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Namaste, Annapurna!: Die große Runde - Trekking-Tagebuch
Namaste, Annapurna!: Die große Runde - Trekking-Tagebuch
Namaste, Annapurna!: Die große Runde - Trekking-Tagebuch
eBook343 Seiten4 Stunden

Namaste, Annapurna!: Die große Runde - Trekking-Tagebuch

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Über dieses E-Book

Nepal macht süchtig. Mit dieser Erfahrung nach zwei Reisen in das Königreich startet Gisela Blädel im März 2006 gemeinsam mit zwei Freundinnen zu ihrer dritten kommerziell geführten Trekkingtour in die Bergwelt des Himalaja. Die 17-tägige Umrundung des Annapurna-Massivs (inklusive Abstecher auf den Aussichtsberg Poon Hill) führt sie in eine grandiose Landschaft, unterschiedlichste Vegetationszonen, durch Dörfer, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint – und manchmal fast an ihre körperlichen Grenzen. Unerwartete Schneefälle auf dem Weg zum Thorong-La-Pass (mit 5416 m höchster Punkt der Reise), Höhenkrankheit, Maoisten oder die Eigenheiten der Unterkünfte sorgen für eine Prise Abenteuer. Auch die kulturelle Seite Nepals kommt mit drei Tagen Kathmandu nicht zu kurz.

Die ausführlichen, humorvollen Tagebucheintragungen der Autorin werden im Anhang durch eine Liste aller Reiseutensilien und ein paar Extra-Tipps ergänzt.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum24. Mai 2013
ISBN9783848280476
Namaste, Annapurna!: Die große Runde - Trekking-Tagebuch
Autor

Gisela Blädel

Gisela Blädel, 1952 in Bonn geboren, studierte Tiermedizin in Berlin und arbeitete bis zur Promotion als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität. Durch ihre Eltern wurden schon früh die Freude am Reisen und die Neugier auf fremde Völker, Kulturen, Flora und Fauna geweckt. Sie bereiste zahlreiche Länder, auf allen Kontinenten, immer offen für Abenteuer. Sie lebt mit ihrem Mann in Emden und hat eine Tochter.

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    Buchvorschau

    Namaste, Annapurna! - Gisela Blädel

    Gisela Blädel

    Namaste, Annapurna!

    Die große Runde

    Trekking-Tagebuch

    Books on Demand

    Inhalt

    Einleitung

    Kathmandu

    Kathmandu – Bhulbhule

    Bhulbhule – Jagat

    Jagat – Dharapani

    Dharapani – Chame

    Chame – Pisang

    Pisang – Manang

    Manang

    Manang – Yak Kharka

    Yak Kharka – Thorong Pedi

    Thorong Phedi – Thorong La – Muktinath

    Muktinath – Kagbeni

    Kagbeni – Tukuche

    Tukuche – Ghasa

    Ghasa – Tatopani

    Tatopani – Ghorapani

    Ghorapani – Poon Hill – Ghandrung

    Ghandrung – Birethanti – Pokhara

    Pokhara – Kathmandu

    Kathmandu

    Kathmandu

    Kathmandu – Frankfurt

    Doha/Qatar – Frankfurt

    Nachtrag

    Anhang: Liste meiner Reiseutensilien

    Tipps

    Quellennachweis

    Einleitung

    »N epal! Warum schon wieder Nepal? Und dann auch noch wieder so hoch?! Hat dir das letzte Mal noch nicht gereicht?« Solche Fragen bekam ich fast jedes Mal zu hören, wenn ich Freunden und Bekannten von meinen neuesten Reiseplänen erzählte. Natürlich war diese Reaktion nur zu verständlich, nach den Erfahrungen bei meiner letzten Reise vor drei Jahren zum Everest-Basislager.

