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Annapurna: Der Weg ist das Ziel
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Annapurna: Der Weg ist das Ziel
eBook299 Seiten3 Stunden

Annapurna: Der Weg ist das Ziel

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Über dieses E-Book

Die Umrundung der Annapurna-Gebirgskette ist eine der schönsten und abwechslungsreichsten Trekkingtouren der Welt. Uralte Kulturen, eingebettet in eine einzigartige Landschaft, werden umrahmt von einigen der gewaltigsten Berge der Erde. Diese Region des Himalaya hinterlässt tiefe Eindrücke; daher ist der Annapurna-Trek auch eine der meist begangenen Trekkingtouren in Nepal.

Am 14. Oktober 2014 zieht ein Ausläufer des tropischen Zyklons Hudhud über den höchsten Punkt der Tour, dem Tohrong-La-Pass auf 5416 Metern. Mehr als 300 Menschen werden unter widrigsten Bedingungen gerettet. Dennoch verlieren 43 Menschen ihr Leben in der über sie hereinbrechenden Hölle aus Eis und Schnee.

Acht Tage später bricht der Autor zu seiner lang geplanten Reise auf, um genau dorthin zu wandern. In den folgenden Wochen erlebt er den Trek so, wie er früher einmal gewesen sein muss. Die Wege und die Lodges sind oft wie leergefegt. Die Schatten des Unglücks vor Augen, wird es dennoch eine Reise mit prägenden Eindrücken.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum30. Okt. 2019
ISBN9783947944880
Annapurna: Der Weg ist das Ziel
Autor

Alexander Frangel

Alexander Frangel, von Jugend an von der Natur und den Bergen fasziniert, begibt sich in seinem Erstlingswerk nach Nepal, um den Leser auf seiner Reise um die Annapurna-Gebirgskette mitzunehmen.

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    Buchvorschau

    Annapurna - Alexander Frangel

    2014

    Tag 1 – 22. Oktober 2014

    Die Reise beginnt ... dank des Streiks der Lufthansa-Piloten einen Tag später als geplant.

    Der Abschied von Eva war schlimm, ich habe noch nie einen Moment mit solch gemischten Gefühlen erlebt. Ich freue mich so unheimlich auf die Reise und das, was auf mich zukommt. Aber zu wissen, dass ich meine Familie die nächsten dreieinhalb Wochen nicht mehr sehen werde, schmerzt unglaublich! Als ich Eva zum gefühlt hundertsten Mal nachwinke, habe ich nicht nur einen riesigen Kloß im Hals, sondern, als ich sie irgendwann wegen der Sicherheitskontrolle nicht mehr sehen kann, auch ein paar Tränen in den Augen.

    Als ich am Gate sitze und zusammen mit vielen Indern in ihren bunten Gewändern und Turbanen auf das Boarding warte, muss ich über die vergangenen Monate (eigentlich Jahre) nachdenken, in denen ich diese Reise geplant habe und was sich trotzdem vor ein paar Tagen doch noch alles verändert hat.

    Es war mir immer bewusst, dass die Annapurna-Umrundung nicht nur schön, sondern auch gefährlich sein kann. Man muss nur einen unbedachten Schritt machen, sich einfach nur den Fuß verstauchen oder krank werden. Die Gefahr, dass man die Höhe nicht verträgt und unter „AMS-Symptomen (Höhenkrankheit) leiden kann, ist trotz bester Vorbereitung nie auszuschließen, aber woran man natürlich nicht denkt (oder denken will), ist der Tod. Wie ich schon geschrieben habe, kommt es auf dieser Route immer wieder zu Todesfällen aufgrund der Höhe, durch Abstürze oder Abgänge von Geröll- und Schneelawinen. Aber man verdrängt das natürlich und denkt: „Nein, mir passiert das nicht.

    Und so kommt es, dass einem manchmal das persönliche Glück durch das schlimme Schicksal anderer vor Augen geführt wird.

