Die Generalversammlung
Von Markus Fricker
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Über dieses E-Book
die Mitglieder eines dörflichen Gewerbevereins zur
ordentlichen Generalversammlung.
Markus Fricker
Der Autor, Markus Fricker, lebt seit er sich erinnert, in einem Dorf am Jurasüdfuss. So wie es aussieht, gedenkt er auch noch dort zu bleiben. Sein Tätigkeitsfeld erstreckt sich auf diverse Bereiche. Dieses Buch ist einer davon.
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Buchvorschau
Die Generalversammlung - Markus Fricker
Geschrieben 2007
Beruht teilweise auf wahren Begebenheiten
Enthält Helvetismen
Krachen, Knarren und Ächzen, auch dunkles, tiefes Grollen wäre vielleicht zu hören gewesen, hätte man Jahrmillionen-Zeitraffer-Ohren gehabt.
Unerbittlich aber geduldig, als Gesteins-Brecher, wälzte er sich von den Alpen richtung Schwarzwald, stemmte, wuchtete, und raffelte sich sein monumentaler Eispanzer über die Molasse des Pleistozäns, auf seinem Vortrieb nordwärts, bis er an den ersten Jurafalten auflief.
Hundertausende Sonnenumkreisungen später, nennt man ihn Reussgletscher. Auf seinem mit Schotter und Sand, von Eis und Wasser geschliffenem Geschiebe, quasi seiner Endmoräne, stehen heute Weinreben. Wo einst Kies an der Eis-Brandung rieselte, wächst jetzt Riesling Sylvaner.
Rebterassen umschnüren den Kieshügel zeilenweise. Im Herbst wird gelesen.
Dieser Hügel, Stock genannt, ruht auf einer Hangterrasse oberhalb des Dorfes. Bei starkem Regen saugt sich der bewaldete Kieshügel mit Wasser voll, wie ein Schwamm, bis er gesättigt ist und es nicht mehr halten kann. Tritt diese Situation ein, lässt er das Wasser los, und in seinem Sog entleert sich der ‹Schwamm›. So kann es vorkommen, dass unterhalb des Hügels, wo der Kies auf eine Lehmschicht trifft, mitten im Garten eines Radio-Fernseh-Elektrikers, eine armdicke Wasserfontäne zum Boden herausschiesst.
Die Einladung kam kurzfristig, etwa zwei Wochen vorher. An- und Abmeldung obligatorisch. Der Gewerbeverein durchlief damals eine Sinnkrise. Der Präsident legte nach anderthalb Jahren sein Amt nieder, und gab den Austritt aus dem Verein.
Gute Voraussetzungen für eine spannende Generalversammlung.
Die Generalversammlung, auch «Ge-Vau» genannt, fand im sogenannten Degustations-Raum statt, im Weinbaugut eines Vereinsmitgliedes. Das Anwesen des Weinbauers, ein in den siebziger Jahren vom Kanton subventioniertes, schwarzes Eternitgebäude vom Typ Rebbau, stand am oberen Dorfrand, unterhalb des etwa 4 Hektaren grossen Weinberges – dem Stock.
Der Vater des Weinbauern, im Dorf aufgrund eines Vorfahren mit militärischer Karriere «General» genannt, war ein ‹Rucksäckler›. Arbeitete also tagsüber im Steinbruch oder in der Zementfabrik und abends auf dem eigenen Hof – wie damals die meisten im Dorf.
Im militärgrauen ‹Über-Gwändli› und einem roten Kopf unter dem Lederhelm, fuhr der General auf seinem Kreidler Florett, das ihm, mit der tiefen Lenkstange, eine sozusagen sportliche Haltung abverlangte, lärmend durchs Dorf. Bis der Töff sich, mit der Zeit immer mehr der minimalsten Geschwindigkeit und dem maximalsten Lärm annäherte. Nach dem achtzigsten Lebensjahr, ritt der General ein altes Puch-Maxi Töffli, mit einem weissen Helm aus Franzosen-Plastik.
Der älteste von vier Söhnen führte den landwirtschaftlichen Betrieb des Generals weiter. Darauf wurde der elterliche Hof aufgegeben, stattdessen am Dorfrand, jenes Haus mit schwarzen Eternitschindeln gebaut, und der Betrieb, in Besinnung dörflicher Traditionen, auf Rebbau umgestellt. Der Übername ‹General› blieb am Sohn hängen – nicht aber der Rucksack, denn man lebte fortan ganz vom Wein.
Im Degustations-Raum des Generals wurde also sinnigerweise die Generalversammlung abgehalten. Früher wurde sie im Restaurant Schmitte abgehalten, der einzig verbliebenen Wirtschaft im Dorf. Der damalige Schmitte-Wirt, auch ein Gewerbevereins-Mitglied, übernahm dann aber eine Beiz im Nachbardorf; ohne übrigens seine Vereinsmitgliedschaft zu kündigen, und war somit seit zwei Jahren mit Mitgliederbeiträgen im Ausstand. Es war eine klare Dezembernacht.
Das Weingut des Generals, am westlichen Dorfrand gelegen, erforderte, je nach Wohnort der Mitglieder, einen längeren Spaziergang, weil das Dorf sehr lang gezogen ist.
Auf der Hauptstrasse bummelte ein Vereinsmitglied, ein Schlosser. Er wich dann in eine Seitenstrasse, und betrachtete die Auslagen des beleuchteten Schaufensters einer Schreinerei. Der Inhaber war auch ein Vereinsmitglied. Im Schaufenster, das eher einer Vitrine glich, waren auf zwei Regalen Kristalle ausgelegt. «Mineralien aus dem Wallis, Eigenfunde», stand da geschrieben, und «Mineralien aus unserem Steinbruch». Strahler-Trophäen des Schreiners. Kristalle, die er im Rucksack vom Strahlen nach Hause brachte. Also auch er ein ‹Rucksäckler›.
Eine Strasse weiter, tauchte das nächste Mitglied aus der Dunkelheit auf, der Gründer des Gewerbevereins, ebenfalls ein Metallbau-Unternehmer. Er besass eine Bude am Aareschachen.
Vor kurzem wollten die Chinesen seine Firma heimlich übernehmen. «Weil die Chinesen in ihrem Geld versaufen», wie er sagte. Sie seien unter Druck Geld zu investieren, westliche Firmen zu kaufen. Die Chinesen hätten ihm per Strohmann in Österreich, einen Grossauftrag zugehalten, bei dem er dann, die Produktion ganz hätte auf den Chinesenauftrag konzentrieren sollen, also sich in eine Abhängigkeit begeben, welche die Chinesen dann, wir er argwöhnte, ausgenützt und ihn sozusagen gefressen hätten.
In einem abgelegenen Winkel seiner Werkstatt habe es übrigens eine Stelle, eine feuchte Höhle, denn die Werkstatt sei ja rückwandig in den Jurafelsen gebaut, in dieser Höhle