848 Seiten11 Stunden

Geheimnis Fussball: Auf den Spuren eines Phänomens

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Über dieses E-Book

Als Christoph Bausenweins Buch vor einigen Jahren erschien, überschlugen sich die Rezensenten mit Lob. "Schlicht und einfach das beste aller Fußballbücher", urteilte "Lesezeichen" im Bayerischen Fernsehen. "Sucht in der deutschen Sportliteratur seinesgleichen", schrieb die Zeitschrift Sport in Zürich. "Verfasst mit Esprit und Sinn fürs schöne Detail", lobte die Stuttgarter Zeitung. "Nie ist das Weltspiel Fußball besser beschrieben worden", meinte Radio Bremen. Und "Bücher Bücher" im hessischen Fernsehen:"Dieses Buch ist wahrscheinlich das beste, das je über Fußball geschrieben wurde." Dem ist wenig hinzuzufügen. Außer: Es ist wieder da. Seit Jahren vergriffen, wird es endlich neu aufgelegt. Bausenwein hat seine intelligente Analyse des Spiels, seiner Geschichte und seiner Kultur, von Grund auf überarbeitet, neue Literatur und frisch entdeckte Quellen eingearbeitet; der Verlag hat den Preis auf weniger als die Hälfte gesenkt. Damit sollte erst recht gelten, was der Tages-Anzeiger schrieb: "Dieses Werk gehört in die Champions League der Fußballbücher."
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum15. März 2006
ISBN9783895338786
Geheimnis Fussball: Auf den Spuren eines Phänomens

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    Buchvorschau

    Geheimnis Fussball - Christoph Bausenwein

    helfen.

    TEIL I

    DAS SPIEL

    IM STADION

    Für die Zuschauer eines Bundesligaspiels beginnt das Match schon lange vor dem Anpfiff. Wenn sie von zu Hause aufbrechen zum Spiel, sind die meisten bereits von einer Nervosität und Erregung ergriffen, die sich auf dem Weg zum Stadion langsam steigert. Von überall her strömen die Leute zusammen, Busse und Bahnen füllen sich mit Gleichgesinnten. Fast hat es den Eindruck, als kenne am Spieltag die ganze Stadt nur ein Thema und ein Ziel: das Stadion. Das letzte Stück des Weges nehmen alle zu Fuß, und je näher man dem Ziel kommt, desto mehr gehen die einzelnen Gruppen auf in einer dichten Menge, die wie von einem Magneten in dieselbe Richtung gezogen wird. Offensichtlich erwarten sie sich dort etwas ganz Besonderes: Das, was der britische Romancier J. B. Priestley im Jahre 1928 schrieb – dass der Weg durch das Drehkreuz „eine andere und weit prächtigere Art des Lebens" verspreche –, scheint auch 80 Jahre später nichts von seiner Gültigkeit verloren zu haben.

    „Etwas sehr Sonderbares geht in jener engen Durchfahrtsstraße vor, die zum westlichen Teil der Stadt führt, schrieb Priestley seinerzeit. „Was gerade jetzt so sonderbar scheint, ist, dass die Straße selbst überhaupt nicht zu sehen ist. Eine graugrüne Flut windet sich schwerfällig durch sie dahin. Es ist eine Flut von Stoffmützen. Diese Stoffmützen trugen einige Tausend Arbeiter aus den umliegenden Fabriken von Bruddersford, die für einen Schilling ihren Klub, den Vereinigten FC, im Stadion spielen sehen wollten. Damals war der Fußball ein festliches Ereignis für ein recht homogenes Zuschauerpotenzial. Es drängten fast nur Arbeiter ins Stadion, um das Spiel auf engen Stehrängen zu verfolgen, die unbequem waren und darüber hinaus den Nachteil hatten, dass einem die Vorderleute die Sicht auf das Spielfeld versperrten. Der kleine Teil von vornehmeren Leuten, die auf der Haupttribüne ihren Sitzplatz einnehmen sollten, fiel in dieser Masse kaum auf.

    Der Schweizer Georges Haldas, Jahrgang 1917, wusste zu berichten, dass die Leute einst vor großen Spielen oft bereits am Morgen, wenn nicht gar am Vortag, um das Stadion herum kampierten. Der Schriftsteller selbst war vor jedem Spiel seines Vereins FC Servette Genf lange vor dem Anpfiff im „Buvette des Stadions „Les Charmilles zu finden, wo er sich auf das bevorstehende „Match einstimmte. Sodann begab er sich auf die noch leeren Ränge und setzte seine Vorbereitungen fort, betrachtete „die noch stillstehende Uhr mit den Namen der beiden sich bald gegenüber stehenden Mannschaften, nach der sich gegen den Schluss der Partie so viele von sonderbarer Angst erfüllte Blicke wenden werden, die einen, weil die letzten Minuten zu schnell verfließen … die andern, weil diese Minuten zu langsam vorbeigehen. Die Zeit wird beim Fußball ganz verschieden erlebt, je nachdem, welche Mannschaft gerade führt, und je nachdem, für welche man zittert.

    Wer Fan einer schlechten Mannschaft ist, muss sich wappnen für die zu erwartenden Enttäuschungen. So erging es Nick Hornby, der schon als Junge kein Spiel seines Vereins Arsenal London im Highbury-Stadion versäumte. „Natürlich hasste ich die Tatsache, dass Arsenal langweilig war, schrieb er Jahre später in seinem Beststeller „Fever Pitch. „Natürlich wollte ich, dass die Mannschaft Zillionen von Toren erzielte und mit dem Schwung und Nervenkitzel von elf George Bests spielte, doch das würde nicht passieren, jedenfalls nicht in absehbarer Zukunft. Und so bereitete er sich Spieltag für Spieltag auf die Seufzer und das Stöhnen seines neben ihm sitzenden Vaters vor. „Ich war an Arsenal und mein Dad an mich gekettet, und es gab für keinen von uns einen Ausweg. Vater und Sohn waren Arsenal-Fans, unentrinnbar, ihrem Team viel mehr verpflichtet als dem Spiel. 1969, als der grandiose George Best für Manchester United in Highbury zwei Tore erzielte, war es besonders schlimm. Hornby konnte sich über die von Best gezeigte Kunst nicht freuen. Der Mann stand in der falschen Mannschaft. „Jedesmal wenn er den Ball erhielt, jagte er mir Angst ein, und ich wünschte damals, genauso wie ich es vermutlich heute noch tue, dass er verletzt gewesen wäre. Beim Fußball geht es um was ganz anderes als im Theater. „Wer, fragt Hornby, „würde eine teure Karte fürs Theater kaufen und hoffen, dass der Star des Stücks unpässlich ist?"

    Manche mögen die „falschen Stars lieber nicht sehen; sicherlich aber kaufte sich auch ein Nick Hornby vor allem deswegen eine Karte, weil er – eben ganz anders als im Theater – vorher nicht wusste, welches Stück gegeben wird. Umgekehrt langweilte sich der Stückeschreiber Peter Handke wohl manchmal bei den Inszenierungen auf der Bühne. Dann ging er ins Stadion, wo wegen des ungewissen Verlaufs des bevorstehenden Ereignisses immer eine knisternde Atmosphäre herrscht. Die Situation unmittelbar vor Spielbeginn bezeichnete er als den „schönsten Augenblick eines Fußballspiels: „Alle halten den Atem an und schauen." Warten wir daher noch ein wenig mit dem Anpfiff. Schauen wir uns erst einmal um, wer alles ins Stadion gekommen ist.

    „Noch in den Siebzigern waren die Stadien sehr übersichtlich aufgeteilt, in den Fanblock und die anderen, schrieb das Fanzine „11 Freunde im Jahr 2001. „Wer singen und klatschen wollte, stellte sich zu den anderen, die singen und klatschen wollten. Und jeder Fanblock hätte die Idee wohl einigermaßen absurd gefunden, den Nebenmann zu fragen, was er denn bitte sei … Die Ersten, die schon in den 1960er Jahren auffielen, waren die Kuttenfans. Sie tragen Trikots des Vereins, den sie unterstützen, nietenbestickte Jeansjacken mit Aufnähern, dazu Mützen und Schals. Sie kommen in Fanklub-Gemeinschaften, feuern ihre Mannschaft lautstark an, begleiten sie zu Auswärtsspielen, liefern sich Sprechchor-Wettkämpfe mit den Fans des Gegners und unterstützen ihren Verein auch in schlechten Zeiten bedingungslos. Nicht zu verwechseln mit den Kuttenfans ist die kleine Gruppe der Hooligans, die seit den 1980er Jahren mit ihren Gewalttaten in die Schlagzeilen kamen. Diese Raufbolde mischen sich unauffällig unter die Zuschauer auf den Sitzplätzen und verabreden sich mit den Hools des Gegners zu Kämpfen. Seit den 1990er Jahren hat die in italienischen Stadien entstandene Ultra-Bewegung viele Anhänger gefunden. Die Italiener entwickelten eindrucksvolle Choreographien mit Fahnen, Transparenten, Papptafeln, Feuer und Rauch. In Deutschland fühlen sich die Ultras als die einzig unabhängigen und „echten Fans, und deswegen distanzieren sie sich vor allem von unkritischen Anhängern, die ihre Vereinsklamotten in den Fanshops kaufen.