    Eine Woche bevor ich losfliegen wollte, saß ich an einem sonnigen Herbsttag zu Hause im Garten, sah meiner Tochter beim Spielen zu und erklärte meiner Mutter, die doch etwas Angst um ihren Sohn hatte, die ganze Reise sei ja eigentlich harmlos und es könne nichts passieren. Da wusste ich noch nicht, dass genau zur gleichen Zeit unzählige Menschen im Gebiet des Thorong-La-Passes verzweifelt um ihr Leben kämpften.

    Am 14. Oktober 2014 zog der tropische Zyklon Hudhud, der sich Tage zuvor über dem Indischen Ozean gebildet hatte und auf dem Weg nach Nepal schon in Indien unglaubliche Zerstörung hinterließ, als Schneesturm über die Annapurna-Kette. Dort löste er vor allem am Thorong-La-Pass ein furchtbares Chaos aus: ungewöhnlich tiefe Temperaturen, unglaublich hohe Windgeschwindigkeiten und starke Schneestürme mit einer riesigen Menge Neuschnee, in dem 43 Menschen, sowohl Einheimische als auch Trekker, den Tod fanden.

    Noch Tage später wurde in den Medien über das Unglück und die sehr schwierigen Rettungsbemühungen berichtet. Durch meine Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr bin ich schon oft mit dem Tod in Berührung gekommen, aber es ist doch ein anderes, seltsames Gefühl, sehenden Auges genau dorthin zu wollen, wo gerade nach den vielen Opfern gesucht wurde, deren genaue Zahl man lange nicht festlegen konnte, weil das örtliche Strom- und Kommunikationsnetz zusammengebrochen war und noch viele als vermisst galten.

    Von meinem Guide Bishnu wusste ich, dass er zu dieser Zeit auch am Pass gewesen sein musste, und natürlich dauerte es ein paar Tage, bis ich Gewissheit hatte, dass er zum Glück den Pass mit seiner Gruppe kurz vor dem Unglück bereits überschritten hatte.

    Nun beginnt das Boarding. Da ich als Angestellter der Lufthansa Stand-by fliege und durch den Streik der Piloten in den letzten Tagen viele Passagiere ihren Flug nicht antreten konnten, weiß ich noch nicht, ob ich überhaupt mitfliegen kann. Erst als die letzten Passagiere einsteigen, winkt mich eine der netten Damen am Schalter zu sich, um mir zu sagen, dass ich nun auch an Bord gehen kann.

    Jetzt fällt erst einmal eine riesige Last von mir ab, denn wenn das Ganze noch einen Tag zusätzlich verzögert worden wäre, hätte ich fast kein Zeitpolster mehr gehabt, um in Nepal mal ein paar Tage mit schlechtem Wetter auszusitzen.

    Nachdem ich Platz genommen habe und mein (etwas zu großes) Handgepäck verstaut ist, wechsele ich noch ein paar Worte mit meinem indischen Sitznachbarn (es werden auch die einzigen während des ganzen Fluges sein). Als die 747 vom Terminal zur Startbahn rollt, sehe ich zum Fenster hinaus und denke nochmal etwas wehmütig an meine Familie, die ich jetzt für dreieinhalb Wochen zurücklasse.

    Der Flug ist dank des Inflight Entertainment nicht langweilig. Als es zu dämmern beginnt, sehe ich lange der untergehenden Sonne nach, die den Himmel in wunderschöne rot, gelb und blaue Nuancen färbt. Langsam verschwindet auch der Kloß, den ich seit der Verabschiedung von Eva im Hals hatte, und ich freue mich auf das, was vor mir liegt.

    Tag 2 – 23. Oktober 2014

    Wir fliegen nun schon sehr lange im Dunkeln und nach ein paar Gläsern Rotwein habe ich sogar ein bisschen schlafen können. Als wir langsam zum Endanflug auf Neu-Delhi ansetzen, sieht man die Straßen, die beleuchteten Spinnfäden gleich zu kleinen Städten führen, und ich muss wie immer beim Fliegen an die Menschen denken, die dort unten leben und was sie wohl in diesem Moment tun. Langsam kann man vor uns eine Stadt erahnen, denn der Smog, der durch die vielen Lichter am Boden erhellt wird, ist wie eine ockergelbe Käseglocke illuminiert. Als wir hinein fliegen, riecht es auf einmal ein bisschen nach Schwefel, so wie früher, als wir an Fastnacht mit den Spielzeugrevolvern Zündhütchen verballert haben.

