Das Schweigen der Männer: Homosexualität im deutschen Fußball
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Über dieses E-Book
Die Journalisten Dirk Leibfried und Andreas Erb haben intensiv zum Thema recherchiert. Sie sprachen mit schwulen Amateur-Kickern, mit Funktionären wie DFB-Präsident Zwanziger sowie mit Psychologen, die homosexuelle Profis betreuen. Ihr Buch leuchtet das homophobe Klima in der Fußballszene aus und kritisiert vor allem das wenig hilfreiche Schweigen der Vereine und der Sponsoren. Es schildert die großen Probleme, denen sich schwule Profispieler ausgesetzt sehen und begründet ihre Scheu vor einem Outing.
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Buchvorschau
Das Schweigen der Männer - Dirk Leibfried
erörtert.
Anpfiff.
»Dieser Weg wird kein leichter sein«
Fußball. Männersport. Unzerstörbare Bastion echter Kerle. Sie prahlen in der Kabine mit ihrer Potenz und brüsten sich mit den zahlreichen Weibern, die sie mal wieder flachgelegt haben. Das Testosteron schwappt über. Sie polieren dem Gegner das Schienbein und fressen Gras, auf das sie vorher gerotzt haben, weil das so ungemein männlich wirkt. Und von den Rängen, wo das bildungsferne Milieu den Gladiatorenkämpfen beiwohnt, wird der gegnerische Torwart beim Abstoß mal gepflegt als »Arschloch, Wichser, Hurensohn« begrüßt, ohne dass sich darüber auch nur im Entferntesten irgendjemand aufregt. Fußball. Männersport. Machowelt. Die letzte Domäne harter Jungs. Hier ist kein Platz für zartbesaitete Weicheier, Warmduscher und Fummeltrinen. Homosexuelle? Schwuchteln? Hinterlader? Schwule Säue? Gibt es nicht. Kann es nicht geben. Weil es sie nicht geben darf.
Der Fußball eine Spielwiese für Proleten? Oder hat vielleicht doch der renommierte Journalist Alexander Osang recht, der in einem Beitrag für den »Spiegel« von den neuen deutschen Männern gesprochen hat, die das Land bei der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika mit etwas Schönem, Leichtem, gar Tänzerischem vertreten haben? Und der die Nationalmannschaft als weltoffene, tolerante und integrative Gemeinschaft rühmt, die mit einer neuen Art des Fußballs die Menschheit – knallharte Fans gleichermaßen wie die Bildungselite – verzaubert. Alles nur eine romantische Verklärung?
Rund tausend Fußballprofis stehen aktuell bei den 36 Erst- und Zweitligaclubs in Deutschland unter Vertrag. Wenn man davon ausgeht, dass zwischen fünf und zehn Prozent aller Deutschen homosexuell sind, muss es – zumindest statistisch gesehen – mindestens 50 schwule Fußballprofis geben. Seit Jahren wird deshalb außerhalb des von Medien überwachten Männerbundes eifrig spekuliert, um wen es sich dabei handeln könnte. Vor allem in schwulen Chatforen kennt jeder mindestens einen Profi, den er oder ein Bekannter irgendwann einmal in irgendeiner Schwulen-Disko oder -Sauna gesehen haben will und der deshalb ganz sicher auch schwul sein muss.
Dass es schwule Fußballer gibt, ist unstrittig, allein im Kader und Umfeld der Nationalmannschaft sind mindestens zwei Homosexuelle »aktenkundig«. Dabei könnte man auf den verstaubten Dorfplätzen der Republik den Eindruck gewinnen, dass der Paragraf 175 des Strafgesetzbuches, der einst sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte, noch immer fest im deutschen Rechtssystem verankert ist. Denn speziell der Fußball und seine Ordnungsbehörden tun sich nach wie vor schwer mit dem Thema.
