Mnais und Ginevra
Von Heinrich Mann
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Buchvorschau
Mnais und Ginevra - Heinrich Mann
Inhaltsverzeichnis
Mnais
Ginevra degli Amieri
I.
II.
III.
Mnais
Soll ich herabsteigen? Würdest du sehr erschrecken, wenn ich’s täte? Ja, horch, ich bin’s, zu der du im geheimen betest, wenn wie jetzt der Mond um mein Gebüsch herflimmert. Du meinst, ich wüßte nicht um dich, armer Knabe, und nennst mich deine tote Nymphe. Ich bin keine Göttin und nicht tot, Mnais bin ich, eine Sikulerin, seit langer, schlimmlanger Zeit in Marmor gefesselt, einst aber meiner süßen Glieder froh und der Sonne, die Goldreifen um sie bog, und des Quells, der sie kühl und hart machte, und des Schattens, der die ausgestreckten mit den Abbildern kleiner Blätter sprenkelte. Hirtin war ich; und am Grunde des Tales, unter Farnen saß ich, und meine Hand drückte die Euter des geduldigen Mutterschafes in den irdenen Krug aus. Nun ward es Abend; klagend riefen die Hirten von den Kuppen der Berge einander zu; und ich trieb, den Milchkrug hoch auf meinen blonden Flechten, die Herde heim. Sie umdrängten meine Füße; die Leiber der alten schaukelten wollig; die jungen erhoben blökend ihre hellen Mäuler zu mir; und ich war mitten in einem Getrippel wie von vielen Regentropfen, und in einem warmen, befreundeten Duft. Den Wanderern bot ich einen Trunk aus meinem Kruge. Der gab mir eine Münze dafür und jener ein Stück Maiskuchen. Ein Hirte aber, Krupas, der nach Böcken riecht und dem ihr Fell um die Knöchel zottelt, griff in mein Gewand. Ich riß mich los, wie schon oft, und sprang über den Steg. Warum aber schüttelte diesmal mich Zorn? Ich reckte über meine Herde hinweg, denn sie versperrte ihm den Weg, die Hände nach dem Begehrlichen und rief ihm Schmähungen zu. Er lachte, und gekränkt drehte ich ihm den Rücken. Am Rande des Olivenfeldes aber hielt ich den Fuß an und bedachte, daß der Krug, mein schöner, rotgebrannter, mit der fliegenden Nike, mir vom Kopf gestürzt und zerbrochen war. Hin fiel ich da und schrie Wehe und verwünschte, die Arme zum Himmel erhoben, den Verderber. Ach! nicht hat ihn, wie ich’s erflehte, der Blitz hingestreckt, und sicher war er von einer neidischen Gottheit abgesandt — denn mit dem Zerbrechen des Kruges begann die Strafe meines harten Geschickes.
Zwischen den sanften Ölbäumen stürzte ich die Erdstufen hinan und klagte es den guten Gottheiten der Bäume, wieviel ich verloren habe. Auch meinen Schafen jammerte ich’s vor. Der Krug, den der Vater aus Syrakus mitbrachte! Die Mutter wird mich schlagen, sie wird mich verfluchen! Da trat aus ihrer Hütte, unter dem weißen, unbekannten Baum hervor, Rhus, die Hexe, und rief:
„Ei, hole dir einen neuen beim Timander!"
Schreiend floh ich; naht ihr doch niemand ohne Bangen; kein Bursche der Gegend, mag sie immerhin eine schöne Frau