    Alles, was nicht Kutte, Hooligan, Ultra oder „Hooltra (gewaltbereiter Ultra) ist, gilt als „Normalo. Doch auch die „normalen Zuschauer" lassen sich noch differenzieren. Da gibt es die kleine Gruppe älterer Anhänger, die viel über die Tradition des Vereins wissen und eine Menge von lange zurückliegenden Erfolgen zu berichten wissen. Beim Anmarsch kaum zu sehen sind die so genannten VIPs. Sie bahnen sich mit ihren Limousinen einen Weg durch die Menge und parken unmittelbar hinter der Haupttribüne. Das Spiel verfolgen sie hinter Glas bei Sekt und Schnittchen in teuer angemieteten Logen oder auf extra abgesperrten Ehrenplätzen. Die größte Menge der heutigen Besucher bilden wenig auffällige Durchschnittsmenschen, auch Frauen sind darunter und viele Kinder. Die auf den billigeren Sitzplätzen, oft ehemalige Amateurfußballer, nörgeln viel und verlassen das Stadion, wenn es für das eigene Team nicht so gut läuft, oft schon vor dem Abpfiff. Auch bei den besser gestellten Leuten auf den etwas teureren Plätzen handelt es sich um recht kritische Konsumenten, die vor allem ein unterhaltsames Spiel und eine ihrem Eintrittsgeld entsprechende Leistung sehen wollen.

    Heute finden sich Menschen aus allen Bevölkerungsschichten in den Arenen des Fußballs zusammen. In der Verteilung der Zuschauer im Mikrokosmos Stadion (Logen, Haupttribüne, billige und teure Sitzplätze, Stehränge) spiegeln sich auch die Sozial-und Konfliktstrukturen der Gesellschaft. In den unterschiedlichen Formen der Teilnahme am Ereignis – die einen wollen vor allem ein schönes Spiel sehen, die anderen unbedingt einen Sieg ihrer Mannschaft, wieder andere wollen vor allem „die Sau rauslassen – zeigt sich ebenfalls, dass es keineswegs eine undifferenzierte Masse ist, die zuschaut. Anders als im wirklichen Leben sind es hier allerdings die auf den billigen Plätzen, die das Stadion lautstark als ihren Herrschaftsraum deklarieren. Das bessere Publikum betrachtet das Spiel interessiert-distanziert und begrüßt die Inszenierung des Volkes auf den Rängen als folkloristische Zugabe zu dem Erlebnis, für das man zahlt. Während man die zahlungskräftigste Schicht in den Logen während des Spiels kaum wahrnimmt, fallen die Möchtegern-VIPs auf der Haupttribüne vor allem durch ihr Schweigen auf und dadurch, dass die „La-Ola-Welle bei ihnen in der Regel verebbt.

    Leute, die vom Fußball keine Ahnung haben, können sich nur wundern über das, was da allwöchentlich passiert. Für diese Leute besteht der Fußball lediglich darin, dass 22 Spieler mit oft merkwürdigen Verrenkungen einen Ball hin- und herstoßen. Sie können nicht verstehen, was so anziehend sein soll an diesem Geschehen. Wie könnte man solchen Fußball-Banausen verständlich machen, was so reizvoll ist an einem Stadionbesuch? Soll man ihnen sagen, dass Fußball einfach ein tolles Spiel ist? Wie soll man ihnen aber erklären, dass man auch dann noch hingeht, wenn der Unterhaltungswert eines Spiels nicht größer ist, als wenn man 22 gemütlich grasenden Rinder zusieht? Und wäre ihnen nicht Recht zu geben, wenn sie behaupten, dass man ein Fußballspiel am Fernseher im Grunde viel besser verfolgen kann?

    Tatsache ist, dass es beim Besuch eines Fußballspiels nicht nur um Fußball geht. Die These, es gehe im Stadion auch um das, was durch die Besonderheit des Ortes erst möglich wird, ist keineswegs weit hergeholt. Die Verhaltensweisen und Erfahrungen der Besucher von Fußballspielen lassen sich von dem „physischen Milieu", in dem sie stattfinden, nicht trennen. Überspitzt ausgedrückt: Die Gefühle, von denen der Fußballzuschauer ergriffen wird, verhalten sich zum architektonischen Raum, in dem sie stattfinden, wie die Software zur Hardware beim Computer. Ohne die besondere Konstruktion des Stadions würde nicht funktionieren, was das Besondere des Zuschauererlebnisses Fußball ausmacht.

    Die Arenen sind meist am Rande der Städte angesiedelt. Allein das weist sie bereits als Orte aus, die außerhalb des Normalen stehen. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man ihre Konstruktion betrachtet. Stadien sind als ein in sich geschlossener Kreis konzipiert, der einen Innenraum von der Außenwelt abgrenzt. Indem die Zuschauer ihre Aufmerksamkeit dem Geschehen in diesem Innenraum zuwenden, kehren sie dem gewöhnlichen Leben im wahrsten Sinne des Wortes den Rücken zu. Stadien sind besondere Orte, in denen die alltäglichen Normen für eine Weile außer Kraft gesetzt sind. Menschen legen draußen die Vernunft ab und überlassen sich ihren Gefühlen. Mit leerem Kopf, ganz Fußball, ballen sie sich zur Masse zusammen und artikulieren sich als solche.

    Dieser in sich und nach außen hin geschlossene Ring scheint mit geradezu ungeheuerlichen Phänomenen in Zusammenhang zu stehen. Nähert man sich während eines Spiels einem Stadion von außen, so kann man ein Jubeln und Brüllen, ein Keuchen und Ächzen vernehmen, das so wirkt, als käme es von einem einzigen Wesen und nicht von mehreren tausend verschiedenen Menschen. Man könnte den Eindruck gewinnen, so der Schriftsteller Georges Haldas, als habe man in der Arena „ein Fabeltier, halb Mensch, halb Reptil, oder halb Mensch, halb Stier, gefangen, das einmal seine Wut und ein andermal seine Lust hinausstöhnt oder -brüllt. Neben den Lauten der Aggression und der Freude ist aber auch das gesittete Klatschen eines kennerhaften Publikums zu vernehmen, selbst inbrünstige Gesänge fehlen nicht. Kriegsgeschrei, ausgelassene Festlichkeit, Karnevalsstimmung, Konzert- und Theaterbegeisterung, religiöse Andacht – alles scheint da an ein- und demselben Ort versammelt, der zugleich „Schlachtfeld, „Partysaal, „Hexenkessel, „Oper und „Kathedrale sein kann.

    Zwar beschränkt sich die Gemeinsamkeit der Zuschauer auf die Identifikation mit einer Fußballmannschaft: Sie sind nicht einfach nur beisammen, sondern getrennt nach Schichtzugehörigkeit und Alter auf verschiedene Ränge verteilt. Dennoch gilt in gewisser Weise für das gesamte Stadion, dass nach dem Lösen einer Eintrittskarte alle Zuschauer ihre Individualität abgelegt haben und die Zeit des Spiels tendenziell zu einer Zeit der Gleichheit wird. Alle haben Fußball im Sinn – insofern unterscheidet sich der Generaldirektor als Zuschauer nicht vom kleinsten Angestellten seines Betriebs, ja nicht einmal vom neunjährigen Sohn des Nachbarn. Alle legen am Stadioneingang die Verkleidungen der Person ab und nehmen im gleichen Wasser ein Gefühlsbad. Die Differenz besteht lediglich darin, dass die einen (die auf den Fanblöcken) kopfüber hineinspringen, während die anderen (die auf den Sitzplätzen) sich mal nur kurz nass machen oder (die in den Logen) lediglich den kleinen Zeh hineinhalten.

    Jedes Stadion ist ein spezieller Ort der Enthemmungen, wie sie sonst im öffentlichen Raum in so massiver und massenhafter Form nicht vorkommen. Wenigstens ansatzweise findet in einem Fußballstadion ein kollektiver emotionaler Ausstieg statt, bei dem all die Rollenzwänge und Verhaltensmaßregeln, die den gewohnten Ablauf des Lebens bestimmen, für eine begrenzte Zeit aufgebrochen, ja abgelegt werden können. Während der Alltag Pause hat, ist erlaubt, was sonst verboten ist, hier darf die Sau raus, die sonst im Stall bleiben muss. Wildfremde Menschen dürfen sich um den Hals fallen, sich ungebremstem Jubel hingeben, ungeniert brüllen, johlen, pfeifen und mit unflätigsten Flüchen und Beschimpfungen um sich werfen, oder, frei von jeder Scham, ihrer Verzweiflung freien Lauf lassen.

    Die Aufhebung der Verbote und die Befreiung von den Lasten und Zwängen des Alltags schaffen im Fußballfest eine Zeit für Gefühle aller Art. Fröhliche Ekstase ist nicht ausgeschlossen, genauso wenig aber auch das übelste Ressentiment aus der untersten Schublade der Vorurteile. Leute, denen man das außerhalb des Stadions nie zutrauen würde, versteigen sich zu Hasstiraden, andere geben rassistische Schmähungen von sich, bei einigen führt die Erregung zum Gewaltausbruch. Wegen dieser bösen Seiten der Enthemmung, die nicht nur mit der Alkoholisierung zu tun haben, galt der Fußball lange als nicht gesellschaftsfähig. Vor allem in den letzten Jahrzehnten hat man mit vielen Verboten, zahlreichen Sicherheitsmaßnahmen und hoher Polizeipräsenz versucht, das Fußballereignis zu reglementieren und zu zivilisieren. Darunter hat dann auch die positive Stimmung unter den Fans gelitten, so dass die Spieltage wohl nicht mehr ganz so tolle Tage sind wie früher. Trotzdem: Immer noch zeigt ein vollbesetztes Stadion von der äußeren Erscheinung her Ähnlichkeit mit den wilden und ungezügelten Formen des karnevalistischen Treibens. Fans haben sich verkleidet, ihre Gesichter sind bemalt, sie schwenken aufgeblasene Bananen, werfen Konfetti, machen Lärm mit Tröten und Rasseln, zünden Räucherkerzen an, früher durften sie auch noch riesige Fahnen schwenken und Feuerwerk machen. Kurzum: Die Fußballzeit ist und bleibt eine Zeit des Sich-Auslebens und des Überschwangs der Triebe, oder wie es einmal der Journalist Horst Vetten ausdrückte: „Im Fußballstadion pupt die Volksseele, hier darf sie."

