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GegenStandpunkt 2-18: Politische Vierteljahreszeitschrift
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eBook294 Seiten3 Stunden

GegenStandpunkt 2-18: Politische Vierteljahreszeitschrift

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Über dieses E-Book

Der US-Präsident kündigt den Atomdeal mit Iran, der auch und gerade in Deutschland als Meisterwerk europäischer Diplomatie und Vermittlungskunst gefeiert wird. Im Artikel klären wir darüber auf, dass dieser Vertrag ein durch und durch imperialistisches Machwerk war, mit dem von Beginn an alle Parteien komplett entgegengesetzte Interessen verfolgt haben. Der Artikel beantwortet außerdem nicht nur, was Trump an diesem Deal so abgrundtief schlecht findet. Er erklärt zugleich, was die europäischen Mächte an Trumps Kündigung so stört: Trump weist – einmal mehr – ihren Anspruch zurück, an der Seite der USA als „der Westen“ den Globus zu ordnen.
Der Jahrzehnte lang betätigte Anspruch auf eine vom Westen und zu seinem Nutzen geordnete Welt wird seit geraumer Zeit von China immer mehr angegriffen. Der Artikel über den kongenialen chinesischen Widerpart zur amerikanische Weltmacht räumt mit allen ideologisch verdrehten Fehlurteilen auf, China hätte seinen unbestreitbaren Aufstieg zu einer neuen Weltmacht unter Missbrauch und Missachtung der gängigen, guten, erlaubten Methoden des geordneten internationalen Wettbewerbs erreicht. Wir bilanzieren dagegen, dass China das nie vorgesehene Kunststück vollbracht hat, nicht gegen die, sondern mit den Prinzipien und Techniken kapitalistischer Standortkonkurrenz nicht nur sein Land und Volk für westliche Benutzungsinteressen herzurichten, sondern allen damit einhergehenden Gegensätzen und Brutalitäten den erwünschten Nutzen für den Aufstieg der eigenen Nation abzutrotzen. Der ist so groß, dass die USA nun zu dem Schluss kommen, dass er sich mit der bestehenden Konkurrenzordnung, also mit dem Nutzen ihrer amerikanischen Garantiemacht nicht mehr verträgt.
Die Artikel über Emmanuel Macron und Japan unter Abe stellen klar, warum entgegen allen Beteuerungen, Trump sei ein aus der Art gefallener Psychopath, sein ‚Politikstil‘ heute so in Mode und die aufgeklärt-demokratische Staatenwelt inzwischen bevölkert ist mit Sonnenkönigen vom Schlage eines Macron und Abe: Weil es eben nicht um einen Stil von Politik geht, sondern um ihren imperialistischen Kern: In der Konkurrenz gegeneinander bestreiten sich die Macher- und Nutznießernationen des globalisierten Kapitalismus wechselseitig die nationalen Erträge, um die es ihnen geht, und stellen sich deshalb reihum die Frage, was sie als nationale Mächte überhaupt noch vermögen und sind. Darum verlangen rund um den Globus Staatsführer ihren Völkern nationale Aufbrüche ab, von denen alle wissen, dass sie mit materiellen „Besitzständen“ der Massen und oft auch mit gewissen demokratischen Umständlichkeiten der staatlichen Herrschaft nicht verträglich sind.
Einen nationalen Aufbruch eigener Art hat Venezuela bereits hinter sich. Der Artikel über den Niedergang des bolivarischen Sozialismus erhebt Einspruch gegen die westliche Hetze, gemäß der ausgerechnet der chavistische Versuch, Venezuela aus der Rolle des Öllieferanten für den amerikanisch dominierten Weltmarkt zu befreien, das Volk verarmt und dem Land die „Zukunft“ geraubt habe. Der dummen Allerweltsformel, dass da – wieder einmal! – ein „eigentlich reiches Land“ wegen falscher Politik ganz arm sei, setzen wir die Einsicht entgegen, dass „Öl“ kein Reichtum ist, sondern allenfalls in den kapitalistischen Metropolen zu einem solchen wird, nur dafür und für nichts anderes da ist und darum jeder Versuch der Umwidmung nicht nur in sich widersprüchlich ist, sondern von den kapitalistischen Weltmarktmächten als Verbrechen definiert wird, das sie zum Scheitern verurteilen.
SpracheDeutsch
HerausgeberGegenstandpunkt
Erscheinungsdatum15. Juni 2018
ISBN9783962214135
GegenStandpunkt 2-18: Politische Vierteljahreszeitschrift

