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Versteckspieler: Die Geschichte des schwulen Fußballers Marcus Urban
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eBook168 Seiten1 Stunde

Versteckspieler: Die Geschichte des schwulen Fußballers Marcus Urban

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Über dieses E-Book

Homosexualität gilt als letztes Tabu im Profifußball. Aus Furcht vor den öffentlichen Reaktionen hat sich bisher noch kein namhafter Spieler geoutet. Marcus Urban bricht jetzt das Schweigen. Einst galt er als eines der größten Talente des ostdeutschen Fußballs. Sport zog sich wie ein roter Faden durch sein Leben, war Abenteuer und Befreiung, zugleich aber eine schwere Kette für seine persönliche Entwicklung. Weil Urban um seine Zukunft als Fußballer fürchtete, verschwieg er seine Homosexualität. In dem bewegenden Buch schildert er diese schwierige Situation und seine seelische Zerrissenheit, aus der er sich erst spät befreite. Heute, als 36-Jähriger, wagt er den Schritt an die Öffentlichkeit. Nach intensiven Gesprächen mit dem Journalisten Ronny Blaschke legt er seine Lebensgeschichte als Buch vor. Marcus Urban will dazu beitragen, dass dieses letzte Tabu im Fußball fällt, weitere Spieler seinem Beispiel folgen und Homosexualität auch im vermeintlich "männlichen" Sport als etwas ganz Normales betrachtet wird.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum15. Okt. 2008
ISBN9783895338779
Versteckspieler: Die Geschichte des schwulen Fußballers Marcus Urban
Autor

Ronny Blaschke

Ronny Blaschke, Jahrgang 1981, beschäftigt sich als Journalist und Autor mit politischen Themen im Sport, u. a. für Deutschlandfunk, SZ und Deutsche Welle. Die Recherchen für seine Bücher lässt er in politische Bildung einfließen, in Vorträge, Moderationen und Konferenzen. Zudem entwickelt er unterschiedliche Informationsreihen. Blaschke wurde für seine Arbeit mehrfach ausgezeichnet.

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    Buchvorschau

    Versteckspieler - Ronny Blaschke

    Ronny Blaschke

    Versteckspieler

    Die Geschichte des schwulen

    Fußballers Marcus Urban

    VERLAG DIE WERKSTATT

    Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

    Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der

    Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten

    sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

    Copyright © 2008 Verlag Die Werkstatt GmbH

    Lotzestraße 24a, D-37083 Göttingen

    www.werkstatt-verlag.de

    Alle Rechte vorbehalten.

    Satz und Gestaltung: Verlag Die Werkstatt

    ISBN 978-3-89533-877-9

    Inhalt

    Prolog

    Ohrfeige für den Blitzableiter

    Gespensternächte auf dem Rasen

    EXKURS:

    Im Spiel der Aussätzigen

    Der offene Rassismus wurde aus den Profiligen verdrängt. Fans flüchten sich in weniger tabuisierte Diskriminierungen – vor allem in Homophobie

    Herzklopfen an der Weltkarte

    Alltag mit Maske

    EXKURS:

    „Fußball ist alles – auch schwul!"

    Immer mehr schwullesbische Fanklubs werben in den Stadien um Akzeptanz, doch ihre Mühen werden von vielen Widerständen gebremst

    Die Mauer bleibt standhaft

    Abschied von Pelé

    EXKURS:

    „Ein Stück zu Hause"

    Fluchtpunkt, Krisenberatung, Gemeinschaft – in schwullesbischen Sportvereinen wie dem Berliner Klub Vorspiel wird nicht nur trainiert

    Zwischen den Welten

    Der Dammbruch

    EXKURS:

    Kampf dem Klischee

    Homophobie und Sexismus im Frauenfußball treten meist unterschwellig auf und basieren auf jahrhundertealten Geschlechterrollen

    Freischwimmen für Anfänger

    Entdeckung der Kunst

    EXKURS:

    Lotsen in der Grauzone

    Martin Schweer und Tatjana Eggeling gelten als Exoten in der Wissenschaft, die Homosexualität im Sport vernachlässigt

    Revolution mit Perücke

    Der Spatz lernt Fliegen

    EXKURS:

    Die Mauer bröckelt

    DFB-Präsident Theo Zwanziger bemüht sich um ein tolerantes Klima, die meisten Funktionäre behaupten sich dagegen als Verdrängungskünstler

    Lichtzeichen für den Suchenden

    „Das Einfache ist das Göttliche"