    Auch wenn sie dies heute zum Teil – in England seit der Saison 1994/95 gänzlich – im Sitzen tun müssen, stehen die Fans mit einer Unbedingtheit hinter ihrer Mannschaft, die keine Aufforderung von den Spielern benötigt. Noch ist es den Fans in der Bundesliga erlaubt, sich auf den Stehblöcken dicht aneinander zu drängen und, begünstigt durch die Nähe untereinander, auch körperlich zu einer Masse mit einer einzigen Emotion zusammenzuwachsen. Sie wollen dem Geschehen auf dem Rasen nicht nur zusehen, sondern durch ihre Art der Anwesenheit unmittelbar an ihm teilnehmen. Im Bestreben, ihre Mannschaft stimmgewaltig zum Sieg zu treiben, verstärken sie deren Kräfte. Ihr Anfeuern ist keineswegs umsonst: Mannschaften im eigenen Revier, wo sie von ihren Fans unterstützt werden, spielen meist wesentlich erfolgreicher als auswärts. Oft gelingt es den Fans, mit ihrem Enthusiasmus die Spieler auf dem Feld anzustecken. Sie schauen also nicht nur zu, sondern kommunizieren mit ihren Helden.

    Vor allem die Fans sorgen dafür, dass am außergewöhnlichen Ort das sonst Verbotene, das zugleich so reizvoll ist, überhaupt möglich wird: massenhafter Fan-atismus. Durch die Leidenschaft, mit der sie ihre Mannschaft antreiben, auf dem Rasen das Spiel zu diktieren, fällt ihnen im Zuschauerrund eine Führungsrolle zu. Ihre Rituale wirken als emotionale Impulse auf die übrigen Zuschauer. Sie stimulieren den Rest des Stadions zum „richtigen Mitgehen. Erst wenn die Fans die Stimmung anheizen, brüllen auch die Zuschauer auf den Sitzen mit. Erst wenn die Fans eine „La-Ola-Welle inszenieren, heben auch die anderen ihren Hintern.

    Durch die Aktivität der Fans werden müde Beine oft erst munter, der durchschnittliche Zuschauer hingegen erhebt sich in der Regel erst dann, wenn ihn das Spiel vom Sitz reißt. Zumindest ansatzweise verwandeln sich im Stadion jedoch nicht nur die Aktivisten auf den Stehrängen, sondern alle Zuschauer in „Fußballmenschen. Niemand kommt hierher, um nur wie im Theater ruhig zuzusehen. Selbst der schweigsamste Einzelgänger auf dem ruhigsten Sitzplatz kann sich der Atmosphäre kaum entziehen. Im Gegensatz zum Theater, wo die Zuschauer der Bühne gegenübersitzen, bilden sie im Stadion einen engen, abgegrenzten Kreis um den riesigen Tisch des Fußballfeldes. Während alle sehen können, was unten auf dem Spielfeld vor sich geht, sitzen sie einander gegenüber und bannen sich so als Menge selbst. Erst diese Einkesselung bewirkt, dass sich die Gefühle gleichsam wie von selbst hochschaukeln. Jeder bemerkt die Erregung der anderen, die er gleichzeitig, weil die einzelnen Gesichter „verschwimmen, nur als Masse wahrnehmen kann. Diese Unmöglichkeit, andere als Individuen wahrzunehmen, wirkt wie ein Sog. Nach und nach gehen alle mehr und mehr aus sich heraus, werden in die allgemeine Erregung hineingezogen, bis das „Ich mit all den anderen verschmolzen ist zu einem homogenen Etwas „mit eigenem Körper. Und in den besten, den dramatischsten Momenten eines packenden Spiels ist es manchmal so, als ob die Zeit stehen bliebe.

    Trotz aller Unterschiede und Trennungen kommt es im Stadion zu einer Vereinigung. Alle gehen mit, alle sind voll dabei und erleben gleichzeitig das Gleiche. Dieses von der Konzentration aller Energien auf ein Ziel geprägte Erleben, das verbunden ist mit einem Verlust der Selbstkontrolle und einer innerlichen Vereinigung mit der Umgebung, firmiert im psychologischen Newspeak unter der Bezeichnung „Flow. Wenn die Aufmerksamkeit auf ein beschränktes Feld von Reizen konzentriert ist, wenn die Ziele eindeutig sind und die Rückmeldung unmittelbar erfolgt, wenn Körper, Handlung und Bewusstsein miteinander verschmelzen, dann ist ein Zustand des „reinen Erlebens erreicht, ein Zustand, bei dem man „im Tun aufgeht. Obwohl die Theorie des Flow eher für die sportlich sich bewegenden Fußballer selbst erdacht ist – man denke an die Mannschaft, die sich „in einen Rausch spielt –, wäre es äußerst ungerecht, wollte man den Fans im Stadion dieses Gefühl des Fließens nur im Zusammenhang mit alkoholhaltigen Flüssigkeiten zugestehen.

    Der „Feind ist Anlass für die Gefühlsvereinigung im Stadion. Und zugleich verhindert seine Anwesenheit, dass die anwesende Menschenansammlung gänzlich rund und kompakt wird. Es handelt sich, so Elias Canetti in seinem berühmten Werk „Masse und Macht, um eine in einem Ring angeordnete „Doppelmasse. Zwar ist die Auflösung der individuellen Atome in der Wärme gemeinsamer Emotion ausgelöst durch die Identifikation mit der Mannschaft, die auf ihrem eigenen Territorium antritt. Weil da aber auch noch eine andere Mannschaft auf dem Platz ist, verlängert sich der Kampf auf dem Rasen auf die Ränge, wo sich der kleine „Gästeblock wie ein militärischer Brückenkopf in die Menge hineingedrängt hat und sich mit den heimischen Fans harte Gefechte um die Beherrschung des Schallraums liefert. Wie in einem Echo wird der Lärm der einen von den anderen verlängert und umgekehrt, und im Wettstreit der Sprechchöre kann sich die Temperatur der Emotionen derart erhitzen, dass Außenstehende manchmal wirklich den Eindruck haben können, dieser explosive Sud könnte jeden Augenblick über die Ränder der Schüssel schwappen.

    Wie sich die Stimmung entwickelt und wie sie sich entlädt, hängt freilich davon ab, welche Zutaten vor und während des Spiels beigemengt wurden. Sind die Fans der Klubs verfeindet, ist „Nieder mit den Schweinen angesagt, sind sie miteinander befreundet, dann kann es auch heißen: „Scheißegal, wer gewinnt. Hauptsache, die Stimmung ist gut. Auch während des Spiels ist grundsätzlich eine Entwicklung der einmal entfachten Begeisterung nach zwei Seiten hin offen: Zur Atmosphäre des fröhlichen Festes, die sich in einem vollen Stadion in einer „La-Ola-Welle zeigt, die das Rund wie selbstverständlich mehrmals durchläuft; oder zu der des „Ersatzkrieges, in der sich die Feindseligkeit wie eine dunkle Wolke drohend über dem Geschehen zusammenbraut. Grundsätzlich gilt freilich: Jeder, der ins Stadion geht, will teilhaben an der Emotion der Masse, und die besteht eben in der Hauptsache aus denen, die im Stadion „zu Hause" sind.

    Natürlich sind nicht alle Stadien gleich. Nicht nur volle oder leere Ränge unterscheiden sie, sondern auch die Spielbeteiligung des Publikums, das sich in ihnen versammelt. In diesem Sinne sind die Spielorte Ausdruck nationaler Charaktere – Sambaklänge und leidenschaftliche Begeisterung in Brasilien, inbrünstige Gesänge in England –, aber vor allem auch des Selbstverständnisses und des „Charakters der Anhänger eines bestimmten Klubs. Das Publikum kann lasch oder ausgelassen, besonders fair oder besonders feindselig sein. Manche Stadien sind dafür berühmt geworden, dass in ihnen die „Gäste von den Emotionen der Zuschauer schier erdrückt werden. Diese Atmosphäre der Einkesselung schuf Mythen wie den „Roar von Wembley (London) oder Hampden Park (Glasgow): Während im Londoner „Gästehaus der englischen Nationalmannschaft der unnachahmliche Schrei „England Gänsehaut verursachte, fürchteten die Engländer selbst nichts so sehr wie das Riesenstadion in Glasgow. Dort wurde, wie der ebenfalls zum Mythos gewordene Stanley Matthews einmal meinte, „der Enthusiasmus der Menge in die Adern der schottischen Spieler eingespritzt.

