Trump – Die Halbzeitbilanz: Ist Amerika schon ein bisschen größer?
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Rezensionen für Trump – Die Halbzeitbilanz
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Buchvorschau
Trump – Die Halbzeitbilanz - Frankfurter Allgemeine Archiv
Ende
Vorwort
Der erfolgreiche Spalter
Von Klaus-Dieter Frankenberger
Amerika wieder großartig machen – hinter dieser Parole versammelten sich 2016 rund 63 Millionen Wähler, die in Donald Trump denjenigen sahen, der Amerikas Untergang abwenden und sie aus Not und Bedrängnis befreien werde. Rund zwei Jahre später, zur Halbzeit der Präsidentschaft des Immobilienmoguls mit deutschen Vorfahren, steht die große Mehrheit dieser Kernklientel felsenfest zu ihrem Mann. Genauso fest, wie das andere Lager in unerschütterlicher Gegnerschaft zu ihm steht. Versöhnung? Überwindung der Spaltung der Vereinigten Staaten? Fehlanzeige. Die Gräben, die Politik und Gesellschaft durchziehen, sind noch tiefer und noch breiter geworden.
Das konnte man unter anderem an dem Ergebnis der Kongresswahlen im vergangenen Herbst ablesen, die zum Referendum über »zwei Jahre Trump« ausgerufen worden waren. Die Demokraten übernahmen dank starker Gewinne vor allem in den »Suburbs« wieder die Kontrolle im Repräsentantenhaus; die weitgehend auf Trump-Linie gebrachten Republikaner konnten dagegen ihre Mehrheit im Senat noch ausbauen – mehr Spaltung geht nicht. Und was das »alte Amerika« von dem Nationalisten im Weißen Haus trennt, das war bis in die Mimik hinein bei der Trauerfeier für den früheren Präsidenten George H.W. Bush zu erkennen. Mehr Feindseligkeit geht auch da nicht. Immerhin war Trump der Einladung zur Teilnahme an der Feier gefolgt. Die deutsche Bundeskanzlerin, den früheren Präsidenten und Wegbereiter der deutschen Wiedervereinigung würdigend, fasste den Wandel in Stil und Inhalt der amerikanischen (Welt-)Politik so zusammen: Welch »unfassbar großes Glück« sei es gewesen, dass in einem so kritischen Moment der Weltgeschichte wie den Jahren der Wende George H.W. Bush Herr im Weißen Haus war – und nicht, das musste sie nicht ausdrücklich aussprechen, sein Nachnachnachnachfolger Trump, der Verächter von Multilateralismus, Allianzen und Gewaltenteilung.
Dabei hat der, objektiv betrachtet und gemessen an seinen Wahlversprechen, durchaus einige vorzuweisen. Die Wirtschaft läuft auf Hochtouren, selbst wenn sich ersten Eintrübungen am Horizont zeigen. Sie wird von einer Steuerreform befeuert, die es von der Dimension her in der Form lange nicht gegeben hat, die aber auch nicht gegenfinanziert ist, und von wirtschaftsfreundlicher Deregulierung. Trump hat seine Kandidaten für vakante Posten am Obersten Gerichtshof im Senat durchgebracht, in einem Fall gegen massivsten Widerstand der Opposition und von Teilen der Öffentlichkeit, und damit bei dem wichtigsten Anliegen evangelikaler Wählergruppen »geliefert«. Und was das ihm verhasste Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta anbelangt, so sind Mexiko und Kanada zu Kreuze gekrochen: Sie haben weitgehenden Modifikationen zugestimmt, die alle das Ziel verfolgen, industrielle Produktion wieder in die Vereinigten Staaten zurückzuverlagern.