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    Buchvorschau

    GegenStandpunkt 2-18 - GegenStandpunkt Verlag München

    Inhaltsverzeichnis

    Früchte der österlichen Zeitungslektüre

    Die ‚vierte Gewalt‘ erzieht ihr Volk

    I. Mit Fakten gegen Ausländerhass – oder doch nicht?

    II. Die Menschheit am dataistischen Abgrund – oder doch nicht?

    Anmerkungen zur Kündigung des Atomabkommens mit Iran durch D. Trump

    Der Inhalt des Atomdeals

    Politischer Gehalt und imperialistischer Zweck des Atomdeals

    Trumps Kritik am Atomdeal und ihr objektiver Gehalt

    Die neue Lage nach Ankündigung der Kündigung …

    … und nach deren Vollzug

    Emmanuel Macron

    Schon wieder einer, der sein Land ganz groß machen will

    I. Eine geistig-moralische Wende gegen den Niedergang der großen Nation

    II. Macrons Revolution nimmt die Klassengesellschaft für Frankreichs Stärke in Dienst

    III. Der Retter Frankreichs ersetzt die Parteiendemokratie durch das direkte Kommando des Präsidenten

    IV. Imperialismus nach Trump: Auch in Frankreich wird die äußere Machtentfaltung der Nation zum Gesetz ihres Innenlebens

    Die amerikanische Weltmacht und ihr kongenialer chinesischer Widerpart

    Trump macht Ernst – Xi auch!

    I. Wie Trump China sieht: betrügt im Handel, klaut geistiges Eigentum, rüstet mit ergaunertem Geld sein Militär auf und bedroht die Sicherheit der USA

    II. Auf welche Konkurrenzlage sich Trump damit bezieht: China ist zu einem imperialistischen Rivalen aufgestiegen, der Gleichrangigkeit beansprucht

    1. Die erfolgreiche wirtschaftliche und weltpolitische ‚Öffnung‘ Chinas durch die amerikanische Weltmacht

    2. China hat mit seiner Behandlung durch den Westen Karriere gemacht: der „Traum von der Wiedererstarkung der Nation" wird Wirklichkeit

    Von der ‚verlängerten Werkbank‘ des Weltmarktes zur ‚Technologieführerschaft‘

    Vom „Volks-" zum Weltgeld: der Renminbi als globale Reservewährung und Kreditquelle

    Chinas „Gemeinschaft einer geteilten Zukunft der Menschheit": Fortschritte bei der friedlichen Eroberung der Staatenwelt

    „Chinas friedlicher Aufstieg: die Weltwirtschafts- und Weltfinanzmacht entwickelt ihre Militärmacht und verschafft sich „Weltklasse-Streitkräfte für „eine neue Ära" (Xi)

    „Sozialismus mit chinesischer Prägung": Die KPCh behauptet ihr Gewaltmonopol gegen Chinas Feinde

    III. Die imperialistische Bedeutung von Trumps China-Kritik

    Japan unter Abe

    „Weltmacht oder gar nicht sein" auf ostasiatisch

    1. „Abenomics": Mit Volksmoral gegen die nationale Depression

    2. Ein Vierteljahrhundert aufgeschobene Krise

    a. Mit Staatskredit die Überakkumulation des Finanzkapitals prolongiert

    b. Die Wertgarantie des nationalen Kreditgelds: Dollar-Erwerb statt Kapitalakkumulation in Yen

    3. Das Volk: überbeansprucht, überaltert, insgesamt unrentabel

    4. „Nippon first !": Abes Aufbruch in eine neue ostasiatische Krisenkonkurrenz

    a. Emanzipation vom US-Dollar – und was das politökonomisch heißt

    b. Mit und gegen China eine Yen-Hemisphäre schaffen

    5. Der neue Japaner und sein Militär

    a. Vom Klienten der USA …

    b. … zur ostasiatischen Führungsmacht neben und gegen Amerika und China

    6. Die neue „transpazifische Partnerschaft" des neuen US-Präsidenten mit dem neuen Japan

    a. Trumps erpresserische Absage

    b. Japans neue Irrelevanz, demonstriert am „Fall" Nordkorea – ein Kampfauftrag für Japan