    Zumindest einmal wurde der Hampden Park aber auch zum Synonym nicht für Kriegsgeschrei, sondern für ein fröhliches Fußballfest. „Das Stadion bot einen überwältigenden Anblick. Die Stimmung war großartig. Ein Jubelruf empfing die einlaufenden Mannschaften …, begann der Journalist Peter Berger seinen Bericht über das Endspiel des Europapokals der Landesmeister 1960. Das große Real Madrid traf auf den Außenseiter Eintracht Frankfurt, der sich mit zwei tollen Halbfinal-Siegen gegen die Glasgow Rangers (6:1 und 6:3) gerade in Schottland viel Respekt verschafft hatte. Frankfurt zeigt auch gegen den Weltklassegeg ner im Finale zunächst keinerlei Hemmungen und erspielt sich Chancen gleich reihenweise. Dann geschieht, womit keiner gerechnet hat. „Es sind knapp 20 Minuten vergangen im Hampden-Park, da donnert der Beifall der weit über 100.000 Menschen für Eintracht Frankfurt los. Die Mannschaft aus Frankfurt am Main führt 1:0! Doch jetzt kommt Real und zündet ein Feuerwerk: di Stefano 1:1; di Stefano 1:2; Puskas 1:3. Pausenpfiff. Eintracht müht sich weiter, wieder gibt es einige Chancen, doch kein Tor. Die begeisterten schottischen Zuschauer feuern die tapferen Frankfurter immer wieder an. Doch alle Ermunterung nützt nichts. Real kontert, Gento wird im Strafraum gefoult, Puskas verwandelt zum 1:4. Das Spiel ist entschieden, aber Madrid fängt jetzt erst so richtig mit dem Spielen an. Es gibt technische Zaubereien und Traumkombinationen en masse. Es fällt das 1:5 durch Puskas, das 1:6, wieder durch Puskas. Die Frankfurter dürfen auch ein bisschen mitmachen, 2:6 durch Stein. Di Stefano ist sauer, schnappt sich vom Anstoß weg den Ball, dribbelt sich zum Frankfurt Tor durch, zieht ab – 2:7. Es folgt noch ein Geschenk der unaufmerksamen spanischen Abwehr, das Stein zum 3:7 nutzt. Als der Schiedsrichter abpfeift, bricht ein Beifallssturm los. Er steigert sich zum Orkan, als die Frankfurter Spieler klatschend Spalier bilden, um den großartigen Siegern Anerkennung zu zollen.

    Normal ist solch eine allgemeine Begeisterung natürlich nicht. Normal war allerdings auch nicht das damalige außergewöhnlich schöne Spiel, und normal sind auch nicht Mannschaften wie das große Real. Fußball-Alltag ist vielmehr das aggressive Zelebrieren von Parteilichkeit für eher durchschnittliche Mannschaften. In der Bundesliga sind vor allem die „reinen Fußballstadien gefürchtet, in denen die Ränge bis ans Spielfeld reichen. In solchen Stadien werden die Spieler des Gegners von der aufgeladenen Stimmung schier erdrückt. In Dortmund etwa können die Fans auf der Südtribüne mit ihrer Mannschaft manchmal zu einer schier unüberwindbaren psychischen Einheit verwachsen. Als es in England noch die „Ends und „Kurven gab, die mit nie versiegender Energie ihrer Mannschaft Power und dem Gegner weiche Knie verschafften, waren weniger die Stadien als solche, sondern bestimmte Bereiche in ihnen gefürchtet: Da war der Name Stretford End mindestens genauso bekannt wie der Name Old Trafford (Manchester United), und während manche nicht wissen, dass der FC Liverpool an der Anfield Road antritt, kennt jeder Fußballfan den Namen einiger Quadratmeter in diesem Stadion: „The (Spion) Kop. Auf diesem nach einer besonders engen britischen Stellung im Burenkrieg benannten Fanblock standen die Fans einst so nahe beieinander, dass die Arme immer nach oben gereckt bleiben mussten, und wenn sie ihre „Reds" klatschend anfeuerten, soll der Rasen gezittert haben. Man kann sich vorstellen, dass sich vor solcher Kulisse die Spieler eines Heimteams fühlen mögen, als ob ihnen zwei weitere Beine wüchsen.

    Nicht immer funktioniert allerdings der Heimvorteil in die richtige Richtung. Manchmal kann es selbst in den größten Hochburgen der parteiischen Emotionen zu extremen Umkehrungen der Zuschauerwirkung kommen. Der wohl berühmteste Fall ist das entscheidende WM-Spiel am 16. Juli 1950, bei dem elf Kicker aus Uruguay nicht nur gegen eine brasilianische Supermannschaft, sondern auch noch gegen die Weltrekordzahl von 203.849 Zuschauern im Maracana-Stadion von Rio de Janeiro anzuspielen hatten. Erst nach dem Spiel konnte Uruguays Torwart Maspoli gelassen erklären: „Wir wussten, dass diese Kulisse Himmel und Hölle zugleich sein könnte. Sie wünschte Brasilien den Sieg, aber sie würde dieser Mannschaft auch kaum einen Fehler verzeihen. Als nach dem 1:1-Ausgleich „plötzliche Kühle auf den Rängen herrschte, will Maspoli gesehen haben, wie sich im Gesicht eines jeden Brasilianers „unglaublicher Schrecken spiegelte. Und nachdem sich das Stadion von seiner tiefen Depression wieder erholt hatte und das Dröhnen der Anfeuerung wieder auf Touren gekommen war, verstummte es kurz vor Schluss mit einem Schlag – Uruguays Ghiggia hatte ein unwiderstehliches Solo mit einem Schuss aus spitzem Winkel ins kurze Eck abgeschlossen. Während Torwart Barbosa geschlagen am Boden lag, herrschte lähmendes Entsetzen in dem Stadion, das als Fußball-Tempel errichtet worden war und sich nun in ein Leichenschauhaus verwandelt hatte. Später, als die grenzenlos erschütterten Trauergäste immer noch weinten, schlich der verhinderte Triumphator, Brasiliens Trainer Flavio Costa, als Kindermädchen verkleidet, von dannen. Vorher hätten alle nur von der großen Feier gesprochen, jammerte der geknickte Torwart Barbosa. „Das war ein gravierender Fehler und hat uns letztendlich das Genick gebrochen. Jahre später fand der Schütze des entscheidenden Tores, Alcide Eduardo Ghiggia, große Worte zur Umschreibung des denkwürdigen Ereignisses: „Es hat nur drei Personen gegeben, die das vollbesetzte Maracana-Stadion zum Schweigen bringen konnten: Frank Sinatra, Papst Johannes Paul II. und ich. Aber es war wohl mehr als nur ein schlichtes Schweigen. Für die Brasilianer waren es, wie der Journalist Carlos Maranhao schrieb, die „Augenblicke finsterster Stille seit der Ankunft der Portugiesen 1565.

    Im normalen Fan-Leben geht es nicht ganz so spektakulär zu, weder auf dem Rasen noch auf den Rängen. Aber auch hier gibt es Erlebnisse, die man nie vergisst. Heute noch bin ich beeindruckt vom Finale der Zweitligasaison 1984/85. Mein Verein, der 1. FC Nürnberg, war wieder einmal abgestiegen. Es gab eine Runderneuerung: neues Präsidium, neuer Manager, zwölf neue Spieler. Aber alles nützte nichts, der Saisonstart war verkorkst. Es kam zur „Oktoberrevolution gegen Trainer Höher und zur Entlassung von sechs Profis. Im folgenden Auswärtsspiel in Aachen trat der „Club mit einer „Kinder-Mannschaft (Durchschnittsalter unter 21 Jahre) an und verlor ehrenvoll mit 1:2. Danach waren die „Kinder nicht mehr zu stoppen. Das junge Team mit Eckstein, Grahammer, Reuter, Dorfner eilte in der Rückrunde mit begeisterndem Fußball von Sieg zu Sieg, errang 27:9 Punkte. Am letzten Spieltag gab es ein „Endspiel um den Aufstieg" gegen Hessen Kassel. Ich hatte nur noch einen ganz schlechten Platz bekommen, auf Höhe der Eckfahne in der Südkurve. Egal, Hauptsache, ich bin dabei. Eine Stunde lang Anspannung. Endlich erzielt Eckstein das 1:0. Mein Herz pumpt, Kassel drängt auf den Ausgleich. Kurz vor Schluss schnappt sich Thomas Brunner noch in der eigenen Hälfte den Ball und startet durch. Allein strebt er dem Kasseler Tor zu. Die Zeit bleibt stehen, das Stadion hält den Atem an. Tor! Aufstieg! Tränen kullern über Wangen.

    „Alles, wirklich alles wäre möglich gewesen, wenn diese Mannschaft damals zusammengeblieben wäre, sagt Hans Dorfner noch heute. Sie tat es nicht. Und so wurden die Freuden wieder spärlicher. Aber dankbare Anhänger auf den Rängen gab es immer noch. Unvergessen bleibt mir jener Moment, als ich nach einem der selten gewordenen „Club-Siege gerade nach Hause gehen wollte und vor dem Ausgang des Blockes einen alten Mann weinend am Boden kauern sah; überwältigt vom Glück, dabei von seiner Frau streichelnd getröstet, konnte er nur eines stammelnd immer wieder von sich geben: „Dass ich das noch erleben darf, dass ich das noch erleben darf …"

    Ich glaube, es war ein Spiel gegen Wattenscheid 09.