Auf den ersten Blick scheint das auch ein Motiv des Handelskriegs mit China zu sein, den Trump vom Zaun gebrochen hat. Die Fachleute sind sich nicht schlüssig, ob sich die Motive darin, also in einer stärker ausgeglichenen Handelsbilanz und in einer Reform der chinesischen Wirtschaftspolitik, schon erschöpfen. Oder ob es um viel mehr geht: um die Vorherrschaft im 21. Jahrhundert, darum, wer die Regeln setzt. Das Ziel, Chinas Aufstieg Grenzen zu setzen, gehört jedenfalls zu den ganz wenigen Themen, bei dem (mittlerweile) ein großes politisches Einvernehmen in Washington herrscht. Und selbst wenn Trump noch immer große Sympathien für den russischen Präsidenten Putin hegen sollte, so kann man nicht sagen, dass die amerikanische Russland-Politik davon geprägt wäre. Das Gegenteil ist der Fall. Das hängt auch damit zusammen, dass das Damoklesschwert der Russland-Untersuchung über dem Präsidenten schwebt.
Donald Trump war angetreten, um vermeintlicher Benachteiligung der Vereinigten Staaten ein für alle Mal ein Ende zu machen, den »Sumpf der Korruption« in Washington trockenzulegen und den angeblichen »Volksverrätern«, den Eliten, ans Leder zu gehen. Keine Kontinuität, sondern »Disruption« – das ist das, was er wollte, was er versprochen hat zu tun und wovon er nicht abgeht. Von der Abkehr vom Pariser Klimaabkommen bis zur Abwendung vom Atom-Vertrag mit Iran hat er es auch wahr gemacht. Aber seine Krawallrhetorik im Inneren und seine Politik der Ausgrenzung sowie der Stil des Denunzierens und des Verächtlichmachens schaden dem Ansehen der Vereinigten Staaten in der Welt – und sie tun ihnen selbst nicht gut. Selbst wenn viele Millionen Amerikaner das anders sehen und von einer Widerwahl Trumps träumen. Für zig Millionen andere Amerikaner wäre die Wiederwahl des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten ein Albtraum. Ein Zurück zum Status quo ante gibt es jedenfalls nicht.
1. Make America great again: Ein einfaches Programm
»Jetzt gilt eine neue Vision«
Trumps Antrittsrede in Auszügen.
»Die heutige Zeremonie ... hat eine besondere Bedeutung. Denn heute übergeben wir die Macht nicht nur von einer Regierung an eine andere oder von einer Partei an eine andere – sondern wir geben sie von Washington, D.C. an euch, das amerikanische Volk, zurück.«
* * *
»Zu lange hat eine kleine Gruppe in der Hauptstadt unserer Nation den Lohn geerntet, während das Volk die Kosten trug. Washington gedieh – aber das Volk hatte an seinem Wohlstand nicht teil. Politiker wurden reich, aber die Jobs verschwanden, und die Fabriken schlossen. Das Establishment schützte sich selbst, aber nicht die Bürger unseres Landes.«
* * *
»Für zu viele unserer Bürger gab es aber eine andere Realität: Mütter und Kinder in der Falle der Armut in unseren Städten, verrostete Fabriken verteilt wie Grabsteine überall in unserem Land, ein Bildungssystem, das Geld verschlingt, aber unsere jungen, wundervollen Schüler ohne Wissen zurücklässt. Und Verbrechen, Banden und Drogen, die so viele Leben kosteten und unserem Land so viel ungenutztes Potential stahlen.«
* * *
»Wir haben die Grenzen anderer Staaten verteidigt und uns geweigert, unsere eigenen Grenzen zu verteidigen. Wir haben Billionen Dollar im Ausland ausgegeben, während unsere Infrastruktur zerfiel. Wir haben andere Länder reich gemacht, während unser Reichtum, unsere Stärke und unser Selbstvertrauen am Horizont verschwanden.«
* * *
»All das ändert sich jetzt – es beginnt hier und jetzt, denn dieser Moment gehört euch.«
* * *
»Von heute an wird eine neue Vision unser Land regieren. Von nun an gilt: Amerika zuerst.«
* * *
»Wir werden neue Straßen und Autobahnen bauen, Brücken und Flughäfen, Tunnel und Eisenbahnstrecken durch unser wunderbares Land. Wir werden unsere Leute aus der Wohlfahrt holen und zurück in Arbeit bringen, unser Land mit amerikanischen Händen und amerikanischer Arbeit wiederaufbauen. Wir folgen dafür zwei einfachen Regeln: Kauf amerikanische Produkte, stelle Amerikaner ein.«
* * *
»Wir suchen Freundschaft und guten Willen mit den Nationen der Welt. Aber wir tun das in der Überzeugung, dass es das Recht aller Nationen ist, ihre eigenen Interessen an die erste Stelle zu stellen. Wir wollen unsere Art zu leben niemandem aufdrängen, sondern sie strahlen lassen als ein Beispiel, dem man folgen kann.«
* * *
»Wir werden ... die zivilisierte Welt gegen den radikalislamischen Terrorismus vereinen, der vollständig vom Antlitz der Erde getilgt werden wird.«
* * *
Es ist Zeit, sich an die alte Weisheit zu erinnern, ... dass, egal ob wir schwarz oder braun oder weiß sind, in unseren Adern dasselbe, rote Blut von Patrioten fließt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.01.2017
Alle Rechte vorbehalten © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main Vervielfältigungs- und Nutzungsrechte für F.A.Z.-Inhalte erwerben Sie auf www.faz-rechte.de
Trumps Nationalismus
Der demokratische Machtwechsel ist vollzogen. Donald Trump ist als 45. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt worden in einer zivilreligiösen Zeremonie, die tief in die Geschichte der Republik zurückreicht.