    Venezuela

    Der Niedergang des ‚bolivarischen Sozialismus‘ und seine Gründe

    1. Ein Ölstaat mit viel überflüssigem Volk, eingeordnet in die imperialistische Welt – und was das chávistische Projekt daraus zu machen gedenkt

    2. Der nationale Aufbruch – die Regierung nimmt sich die Freiheit, die ihr der Ölreichtum bietet

    3. Die Geschäftswelt nimmt das Angebot an und macht ihre eigene Rechnung mit dem neuen Staatsprogramm

    4. Das Volk ergreift die neuen Gelegenheiten – mit zwiespältigem Erfolg für seine staatlichen Anwälte

    5. Die Regierung nötigt der Geschäftswelt den Zweck ihrer Einladung auf und verschärft damit die Gegensätze zwischen Unternehmerschaft und Staat

    6. Das Finanzkapital vollstreckt den Ruin des ‚bolivarischen Sozialismus‘

    7. Der erbitterte Machtkampf um die Erledigung des ‚Chávismus‘

    Der Fall Skripal

    Der Nutzen eines gemeinsamen Feindes für die Bekräftigung der problematischen Einheit des Westens

    1. Rasante Fortentwicklung beim Ausbau des Russland-Feindbilds

    Die Schuldfrage ist vor jeder Ermittlung entschieden

    Die Beweisfindung

    2. Die politische Leistung: was aus dem Fall gemacht wird

    Die „Bestrafung"

    3. Warum und zu welchem Zweck das Vereinigte Königreich in aller Souveränität einen ernstlichen Konflikt mit Russland vom Zaun bricht

    4. Warum die englische Regierung sich diese Art von Russland-Bestrafung schuldig ist

    5. Warum die NATO und das übrige Europa sich der britischen Russland-Kampagne anschließen

    Ein hochwillkommener Beweis dafür, dass die NATO überhaupt nicht obsolet ist

    „Doch über alldem steht die europäische Geschlossenheit an erster Stelle"

    Zuschrift zu ‚Die Psychologie des bürgerlichen Individuums‘

    Antwort der Redaktion

    Früchte der österlichen Zeitungslektüre

    Die ‚vierte Gewalt‘ erzieht ihr Volk

    Die freie Presse macht sich schon seit einiger Zeit Sorgen um das Volk. Anlässe dazu kennt sie viele, vor allem im politischen Verhalten der Deutschen: Viel zu viel Verständnis in viel zu großem Maße zeigen sie für ausländische Autokraten, die die deutsche Politik nicht leiden kann, frei denkende Menschen also aus Prinzip ablehnen sollen. Kein Verständnis zeigen sie wiederum für Ausländer in Deutschland, deswegen auch nicht für die Verantwortlichen der offiziellen Ausländer- und speziell Flüchtlingspolitik, obwohl die nicht autoritär verkündet, sondern mit deutschem Nutzen und demokratischen Werten gerechtfertigt wird. Immer vernehmbarer und auf der Straße äußern sie ihren Missmut über und ihr Misstrauen in die etablierten Organe der freien Öffentlichkeit, und zwar nicht nur in die öffentlich-rechtlichen, die auch noch mit Steuergeldern betrieben werden – manche von ihnen sind sogar auf das böse Wort ‚Lügenpresse‘ gekommen. Genügend von ihnen belassen es nicht bei ihrer Unzufriedenheit mit Politik und Presse, sondern gehen zum Protest über: Sie haben eine Partei zur drittstärksten Kraft im Bundestag gemacht, die nicht nur rechts neben dem bisherigen Konsens der deutschen Parteienlandschaft liegt, sondern sich auch feindlich gegen das ganze ‚Establishment‘ richtet.

