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Schräge Helden
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eBook110 Seiten1 Stunde

Schräge Helden

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Über dieses E-Book

Drei grundverschiedene und ungewöhnliche Typen treffen in einer Autobahnraststätte aufeinander. Während sie sich zaghaft näherkommen, wird am Nebentisch ein Notizblatt von einem Durchzug erfasst und landet vor ihren Füßen. Sie dechiffrieren die Notiz und was sie herausfinden, erscheint ihnen unglaublich: Müssen sie die Welt vor einem Unglück bewahren? 

Die Zeit drängt, und ob die drei miteinander können, ist ebenso ungewiss wie die Frage, ob die Welt das überhaupt mit sich machen lässt.
SpracheDeutsch
Herausgeberp.machinery
Erscheinungsdatum12. Dez. 2016
ISBN9783957659675
Schräge Helden

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    Buchvorschau

    Schräge Helden - Kai Beisswenger

    1

    1 – Aufbruch und Zwischenstopp

    Heiligabend 2015, nachmittags zwischen 14 und 15 Uhr

    Auf Tour mit Marius Wolters

    Marius sitzt auf dem einzigen Hocker in der winzigen Küche und starrt auf die schmutzige Stelle an der Wand, wo sich die Tapete ablöst, und sein Bauch sagt ihm, er sei nicht mehr zu Hause in seinem Leben. Dass er einmal an diesem Punkt ankommen würde, hatte sich schon seit Monaten angekündigt, allerdings vermied er es, darüber nachzudenken, indem er immer wieder neue Gründe erfand, um das Problem ohne schlechtes Gewissen auf die lange Bank zu schieben. Einmal wollte er erst abwarten, ob er eine Klausur bestanden hatte, ein anderes Mal, ob sein Chef ihm eine Gehaltserhöhung zahlen würde. Aber nun hat sich in seinem Bauch ein mieses Gefühl eingenistet, das ständig zwischen Angst und Übelkeit pendelt. Er fühlt sich wie ein Versager.

    Mit einem Zug trinkt er das Glas leer, spült es aus und stellt es auf den Abtropfständer, ein dunkelgraues Monster, das zur Wohnung passt, wie die anderen Altertümer, die allesamt ihre beste Zeit lange hinter sich haben. Er schlurft über die zwei Quadratmeter Flur, dessen Boden mit uralten PVC-Platten ausgelegt ist, die sich an einigen Stellen wellen und an anderen aufgebrochen sind. Dabei erinnert er sich, dass er seinen Vermieter gebeten hat, die Bodenplatten auf Asbest oder andere Schadstoffe zu überprüfen und, falls seine Befürchtungen sich bestätigen sollten, umgehend auszutauschen. Der Vermieter nickte wohlwollend, passiert ist bis heute nichts.

    Er schultert die Reisetasche, die er schon gepackt vor die Tür gestellt hat, und schlendert die Treppen hinunter. In jeder Etage tönen ihm Geräusche aus den Wohnungen entgegen. Unten angekommen, wirft er einen Zweitschlüssel in den Briefkasten seiner Nachbarin, öffnet bedächtig die Haustür und tritt hinaus. Er dreht sich nach links und läuft fünfhundert Meter, bis er an einer roten Rostlaube anhält, den Kofferraum öffnet und die Reisetasche hineinwirft. Am Kotflügel registriert er einen neuen Kratzer, worauf er den Kopf schüttelt. Er startet den Wagen und fährt fünfeinhalb Kilometer durch die Stadt. Die Tristesse der Vorstadt nimmt er nicht wahr, und nach wenigen Minuten hat er die Auffahrt zur Autobahn erreicht. Jetzt ist er an der passenden Stelle angelangt, um seinen Gedanken freien Lauf zu lassen.

    Er muss sein Leben ändern, erwägt er. Er fährt gemütlich auf der rechten Spur, zum einen, um Sprit zu sparen, zum anderen, weil die Kiste sonst zu laut wäre und er das Radio nicht hören würde. Links überholt ihn eine junge Frau, die ihn anstrahlt. Er winkt, sie lächelt noch einmal und braust an ihm vorbei. Flugs hat sich seine Stimmung deutlich verbessert. Er muntert sich auf: Mann, Marius, stell dich nicht so an. Weihnachten, Ferien, es ist doch alles gut.

    Mit jedem gefahrenen Kilometer wird er fröhlicher. Und mit einem Mal lassen seine Gedanken sich auf seinem zweitliebsten Thema nieder und beginnen im Takt zur Musik zu schwingen. Aus heiterem Himmel werden sie jäh unterbrochen von einem Sprecher, der sich über ein Filmsternchen lustig macht.