Von Klaus-Dieter Frankenberger
Und doch war dieses Hochamt der amerikanischen Demokratie beschwert: Viele Amerikaner halten den Nachfolger Barack Obamas für gefährlich, die halbe Welt hat das ungute Gefühl, dass fortan im Weißen Haus der Geist einer ruppigen Unberechenbarkeit und eines unsentimentalen Nationalismus herrschen wird. Dieses Gefühl haben Trumps Ausführungen zur Amtseinführung noch verstärkt.
Trump ist der unwahrscheinlichste Präsident der jüngeren amerikanischen Geschichte. Hätte man vor gut eineinhalb Jahren darauf gewettet, man wäre reich geworden. Der Immobilienmilliardär hat erst die Republikanische Partei auf den Kopf gestellt und dann die Demokraten geschlagen mit dem eingängigen Slogan »Amerika zuerst« und dem vagen Versprechen, »Amerika wieder groß zu machen«. Mit seinem Angebot aus ökonomischem Nationalismus, Abschottung und Neoisolationismus kam er so gut an, dass er nun Präsident ist. Das soll auch die Politik seiner Regierung werden. »America first« war nicht nur der Kern seiner Wahlkampfbotschaft, es ist das Leitmotiv seiner Präsidentschaft. Trumps Rede zur Amtseinführung war eine einzige Kampfansage, wie man das bei diesem Anlass noch nicht gehört hatte: an das »Establishment«, an Washington, die Globalisierung und an alle, die das amerikanische Volk »aussaugen«. Sie war nationalistisch in Ton und Inhalt.
Die Europäer bekommen es mit einem Präsidenten zu tun, der nicht daran denkt, Freundlichkeiten auszuteilen, sondern der »regime change« in Washington will. Doch banges Klagen und apokalyptisches Warnen helfen nicht. Sie müssen es nehmen, wie es ist. Schließlich hat sich das Interesse an engen, tiefen und breiten Beziehungen zu den Vereinigten Staaten nicht erledigt, nur weil Trump abschätzige Bemerkungen über EU und Nato gemacht hat. Zweifellos wird es komplizierter werden. Europa und Deutschland sollten den Amtsantritt des Donald Trump als Weckruf verstehen: Es wird jetzt mehr denn je auch auf sie ankommen, auf ihre Leistungsfähigkeit und ihre Verantwortungsbereitschaft, damit der Westen den Stürmen der Gegenwart standhält. Aber Amerika unter Donald Trump – das wird ein anderes Amerika sein.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.01.2017
Alle Rechte vorbehalten © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main Vervielfältigungs- und Nutzungsrechte für F.A.Z.-Inhalte erwerben Sie auf www.faz-rechte.de
Der Siegertyp
Donald Trump wird auch im Weißen Haus wohl der bleiben, der er immer schon war. Amerika und die Welt werden mit einem höchst labilen Charakter leben müssen. Ein Psychogramm.