    REGELN

    Der Fußball findet im Stadion seinen Höhepunkt. Aber er wird natürlich nicht nur im Stadion gespielt. Außerdem ist es möglich, auf viele verschiedene Arten und Weisen Fußball zu spielen. Als Kind spielte ich mit meinen Freunden in einer wenig befahrenen Wohnstraße auf ein Garagentor oft „Pensionieren. Da galt es, den Ball „in der Luft einander zuzuspielen, um ihn dann volley aufs Tor zu schießen. Das Schießen ging einigermaßen, nur mit dem Hochhalten hatte ich einige Probleme. Besser war’s auf der „Schäferswiese", wo die großen Spiele stattfanden. Gleich nebenan lag der Platz des Sportbundes Morgenrot-Mögeldorf, den wir manchmal benutzen durften. Dort traten wir in einheitlichen Trikots mit aus Filz selbst gemachten Wappen als Sportklub Tiergarten (SCT) gegen den Sportverein Mögeldorf (SVM) an. Auch Mädchen spielten mit. Gemein war allerdings, dass wir im Schnitt zwei bis drei Jahre jünger waren als die SVM-Spieler. Wir haben nie gewonnen.

    Auch andere haben in ähnlicher Weise in Sackgassen und auf Bolzplätzen begonnen, oder, in sonnenverwöhnten Ländern wie in Brasilien, am Strand. Heute gibt es auch verregelte Varianten dieses „kleinen" Fußballs. An der berühmten Copacabana in Rio de Janeiro wird der Beach Soccer in Ligen ausgetragen. In Südamerika und Südeuropa findet Futsal, eine von der FIFA geförderte Variante des mit Teams zu je fünf Spielern betriebenen Hallenfußballs, eine immer größere Verbreitung. Die brasilianischen Rororo-Stars – Ronaldo, Ronaldinho, Robinho – haben sich ihr hervorragendes balltechnisches Können allesamt bei diesem Kleinfeld-Fußball angeeignet. Wie beim Beach Soccer gibt es auch beim Futsal eine weltweite Wettbewerbsstruktur mit Ligen und Weltmeisterschaftsturnieren. Sogar eine seltsame Sportart wie der in Finnland sehr beliebte „Swamp Soccer", bei dem sich die Fußballer durch knietiefe Schlammfelder kämpfen, kennt internationale Turniere.

    All diese Fußball-Varianten sind in Deutschland bislang weitgehend unbemerkt geblieben. Schlammfußball ist sowieso eher ein Partygag, Sandstrände gibt es in Deutschland kaum, und Hallenfußball, die nordeuropäische Variante des meist auf Betonböden betriebenen Futsal, ist in Europa bis heute als Aktiven- wie als Zuschauersport nicht mehr als eine eher ungeliebte Ausweichmöglichkeit für den Winter. Einige wenige haben – so wie der ehemalige deutsche Rekordnationalspieler Herbert Erhard – das Fußballtennis als Ausgleichs- und Alterssport entdeckt, und im Training der Fußballvereine werden alle möglichen Spielvarianten ausprobiert. Grundsätzlich aber meint man, wenn man vom Fußball spricht, immer das „große Spiel. Bis jetzt jedenfalls ist kaum vorstellbar, dass irgendwo auf der Welt jemand nicht wüsste, welches Spiel bei einer „Fußball-Weltmeisterschaft betrieben wird.

    Trotz einer mittlerweile sehr großen Auswahl an unterschiedlichen Fußballspielen hat nur eines den ganz großen Erfolg. In der Politik sind sich die Menschen uneinig und wählen Parteien unterschiedlicher Couleur, aber in ihrer Freizeit herrscht seltene Einigkeit in der Wahl. Fast alle, die vor dem Fernseher Fußball gucken oder öfter ins Stadion gehen, haben irgendwann auch mal selbst gegen einen Ball getreten. Die Liste der ehemaligen Kicker reicht vom einfachen Mann auf der Straße bis hin zum Regierungschef. Ex-Kanzler Gerhard Schröder pflügte beim Bezirksligisten TuS Talle als „Acker den Rasen um, Edmund Stoiber kickte ebenfalls im Verein, wenn auch nur, in Wolfratshausen, in der zweiten Mannschaft. Und Ex-Außenminister Joschka Fischer erreichte nachgerade Berühmtheit als Mittelstürmer einer Szene-Mannschaft, die regelmäßig im Frankfurter Ostpark kickte. Selbst als Minister in Berlin ließ er es sich nicht nehmen, ab und an nach Frankfurt zu fliegen, um mit alten Sportskameraden wie Daniel Cohn-Bendit den gepflegten Flachpass zu üben. Aufgegeben hat er die Passion erst, als es wegen der mitgebrachten Leibwächter, die ihren Schutzauftrag auch auf dem Platz erfüllen wollten, zu Irritationen gekommen war. Den Frankfurter Ostpark-Kickern ähnliche Vereinigungen gab es – und gibt es bis heute – in zahllosen anderen Städten Deutschlands. Statt in den als „konservativ verschrienen Vereinen kickten die Linken und Grünen in „Bunten Ligen. Überall wurde in phantasievoll benannten Teams – mit internationalem („Hinter Mailand, „Fellatio Rom), traditionellem („Herbergers Jünger), oder, in Nürnberg/Fürth, mit lokalem Hintergrund („Schießbefehl Stadtgrenze") – stümperhaft gekickt, unbeholfen gefoult und lautstark geflucht.

    Heute sind die meisten Protagonisten von damals wegen Altersschäden – Arthrose, lädierten Bandscheiben und Ähnlichem – vom aktiven Spielbetrieb zurückgetreten. Geblieben ist das Spiel und damit für alle Jüngeren und körperlich Unversehrten die Möglichkeit, im Verein oder in freier Vereinigung nach den Gesetzen der FIFA einem Ball hinterherzurennen. Die 17 Regeln des Fußball-Weltverbandes sind so einfach wie eh und je und gelten immer noch, trotz der zahlreichen neuerdings entstandenen Fußball-Varianten, als „Bibel des Fußballspiels. Sie definieren die formalen Voraussetzungen des Spiels (Anzahl der Spieler, Ausrüstung, Spielfeld, Spielzeit), legen die Entscheidungsfindung fest (Torerfolg) und regeln die Durchführungsbestimmungen bei Spielunterbrechungen. Sie schreiben lediglich den Rahmen des Spiels vor und haben – mit Ausnahme der Regel XI (Abseits) – keinen unmittelbaren Einfluss auf seinen Ablauf. Um nachvollziehen zu können, was auf einem Fußballplatz geschieht, ist es nicht nötig, diese Regeln auswendig zu lernen; es genügt, wenn man sich drei Dinge klarmacht: die Idee des Spiels, die Funktion der so genannten „Standardsituationen und die Rolle der Abseitsregel.

    Ausgangspunkt ist die Grundidee eines frei fließenden Spiels zwischen zwei Mannschaften, die unter Verzicht auf den Gebrauch der Hände versuchen, den Ball im Tor des Gegners unterzubringen; durch die Standardsituationen wie Einwurf, Eckstoß und Freistoß muss lediglich sichergestellt werden, dass das Spiel nach Unterbrechungen auf die einfachst mögliche Weise fortgesetzt werden kann; die Abseitsregel schließlich – ein Spieler darf sich den Ball in der gegnerischen Hälfte nur dann zuspielen lassen, wenn sich im Augenblick des Abspiels zwischen ihm und dem gegnerischen Tor noch wenigstens zwei Spieler des Gegners befinden – zwingt die Akteure zu einem geordneten Verhalten auf dem Feld und sorgt gleichzeitig dafür, dass ein Torerfolg nur mit spielerischer Intelligenz erzielt werden kann.

    Wie sich zeigt, sind die Regeln des Fußballspiels so einfach und leicht verständlich, dass noch der Dümmste sein Prinzip kapieren kann. „Fußball selbst ist ja geradezu primitiv: Tore verhüten, Tore schießen, das ist alles, so der als Intellektueller verschriene Fußballtrainer Dettmar Cramer. Kompliziert scheint allein die Abseitsregel zu sein. Darum sei – in den Worten des Ex-Profis Stefan Lottermann – für etwaige Laien unter der Leserschaft noch etwas ausführlicher erläutert, warum sie für das geregelte Spiel auf genormtem Platz so bedeutsam ist: „Die Abseitsregel verhindert ein Spielverhalten analog zu Spielen wie zum Beispiel Handball und Basketball, die eine solche Bestimmung nicht kennen. In diesen Sportspielen läuft das Spielgeschehen vornehmlich vor dem Tor bzw. unter dem Korb ab, der Raum dazwischen ist ohne größere strategisch-taktische Bedeutung. Im Fußball ist es gerade der große Aktionsraum zwischen den beiden Toren, der eine erhebliche strategisch-taktische Dimension innehat. Durch die Abseitsregel ist es den Spielakteuren nicht möglich, sich unabhängig von der Position der Gegenspieler auf dem Spielfeld zu bewegen, zu verteilen und einen bestimmten Spielfeldabschnitt anzusteuern oder besetzt zu halten, außer man befindet sich in der eigenen Spielhälfte, in der die Abseitsstellung aufgehoben ist.