    Manno, was schwätzt der für’n Scheiß. Nur Müll im Radio. Sobald du in Enn-Er-We bist, empfängst du nur Pisszeug. Ich brauch jetzt die Stones.

    Er fingert in der Konsole herum, zieht eine Musikkassette heraus und legt sie ein. »Sympathy for the devil«, jep, darauf hab ich Bock. Und nach dem Intro singt er mit: »Let me please introduce myself … lalala.«

    »Geile Mucke!«, murmelt er und rudert mit den Händen. Dabei weckt er das Interesse eines Autofahrers, der gerade dabei ist, ihn zu überholen.

    »Guck nicht so blöd, du Spießer, in deinem hässlichen Audi. Ja, du bist gemeint!«, brüllt er und der Mann rauscht an ihm vorbei.

    Was wissen die Leute heutzutage von Musik? Nichts, urteilt er. »Und du Audi-Spießer weißt überhaupt nix«, schreit er die Windschutzscheibe an. Oh, wie gerne hätte er die 70er miterlebt, aber als er geboren wurde, war schon alles vorbei. Diese Vorstellung lässt ihn nicht los:

    Acht Jahre vor meiner Geburt hatte Peter Gabriel Genesis bereits zur genialsten Band der Welt gemacht. Aber ich habe nie verstanden, warum er Phil Collins als Schlagzeuger holt, was ein genialer Schachzug war, und kurz darauf den begnadeten Gitarristen Steve Hackett engagiert, und vier Jahre später abdankt. Das kapiert doch niemand. Steve, Phil und er, das war Kongenialität pur, das gab es vorher doch nur bei Lennon und McCartney. Damals wurde nicht nur Musik gemacht, nein, das waren ehrliche Bühnenshows, da können sich Rihanna, Lady Gaga, und wie diese Sternchen heißen, eine dicke Scheibe abschneiden. Aber, wem sag ich das? Perlen vor die Säue! Wer kennt sich heute noch mit Musik aus?

    Nachdem das Thema sich und ihn erschöpft hat, lässt er seine Geistesblitze auf unterschiedlichen Schauplätzen nieder, bis sie dort ankommen, wo sie ihm Bauchweh bereiten. Ob er Vater wieder um Knete anbetteln könnte, fragt er sich und wartet auf eine Idee, wie er das anstellen sollte. Aber da kommt nichts. Stattdessen erinnert er sich an ihre endlosen Diskussionen über seine mit Handbremse betriebene Ausbildung und über das richtige Leben im falschen.

    Und am Schluss, nachdem sie schon ein paar Gläser Bier und Schnaps intus haben, streiten sie sich wieder über Politik, befürchtet er. Er nimmt sich vor, sich dieses Mal zurückzuhalten, was ihm nicht schwerfallen dürfte, denn inzwischen ist sein Vater auch mit der Partei unzufrieden, die er seit über fünfzig Jahren wählt. Vorgestern am Telefon polterte Vater los und meinte, die Schwarzen haben die Sozen schon links überholt.

    Super, ich darf ungestraft auf seine ehemaligen Heiligtümer draufhauen. Dass wir aus zwei verschiedenen Ecken draufschlagen, merkt er nicht. Denn die CDU ist nicht nach links, sondern die SPD nach rechts gerückt, was der Alte nicht schnallt. Politisch hat er es noch nie gerafft, der alte Oberstleutnant a. D.

    Was für ein Glück, dass Schwesterchen auch kommt, geht ihm durch den Kopf und er muss unwillkürlich grinsen. Ohne sie würde er es nicht aushalten. Und schon plant er den späten Abend, wie er seinen alten Herrn in die Heia komplimentiert und mit seiner Schwester in die »Alte Post« abdampft. Und er freut sich auf ein Wiedersehen mit Freddy, dieser coolen Sau, die wieder Bluesrock bis zum Abwinken auflegen wird.

    Mannomann, Freddy. War Lehrer, hatte keinen Bock mehr auf freche Gören und vorlaute Jungs. Also hat er eine Kneipe aufgemacht. Einfach so! Inzwischen ist er schon über zwanzig Jahre sein eigener Chef und der Laden brummt. Hat Connections und holt immer mal wieder eine Topband in seine Kneipe. Wie er das macht? Keine Ahnung, wieso die Leute in seine Ruine kommen, renoviert hat er nie. Freddy ist halt eine Institution. Das wird geil, heute Abend. Alte Kumpels sehen, mit Schwesterchen klönen, den jungen Dingern auf den Hintern gucken und langsam besoffen werden. Und zum

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