    Als bergunerfahrene Flachländerin aus der nördlichen Hälfte Deutschlands war ich erst im fortgeschritteneren Alter dem Ruf der Berge gefolgt – der allerdings schon seit meiner Kindheit zu hören war, anfangs leise, in den letzten Jahren richtig laut. Auslöser für meine Himalaja-Passion war ein TV-Film über das Bergsteigerdrama 1996 am Mount Everest, bei dem zwölf Menschen ums Leben kamen. Die latente Sehnsucht nach jenem fernen Gebirge mit den höchsten Bergen der Welt und seinen gleichermaßen geheimnisvollen wie verlockenden Ländern und Königreichen wurde schlagartig zu einem akuten, übermächtigen Drang, dem ich einfach nachgeben musste.

    Die erste kurze »Schnupper«-Trekkingtour führte im Herbst 2001 nach Nepal, in Begleitung Schweizer Freundinnen, unter der Obhut des DAV Summit Club. Ziel: der 3210 Meter hohe Poon Hill im Annapurna-Gebiet. Land, Leute und überwältigende Natur eroberten mein Herz im Sturm. Die Höhe machte keine Probleme. Kurz: ich hatte Blut geleckt und wollte mehr.

    Zwei Jahre und zahllose mit Joggen und Kraftsport absolvierte Trainingsstunden später fühlte ich mich fit genug für das große Abenteuer Mt. Everest-Basecamp. Wieder mit dem DAV Summit Club, diesmal mit Freundin Angelika. Während sie auf dieser ihrer ersten Trekkingtour sehr gut mit den Strapazen, insbesondere der Höhe – das Maximum immerhin 5600 Meter auf dem Kala Pattar – zurecht kam, entwickelte sich meine Traumreise fast zu einer Alptraumreise. Seelisch und körperlich angeschlagen (Tod meiner Mutter, Hausauflösung u.a.) und gleich zu Beginn der dreiwöchigen Reise von einer starken, hartnäckigen Erkältung heimgesucht, zehrten die steigenden Höhenmeter dermaßen an meinen Kräften, dass ich auf halber Strecke nicht mehr weiter konnte. Zwei Tage Pause, während der meine elf Teamgefährten zwei Fünftausender bewältigten, halfen mir schließlich den Kala Pattar und vor allem mein Hauptziel, das Everest-Basecamp, zu erreichen. Aber wie! In Zeitlupe, unter Aufbietung der letzten Kraftreserven, mit Ach und Krach. Eine elende Schinderei, die meine ganze Willensstärke forderte, mich 5 Kilogramm Körpergewicht kostete und an meine absoluten physischen Grenzen brachte. Eine ganz neue Erfahrung, für deren Verarbeitung ich Wochen brauchte, die ich aber auf keinen Fall missen möchte – und jederzeit wieder versuchen würde.

    Glücklicherweise geraten die schlimmen Erlebnisse sehr schnell ins gnädige Dunkel der Vergessenheit, während die schönen Dinge noch lange nachleuchten. So ist es wohl auch zu erklären, warum ich nun, drei Jahre später, mit der Umrundung des Annapurna-Massivs eine neue körperliche Herausforderung suche. Es reizt mich geradezu, die höchste Stelle, den Thorong-La-Pass, anzugehen – mit 5416 Metern Höhe ebenso anspruchsvoll wie das Everest-Basislager – und aufs Neue meine Körperreaktionen dabei zu testen. Wird es wieder so entsetzlich anstrengend wie das letzte Mal? Werde ich wieder diese grenzenlose Erschöpfung fühlen, die sich keiner der Zuhausegebliebenen so richtig vorstellen kann? Das Fiasko am Everest hat mich zwar überrascht, ja sogar schockiert, aber gleichzeitig auch gestärkt, denn letztendlich war ich trotz allem doch erfolgreich.

    Ich habe gelernt, wie viel ich meinem Körper zumuten kann, zu welchen Leistungen ein starker Wille den Menschen, mich, befähigt und welche Fehler es zu vermeiden gilt (mehr essen, häufiger trinken!). Zudem sind die Voraussetzungen bei mir diesmal bedeutend günstiger, seelisch wie körperlich.