    Fußball ist ein simples Spiel. Die Abseitsregel ist zwar etwas komplexer, aber auch diese versteht auf der ganzen Welt jeder einigermaßen normal begabte Mensch. „Kehrte Robinson Crusoe zurück, so schrieb der Rhetorik-Professor Walter Jens, „er könnte seinem Gefährten die englische Sprache am Beispiel der Abseitsregel erklären. Undenkbar, dass Freitag nicht wüsste, was ‚auf gleicher Höhe’ bedeutet! Wer selbst gespielt hat, versteht sie sowieso. Denn man weiß bei jedem Angriff, dass man nicht ungeordnet vorgehen kann. Viel hängt beim Fußball auch von spontanen Einfällen ab, aber durch die Abseitsregel kommt ein Moment hinein, das den Spielern eine Planung ihres Vorgehens zwingend abverlangt. Vielleicht verschafft dem Fußball ja bereits diese in den Regeln angelegte Dialektik von Plan und Spontaneität einen Großteil jener Faszination, die ihn zum einzigen auf der ganzen Welt gültigen Zeichensystem machte. Weder die genannten Abarten des Fußballs noch andere Ballsportarten haben auch nur ansatzweise jene Popularität erreicht, der sich bis heute der „richtige" Fußball erfreut.

    Daran, dass der Fußball unkompliziert ist und unter minimalsten Voraussetzungen gespielt werden kann, besteht demnach kein Zweifel. Ein ganz anderes Bild bieten da Rugby und American Football, die sich vom Fußball nicht nur durch einen wesentlich geringeren Anteil des Spiels mit dem Fuß, sondern vor allem durch die enorme Komplexität der Regeln und der damit zusammenhängenden voraussetzungsvollen Spielbedingungen unterscheiden. So nimmt in einem Regelbuch über Rugby allein die Beschreibung des Gedränges („scrummage) vier Seiten ein, und zur Regelung des Abseits heißt es: „Wollte man alle Möglichkeiten aufzählen, die es gibt, um im Rugby abseits zu sein, bräuchte man gewiss mehr Seiten, als dieses Buch umfasst (was dann offensichtlich heißt: mehr als 120). Noch komplexer sind die Verhältnisse beim American Football, bei dem der Aktive so viele Regeln kennen und beachten muss wie bei keiner anderen Sportart. Dies allein macht schon deutlich, dass das Grundprinzip beider Sportarten nur unter zahlreichen Bedingungen zum Tragen kommen kann. Rugby und Football können nur auf einem großen und entsprechend genormten Feld gespielt werden, eine bestimmte Anzahl von Spielern ist notwendig, damit die für das Spiel notwendigen Funktionen auch ausgefüllt werden können, schließlich sind beide Spiele an besondere physische Voraussetzungen (Schwere, Kraft, Schnelligkeit) gebunden, und zuletzt sind sie auch noch so gefährlich, dass sie kaum zu einem erholsamen Freizeitsport taugen.

    Da Rugby und Football um so viel komplizierter und anspruchsvoller sind als Fußball, werden sie auch von vergleichsweise wenigen Menschen aktiv ausgeübt. Völlig erfolglos sind sie deswegen freilich noch nicht. Gerade die Gefahr, die Unmittelbarkeit der kämpferischen Auseinandersetzung, macht wohl viel von dem „Thrill aus, der sie unter den besonderen Bedingungen der angloamerikanischen Länder zu vielbeachteten Zuschauersportarten hat werden lassen. Die Komplexität der Regeln eines Sports schließt demnach einen Erfolg beim Sportpublikum nicht aus, begrenzt ihn aber offensichtlich in der geografischen und sozialen Wirkungsbreite. Der geradezu grenzenlose Erfolg des Stadion- und insbesondere des Fernsehfußballs hängt also vermutlich davon ab, dass die Zuschauer jedes Spiel, das sie sehen, „im Prinzip auch selbst spielen können. So groß die Kluft zwischen Anfängern, Durchschnittsspielern und Könnern auch sein mag – die Distanz bleibt immer so gering, dass jeder noch so unbegabte Hobbyspieler unmittelbar nachvollziehen kann, was die Stars auf dem Rasen im Stadion zelebrieren. So groß der Unterschied zwischen Profi und Freizeitkicker hinsichtlich Athletik, Kondition, taktischer Disziplin, Schusskraft und technischer Perfektion auch sein mag – die besonderen „Gesetze des Fußballs sorgen dafür, dass beide immer einander nahe bleiben. Sogar den berühmtesten Spielern unterlaufen zuweilen anfängerhafte Fehler, während andererseits selbst der ungeschicktesten Altherrenmannschaft hin und wieder ein nahezu perfekter Spielzug gelingt. Deshalb dürfen die „Experten im Stadion oftmals nicht ganz zu Unrecht bemerken, dass sie vieles von dem, was da passiert „auch noch gekonnt hätten".

    Es scheint also durchaus berechtigt, wenn alle Kenner des Fußballs den Erfolg des Spiels damit begründen, dass es in jeder Hinsicht extrem „einfach sei – einfach zu verstehen, einfach zu spielen, einfach nachzuvollziehen. „Das ‚Geheimnis‘ um den Fußballsport, so beispielsweise der DFB-Historiker Carl Koppehel, „ist leicht gelüftet. Fußball ist ein im Grunde sehr einfaches Spiel und in der Ausübung billig. Es ist leicht verständlich, die Spielregeln sind frei von erschwerenden Vorschriften, die Wertung ist unkompliziert. Wäre diese Feststellung ausreichend, wäre der Fußball also tatsächlich nur „herrlich einfach und schon allein deshalb „einfach herrlich, dann könnte man sich jede weitere Ausführung sparen und diese Abhandlung sofort beenden – das Massenphänomen Fußball wäre erklärt. Bereits eine kurze Überlegung zeigt freilich, dass der schlichte Hinweis auf die Simplizität des Spiels viel zu simpel ist. Läge in der Einfachheit das einzige „Geheimnis des Fußballs, müsste man im Umkehrschluss folgern, dass sämtliche anderen Sportarten allein deswegen weniger Erfolg hatten und haben, weil sie komplizierter bzw. voraussetzungsvoller sind als der Fußball. Das mag im Fall von Football und Rugby richtig sein, auf viele andere – ja sogar die meisten – Ballsportarten trifft es aber nicht zu.

    Nichts berechtigt beispielsweise zu der Annahme, dass das Handballspiel (sofern es im Freien gespielt wird) „im Prinzip mehr Voraussetzungen benötigt als das Fußballspiel; um Basketball zu spielen, braucht man zwar ein paar Voraussetzungen mehr (der Ball muss extrem sprungkräftig und der Boden muss hart sein), trotzdem kam diese Sportart anfangs mit nur 13 Regeln aus; auch beim Volleyball genügt ein leichter Ball und eine zwischen zwei Stangen gespannte Schnur, um mit dem Spiel beginnen zu können. Das Argument der Einfachheit kann also allenfalls erklären, dass sich der Fußball so schnell und so leicht verbreiten konnte, nicht aber, dass ausgerechnet er und er allein zu einem Massenphänomen wurde. Wer das Geheimnis des Fußballs lüften will, muss also schon etwas größere Begründungs-Anstrengungen auf sich nehmen. Sein Erfolg beruht allem Anschein nach auf Eigenschaften, die nicht so einfach zu erklären sind. Das Spiel muss irgendetwas an sich haben, was es „unvergleichlich macht – sonst wäre der Reiz, den es auf Millionen, ja Milliarden von Menschen ausübt, nicht zu erklären.

    Während andere Spiele offensichtlich nur komplex oder nur einfach sind und nur für Zuschauer oder nur für aktive Spieler Reize besitzen, scheint beim Fußball ein schlichter Anlass so komplexe Wirkungen nach sich zu ziehen, dass das Spiel vielfältigsten Ansprüchen zu genügen vermag. Um dem Phänomen Fußball auf die Spur zu kommen, genügt es also nicht, nur die Regeln zu kennen. Man muss den Kern des Spiels in den Blick nehmen.

    Zunächst und vor allem ist es der scheinbar primitive Vorgang des Tretens, der eine überraschende Vielfalt der Spielmöglichkeiten entfaltet. Der Fußball und seine Varianten wie Futsal sind die einzigen Spiele, bei denen das Bewegen des Balles mit dem Fuß zur Regel gemacht wird. Selbst diejenigen Spiele, die „Football genannt werden (American Football, Rugby Football), sind ja im Grunde genommen eher Handballspiele, denn auch bei ihnen basiert der Ablauf des Spiels auf dem Tragen, Werfen und Fangen des Balles. Es scheint von daher nicht nur ein bloßer Zufall zu sein, dass all die Ballspiele, bei denen der Ball mit der Hand oder durch deren Verlängerung – mit einem Schläger – in Bewegung gesetzt wird, einen weitaus geringeren bzw. nur regional bedeutsamen Erfolg haben. Wäre dieser einzigartige „Fuß-Fall der Ballspiele nur eine Angelegenheit weniger Sonderlinge, die tun, was sonst verboten ist, und die Nein sagen zu allem, was normalerweise erlaubt ist, so wäre das Ganze wohl kaum einer Erwähnung wert. Tatsache aber ist, dass der Fußball den anderen Ballspielen nicht nur den Ball, sondern ganz offensichtlich auch die Gesetze des Erfolgs aus der Hand genommen hat. Und da international nicht irgendein Fußball erfolgreich ist, sondern der nach den FIFA-Regeln betriebene, liegt die Vermutung auf der Hand, dass dieser auf Regeln fußt, die – um das Wortspiel zu Ende zu bringen – „Hand und Fuß" haben.