    Im Flughafen selbst ist alles in gelb, orange und braun gehalten, sogar die Teppiche. Man hat ein bisschen das Gefühl, in die 1970er- oder 1980er-Jahre zurückversetzt zu sein, da waren diese Farben ja auch mal bei uns modern.

    Es geht vorbei an einer Armada von Wärmebildkameras. Mit ihnen sollen wohl Leute mit einer Influenza oder aktuell Ebola aus der Menge herausgefiltert werden. Ich beeile mich nicht und sehe mir alles interessiert an, da ich ja immerhin noch mehr als fünf Stunden bis zu meinem Anschlussflug überbrücken muss. Trotzdem dauert es nur eine halbe Stunde, bis ich mein Gepäck habe und durch die Kontrolle bin. Jetzt heißt es Zeit schinden und so erkunde ich den Abflugbereich, fahre Runden mit meinem Gepäckwagen und entdecke vor einem Schalter ein schönes Mandala, das „Happy Diwali" wünscht. Diwali ist ein sehr bedeutendes, mehrtägiges hinduistisches Fest, auch Lichterfest genannt, und entspricht von seiner Wichtigkeit her unserem Weihnachten. An dieser Stelle sollte ich auch etwas zum Hinduismus sagen, denn von hier ab wird er mir täglich begegnen.

    Beginn der Abenddämmerung, irgendwo über dem Schwarzen Meer

    Der Hinduismus ist für mich die Religion der unzähligen Götter. So wie ich wissen wahrscheinlich die meisten Europäer wenig bis nichts über die drittgrößte Religion der Erde. Je mehr ich mich im Vorfeld mit dem Hinduismus beschäftigt habe, desto komplexer wurde der Eindruck. Das kommt wahrscheinlich davon, weil diese uralte Religion nicht mit der unsrigen vergleichbar ist. Wie ein Fluss hat der Hinduismus im Laufe der Zeit unterschiedliche Strömungen in Bezug auf die verehrten Gottheiten, Wesen, deren Namen, Inkarnationen und Glaubensrichtungen entwickelt. Tiefgehende Versuche von mir, hier den Hinduismus in seiner Komplexität zu erklären, wären ehrlich gesagt vermessen. Deswegen will ich es bei ein paar Grundfakten belassen. Der wichtigste Gott ist Brahma, der Schöpfer, er ist aber nicht als Gott, wie wir ihn definieren, zu verstehen, sondern eine (weder weibliche noch männliche) göttliche Kraft ohne bestimmte Gestalt. Er ist in allem, und er ist der, der alles lebendig macht. Dann gibt es zum Beispiel Vishnu, den Erhalter, und die wohl auch bei uns mehr oder weniger bekannte Shiva als Zerstörerin oder auch den elefantenköpfigen Ganesha, der für Glück und Weisheit steht. Annapurna bedeutet „die an Nahrung Reiche", sie ist die namensgebende weibliche Gottheit der Annapurna-Gebirgskette. Kühe sind für Hindus übrigens heilig, in Indien nennt man sie Aghnya, die Unantastbaren. Sie haben immer und überall absolute Narrenfreiheit.

    Es gibt keine primäre Heilige Schrift, jede Glaubensrichtung hat ihre eigenen heiligen Schriften, die Veden. Allen Hindus gleich ist aber der Glaube an die Reinkarnation, dem ewigen Wandern der unsterblichen Seele im Kreislauf aus Geburt, Tod und Wiedergeburt, Samsara genannt. Als was man aber wiedergeboren wird, hängt von den guten oder schlechten Taten im vorherigen Leben ab. Entscheidend für das weitere Schicksal ist daher, ob man entsprechend gutes oder schlechtes Karma im Leben angesammelt hat! Hat man durch Einhaltung eines Verhaltenskodex, des sogenannten Dharma, gelebt, kann man durch Erlösung den Kreislauf verlassen, um zu einer Einheit (Moksha) mit Gott zu gelangen. Dies ist das höchste Ziel eines gläubigen Hindus. Es gibt zehn Lebensregeln, die einem dabei helfen sollen diesen Weg zu beschreiten. Diese sind vom Wortlaut zwar etwas anders als unsere kirchlich überlieferten Gebote, aber vom Sinn her sind sich manche doch erstaunlich gleich! Man soll sich reinhalten, zufrieden sein, freundlich und geduldig sein, sich bilden, sich ganz nach den Göttern richten, nicht zerstören und verletzen, nicht lügen, nicht stehlen, andere nicht beneiden und nicht unbeherrscht und gierig sein.