    Zwar nicht erst, aber spätestens dann steht für die freie Presse ein Hauptschuldiger für all die Probleme fest, die sie mit dem Betragen des deutschen Volkes hat: die Netzöffentlichkeit, die mit einigem Erfolg die Domäne der freien Meinungsbildung gestört hat. Lobgesänge über die kommunikativen Möglichkeiten und Freiheiten des webbasierten Meinens sind Beschwörungen der Gefahr gewichen, die von so viel ungeregelter privater Verantwortungslosigkeit ausgeht – von einer Domäne, in der die etablierten Regeln, das Ethos und die Autorität der etablierten Medien nicht nur nicht gelten, sondern auch ausdrücklich zurückgewiesen werden. Das alles nimmt die freie Presse zwar nicht gerade sportlich, aber auf jeden Fall als Herausforderung an. Sie führt einen Kampf gegen den Mist, der in der Netzwelt gebaut wird; und sie sagt gleich dazu, worum es ihr dabei geht: nicht bloß um die Zurückweisung missliebiger Meinungen, sondern vor allem um die Rückgewinnung von ‚Vertrauen‘. Und das ist schon ein deutlicher Hinweis darauf, dass es ihr um ihre eigene überkommene, mono- oder jedenfalls oligopolistisch zu nennende Stellung in der demokratischen Öffentlichkeit geht – als eine anerkannte Autorität, die so frei wie maßgeblich das Wie und letztlich das Was des freien Meinens in Deutschland bestimmt. Sie schickt sich also an, den offiziellen Status zurückzugewinnen, für den ihr einmal der Ehrentitel ‚vierte Gewalt‘ verliehen worden ist.

    Wie sie das macht, kann man jeden Tag in Zeitung, Funk und Fernsehen besichtigen. Auch am langen Osterwochenende. Dazu zwei Fallstudien.

    I. Mit Fakten gegen Ausländerhass – oder doch nicht?

    Inhaltlicher Dauerbrenner und prominentestes Ärgernis der professionellen Volkserzieher mit Presseausweis ist und bleibt die ungezügelte Ausländerhetze, die stets implizit oder explizit die Absage an sie und ihre Vermittlerrolle zwischen patriotisch verantwortlichem Volk und seinen politisch Verantwortlichen enthält. Pünktlich zu den Osterfeierlichkeiten des christlichen Abendlandes machen sich alle Printmedien – jede nach ihrer Fasson und redaktionell abgestimmt auf ihre jeweilige Leserschaft – daran, den freigesetzten Ausländerhass in den sozialen Medien zurechtzuweisen und sich so als das Korrektiv des politmoralischen Anstandes der Gesellschaft zu behaupten.

    *

    Da kommt der Bild der im Netz kursierende „irre Streit um Osterhasen" (Bild, 31.3.18) wie gerufen. Den Aufhänger bildet ein im Netz geposteter Kassenzettel, auf dem der Osterhase als Traditionshase bezeichnet wird:

    „Vor allem von Rechtsaußen folgte in den sozialen Netzwerken prompt der Aufschrei: Darf in Zeiten von Flüchtlingskrise und muslimischer Zuwanderung der ‚Osterhase‘ nicht mehr auf dem Kassenzettel stehen – und an das christliche Osterfest erinnern? AfD Co-Chef Jörg Meuthen konstatierte auf Twitter sogar eine Unterwerfung Deutschlands unter den Islam."

    In ihrer volkstümlichen Art hat die Bild schon in ihrer Überschrift angekündigt, was sie davon hält: „Au weia! Irre!"