    Sicher, auch die Alpen bieten sich als Trekkingziel an, sind in technischer Hinsicht wahrscheinlich sogar schwieriger als unsere Routen in Nepal. Doch sie haben nicht diese Höhe. Gerade das macht aber den wesentlichen Reiz aus, diese prickelnde Ungewissheit »Schaffe ich`s oder schaffe ich es nicht?« mit dem Risikofaktor Höhenkrankheit. Und so lange ich mich fit und stark genug fühle, möchte ich mindestens so hoch wie bei der letzten Reise – am liebsten noch etwas höher. Ein typischer menschlicher Wesenszug? Angelika kommt dieses Mal wieder mit. Ihr geht es genauso wie mir, auch sie hat Nepal in seinen Bann gezogen: seine liebenswerten, aus den unterschiedlichsten Volksgruppen stammenden Menschen; die allgegenwärtigen Zeichen der buddhistischen und hinduistischen Kultur; die Möglichkeit gelebte Vergangenheit tagtäglich hautnah zu beobachten; die Hauptstadt Kathmandu – aufregend, von prallem Leben strotzend trotz ihrer altehrwürdigen Bauten, die aus einem Museum zu stammen scheinen – und dann, im Kontrast dazu, die fast heilige Stille der Bergwelt, diese grandiose, atemberaubende Landschaft. Ein traumhaftes Reiseland! Negative Seiten, wie Armut, archaische Lebensbedingungen, unsichere politische Verhältnisse durch die maoistischen Rebellen, lassen sich nicht übersehen, machen betroffen und zuweilen ein schlechtes Gewissen. Andererseits bringen wir Touristen Geld in das Land und Arbeit für viele Menschen. Das tröstet ein wenig.

    Da wir bisher nur das herbstliche Nepal mit seinen überwiegend klaren, aber relativ kurzen Tagen kennen gelernt hatten, wählten wir diesmal das Frühjahr als Reisezeit. Der März würde uns neben milderen Temperaturen hoffentlich auch schon die sagenhafte Rhododendronblüte bescheren, das ausschlaggebende Argument für unsere Entscheidung. Beim Vergleich der verschiedenen Reiseveranstalter passte letztendlich nur Hauser exkursionen mit seinen Trekkingtourenterminen in unseren Zeitplan, und so buchten wir aus dem Katalog die zweite Tour der Saison 2006:

    »ANNAPURNA – Umrundung – Hüttentrekking«,

    vom 09. bis 31.03. 2006

    Als meine Schweizer Freundin Beryl, bei der ersten Nepalreise schon dabei gewesen, davon hörte, entschloss sie sich spontan auch mitzukommen, konnte sogar noch zwei weitere Schweizerinnen ganz kurzfristig für die Teilnahme gewinnen.

    Ich erhöhte meine Trainingszeiten, befand aber vier Sporteinsätze pro Woche (zweimal 1 Stunde Joggen und zweimal Fitness-Studio) als ausreichend. Die sechstägigen Ausdauer- und Krafttrainingsaktivitäten jede Woche damals vor dem Everest-Abenteuer waren, so mein leiser Verdacht im Nachhinein, einfach zu viel gewesen, hatten mir wahrscheinlich mehr geschadet als genutzt. Das sollte mir nicht noch einmal passieren.

    Ende Februar fühlte ich mich fit genug, um es mit einem Fünftausender aufzunehmen. Von mir aus konnte es losgehen. Die Typhus-Impfung war längst erfolgt (die empfohlenen Impfungen gegen Hepatitis A, Tetanus und Polio hatte ich ohnehin schon im Zuge früherer Gesundheitsvorsorgen bekommen) und die diversen Reiseutensilien nebst funktioneller Trekkingkleidung lagen bereit, um in Reisetasche und Rucksack verstaut zu werden – alles genauestens abgewogen. 15 Kilogramm, mehr durfte das Hauptgepäck nicht wiegen. So viel war für den Inlandflug (von Pokhara nach Kathmandu) erlaubt und mehr wäre auch unseren Trägern nicht zuzumuten, die mit jeweils zwei Reisetaschen plus ihrem eigenen Gepäck mehr als genug zu schleppen haben würden.