Beispiel gefällig? Nach einem hitzigen Wortgefecht wurde im August 2007 der Dortmunder Torwart Roman Weidenfeller vom DFB-Sportgericht mit einer Sperre von drei Spielen und einer Strafe von 10.000 Euro belegt. Er soll laut Presseberichten im Derby gegen Schalke den gegnerischen Stürmer Gerald Asamoah als »schwules Schwein«, alternativ auch »Schwabbelschwein«, beleidigt haben. Ursprünglich wurde Weidenfeller vorgeworfen, die Worte »schwarzes Schwein« benutzt zu haben – so die Darstellung des betroffenen Asamoah. In diesem Fall wäre eine Verurteilung wegen rassistischer Äußerung erfolgt, Anklage erhoben und eine deutliche längere Sperre – im Gespräch waren sechs Wochen – ausgesprochen worden. Auch der BVB hätte dann wohl einen Punktabzug hinnehmen müssen. Gerecht? Wohl kaum! Es blieb in der Öffentlichkeit der Eindruck, als sei eine homophobe Äußerung weit weniger strafwürdig als eine rassistische.
Fußball war und ist ein Hort archaischer Männlichkeit, in seiner mentalen Entwicklung irgendwo zwischen Mondlandung und Mauerfall stehengeblieben, die Ansichten teils vorsintflutlich und die vermeintliche Toleranz gegenüber Schwulen so fragwürdig wie das kokainbehaftete Haupthaar von Fußballtrainer Christoph Daum, der Homosexualität gerne auch mal mit Pädophilie in Verbindung bringt. Eine Parallel-Gesellschaft, in der im Sommer 2009 der Millionen-Euro-Transfer eines brasilianischen Fußballers in die Bundesliga auch an den Gerüchten über dessen angebliche Homosexualität scheiterte (wie der Grimme-prämierte Journalist Aljoscha Pause in einer TV-Dokumentation berichtet). Und wo es als hochrangiger Funktionär eines nationalen Fußballverbandes möglich ist, unbehelligt in die Welt hinauszuposaunen und erst neun Monate später mit einer Geldstrafe von lächerlichen 10.000 Euro von der UEFA belangt zu werden: »Solange ich Präsident bin, wird kein Homosexueller in der kroatischen Nationalmannschaft spielen.« Da klingt es fast schon liebevoll, wenn Schalkes früherer Manager Rudi Assauer jedem Schwulen im Fußball rät, sich einen anderen Job zu suchen.
Trotz der im Sommer 2010 im »Spiegel« erfolgten vollmundigen Ankündigung von Michael Becker, Berater von Ex-Nationalelf-Kapitän Michael Ballack, dass schon bald jemand die »Schwulencombo« – gemeint war die deutsche Fußball-Nationalmannschaft – hochgehen lassen könne, zählen die Namen der homosexuellen Fußballprofis in Deutschland nach wie vor zu den bestgehüteten Geheimnissen. Hier eine Andeutung, dort ein Gerücht. Das war’s. Auch im Amateurfußball ist die Situation nicht viel besser. Kaum jemand wagt sich wirklich aus der Deckung, zu groß ist die Angst vor Ausgrenzung. Dabei jagen rund drei Millionen aktive Fußballer in Deutschland regelmäßig dem runden Leder hinterher. Heterosexuelle, Bisexuelle und Homosexuelle. Auf ein prominentes Coming-out (abgeleitet vom englischen Begriff »coming out of the closet«, wörtlich: »aus dem Kleiderschrank herauskommen«) wartet die Fußballgemeinde jedoch bislang vergebens. Übrigens: Becker wollte trotz mehrerer Telefonanfragen die »Spiegel«-Zitate nicht weiter kommentieren.
Immer wieder betonen wohlmeinende Fans, dass sich im Fußball niemand outen muss, weil sich schließlich auch niemand öffentlich zu seiner Heterosexualität bekennt. Aber genau solche Aussagen dokumentieren die weit verbreitete Scheinheiligkeit einer Gesellschaft, die einen sensiblen Umgang mit dem Thema nur sehr mühsam erlernt. Natürlich betont niemand ausdrücklich, dass er heterosexuell ist. Das wird im Fußball nämlich schlicht und einfach vorausgesetzt. Außerhalb jeglicher Diskussion. Die Frage muss also erlaubt sein, wieso sich dann kein Homosexueller outet, wenn die sexuelle Orientierung angeblich keine Rolle spielt und es niemanden zu interessieren hat, wer mit wem sein Bett teilt, weil das schließlich reine Privatsache sei. Auch dahinter steckt Methode.