    Verzichtet man darauf, ein Spiel unter den genormten Bedingungen eines offiziellen Wettkampfs auszutragen, so braucht man nicht einmal die FIFA-Regeln zu kennen. Ein Fußballspiel kommt bereits zustande, wenn man lediglich die zwei Grundverbote beachtet: das Verbot des Handspiels (mit Ausnahme des Torwarts) und das Verbot des Foulspiels (getreten werden darf nur der Ball, nicht der Gegner). Wird nur zum Spaß gespielt, so reduzieren sich die Voraussetzungen des Fußballspiels nahezu auf null. An materiellen Bedingungen sind lediglich zwei Mannschaften, ein Spielplatz mit zwei Toren sowie ein Ball erforderlich. Die Anzahl der Spieler ist gleichgültig, man kann auch fünf gegen fünf spielen oder zwölf gegen zwölf, sogar ein Spiel eins gegen eins ist möglich oder eines mit ungerader Teilnehmerzahl, wenn es unterschiedliche Spielerqualitäten auszugleichen gilt. Ein richtiges Spielfeld ist nicht unbedingt nötig, es genügt schon eine holprige Rasenfläche, notfalls auch ein Stück freien Platzes im Hinterhof oder auf einer wenig befahrenen Straße, und wenn der Raum gar zu knapp ist, kann man sogar auf dem Dach kicken – wie in La Valetta (Malta) oder auf Hochhäusern im dicht besiedelten Japan. Als „Ball" kann zur Not auch eine Blechbüchse oder irgendein anderer unförmiger Gegenstand dienen, sofern sich dieser nur mit den Füßen kicken lässt. Zur Markierung der Tore genügen Schultaschen, ein paar Zweige oder Steine. Das Spiel kostet also so gut wie nichts und kann praktisch unter allen Bedingungen gespielt werden.

    Diese materielle Voraussetzungslosigkeit des Fußballs wird noch dadurch ergänzt, dass nicht einmal die Akteure selbst eine besondere physische Konstitution mitbringen müssen. Egal, wie groß, wie stark, wie alt oder wie sportlich jemand ist: Jeder kann prinzipiell mitspielen. Selbst der Verlust eines Arms muss nicht verhindern, im Fußball ein Großer zu werden. Der einarmige Hector Castro, Torschütze beim 4:2 Uruguays im Finale 1930 gegen Argentinien, war einer der besten Stürmer seiner Zeit. Und der bei einem Autounfall versehrte Robert Schlienz, die „einarmige Legende" des VfB Stuttgart, brachte es zum Deutschen Meister und Nationalspieler. Umgekehrt muss man beim Fußballspiel selbst kaum befürchten, schwerwiegend verletzt zu werden. Denn wird dieser Sport der Grundregel gemäß betrieben, dann wird nur der Ball, nicht aber der Gegner getreten, dann gelten Angriffe nicht dem Körper, sondern werden mit dem Ball am Fuß vorgetragen. Deswegen müssen auch die Eltern keine Angst haben um die Kinder, die draußen auf dem Bolzplatz einem Ball hinterherjagen und dabei die großen Stars des Spiels imitieren.

    Einer alten Legende zufolge besteht zwischen den Bolzereien der jugendlichen und den Meisterspielen der erwachsenen Kicker ein unmittelbarer Zusammenhang. Einst haben alle großen Stars ganz unten angefangen: auf den Straßen, in Sackgassen, in Garagen- und Hinterhöfen, auf Wiesen in Parks und auf brachliegenden Flächen in Industriegebieten. Weil dieser „Urfußball anscheinend überall der gleiche ist, kann noch jedes Kind, das irgendwo gegen einen Ball tritt, davon träumen, den größten aller Kicker auf ihrem Weg von den dunklen Ecken der Großstädte ins Rampenlicht der Sportarenen nachzufolgen. Pelé genügte eine mit Lumpen und Zeitungspapier ausgestopfte Männersocke, um sich auf den staubigen Straßen des brasilianischen Provinzkaffs Baurù jene Fußballvirtuosität anzueignen, die ihm den Ruhm des größten Kickers aller Zeiten einbrachte. Max Morlock, bester deutscher Torschütze bei der WM 1954, trainierte seine Treffsicherheit als Knabe mit einem aus Stoffresten zusammengefügten „Flecklesball, den er unentwegt auf die Kellerfenster eines Mietshauses drosch, und neben diesem Sommersport des „Kellerfensterlns übte er des Winters seine koordinativen Fähigkeiten auf der zugefrorenen Fläche eines Teiches im „Eisfußball, der, wie er noch als Weltmeister betonte, „Krone aller Sportarten".

    In den 1980er Jahren setzte hierzulande zunehmend die Kritik ein, dass der Mangel an tauglichen deutschen Kickern in Bundesliga und Nationalteam vor allem auch auf das Aussterben der Straßenfußballer zurückzuführen sei. Da die jungen Spieler zu früh auf dem großen Spielfeld stromlinienförmig auf Kampf, Kondition und Schnelligkeit getrimmt würden, versäumten sie es, sich die notwendige Grundlagen-Technik anzueignen, die man nur auf der Straße lerne. „Als ich mit 13 Jahren zu einem Spitzenverein kam, hatte ich aus täglich sechs Stunden Straßenfußball alle Technik dieser Erde intus, meinte der Erfolgstrainer Ernst Happel: „Heute kommen Spieler zum Training, die können nicht einmal einen Stuhl umspielen. Der Ruhrpott-Kicker Olaf Thon, Mitglied des WM-Kaders von 1990, gilt als letzter Vertreter des klassischen Straßenfußballers aus deutschen Landen. Deutschland wurde Weltmeister, den schönsten Fußball aber spielte ein Team von ehemaligen Straßenfußballern. Mitten in Douala, einer Stadt in Kamerun, gibt es, einer Verkehrsinsel gleich, einen kleinen, holprigen, dreiecksförmigen Bolzplatz, auf dem sechs gegen sechs gespielt wird. Diesem „Spielraum" wurden magische Kräfte zugeschrieben: Mindestens fünf Spieler der Nationalmannschaft, die in Italien so begeisterte, sollen unter diesen außergewöhnlichen Umständen die Kunst des fintenreichen Dribblings erlernt haben.

    Der Straßenfußball prägte auch das französisch-algerische Ballgenie Zidane. In La Castellane, dem Ghetto der maghrebinischen Einwandererfamilien in Marseille, übte er auf einem betonierten Platz all jene Tricks, die ihn später berühmt machen sollten. „Alles, was ich gelernt habe, stammt aus dieser Zeit, schrieb er in seiner Autobiografie. Derjenige, der einen neuen Trick entdeckt hatte, musste ihn den anderen zeigen. So hatte sich auch der kleine und schmächtige „Yazid, wie er damals gerufen wurde, viele Tricks ausgedacht und sich gegenüber den anderen eine Menge Respekt verschafft, wenn er zeigen konnte, dass er den Ball besser beherrschte als sie. Auch Turniere gab es auf dem Betonplatz, wie bei einer WM. Nach dem Triumph der Franzosen beim Turnier 1998 musste der frischgebackene Weltstar wieder daran denken: „Als ich den WM-Pokal hochhob, erinnerte ich mich an früher, so Zidane, an die Trophäe von einst: „Es war nur eine Plastikflasche. Mit Alufolie umwickelt.

    Im selben Bestreben – nämlich aus erträumten Pokalen echte zu machen – sind in Deutschland nach der verkorksten Europameisterschaft 2004 Jürgen Klinsmann und Oliver Bierhoff angetreten. Zu ihrem Erneuerungsprogramm, mit dem sie den deutschen Fußball wieder erstarken lassen wollen, gehört auch die Wiederbelebung des Straßenfußballs. Während der Bundestrainer als Präsident und Gründer der Stiftung Jugendfußball mit dem Projekt „streetfootballworld vor allem aus sozialen Gründen den „Fußball von unten unterstützen will, geht es dem Teammanager der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei seiner Initiative „Bolzplätze für Deutschland" auch um die konkrete balltechnische Förderung des deutschen Fußball-Nachwuchses. Damit die WM-Stars von morgen auch außerhalb von Schulen und Vereinen gute Trainingsmöglichkeiten erhalten, werden die verhinderten WM-Stars von gestern animiert, Bierkästen eines bekannten Herstellers zu kaufen, der einen Teil des Projektes finanziert. Je mehr Flaschen ausgetrunken werden, so das unausgesprochene Motto, desto weniger Flaschen auf dem Platz würde man später ertragen müssen.

    Ob und wann dieses Bier-Hoffnungsprojekt Erfolg haben wird, muss man abwarten. Einige Fragezeichen sind freilich jetzt schon anzubringen. Vor rund 40 Jahren, als der Autor dieser Zeilen seine ersten Kickversuche machte, gab es noch genügend Straßenecken und Bolzplätze, wo er sich die Grundlagen des virtuosen Fußballspiels durchaus hätte erwerben können. Doch leider blieb das Koordinationsvermögen seiner Füße selbst unter – im straßenfußballerischen Sinne – paradiesischen Ausgangsbedingungen derart mager, dass er nicht einmal in seinen Traumphantasien wagte, Weltmeisterliches zu vollbringen. Spaß gemacht aber hat es trotzdem. Und vor allem: Es war immer möglich, mit Freunden gegen einen Ball zu treten. Gerade dieses Einfachheit des Zugangs war und ist auch heute noch – trotz des attestierten Mangels an Bolzplätzen – eines der Ur-Geheimnisse des Fußballspiels.