    Etwa eine Woche vor unserem Abflug traf ein Schreiben von unserem Reiseveranstalter ein. Es ging um die aktuelle politische Lage in Nepal: der Waffenstillstand zwischen Regierung und Maoisten bestand nicht mehr, die Rebellen hatten militärische Aktionen angekündigt, die politische Opposition plante Massenproteste mit Demonstrationen. Uns Reiseteilnehmern wurde es in Anbetracht dieser kritischen Situation freigestellt von der Reise zurückzutreten. Was nun? Ich brauchte nur ein paar Minuten Bedenkzeit und ein kurzes Telefonat mit Angelika, dann stand es fest: wir fliegen nach Nepal! Zu lange hatten wir uns auf dieses Ziel gefreut, uns darauf vorbereitet und an dem passenden Termin herumgetüftelt. Ein eventuelles Zusammentreffen mit den Maoisten machte uns eher neugierig als dass es uns abschreckte. Auch bei den vorherigen Nepalbesuchen hatte immer die Gefahr einer Begegnung mit dieser militanten Gruppierung bestanden, es war aber nie dazu gekommen. Zudem hatten deren Anführer schon öfters über die Medien verlauten lassen, dass sie keineswegs dem Tourismus schaden wollten; im Gegenteil, Touristen seien für das Wohlergehen und die Zukunft des Landes wichtig und daher sehr willkommen. Der Bericht einer mir bekannten »heimgesuchten« Trekkerin unterstützte diese Äußerungen: die Männer, die sie morgens vor der Lodge erwartet hatten, trugen zwar Gewehre, begnügten sich aber mit der Forderung nach einem für unsere Verhältnisse lächerlich kleinen Obolus zur Unterstützung ihrer Sache und stellten dafür sogar noch eine Quittung aus.

    Beryl und ihre Bekannten hatten sich genauso entschieden wie wir. So stand also unserer Abreise nichts mehr im Weg.

    Donnerstag, 09.03.2006

    Um 14.35 Uhr soll unser Zug zum Frankfurter Flughafen gehen. Angelika und ich treffen uns eine Viertelstunde vorher auf dem Emder Bahnhof, beide mit Rucksack, knallroter Hauser-Reisetasche und Trekkingstiefeln unschwer als Reisende Marke »Abenteurer« einzuordnen. Kurz vor Ankunft des Zuges kommt unser lieber Freund Helmut angehetzt, mit gezückter Kamera, und macht erste Reisefotos von uns (oder letzte, man weiß ja nie…). Dann zaubert er aus den Tiefen seines Anoraks zwei Fläschchen Piccolo, Getränkeproviant für unterwegs. Angelika hat dieselbe Idee gehabt; in Frankfurt steigen wir nach etwa 5 Stunden Fahrt recht beschwingt aus unserem Waggon. Das Mini-Plastikauto aus dem zusätzlich spendierten Überraschungsei wird mir und einem kleinen Jungen in Nepal noch einen Moment der Freude bescheren …

    Der Computer am Schalter von Qatar Airways streikt. So haben wir beim Anstehen genug Muße unsere Mitreisenden genauer zu betrachten hinsichtlich ihrer Qualifikation als Trekkinggefährten. Wir sind die Einzigen mit roten Taschen. Enttäuschend! Eine ältere Frau mit weißen, schulterlangen Haaren, Trekkingstiefeln an den Füßen, aber ohne Gepäck, spricht uns an: »Macht ihr auch die Annapurna-Tour?« Annegret, so stellt sie sich vor, berichtet, dass einige unserer Gruppe schon im Warteraum sitzen. Das beruhigt!

    Die Sitzplätze der Hauser-Gruppe sind vom Reiseunternehmen bereits für uns reserviert, auch beim Anschlussflug von Doha nach Nepal; eine angenehme Überraschung. So sitzen wir an Bord alle zusammen, auf der linken Seite netterweise, was uns beim Anflug auf Kathmandu die Möglichkeit für einen ersten Blick auf die Bergkette des Himalaja geben wird. Laut Teilnehmerliste sind wir zwölf Personen, neun Frauen, drei Männer. Die Vier aus der Schweiz bzw. Österreich sollen in Qatar zu uns stoßen; die Übrigen sitzen wohl in den Reihen vor oder hinter uns. Scheinen, bis auf die Weißhaarige, etliche Jahre jünger zu sein als ich, oh, oh! Während des Fluges bekommen wir nach und nach einige Namen heraus und versuchen sie uns einzuprägen. Annegret, die rüstige Ältere, ist klar. Andrea, eine ganz Junge, Mädchenhafte, tauscht netterweise ihren Platz neben mir mit dem von Angelika, die es neben einen jungen Mann, den Ralf, verschlagen hat. Dann sind da noch Brigitte und ein Paar, Eva und Bernd, mit leicht hessischem Zungenschlag. Er trägt Glatze, sie eine üppige blonde Lockenpracht über sorgfältig geschminktem Gesicht.