    Bis zum Einchecken sind es noch zwei Stunden. Da ich meinen Büchervorrat (wegen des limitierten Platzes und des Gewichts sind es nur zwei Bücher) nicht zu früh lesen möchte, schlafe ich ein bisschen mit dem Oberkörper auf einem rutschigen Plastiksitz, die Beine flechte ich durch die Rucksackgurte, nicht dass mir das Gepäck gestohlen wird. Leider ist das Ganze nicht so recht bequem, und nach einer Stunde sind meine Beine das einzige, was wirklich eingeschlafen ist. So drehe ich wieder meine Runden und unterhalte mich zwischendurch mit einer älteren Dame aus Österreich, die auch nach Nepal will.

    Als der Schalter von Jet Airways endlich öffnet, bin ich natürlich der Erste zum Check-in. Zum Glück auch hier ohne Probleme. Danach geht es durch die Kontrolle, und ab hier bis zum Flugzeug werde ich mindestens fünfmal gefragt wo ich hinwill, woher ich komme und muss immer wieder meine Tickets und den Reisepass vorzeigen. Als ich fast beim Gate bin, suche ich das stille Örtchen auf und ziehe mich erst einmal um, da ich bis jetzt noch in der Kluft unterwegs war, die man als Lufthansa-Mitarbeiter braucht, wenn man in der Business-Klasse Stand-by fliegen will. Hier benutzt man übrigens (was ich bis jetzt nur aus Autobahntoiletten in Frankreich kannte) eine Hocktoilette. Wer das nicht kennt, kann es sich ungefähr so vorstellen: ein quadratisches Porzellanfeld im Boden mit zwei geriffelten Bereichen für die Füße, dazwischen ein Loch, über das man in die Hocke gehen muss …

    Indira Gandhi International Airport

    Zurück am Gate, versuche ich die restliche Zeit bis zum Boarding schlafend zu verbringen. Zum Glück ist hier alles mit Teppichboden ausgelegt, aber auch hier ist nur ein leichtes Dösen möglich. Als es nur noch eine Stunde bis zum Boarding ist, suche ich mir einen Platz, von dem man eine gute Aussicht auf die Flugzeuge hat, und schreibe ein bisschen in meinem Reisetagebuch. Die meisten Fluggäste sind aus Indien und Nepal; es gibt kaum westliche Ausländer. Es ist wahrscheinlich keine übliche Route, um von Europa aus nach Nepal zu kommen. Die 737 mit der wir fliegen, hat wohl schon ein paar Meilen drauf, macht aber einen guten Eindruck. Sie ist, was mich überrascht, sogar schon mit Inflight Entertainment ausgerüstet, was ganz lustig ist, wenn man sich die indischen Inhalte ansieht. Nachdem wir abgehoben haben, durchstoßen wir nach kurzer Zeit die Smogschicht. Der Himmel ist wieder blau und die Luft in der Kabine fängt an wieder normal zu riechen. Ich muss kurz an eine Meldung in den Luftfahrtnachrichten denken, in der es hieß, dass vor drei Monaten der Pilot und der Copilot einer Maschine dieser Airline auf dem Weg von Mumbai nach Brüssel eingeschlafen sind und das Flugzeug daraufhin mehr als 1500 Meter abgesackt ist (was ich wohlweislich niemandem zu Hause erzählt habe). Da ich mir das Ganze selbst ausgesucht habe und es jetzt sowieso zu spät ist, lehne ich mich zurück und freue mich einfach auf das, was vor mir liegt.