    Und es ist ja tatsächlich irrsinnig: Spätestens seitdem die Anführer sächsischer Patrioten für ihren Haufen auf den Namen Pegida gekommen sind, ist es unter denen und allen ihren Gesinnungsgenossen Sitte, die eigene Ausländerfeindschaft und die damit verbundene Feindschaft gegen eine Politik, die ihnen die Anwesenheit von Fremden im eigenen Land zumutet, zur zutiefst berechtigten Sorge um eine höhere Wesenheit namens ‚Abendland‘ aufzublasen. Von dem wissen sie nur eines sicher, das aber umso mehr: Es geht unter, wenn sich die als Morgenlandbewohner identifizierten Flüchtlinge in ihm aufhalten, weswegen sie ebenfalls sicher sind, dass eine Verschwörung an höchster Stelle gegenüber jenem Abendland vorliegen muss, wenn massenweise morgenländische Migranten unsere abendländischen Gefilde bevölkern, uns also übervölkern. Diese Gewissheit entdecken sie dann, wohin sie auch blicken, und an jedem Einzelfall sehen sie wiederum bestätigt, wie richtig sie mit ihrer Generalsorge um das ganz große abendländische Ganze liegen: Es droht eine Islamisierung, was sich wiederum nur durch eine von der eigenen Politik betriebene Umvolkung erklären lässt. Also blicken sie auch überall hin, steigen jeder Kriminal- und Geburtenstatistik, jedem dunkelhäutigen Fahrradrowdy und falschgläubigen Fußballprofi hinterher, überprüfen folgerichtig auch beim Einkauf christlich-abendländischer Süßwaren ihre Kassenzettel mit dem gebotenen Ernst, werden – wen wundert’s – fündig und schlagen Alarm.

    Wie gesagt – ein ziemlicher Irrsinn. Nur wie widmet sich dem die Bild? Sie knöpft sich den auch ihr wohlbekannten, von ihr nicht goutierten Standpunkt gar nicht erst vor. Sie steigt vielmehr gleich auf der Ebene des Ausgrenzungs- und Verfolgungswahns ein, der sich mit der höheren Weihe des christlichen Abendlands umgibt – und geht mit vollem Ernst der von ihr selbst als „irre" bezeichneten Frage nach, ob die Benennung von saisonal verkauften Milchschokoladenprodukten wirklich als Beleg für dessen Gefährdung gelten darf. In der Manier eines Faktenchecks stellt sie die fundamentale Frage, ob der Osterhase überhaupt in unseren christlichen Wertehimmel gehört oder nicht, und kommt diesbezüglich zu einem klaren, faktenbasierten „Nein": „Der vermehrungsfreudige Hase hat mit der Kreuzigung und Auferstehung Jesu, an die das Osterfest erinnert, nämlich nichts zu tun. Eher mit germanischen Frühlings- und Fruchtbarkeitskulten." Mit dem Nachweis der Nicht-Zugehörigkeit des Hasen zum christlichen Osterfest wird der Streit um den Kassenbon als Fehlalarm entlarvt, womit das Abendland vor den Alarmisten in Schutz genommen wäre, die die majestätische Sache zwar zu schützen vorgeben, diese aber nur banalisieren und missbrauchen.

    Und weil es eben um eine solche geht, bleibt die Bild auch nicht beim Quidproquo von Fakten und deren auf Verbindlichkeit dringender sittlicher Einordnung. Sie lässt es sich nicht nehmen, einen Kronzeugen zu zitieren, der zwar einerseits bloß dasselbe sagt wie sie, der aber in seiner Person glaubwürdig belegen soll, dass der gemeinsame Standpunkt im Recht ist, als dessen Repräsentant er hier fungiert: Der CDU-Ministerpräsident von NRW – der Redaktion als „NRW-Laschet" bekannt – kommt zu Wort und darf für das Fehlalarm-Verdikt bürgen – und zwar mit der moralischen Autorität, die man ihm aufgrund seiner politischen Macht zuschreibt, als Christdemokrat erst recht. Als solcher hat sein Wort per se Gewicht, auf jeden Fall für die Bild, er hat – im doppelten Sinne des Wortes – ‚etwas zu sagen‘. Interessant ist, was: „Wer Osterhasen zum Symbol des christlichen Abendlandes macht, weiß weder was christlich noch was Abendland ist." Mit diesem politmoralischen Expertenstatement führt Laschet – und durch ihn die Zeitung, die ihn zitiert – vor, was offensichtlich allen Beteiligten am Streit als Argument gilt: die Gleichung zwischen der Richtigkeit des eigenen Standpunkts und der moralischen Glaubwürdigkeit der Repräsentanten dieses Standpunkts. Diese Gleichung lässt sich anscheinend am besten so vorführen, dass man den Vertretern der Gegenseite eben diese autorisierte Glaubwürdigkeit abspricht – also auch die Kompetenz, sich überhaupt zur Sache äußern zu dürfen. Und damit kein Leser es verpasst, schreibt sie das noch einmal ausdrücklich so auf: „AfD blamiert sich mit Anti-Islam-Alarm". Das ist schon die ganze Korrektur, die das Leitmedium für den kleinen Mann dem im Netz tobenden Ausländerhass an dieser Stelle entgegensetzt: Indem man ganz sachkundig nachweist, dass die AfD bei den Osterhasen völlig daneben gegriffen und sich damit also auf ihrem ureigenen Feld der christlich-abendländischen Heimatkunde als total inkompetent erwiesen hat, stellt man dieses selbsternannte politische Sprachrohr um ihre Heimat besorgter Bürger generell ins Abseits.