    22.20 – 6.15 Uhr (Ortszeit) Flug Frankfurt – Doha/Qatar

    Freudige Begrüßung mit meiner Freundin Beryl in der Transit-Aufenthaltshalle. Wir lernen die beiden anderen Schweizerinnen kennen, Gaby und Cordula.

    9.00 – 16.00 Uhr (Ortszeit) Flug Doha – Kathmandu/ Nepal

    Freitag, 10.03.

    Kathmandu (1298 m)

    Der freudig gespannte Blick aus dem Bordfenster, kurz vor der Landung in Kathmandu, wird schwer enttäuscht: vom überwältigenden Panorama des Himalajagebirges ist nichts zu sehen, alles liegt unter einer schmutzig weißen Wolkendecke. Um 16.30 Uhr Ortszeit betreten wir nepalesischen Boden – bei Regen und nur 15 °C. So kenne ich Kathmandu noch gar nicht. Dennoch ist mir fast feierlich zumute: ich bin wieder in Nepal!

    Wir stellen unsere Uhren um 4 Stunden und 45 Minuten vor. Anders als bei den letzten zwei Malen haben wir uns noch kein Visum vor Reiseantritt besorgt. So müssen wir uns nun erst einmal am entsprechenden Schalter anstellen, um diesen wichtigen Stempel im Pass zu besorgen. Kostet 35 EURO bzw. US$ (beide Währungen werden akzeptiert). »Namaste!« (Betonung auf der letzten Silbe). Ich bin ganz begeistert, endlich wieder dieses sympathische Begrüßungswort anbringen zu können. Der Beamte hinter dem Schalter erwidert den Gruß weitaus emotionsloser.

    Auf dem überdachten Platz vor dem Flughafengebäude empfangen uns diensteifrige Träger und Männer mit Tafeln, auf denen Namen von Reiseunternehmen oder –zielen stehen. Angelika und ich folgen einfach den anderen signalroten Reisetaschen und ihren Besitzern vor uns durch das Gewühl. Ehe wir uns versehen, hat man uns die schweren Gepäckstücke abgenommen und zu einem Haufen identischer »Artgenossen« gestellt. »Hallo!« begrüßt uns freundlich grinsend ein junger, sportlich wirkender Einheimischer mit Käppi, Lederjacke und blauen Jeans. »Ihr macht die Annapurna-Reise mit Hauser?« Der spricht ja fließend Deutsch! »Ich bin Rustam. Namaste!« Das muss unser Reiseleiter sein, dessen Vorstellungsschreiben wir schon mit den Reiseunterlagen bekommen haben. Nachdem er unsere Namen mit denen auf seiner Liste verglichen hat, können wir zu dem Bus gehen, der uns zu unserem Hotel bringen wird.

    Wir verlassen das Flughafengelände. Ein junger Nepalese geht von Sitzplatz zu Sitzplatz und legt jedem von uns eine Girlande aus frischen gelben Tagetesblüten um den Hals. Mit »Namaste!«, leichtem Kopfnicken und kurz wie zum Gebet aneinander gelegten Händen bedanken wir uns für diese nette Willkommensgeste. »Passt auf, die färben!« warne ich die Reisegefährten und denke an meinen bekleckerten Pulli bei der ersten Nepalreise. Zwei Mitfahrer, die auch nach Trekking aussehen, aber nicht zu unserer Gruppe gehören, weisen die Bekränzung entschieden zurück. Wie unhöflich, taktlos und überheblich! Ich schäme mich fast für meine Landsleute. Der Nepalese lässt sich aber nichts anmerken: weiter freundlich lächelnd setzt er seine Begrüßung bei den übrigen Mitfahrern fort.