    Nach einer Stunde Flug tauchen die ersten Ausläufer des Himalaya vor uns aus dem Dunst auf. Als wir näher kommen, merkt man, dass diese schneebedeckten Berggipfel trotz der Entfernung sehr viel höher sind als alle anderen Berge, die man normal vom Flugzeug aus zu sehen bekommt.

    Bei der Landung in Kathmandu ist der Himmel stahlblau. Der Boden aber ist nass, also muss es vor Kurzem geregnet haben, und in der Tat, als wir aussteigen, empfängt uns eine unglaublich schwüle Hitze, die nach Abgasen riecht. Das Flughafengebäude sieht sehr alt aus und ist aus rotem Backstein und Holz gebaut. Überall wachsen große Tagetes-Büsche mit orange und gelb leuchtenden Blüten. Im Keller des Flughafenterminals sind die Gepäckbänder. Hier ist alles so alt, dass man meinen könnte, in die 1950er-Jahre zurückversetzt worden zu sein. Aber alle Räume sind mit schönen Girlanden aus Tagetes-Blüten geschmückt.

    Nachdem ich mein Gepäck habe, suche ich die einzige offene Wechselstube im Flughafen auf, um meine Euro in Nepalesische Rupien umzutauschen. Seltsamerweise kommt der gute Mann hinter dem Tresen auf eine ganz andere Summe als ich, also lege ich ihm die Euro-Scheine in Hunderter-Häufchen hin und wir zählen gemeinsam. Er kommt immer noch auf eine andere Summe als ich, also nochmal, irgendwann merke ich, dass ihn das Ganze etwas überfordert und denke: „Toll, der einzige Geldwechsler in Nepal, der Schwierigkeiten mit dem Zählen hat und ausgerechnet den erwische ich." Wir kommen, nachdem ich ihm zweimal alles vorgerechnet habe, auf die ungefähr richtige Wechselsumme (der Wechselkurs schwankt in Nepal täglich) und so habe ich einen riesigen Haufen Tausend-Rupien-Scheine in der Hand, die gleich in meinem Geldgürtel verschwinden. Da man in den Bergen nicht einfach mal so an einem Automaten Geld bekommen kann, habe ich noch zur Sicherheit ein paar Notgroschen in Euro und Dollar mitgenommen, die aber in einem Versteck tief in meinem Rucksack schlummern.

    Als ich aus dem Terminal herauskomme, steht auch schon ein älterer Herr mit einem Schild, auf dem „Mr. Frangel" steht, bereit und freut sich, mich gefunden zu haben. Er kommt von meinem Hotel, denn ich hatte bei der Buchung darum gebeten mich abzuholen, um mir die berüchtigte Werberei der vielen Taxifahrer zu ersparen, die hier am Flughafen um die Gunst der Kundschaft buhlen.

    Mein Gepäck kommt auf die Pritsche und ich auf die Rücksitzbank, dann geht es los Richtung Thamel, dem Stadtteil von Kathmandu, in dem die meisten Touristen und Hotels zu finden sind. Die Straße ist teilweise in einem so desolaten Zustand, dass man bei uns eher schlechter Feldweg dazu sagen würde, aber man sollte nicht unseren Maßstab anlegen, denn man ist als Gast in diesem Land unterwegs, daher will ich mich hier immer an folgendes Sprichwort halten: „Nepal soll dich verändern, nicht du Nepal!"

    Wir fahren also immer weiter und kommen an unzähligen brennenden Müllhäufchen vorbei. Es sieht fast so aus, als würde der Unrat, der überall zu finden ist, einfach zusammengekehrt und dann vor Ort verbrannt. Zusammen mit den Abgasen der unzähligen Autos, Lastwagen, Roller und Motorräder (die alle bestimmt weder einen Katalysator haben noch durch irgendeine Art von TÜV überprüft werden) ergibt das Ganze ein Luftgemisch, das nicht gesund sein kann und auch wirklich übel riecht! Insgesamt ist das hier eigentlich ein großes Chaos, das trotzdem irgendwie funktioniert. Das Zweitwichtigste an jedem Fahrzeug (nach dem Motor) scheint die Hupe zu sein, es wird bei jeder sich bietenden Gelegenheit gehupt, die Bremse hingegen wird nur halb so oft benutzt.