    BÄLLE

    „Das Geheimnis des Fußballs ist ja der Ball, lautet ein berühmter Spruch von Uwe Seeler. Für ein spontanes Fußballspiel benötigt man aber im Prinzip gar keinen Ball. Schließlich kann man in jedem Schulhof beobachten, wie irgendein x-beliebiges Ding zu einem wilden und begeisterten Herumstoßen einlädt. Aber wenn man etwas zumindest Ballähnliches hat, macht das Spiel mehr Spaß. Der erste „Fußball war eine Schweineblase, die man mit Lungenkraft aufblies und an den Enden wie einen Luftballon verknotete. Mit einem solchen Spielgerät machte noch Klaus Theweleit, der bekannte Autor der „Männerphantasien, in der bundesdeutschen Nachkriegszeit erste Kick-Erfahrungen. Mit Begeisterung beschrieb er ihre Eigenschaften: „Die Blase eiert beim Fliegen, taumelt und torkelt durch die Luft wie ein Luftballon. … Sie ist gerade schwer genug, ein paar Meter weit zu fliegen, wenn man kräftig gegen sie tritt und sie am günstigsten Punkt erwischt. Im Flug bremst sie sich durch geringes Gewicht und eine taumelnde Flugbahn. Sie scheitert am Luftwiderstand und an der eigenen Ballistik. Sie ist also ganz und gar kein Fußball, sie ist gerade so viel Ahnung eines Fußballs, dass sie an seiner statt benutzt werden kann – und gerade darin liegt das Wunderbare. Die Schweinsblase ebnet die Unterschiede zwischen den Spielern ein. Niemand kann einen satten Schuss mit ihr abgeben. Niemand kann elegant drei Gegenspieler umspielen und dann auflegen oder abziehen. Ihre geringe Gravitation und die Unberechenbarkeit ihrer Flugkurven lassen es nicht zu. Sie bleibt hängen, sie landet, wo sie will, beim Mitoder beim Gegenspieler. Sie gehorcht dem Fuß- oder Kopfballspiel der Kleinen genauso gut oder genauso wenig wie dem der Großen. Es ist ihren Launen überlassen, wer das Tor schießt.

    Der kleine Theweleit war aber dann doch froh, dass er sein Können irgendwann an einem zum Kicken weit besser geeigneten Plastikball erproben konnte. Aber auch der ist mit seinen unberechenbaren Flugeigenschaften nur ein mäßiger Ersatz für einen „richtigen Fußball. Dessen Geschichte begann, als Schuhmacher eine Lederhülle für die aufgeblasene Schweineblase ersannen. Da sie dabei die Form der Blase berücksichtigen mussten, waren die ersten Lederbälle pflaumenförmig, vielleicht runder als ein heutiger Rugby-Ball, aber sicher nicht kugelrund. Eine Revolution in der Ballgeschichte bedeutete daher die Erfindung des Lösungsmittels für Kautschuk durch den Engländer Mackintosh und die daraus sich ergebende Möglichkeit, Gummiblasen herzustellen. Seit 1862 wurden mit der „india rubber bladder runde Bälle produziert. Auch die waren allerdings noch nicht perfekt, da sie auf zwei Seiten einen „Knopf" hatten, an dem die zusammentreffenden Lederstreifen vernäht wurden.

    Im März 1866 wurde erstmals für das Spiel einer Auswahl aus Sheffield und London die Verwendung eines bestimmten Balles beschlossen: Es war der „Lillywhite’s No. 5. Dieser Ball wurde dann zum Standardball beim 1871 eingeführten FA-Cup bestimmt. Gleichzeitig wurde eine einheitlichen Ballgröße festgelegt. Der Umfang solle nicht weniger als 27 und nicht mehr als 28 Inches betragen. Diese Festlegung entspricht dem bis heute üblichen Maß (der Umfang soll mindestens 68 und höchstens 70 Zentimeter betragen). Die Qualität der Bälle erfuhr eine weitere deutliche Verbesserung mit den „knopflosen Bällen, die seit den 1880er Jahren zum großen Verkaufsschlager auf dem wachsenden Markt für Fußball-Utensilien wurden. Ganz rund waren aber auch diese noch nicht, da sie mangels eines geeigneten Luftventils verschnürt werden mussten. Dieser „Knubbel" am Lufteinlass konnte ein unrundes Rollverhalten verursachen und war zudem beim Kopfball-Kontakt nicht selten Ursache von Verletzungen.

    Noch bei den ersten beiden Weltmeisterschaften in Uruguay und Italien verwendete man einen aus zwölf bzw. achtzehn Streifen gefertigten „Knubbel-Ball". Kopfball-Tore waren dementsprechend ein recht außergewöhnliches Ereignis. Als bei der WM 1938 in Paris erstmals ein rundum glatter Ball mit Ventil verwendet wurde, hatte dies einen unmittelbaren Einfluss auf die Spielweise. Waren beim vorherigen Turnier nur zwei von 70 Treffern per Kopf erzielt worden, so waren es nun 17 von 84.

    Die Abschaffung der harten und hinderlichen Verschnürung ist den Argentiniern Antonio Tossolini, Juan Valbonesi und Luis Polo zu verdanken, die im Jahr 1931 eine aufblasbare Gummiblase mit Ventil erfanden. Ob sie wirklich die Ersten waren, ist allerdings nicht ganz sicher. Denn mit einer ähnlichen Erfindung warteten etwa zur selben Zeit auch die Sportartikel-Fabrikanten Gutkind & Einstein aus Nürnberg auf, die bereits seit Anfang der 1920er Jahre Spitzenbälle produzierten. Der von der jüdischen Firma entwickelte und ausschließlich über den Verband deutscher Sportgeschäfte vertriebene „selbstschließende Ball ohne Verschnürung" konnte jedoch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten keine WM-Geschichte mehr schreiben.

    Nach der Erfindung des Ventils war im Prinzip nur noch das Leder ein Problem. Denn die in der Regel aus 12 oder 18 Lederstreifen zusammengenähten Bälle konnte man soviel einfetten, wie man wollte – wenn es regnete, dann sogen sie sich unweigerlich mit Wasser voll und wurden im Verlauf des Spiels immer schwerer. Aus diesem Grund legte man fest, dass das Standardgewicht des Balles im trockenen Zustand, also zu Spielbeginn, zu ermitteln ist. Seit 1937 ist es auf mindestens 410 und höchstens 450 Gramm festgelegt. In den 1940er und 1950er Jahren waren in England vor allem zwei Modelle im Gebrauch: Im Winter benutzte man den teueren „Tugite, da an diesem der Matsch nicht so festklebte, in der trockeneren Zeit ab März begnügte man sich mit dem billigeren Thomlinson „T. Dieser nicht aus Streifen, sondern aus T-förmigen Teilen bestehende Ball war bei moderaten Verhältnissen ganz passabel, im Sommer allerdings, wenn der Boden knochenhart war, sprang er wie verrückt umher und war kaum zu kontrollieren. Um diesen Effekt zu verhindern, brachte man in den „T" eine weitere Gummiblase ein und tauchte ihn über Nacht in Wasser. Dann war er nicht mehr leicht wie ein Luftballon und rollte wie eine Kugel. Pech hatte man aber, wenn dann Regen fiel. Der Ball dehnte sich aus und konnte, so heißt es, im Lauf eines Spieles durch die aufgesogene Nässe sein Gewicht verdoppeln.

    Im Jahr 1963, als die Bälle immer noch schwer, unberechenbar und beim Kopfball schmerzhaft waren, begann die Firma Adidas mit der Produktion von Matchbällen. Bereits zur WM 1966 lieferte der Sportartikelhersteller aus Herzogenaurach 300 Bälle in den Farben orange, gelb und weiß. Offizielle WM-Bälle gibt es jedoch erst seit 1970, als die FIFA mit Adidas einen Vermarktungsvertrag schloss. Mit dem in Mexiko verwendeten „Telstar wurde die heutige Gestalt des Balles allgemeinen üblich. Der Ball war jetzt schwarz-weiß und wurde nicht mehr aus 18 Streifen, sondern aus 20 weißen Sechseck- und zwölf schwarzen Fünfeckteilen zusammengesetzt. Bei der WM 1986 wurde mit dem „Azteca erstmals ein komplett synthetischer Ball benutzt. Mit dem völligen Verzicht auf Leder wurde nicht nur die Widerstandsfähigkeit und Formbeständigkeit erhöht, sondern endlich auch das Nässeproblem gelöst. Problematisch blieben die zunächst aus Materialien wie Polyurethan und Neopren gefertigten Bälle aber dennoch. Vor allem von den Torhütern wurden sie wegen ihres unberechenbaren Flugverhaltens kritisiert. Die früher üblichen Lederbälle standen lange in der Luft, und nur deswegen bekam ein Torhüter die Zeit, sie in aller Ruhe abzugreifen. Die modernen Kunststoffobjekte hingegen zischten nun mit einem enormen Tempo heran, und darüber hinaus flogen sie nicht gerade, sondern „zappelten unberechenbar. Aber auch die Feldspieler stellten sie, vor allem in Kombination mit ungewohnten Rasenmischungen, vor ungewohnte Probleme. Während der WM 1994 meinte der Fernsehkommentator Heribert Faßbender, die hohe Quote technischer Fehler auf die für die Spieler ungewohnte Kombination von amerikanischem Rasen und neuem „Questra zurückführen zu können: „Ich glaube, dass der Ball ein anderes Abrollverhalten hat."

    Den perfekten Ball also scheint es nicht zu geben; er kann ja auch nie ganz rund sein, wie der Physiker weiß, höchstens beinahe. Moderne Kunststoffbälle werden in speziellen Testcentern stundenlang gerubbelt, in Wasser getaucht, zusammengestaucht,

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