    Womit die Bild dann sich als das Sprachrohr der Sorgen ins Spiel bringt, die nicht verwaisen sollen, bloß weil sie so unsachlich vertreten werden. Das tut sie in einem direkt daneben gestellten Kommentar und vermittels einer Konzession, die keine ist: „Es stimmt: An vielen Stellen könnten sich Staat und Gesellschaft klarer zu den christlichen Wurzeln Deutschlands bekennen." Auf diese verlogene, vereinnahmende Tour werden die Sorgen um das christliche Abendland, die die AfD auf ihre verlogene, vereinnahmende Tour beschwört, um sie zu vertreten, schlicht umdefiniert. Darüber werden die Sorgen zwar ausländerfreundlicher, aber kein bisschen besser: Die Leser sollen nichts besseres zu tun haben, als von den Politikern, die mit ihrer souveränen Macht verbindlich definieren, nach welchen Regeln sich das Leben im deutschen Gemeinwesen wirklich abspielt, worin also die Sorgen der existenzielleren Art wirklich bestehen, mit denen die Leute umzugehen haben, auch noch eine liebevollere Pflege der Lüge einzufordern, dieses Gemeinwesen hätte in der christlichen Religion und ihren Werten seine eigentliche Basis. Aber eben so, als guter Titel für einen inklusiven deutschen Nationalstolz, wird das christliche Abendland mitsamt seinen Symbolen vor dem Missbrauch gerettet, von ausländerfeindlichen „Plumpskloparolen" gesäubert und durch deren abstraktes Gegenteil namens „Nächstenliebe" ersetzt: „Ostern ist das höchste Fest einer Religion, die Nächstenliebe predigt. Und da soll man Schoko-Hasen zuhauf verschenken. An Jung und Alt, Arm und Reich, Deutsch und Nicht-Deutsch." Ein genialer Schlenker zurück zum Ausgangspunkt, womit sogar dem Osterhasen, eben schon aus dem christlichen Fest ausgebürgert, wieder sein Platz gesichert wäre: ein Symbol des wertebasierten nationalen Zusammenhalts der Bürger über all die natürlichen, ökonomischen und staatlich hergestellten – wer mag da schon unterscheiden – Unterschiede hinweg, die sie im Alltag nach wie vor trennen, aber immerhin nur dort.

    Natürlich geht am schönen Feiertag der Nächstenliebe auch gegenüber Ausländern, die laut Bild in der internationalisierten deutschen Klassengesellschaft auch ihren festen Platz haben, der harte Regierungsalltag weiter. Von dem wird in der unmittelbar unter dem Kommentar stehenden Kurzmitteilung berichtet: „Wegen Asylmissbrauchs. Georgien soll sicheres Herkunftsland werden", und man lässt den etablierten C-ler Stephan Mayer die nähere Begründung liefern: „ ‚Die Schutzquote bei georgischen Asylbewerbern ist verschwindend gering.‘ ... 2017 wurden lediglich zwei Prozent der georgischen Asylbewerber anerkannt." Eine feine, vor jeglichem Verdacht auf Ausländerfeindlichkeit gefeite Dreiergleichung, wonach eine „verschwindend geringe" Anerkennungsquote durch den Staat umstandslos Asylmissbrauch durch die Nicht-Anerkannten offenbart, was dann wiederum unmittelbar die Sicherheit ihres Herkunftslands beweist und somit die fälligen Abschiebungen als Beendigung dieses Missbrauchs ausweist. Auf jeden Fall ist damit der Alarmismus der AfD und ihrer Genossen im Netz abermals blamiert: Weder an der Schokohasenfront noch an der Abschiebefront gibt es Anlass zur Sorge über eine allzu zurückhaltende Ausländerpolitik. Da lässt die etablierte Politik nichts anbrennen – aber eben nicht aus einer irrsinnig aufgebauschten Horrorfantasie vom untergehenden Abendland, sondern im Sinne des anderen, handfesteren Nationalheiligtums namens ‚Recht und Ordnung‘, wonach allein die deutsche Staatsgewalt entscheidet, wer in den Genuss deutscher Nächstenliebe kommt.