Denn Totschweigen und Verdrängen gehören zum Business: Schwule im Fußball sind allein schon deshalb äußerst seltene Exemplare, weil die meisten durch die Art und Struktur des Fußballs selektiert und ausgesiebt werden. Sie halten dem Druck und der befürchteten Diskriminierung einfach nicht stand. Schwule sind nicht systemkompatibel – und die Abneigung gegenüber anderen sexuellen Orientierungen sortiert sie von vornherein aus. Gut möglich, dass dem wirklich so ist – und dadurch die Zahl der Homosexuellen im verklemmten Fußball tatsächlich geringer ist als im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung. Eben weil einige an der Doppelbelastung verzweifeln, einerseits sportliche Höchstleistungen zu erbringen und andererseits ihre Homosexualität verheimlichen zu müssen. Früher oder später kehren sie daher dem Sport deprimiert den Rücken.
Die, die dabeibleiben, verstecken sich. Noch. Das Fußballmagazin »Rund« stellte 2006 einige von ihnen vor. Dass in der Geschichte keine Namen genannt wurden, erklärt sich, wenn man die Schicksale kennt: Einer ist verheiratet, ohne dass seine Frau etwas von seiner Homosexualität weiß – und sein Freund lebt in einer anderen Stadt. Ein anderer hält sich zum Schein eine gute Freundin, die in der Öffentlichkeit als Spielerfrau durchgeht. Nur aus dem Kleiderschrank traut sich dagegen (noch) niemand.
Von diesen Erfahrungen sprechen alle, die Kontakt zu schwulen Fußballern haben und hatten. Zum Beispiel der ehemalige holländische FIFA-Schiedsrichter John Blankenstein, der nie ein Geheimnis aus seiner Homosexualität gemacht hatte. In einem seiner letzten Interviews vor seinem Tod im August 2006 behauptet Blankenstein im Fußballmagazin »Rund«: »Ich kenne einige schwule Profis, sogar in der holländischen Nationalmannschaft.« In einem Interview mit der »Welt« bricht der ehemalige Präsident des FC St. Pauli, Corny Littmann, bereits 2006 öffentlich ein Tabu: »Es gibt Homosexuelle in allen Bundesligaclubs und nach meiner Kenntnis auch in der Nationalmannschaft.« Mittlerweile sei sogar ein Netzwerk entstanden: »Etliche kennen sich und wissen voneinander.«
Die »heile Welt« bröckelt, der Kosmos Männerfußball kann sich nicht länger von der gesellschaftlichen Entwicklung abkoppeln. So wie Nationalspieler mit Migrationshintergrund längst zur Normalität gehören, werden früher oder später auch Homosexuelle wie selbstverständlich in den deutschen Proficlubs ihrem Job nachgehen. Und irgendwie hat man das Gefühl, als habe der Sänger Xavier Naidoo mit der inoffiziellen WM-Hymne 2006 (»Dieser Weg«) bereits eine leise Vorahnung davon gehabt:
»Dieser Weg wird kein leichter sein.
Dieser Weg wird steinig und schwer.