    Ausblick

    Adressen

    Quellen

    Fotonachweis

    Danksagung

    Der Autor

    Prolog

    Die Lange Reihe in St. Georg, nahe des Hamburger Hauptbahnhofes gelegen, ist nicht mehr die Schmuddelstraße, die sie einmal war. Die Mietpreise steigen, Imbissbuden und Gemüseläden weichen, Restaurants, Künstler und Friseure siedeln sich an. St. Georg ist ein angesagter Kiez geworden, in dem sich auch Marcus Urban wohl fühlt. Er sitzt im Café Gnosa, auf halber Höhe der Langen Reihe, einem beliebten Treffpunkt für Lesben und Schwule. Die Wände sind in einem warmen Farbton gehalten, Sessel und Stühle erinnern an die siebziger Jahre. Marcus trägt Hemd und Sakko, aus Wertschätzung vor der eigenen Geschichte, wie er betont. Er wird über sein Leben erzählen. Das Leben eines Versteckspielers.

    Marcus Urban ist homosexuell, er war Leistungssportler, Anfang der Neunziger stand er bei Rot-Weiß Erfurt an der Schwelle zur zweiten Fußball-Bundesliga. Trainer hatten ihm eine große Laufbahn vorausgesagt. Marcus verausgabte sich, um seine Neigung zu verharmlosen, zu leugnen, zu unterdrücken. Er dachte, er sei krank, der Einzige, der ausscherte. Marcus Schneider, wie er damals hieß, als er noch den Nachnamen seines Stiefvaters trug, besuchte die Kinder- und Jugendsportschule, die KJS, in der die DDR ihre Talente zu Staatsbotschaftern aufbauen wollte. Sieben Jahre ging er auf die Sportschule, in der Fußball alles beherrschte. In einem System, das auf Kontrolle fußte, musste er sich am meisten kontrollieren. Aus Angst vor der Enttarnung, aus Furcht vor dem Rausschmiss.

    Zwanzig Jahre später kann er gelassen über dieses Kapitel sprechen. Marcus hat ein schmales Gesicht und kurz geschorene Haare, seine O-Beine verraten ihn als Kicker. Er ist zu einem Botschafter geworden, er will Sensibilität für ein Thema schaffen, dem bislang die Gesichter fehlen. Homosexualität im Profifußball ist kaum erforscht, weil kein schwuler Spieler an einer Studie teilnehmen möchte. Dass es sie auch in der Bundesliga geben muss, ist unbestritten. Wissenschaftler gehen davon aus, dass zwischen fünf und zehn Prozent der deutschen Männer homosexuell sind. In den oberen Spielklassen dürfte dieser Anteil geringer sein, weil viele Spieler dem Druck schon in den Nachwuchsteams nicht standhalten können. Für sie war und ist der Fußball eine Bastion der Männlichkeit, in der kein Platz für Alternativen bleibt. Handelt es sich also tatsächlich um eines der letzten großen Tabus?

    Die Liste der ignoranten und diskriminierenden Zitate von prominenten Spielern, Trainern und Funktionären ist lang, sie sollen in diesem Buch keine Plattform finden. Beispielhaft sei hier Christoph Daum genannt, der in einer Fernsehdokumentation im Mai 2008 Schwule in Verbindung mit Kinderschändern gebracht hat. Die Aufregung war groß, eine akzeptable Entschuldigung blieb lange aus. Oder die unsägliche Bemerkung Frank Rosts: „Ich dusche immer mit dem Arsch zur Wand." Marcus Urban kann über solche geistigen Tiefflüge nur lachen, er hatte in seinem Leben ganz andere Sorgen. Seine Biographie soll nun helfen, ein wenig Licht in das schwarze Loch zu werfen. Die Geschichte ist nur in Teilen repräsentativ für die Probleme schwuler Fußballer die eine Karriere im Schneckenhaus führen müssen. Marcus hat eine traumatische Kindheit hinter sich, die Folgen erhöhten den Druck zusätzlich.

    In den vielen Interviews, die für das Schreiben dieses Buches erforderlich waren, im Gnosa, in seiner Wohnung in Barmbek oder an seiner Arbeitsstelle, stockte Marcus mehrfach der Atem. Er hatte Tränen in den Augen, dann brauchte er eine Pause, hin und wieder fing er an zu lachen oder starrte grinsend und verträumt auf einen Punkt. Manchmal merkte er erst nach neunzig Minuten, dass vor ihm ein Wasserglas stand, das er noch nicht angerührt hatte. Zu den Treffen erschien er nicht einmal zu spät, seine Unterlagen waren geordnet, wichtige Gedanken notierte er sich sofort. Es geht um seine Geschichte, seine Erinnerungen, die er loswerden und zugleich verarbeiten möchte. Diese Biografie soll nicht nur ratlosen Spielern als möglicher Leitfaden dienen – sie soll ihm selbst helfen.