    Während der Fahrt durch die Stadt versuchen Angelika und ich Bekanntes rechts und links zu entdecken. Ziemlich unsinnig, denn wir fahren in eine ganz andere Richtung. Das »Hyatt Regency« liegt – ich habe meinen Stadtplan von Kathmandu dabei – ganz im Nordosten der Stadt, völlig entgegengesetzt zu unserer früheren Unterkunft in Patan, südwestlich von Kathmandu.

    Die Szenerie ist aber die gleiche: um unseren Bus tobt der Verkehr; die Geräuschkulisse ist unglaublich. Laut und unentwegt hupende Autos drängen sich neben Unmengen knatternder, trötender Mopeds auf mehreren Spuren durch die Straßen zwischen den Häuserfronten. Viele der mehrstöckigen Gebäude machen einen heruntergekommenen, zum Teil baufälligen Eindruck, der durch die vereinzelten Neubauten dazwischen noch verstärkt wird. An den Gehsteigen reiht sich ein Laden neben dem anderen, die Türen weit geöffnet. Waren aller Art quellen aus den dahinter liegenden dunklen Räumen hervor. Wir sehen Frauen in farbenprächtigen Saris, Bettler, europäisch gekleidete Männer, Einheimische in landestypischen Gewändern. Es herrscht fast dasselbe Gewühl wie auf der Straße.

    Irgendwann biegt unser Bus rechts ab. Der Verkehr lässt nach, es wird ruhiger. Wir kommen an einem mit unzähligen bunten Gebetsfahnen geschmückten weißen Kuppelbau vorbei. Stupa oder Tschörten (im Tibetischen) werden diese buddhistischen Sakralbauten genannt, die eine Architektur voller Symbolik besitzen und oft Reliquien von Heiligen enthalten. Neben uns, auf der anderen Gangseite, sinnieren Eva und Ralf, welches Wellnessprogramm sie gleich im Hotel ihren ermatteten Körpern zukommen lassen wollen. Als ich leichte Zweifel an den erträumten Möglichkeiten in unserer Unterkunft verlauten lasse, meint Eva überzeugt: »Das gibt`s in allen Hyatt Regency Hotels!« und klärt mich erst einmal auf, welcher Nobelherberge wir uns da gerade nähern. In der Tat, schon der Zugang zum Hotelgelände ist beeindruckend: zwei bewaffnete Uniformierte (Militärs?) betrachten kritisch unseren Bus, als wir an ihrem Kontrollhäuschen vorbeifahren. Kurz darauf taucht ein monumentaler, luxuriöser Prachtbau vor uns auf. Solchen Palast hätte ich hier, in einem der ärmsten Länder der Welt, nicht vermutet – und schon gar nicht, dass wir, als schlichte Trekkinggruppe, darin untergebracht würden (hätte mir mal die Reiseinformationen genauer durchlesen sollen…). Er liegt auf einer kleinen Anhöhe; bei gutem Wetter hat man sicher einen herrlichen Ausblick auf Kathmandu. Jetzt liegt alles ziemlich undeutlich, wie verwischt, hinter der grauen Regenwand.