Von Bertram Eisenhauer
Er hätte auch mal den Mund halten können. Aber Donald Trump ist Donald Trump, und der kann es einfach nicht lassen. Anfang der Woche musste das Komitee für die Organisation von Trumps Amtseinführung damit fertig werden, dass eine ganze Reihe prominenter Künstler Auftritte für die Feier abgesagt hatte. Elton John, die Beach Boys oder Bruce Springsteen wollten für den Neuen im Weißen Haus ebenso wenig performen wie Beyoncé and Yo-Yo Ma, die einst für Barack Obama aufgetreten waren. Das sah nach einer glamourarmen, traurigen Angelegenheit aus; gegen Ende der Woche sollte sich auch die Springsteen-Cover-Combo »B-Street Band«, die bereits zugesagt hatte, zurückziehen – wie sie wissen ließ, aus »Respekt und Dankbarkeit« für den »Boss« (Springsteen, nicht Trump).
Trump jedoch entschied sich, der Wirklichkeit eine der für ihn typischen Schwindeleien entgegenzusetzen; in einem Telefoninterview mit der »New York Times« behauptete er, seine Amtseinführung werde »eine unglaubliche Teilnehmerzahl, vermutlich einen neuen Rekord« anlocken, inklusive einer ganzen Menge an Stars verschiedenster Provenienz. Und, so fügte er hinzu: »In Washington sind alle Kleiderläden ausverkauft. Es ist schwer, für diese Amtseinführung noch ein Kleid zu kriegen.« Die Stylisten der Gegend indessen sahen das sehr viel weniger dramatisch; die stellvertretende Verkaufsleiterin der Kette »Nordstrom« etwa ließ die »Times« auf Nachfrage wissen, von Lieferschwierigkeiten könne nicht die Rede sein, und Kleider zwischen 200 und 10 000 Dollar in den besonders beliebten »fröhlichen Farben«, vom Juwelenblau bis zum leuchtenden Pink, seien reichlich zu haben.
Eine kleine dumme Lüge, die sich mit einem Telefonanruf entlarven lässt, nur um einen Moment lang besser dazustehen? Wieder mal so, wie Trump sich selbst immer und ohne Ausnahme sieht: als Gewinner? Hat der Mann, der am Freitag als angeblich mächtigster der Welt vereidigt wurde, so etwas Armseliges nötig? Die Antwort ist: offenbar ja.
Seit der Jahrmarktschreier aus Manhattan bei den Vorwahlen der Republikanischen Partei immer mehr Anhänger gewann, begleitet ihn die Frage, ob er für das Amt des Präsidenten die entsprechende Reife besitze, ob seine aggressive, schamlose, schnell gekränkte, maßlose, selbstverliebte, aufschneiderische, rachsüchtige, zwanghafte Persönlichkeit ihn nicht disqualifiziere. Joe Scarborough, einstmals republikanischer Abgeordneter im Repräsentantenhaus, inzwischen Moderator einer Talkshow beim Kabelsender MSNBC und Trump eigentlich zugeneigt, hatte im Sommer einen beunruhigenden Gedanken: »Wir fragen uns – ich bin nicht der Erste, der davon redet, diese Frage stellt sich jeder: Ist Donald Trump ein Soziopath?«
In seiner Siegesrede in der Wahlnacht sprach Trump davon, nun sei »die Zeit, die Wunden der Gegnerschaft zu verbinden« – doch stellte sich bald heraus, dass er, anstatt auch auf jene Amerikaner zuzugehen, die ihn nicht gewählt hatten, sie während des Interregnums der »transition«, in dem er sich auf die Amtsübergabe vorbereitete, nur abermals daran erinnerte, warum sie ihn für ungeeignet befunden hatten. Zu Silvester schickte er eine Botschaft über Twitter: »Frohes neues Jahr an alle, auch an meine vielen Feinde und an jene, die mich bekämpft und so schlimm verloren haben, dass sie gar nicht wissen, was sie noch tun sollen. Alles Liebe!« Die Geheimdienste, die dem designierten Präsidenten von einer versuchten Beeinflussung der Wahl durch den Kreml berichteten, zieh er der »Hexenjagd« und ließ durchblicken, dass