Nicht mit vielen wirst du dir einig sein,
doch dieses Leben bietet so viel mehr.«
Gerüchte um die Nationalelf
Doch was meinte Ballack-Berater Becker wirklich, als er von der »Schwulencombo« Nationalmannschaft sprach? Ein Versprecher? Haltloses Geschwätz? Oder doch Kalkül? Sollte hier etwa der Eindruck vermittelt werden: »Hört, ich weiß etwas – und wenn ich will, lasse ich die Bombe einfach platzen«? Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wollte sich anfangs nicht auf das Niveau Beckers begeben, forderte ihn aber trotzdem kurze Zeit später auf, seine Äußerungen zu konkretisieren. Bis heute haben weder Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff noch Bundestrainer Joachim Löw öffentlich ihr Team gegen Beckers Tiraden verteidigt, wabernde Gerüchte aus der Welt geräumt oder den Ballack-Berater juristisch belangt. Angesichts der medialen Diskussionen um Ballacks Zukunft in der Nationalelf waren die diversen Äußerungen oder Auslassungen möglicherweise auch taktisch bedingt. Löw hat sich im Dezember 2010 nach langem Hin und Her öffentlich zu seinem Nationalmannschaftskapitän Ballack bekannt. In einem Interview mit der »Welt am Sonntag« stellt er klar: »Er ist Kapitän, wenn er wieder dabei ist.« Vermutlich aber wusste Löw bereits zu diesem Zeitpunkt, dass er Ballack – außer vielleicht zu dessen Abschiedsspiel – nie mehr berufen wird. Die endgültige Bestätigung dafür reichte der Nationaltrainer im Juni 2011 dann auch offiziell nach.
Während sein Chef, DFB-Präsident Theo Zwanziger, mit gutem Beispiel vorangeht, für Offenheit und Toleranz wirbt, hüllt sich der Nationaltrainer bei einer Interviewanfrage zum Thema »Homosexualität im deutschen Fußball« nach einer intensiven und mehrwöchigen Abstimmungsphase mit Nationalelf-Pressesprecher Harald Stenger lieber in Schweigen und eröffnet damit vielfältige Interpretationsspielräume. Die Chance, deutlich und ausführlich Stellung zu beziehen, hat er ebenso vertan, wie sich schützend gegen die Beckers dieser Welt vor seine Mannschaft zu stellen. Da verwundert es auch kaum, dass Interviewan-fragen an mehrere Nationalspieler unbeantwortet bleiben. Unsicherheit? Pein? Angst? Fest steht: Es wird gemauert und geblockt, als habe Italiens Abwehr der 1970er dem altehrwürdigen Catenaccio zur Renaissance verholfen. Die Nationalmannschaft als geschlossene Gesellschaft. Ein Männerbund. Vielleicht sogar Familie?
Genau so nämlich formuliert es Bierhoff Ende März 2011 in einem Interview mit »Bild«. Fünf Tage nach Ausstrahlung des »Tatort«-Krimis »Mord in der ersten Liga« beklagt der Nationalelf-Manager, dass die Prominenz der Nationalelf missbraucht werde, um irgendein Thema zu entwickeln oder einen Scherz zu machen. »Das sehe ich immer auch als einen Angriff auf meine Familie – die Familie der Nationalmannschaft.« Hintergrund war eine Szene, in der Bundesliga-Profi Ben Nennbrock (gespielt von Luk Pfaff) gegenüber Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) munter drauflos plappert: »Wissen Sie, die halbe Nationalmannschaft ist angeblich schwul, einschließlich Trainerstab. Das ist doch schon so eine Art Volkssport, das zu verbreiten.«
Da es sich bei Löws Elf bekanntermaßen um ein Nationalheiligtum handelt, war – entgegen jeder PR-Logik und der Tatsache, dass Zwanziger ursprünglich mit seiner Idee selbst überhaupt erst den Anstoß zu diesem »Tatort« gab – mit einer gewissen Empörung fast zu rechnen. Unabhängig davon, dass es diesen »Volkssport« seit einigen Jahren tatsächlich gibt. Aber anstatt den »Tatort« als das anzusehen, was er eigentlich ist, nämlich eine fiktive und frei erfundene Kriminalgeschichte mit teils abstrusen Dialogen, sah sich Bierhoff – wie schon im Fall Becker – zu einer Übersprunghandlung animiert. Die Freude an der Arbeit werde der Nationalelf genommen, »wenn wir uns gegen haltlose Gerüchte wehren müssen«. Bierhoff bierernst weiter: »Wir werden jetzt grundsätzlich bei der Nationalelf überlegen, wie wir mit solchen Dingen umgehen. Dass wir nicht wehrlos sind gegen Gerüchte und falsche Unterstellungen aller Art.«
Es ist kaum nachzuvollziehen, wieso Bierhoff in diesem Fall derart dünnhäutig reagiert, während die im »Tatort« ebenfalls thematisierte Hooligan-Problematik von ihm einfach ignoriert wird. Die Wortwahl des Managers offenbart zudem einen wenig intelligenten Umgang mit dem Thema. Wer von Angriffen, Gerüchten und falschen Unterstellungen spricht, suggeriert, dass er Homosexualität nach wie vor als etwas Anrüchiges, etwas Verbotenes ansieht. Wer zudem mit dem auch bei der italienischen Mafia gern verwendeten Begriff »Familie« hausieren geht, muss sich nicht wundern, wenn ihm von der Community – nicht ganz frei von Sarkasmus – vorgehalten wird, dass zu einer ordentlichen Familie, bitteschön, auch Schwestern gehören. Die wichtigste Aussage kam dem Teammanager leider nicht in den Sinn: Dass es für ihn nämlich kein Problem wäre, wenn es in der Nationalmannschaft tatsächlich homosexuelle Spieler gäbe. Eine verpasste Chance. Wieder einmal.