    *

    Die berechnende Dummheit, dem Belegmaterial eines patriotischen Fahndungsstandpunkts mit einem Faktencheck zu begegnen, geht auch mit etwas größerem intellektuellem Ehrgeiz. Dazu laden die Kollegen von der Süddeutschen Zeitung extra einen Professor der Geschichte ein, der nicht bloß den beliebten Osterhasen, sondern das beschworene Schutzgut der modernen Ausländerfeinde selbst ins Visier nimmt:

    „Geistiger Müll muss beseitigt werden, wenn vom ‚christlichen‘ oder gar ‚christlich-jüdischen Abendland‘ gesprochen wird. Beides ist mehr Fiktion als Fakt... Einerseits leiden wir unter stammtischlerisch grölenden Zeitgenossen à la Pegida. Sie reden sich und anderen ein, das Abendland vor dem (neuerlichen) Untergang zu retten. Andererseits behaupten manche, auch ‚Wissenschaftler‘: Abendland sei Kampfbegriff der Islamfeinde. Beides ist geistiger Müll." (SZ, 30.3.18)

    Die einen, die sich für heldenhafte Verteidiger eines christlichen Abendlands halten, das es so nie gegeben hat, fertigt der Professor mit einem Parforceritt durch die Weltgeschichte ab, der zeigen soll, wie wenig diese für ihre zurechtkonstruierte Frontstellung – ‚Wir die guten Christen aus dem Abendland vs. die bösen Horden aus dem Morgenland‘ – hergibt. Das negative Beweisziel ist für den Fachmann die Lizenz, die begriffslose Aufzählung geschichtlicher Ereignisse mit völlig inkommensurablen Inhalten und von völlig disparater Bedeutung gegen eine Weltanschauung sprechen zu lassen, die ebenso begriffslos das unterschiedlichste Zeug auf den einen gemeinsamen Nenner einer vorab feststehenden Ausländerfeindschaft zu bringen pflegt. In diesem Sinne also: ‚Das Abendland‘ war keineswegs immer schon von reinrassigen Pegidisten bevölkert, sondern ursprünglich sogar von lauter Nafris und Afris: „Unsere Vorfahren kamen vor 45 000 Jahren oder noch früher – sie stammen aus Afrika. Nix ‚weiße Herrenrasse‘, nix christlich." Die Muslime gehören schon ewig zum Abendland, sind sie doch im Takt „der Abfolge von Abendland-Morgenland-Invasionen" immer wieder hierzulande zuhause gewesen, so wie die Abendländer immer wieder ihr Zuhause im Morgenland auf unfeine Art eingerichtet haben: „Ouvertüre waren die Perserkriege. Das Morgenland stieß ins Abendland... Vom 8. bis 15. Jahrhundert drang der Orient als Islam nach Südwesteuropa (Iberien). Die Osmanen beherrschten Südosteuropa seit dem 14. Jahrhundert." Das Christentum ist selbst ein Fremdkörper, der sich ohne Visum bei uns breitgemacht hat: „Schock eins: Das Christentum stammt aus dem Morgenland. Schock zwei: Am Anfang, bis ins 4. Jahrhundert, war das Abendland nicht nur heidnisch, sondern – noch ‚schlimmer‘ – jüdisch." Als die Christen dann nach Dresden kamen, haben sie es bei Massengrabschereien gegen die Einheimischen nicht belassen: „Die heidnischen Abendländer wurden nicht durchweg freiwillig zu Christen... Frankenkönig Karl

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