    Während unser Gepäck aus dem Bus geladen wird, sitzen wir in der protzigen Empfangshalle, schlürfen aus langstieligen Gläsern ein von einem livrierten Bediensteten kredenztes fruchtig-alkoholisches Getränk und lauschen den Worten unseres Reiseleiters Rustam. Nach einigen allgemeinen Informationen zur Hotelunterbringung und zum Trekking schlägt er uns gleich eine Programmänderung vor: statt wie vorgesehen morgen Kathmandus Sehenswürdigkeiten zu erforschen sollen wir diesen Tag lieber ans Ende der Reise legen und dafür morgen schon mit der Trekkingtour starten. Ein für Sonntag geplanter Generalstreik (oppositionelle Parteien und Bevölkerung gegen Regierung) könnte nämlich unter Umständen unsere Busfahrt zum Ausgangspunkt der Wanderung behindern oder sogar in Frage stellen. Dem Vorschlag stimmen alle sofort zu. Eine kluge Entscheidung, wie sich später herausstellt. Es folgt die Ausgabe der Zimmerschlüssel – und das erste Gruppenfoto, mit mindestens zehn verschiedenen Kameras. Ein freundlicher Hotelangestellter übernimmt diese Aufgabe. Normalerweise gehört so etwas zum feierlichen Schlussakt einer Reise, aber da wir eine nicht gerade alltägliche Tour vorhaben, geschieht das eher als Vorsichtsmaßnahme (man weiß ja nie…, s.o.) und, noch interessanter, unter dem optischen Aspekt »vorher – nachher«…

    Einige von uns verabreden sich mit Rustam zu einem kleinen Einkaufsbummel in nahe gelegene Geschäfte, um ihren Proviant aufzustocken, insbesondere den Wasservorrat. Angelika und ich wollen uns die Flaschen mit Wasser hier im Hotel besorgen; wahrscheinlich teurer, aber bequemer. Nachdem wir unser Zimmer mit all seinen luxuriösen Überraschungen ausgiebig erforscht und bewundert haben, begeben wir uns zur Rezeption, um unseren Daheimgebliebenen ein Lebenszeichen zu faxen und Geld umzutauschen. In Deutschland bekommt man keine nepalesischen Rupies. Hier werden EUR, US$, Kreditkarten oder Reiseschecks genommen. 100 Rupies entsprechen etwa 1,20 €. Da wir unsere Mittagessen nebst etlichen Litern Wasser während des Trekkings selbst bezahlen müssen und auch Trinkgelder, Eintrittsgebühren für Museen bzw. Klöster und – nicht zu vergessen! – Souvenirs einzukalkulieren sind, tausche ich lieber etwas mehr Geld um als von Hauser vorgeschlagen. Denn wenn wir erst einmal unterwegs sind, weit ab vom Schuss, ist es nichts mehr mit Umtausch. Für meine 400 Euro erhalte ich ein Riesenbündel von Geldscheinen; Hartgeld gibt es hier so gut wie gar nicht. Einige der großen Scheine verstaue ich ganz klein zusammengefaltet im geheimen Reißverschlussfach meines Gürtels, für alle Fälle. Die 1695 Rupies, die wir später brauchen (1130 Rps. für Flughafensteuer bei der Ausreise plus 565 Rps. für Tourismus Service Steuer), deponieren Angelika und ich mit unseren restlichen Euro nebst Pässen in einem Hotelsafe.

    Die Rückkehr zu unserem Zimmer im ersten Stock nach dieser zeitraubenden Aktion entwickelt sich zur ersten großen Herausforderung der Reise. Weil ich den Aufzug ablehne (immerhin planen wir eine Hochgebirgstour!), begeben wir uns auf die Suche nach einer Treppe. Die finden wir auch irgendwann, allerdings am entgegengesetzten Ende des Hotels, hinter einer schweren Tür. Frohgemut steigen wir das dahinter liegende Treppenhaus hinauf bis zu unserem Stockwerk. Leider ist die Tür zum Flur dort abgeschlossen. Macht nichts! Dann versuchen wir es eben eine Etage höher. Auch hier ist die Tür nicht zu öffnen. Wir statten den übrigen Stockwerken einen Besuch ab, überall dasselbe: wir kommen nicht hinaus. Also treten wir den Rückzug an und steigen wieder hinab zu der Tür unten, durch wir anfangs gekommen sind, leicht irritiert, jedoch ohne Panik. Die schleicht sich aber leise an, als auch diese letzte Hoffnung allen Öffnungsversuchen widersteht. Wir sehen uns an: wird uns jemand hören, wenn wir um Hilfe rufen? Das scheint hier eine reine Fluchtweganlage zu sein, alles führt nur aus dem Hotel hinaus. Den Keller haben wir noch nicht versucht. »Da wird genau dasselbe sein.« Stimmt! Aber, wir können es kaum fassen, es gibt eine zweite Tür – und die führt nach draußen! Erleichtert und über unsere Blödheit kichernd suchen wir unseren Weg von diesem abgelegenen Hoteltrakt durch die Grünanlagen zurück zur Empfangshalle. Unser Trainingsprogramm für heute haben wir jedenfalls erfolgreich absolviert.