Mario Gomez trikotlos – doch ein nackter Oberkörper macht noch keinen Homosexuellen.
Kollege Löw will ihm da natürlich nicht nachstehen. In einem Interview mit der »Welt« Ende April 2011 ließ er die implizierte Unterstellung, schwul zu sein sei ein Makel, einfach unkommentiert. Das groteske Frage-Antwort-Spiel mit Dagmar von Taube, Reporterin beim Springer-Verlag, gipfelt im Versuch, Gerüchte über Löws Privatleben ein für allemal aus der Welt zu schaffen. Frage: »Wie auch immer, ich sag’s jetzt einfach mal: Sie selbst, Herr Löw, wurden auch schon mal auf die homosexuelle Hälfte gedrängt, weil Sie sich gut anziehen. Was sagen Sie dazu?« Antwort Löw: »Ich habe das auch schon gehört. Was soll ich dazu sagen? Es ist wie mit dem Toupet. Auch das stimmt nicht. Fragen Sie gern meine Frau.« Machen wir gerne, bei nächster Gelegenheit.
Niemand erwartet von schwulen Profis ernsthaft, dass sie sich »aufopfern« und ein Outing riskieren. Aber ist es wirklich zu viel verlangt, dass prominente Fußballer und Funktionäre mit klaren Worten das Thema Homosexualität im Fußball endlich aus der Schmuddelecke heraus holen? Werden hochbezahlte und von Nachwuchskickern angehimmelte Profis ihrer Vorbildfunktion überhaupt gerecht, wenn sie nicht einmal den Mut haben, sich öffentlich gegen alltägliche Diskriminierungen auszusprechen? Es scheint, als ob sich der Fußballzirkus immer noch mit Händen und Füßen gegen ein Thema wehrt, das dort offenbar nicht hingehört.
Wieso ausgerechnet der Profi-Fußball?
Wieso sich ausgerechnet im Profi-Fußball, anders als in der Kultur, im Showgeschäft oder in der Politik, Männer so schwer mit ihrem Outing tun, liegt auf der Hand: Kein Profi wollte bislang – neben der Angst vor Anfeindungen und wirtschaftlichen Nachteilen – eine gewachsene, anachronistische Männerwelt zum Einsturz bringen. Noch. Denn das feindselige Klima in der Gesellschaft gegenüber Schwulen ist längst einer dem Fußball manchmal noch fremden Toleranz gewichen. Immerhin sind laut einer Emnid-Umfrage für das Nachrichtenmagazin »Focus« im September 2010 bereits 63 Prozent der Deutschen der Auffassung, ein öffentliches Outing im Fußball schade nicht, in England brachte eine Umfrage mit der gleichen Fragestellung im Jahr 2000 sogar den beachtlichen Wert von 93 Prozent. Bereits 2004 hat Nationalspieler Arne Friedrich vermutet: »Es gibt immer mehr Menschen, die schwul sind. Ganz sicher auch Spieler der Fußball-Bundesliga.« Und sein Nationalmannschaftskollege