    Straße nach Thamel, in Nepal herrscht Linksverkehr

    Irgendwann halten wir in einer Gasse vor einem mehrstöckigen Haus mit einem schmutzigen Schild auf dem „Down Under steht. Seltsam, mein Hotel hieß doch anders! Das Schild meines Hotels „Hotel Impala Garden entdecke ich erst auf den zweiten Blick ein paar Meter oberhalb. Na ja, denke ich, so berauschend sieht es nicht aus, aber ich wollte es ja so! Kein unnötiger Luxus in diesem Urlaub.

    Ich checke ein und bekomme ein Zimmer im dritten Obergeschoss. Als ich hochgehe, sehe ich mir aus Gewohnheit die Treppe an und ob es im Fall eines Brandes Fluchtwege gibt. Was soll ich sagen? Ich hoffe und vertraue einfach mal darauf, dass es wenigstens heute nicht brennen möge.

    Mein Zimmer ist klein, aber gemütlich, und zum Glück mit zwei Betten ausgestattet. Durch das Fenster hat man einen genialen Blick über Kathmandu. Zuerst räume ich meinen Koffer aus und breite alles auf dem zweiten Bett aus. Während des Treks lasse ich alles im Hotel zurück, was ich nicht brauche wie zum Beispiel mein Business-Outfit und ein paar andere Sachen, die ich nur für die Hin- und Rückreise benötige. Nachdem mein großer Rucksack und der kleine Rucksack für Bishnu gepackt sind, stelle ich noch die Uhr auf die nepalesische Ortszeit (fünf Stunden 45 Minuten vor der Zeit in Deutschland) um. Da mich Neugier und Durst plagen, mache ich mich auf zu einer ersten Erkundungstour durch Thamel.

    Die Straßen und schmalen Gassen sind voller Leben. Hier trifft Backpacker-Café-Kultur auf die nepalesische Kultur. Die meisten Touristen sind wie ich von Kopf bis Fuß mit Hightech-Klamotten ausgestattet, andere wiederum sehen aus wie Hippies aus den 1970er-Jahren. Dazwischen drängeln sich Rikschas und die ständig hupenden Autos und Mopeds. Für die Nase ist der Mix aus Essensgeruch, Abgasen, Räucherstäbchen und dem einen oder anderen Joint eine echte Reizüberflutung. Die Outdoor-Geschäfte reihen sich hier aneinander und haben ein unglaubliches Sortiment an Fake-Artikeln aller namhafter Hersteller im Angebot. Ich glaube es gibt hier mehr Fälschungen als die Firmen in ihren originalen Sortimenten haben. Außer den vielen Hotels und Restaurants gibt es Andenken- und Postkartengeschäfte, Buchläden und dazwischen liegen immer wieder kleine Supermärkte und Massage-Studios. Das Ganze wird umrahmt von den teilweise sehr alten Häusern mit ihren kunstvoll handgeschnitzten Holzfassaden. Leider stehen dazwischen hässliche graue Betonbauten. In zwei bis drei Metern Höhe läuft beidseitig der Straßen und Gassen ein wilder Wust aus dicken und dünnen Kabelbündeln, der jedem Elektriker sicherlich die Haare zu Berge stehen lassen würde.

    Der Ausblick aus meinem Zimmer über Kathmandu

    Gesegnet und mit Blütenblättern bestreut – nun kann nichts mehr schiefgehen.

    Als ich durch eine schmale Seitengasse gehe, bleiben plötzlich alle stehen und sehen zwei Mädchen zu, die einen Handkarren mit riesigen Musikboxen darauf vor ein Geschäft gestellt haben und zu einer unglaublich lauten Musik tanzen. Das muss wohl mit dem Diwali-Fest zu tun haben, denke ich, weil auch hier alle Häuser mit den gelben und orangenen Tagetes-Girlanden verziert sind. Die Mädchen tanzen super synchron und auf einmal gesellen sich zwei junge Männer dazu und tanzen mit ihnen. Die Szene sieht aus wie aus einem Bollywood-Film und ich

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