    Beim Abendessen sitzt unsere Gruppe inklusive Rustam auf mehrere Tische verteilt in dem großen Speisesaal und schwelgt in den angebotenen Köstlichkeiten des üppigen Buffets. Das Publikum an den Nachbartischen sieht weniger nach Trekking aus, eher nach Business oder »gemäßigtem« Tourismus. Ein paar buddhistische Mönche dazwischen ziehen mit ihren auffallend roten Gewändern die Blicke auf sich. Was die wohl in diesem Luxushotel machen?

    Aus dem Dunkel hinter den riesigen Fenstern grüßen flimmernde Lichter von Kathmandu zu uns hinauf. Und mittendrin, hell angestrahlt und aufregend nah, eine mächtige weiße Kuppel mit einem goldenen Turmaufbau: der Stupa von Bodnath, Nepals größte Kultstätte für tibetische Buddhisten. Den werden wir auf jeden Fall noch besuchen, das ist ein Muss! Ich freue mich schon jetzt darauf.

    Trotz ständiger Unruhe durch die häufigen Attacken auf das Buffet und der nachfolgenden genießerischen Konzentration auf den voll beladenen Teller kommen doch Gespräche mit den Tischnachbarn zustande. Ein gegenseitiges Beschnuppern. Fragen, woher man kommt, welche Erfahrungen man schon gemacht hat mit dieser Art von Reisen, warum gerade diese Tour? Das »Du« kommt wie selbstverständlich über die Lippen. Meine Freundin Beryl und ihre Jogging-Kameradinnen Gaby und Cordula sind allein schon durch ihre Schweizer Herkunft mit den Bergen vertraut; dasselbe gilt für Hans-Peter aus Österreich. Zu den »alten Hasen« gehören auch Ralf und besonders Annegret. Die beeindruckt uns allesamt mit ihren spannenden Berichten über frühere Bergtouren, zum Teil über 6000 Meter hoch, und der Bekenntnis, dass sie schon 67 Jahre alt ist. Nicht zu glauben! Der Altersunterschied in unserer Gruppe beträgt demnach etwa 40 Jahre; Brigitte (Ende zwanzig) und Andrea sind unsere Jüngsten. Bis auf Annegret, Beryl, Angelika, Hans-Peter und mich war von den anderen noch keiner vorher in Nepal bzw. auf solchen Höhen, wie wir sie jetzt vor uns haben. Bernd und Eva (die beiden sind kein Paar, sondern nur Kollegen aus dem Krankenhauspflegebereich, die sich hier aus rein praktischen Gründen ein Zimmer teilen) scheinen, zumindest von der medizinischen Ausrüstung her, bestens auf die Reise vorbereitet zu sein. Allein die Andeutungen über den Inhalt ihrer Medikamententasche (oder ist es ein Koffer?) sorgen für ein allgemeines Gefühl der Beruhigung und Sicherheit; es wurde an nahezu jede Krankheit oder Verletzungsmöglichkeit gedacht.

    Nach dem Essen sitzen wir noch eine kurze Zeit mit unserem Rustam in netter Runde zusammen, fragen und besprechen. Den Rest des Abends verbringen Angelika und ich in unserem Zimmer mit Umpacken, d.h. systematischer Verteilung des gesamten Krempels auf drei Gepäckstücke, Rucksack inklusive. Die Reisetasche wird um die Dinge erleichtert, die wir für das Trekking nicht brauchen und bis zu unserer Rückkehr hier im Hotel deponieren können, wie Kleidung für die anschließenden Tage in Kathmandu oder für den Rückflug nach Deutschland, Schlafshirt für das Hotel, Reiseföhn (mit Elektrizität unterwegs in den Lodges ist kaum zu rechnen und schon gar nicht mit Steckdosen,

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