    Die Massenmedien haben Homosexualität im Fußball als ein Thema entdeckt, mit dem sich Auflage und Quote erzielen lässt. Immer wieder wird der Gegensatz zu Politik und Kultur herausgestellt. Der Fußball verblasse als archaisches Feld der Ewiggestrigen, so der verbreitete Eindruck. Doch ist der Unterschied wirklich so groß? Ist die Politik im Allgemeinen tolerant, weil sich in Klaus Wowereit, dem Regierenden Bürgermeister Berlins, in Ole von Beust, dem Ersten Bürgermeister Hamburgs, oder in Guido Westerwelle, dem Vorsitzenden der FDP, drei bundesweit bekannte Politiker als Schwule bekennen? Sind Kunst, Kultur und Unterhaltung frei von Vorurteilen, weil Anne Will, Hella von Sinnen, Dirk Bach, Thomas Hermanns oder Georg Uecker kein Geheimnis aus ihrer Homosexualität machen? Ist das Verhältnis so einfach zwischen Fußball und dem Rest der Gesellschaft, zwischen Schwarz und Weiß?

    Ist es nicht. Nur wenige Outings waren freiwillig, oft blieb den Prominenten keine andere Wahl angesichts der Gerüchte und des öffentlichen Drucks. In der Unterhaltungsbranche sind kaum Charakterschauspieler oder politische Kabarettisten als homosexuell bekannt, in der Wirtschaft kaum Topmanager. „Die Gesellschaft ist nicht per se liberaler geworden dadurch, dass die Herren von Beust, Westerwelle oder Wowereit als schwul bekannt sind", sagte Klaus Wowereit der Wochenzeitung Die Zeit. „Die Probleme des einzelnen Homosexuellen sind damit nicht leichter geworden."

    Auch Wowereit oder Westerwelle müssen sich schwulenfeindliche Witze anhören, nicht immer haben sie es leicht in ihrer jeweiligen Partei. Homosexualität wird allenfalls geduldet, als Normalität wird sie noch lange nicht angesehen. Der Fußball ist daher keine Insel der Ignoranz. Auf den Tribünen sowie auf dem Spielfeld treten Homophobie, Klischees und Ressentiments einer ganzen Gesellschaft eher verschärft auf. Studien belegen, dass die Ausgrenzung gesamtgesellschaftlich zwar zurückgeht, aber noch lange nicht der Vergangenheit angehört. So soll die Selbstmordrate bei homosexuellen Jugendlichen viermal so hoch sein wie bei heterosexuellen.

    Marcus Urban wird von Journalisten oft gefragt, ob er schwule Bundesligaspieler kenne, oder sogar Nationalspieler. Diese Annäherung zeigt, dass es in vielen Medien nicht um Aufklärung und Bewusstseinsbildung geht, sondern um Voyeurismus und Schlagzeilen. So mancher Boulevardreporter hat Spielern schon Geld für ein Coming-out angeboten, andere halten entlarvende Fotos zurück, im Gegenzug fordern sie von den Betroffenen exklusive Informationen. Das Thema ist jedoch nicht von weltbekannten Namen abhängig, Personenkult würde die Inhalte nur überdecken.

    Neben der eindringlichen Lebensgeschichte von Marcus Urban will dieses Buch in Exkursen weitere Einblicke bieten. Es will verdeutlichen, warum das Wort „schwul" schon in Jugendmannschaften zu den gängigen Schimpfwörtern zählt. Es will erklären, warum schwullesbische Sportvereine und Fanklubs so wichtig sind. Es will die schwierige Arbeit eines Psychologen dokumentieren, der homosexuelle Spitzensportler betreut. Und es will einen kritischen Blick auf die Rolle der Funktionäre werfen, die sich erst allmählich für Schwule und Lesben im Fußball zu interessieren beginnen.

    Natürlich müssen sich Manager von Klubs und Verbänden die gleiche Frage stellen lassen, wie sie Politiker vor Jahren haben hören müssen: Warum erst jetzt? Der Paragraph 175, der Homosexualität unter Strafe gestellt hatte, wurde erst 1994 endgültig aus dem deutschen Strafgesetzbuch gestrichen. In Satzungen der großen Bundesligavereine wird kein Wort über die Bekämpfung von Homophobie verloren. Marcus Urban möchte mit seiner Erzählung helfen, das zu ändern. So wie sich der Hamburger Stadtteil St. Georg gewandelt hat, so kann sich auch der Fußball verändern. Marcus kann mit seinem Freund Hand

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