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Politik der Emotion
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eBook86 Seiten58 Minuten

Politik der Emotion

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Über dieses E-Book

Ein engagiertes Plädoyer für eine Politik, die Fakten diskutiert und nicht Stimmungen instrumentalisiert

Mit intellektueller Präzision und Radikalität bezieht Olga Flor Position gegen jene populistische Stimmungsmache, die sich derzeit so gerne als Vertretung der gefühlten Mehrheitsmeinung eines schwammig definierten Volkskörpers ausgibt. Diese "Politik der Emotion" benutzt berechtigte Ängste, anstatt ihre realen Ursachen zu analysieren. Die zunehmende Unüberschaubarkeit der Ökonomie und die wachsende Informationsdichte dienen ihr als Nährboden, vereinfachte Schuldzuweisungen und "Bauchgefühle" sind ihr ideologisches Kapital. Dagegen setzt Olga Flor die Notwendigkeit eines öffentlichen Diskurses, der Widerspruch zulässt und vor der Komplexität der Fakten nicht zurückschreckt, der Aufklärung will und nicht Vernebelung von Tatsachen.
SpracheDeutsch
HerausgeberResidenz Verlag
Erscheinungsdatum13. Feb. 2018
ISBN9783701745593
Politik der Emotion
Autor

Olga Flor

geboren 1968 in Wien, aufgewachsen in Wien, Köln und Graz, studierte Physik und arbeitete im Multimedia-Bereich. Seit 2004 freie Schriftstellerin. Zahlreiche Auszeichnungen, u. a. Anton-Wildgans-Preis 2012, Veza-Canetti-Preis 2014. Zuletzt erschienen: »Klartraum« (2017)

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    Buchvorschau

    Politik der Emotion - Olga Flor

    1972

    1. Irrwitz

    In Twittergewittern

    In den Jahren 2017 und 2018 fällt es schwer, Hannah Arendts Ausführungen zu lesen und sie nicht auf das »sehr stabile Genie«¹ im Weißen Haus zu beziehen, das das Lügen, die permanente Selbstbespiegelung zum Selbstzweck erhoben hat. Doch das ist natürlich bei Weitem keine Einzelposition in einer Welt, in der die politischen Machtverhältnisse die monetären widerspiegeln, und zwar ausschließlich diese, eine finanzielle Potenz, die sich in ungeahntem Ausmaß in den Händen einer kleinen Gruppe Superreicher konzentriert. Diese haben längst damit begonnen, die Politik nach ihren Vorstellungen zu formen, ob direkt wie in den USA unter Donald Trump oder indirekt durch Steuerumgehungen globalen Ausmaßes, deren Konsequenzen – die Aushöhlung von sozialen Umverteilungsstrukturen und der für ein demokratisches Staatswesen wesentlichen Verwaltungs- und Gestaltungsinstanzen – fatal sind. Fatal auch für Institutionen zur Umsetzung einer Umweltpolitik, die das Ziel hätte, die Klimaveränderung zumindest einzubremsen und die Erde für die Nachkommen bewohnbar zu halten. Den entsprechenden Folgen – flächendeckende Verarmung der Unterschichten, von Alleinerziehenden, von alleinstehenden, älteren Menschen, insbesondere von Frauen, Wegbröseln der Mittelschicht, Aufgehen der sozialen Schere, Umweltzerstörung und Klimakatastrophen ungeahnten Ausmaßes, Flucht und Vertreibung – soll dann mit scheinbar großzügigen privaten Sozialfonds entgegengewirkt werden, eine Großzügigkeit, die aber angesichts des weltweit eingesparten Steuervolumens nur noch lachhaft erscheint. Wobei sich die Vergabe der durch Privatstiftungen solcherart mit feudalem Gestus verteilten Mittel jeder Kontrolle durch demokratische Instanzen entzieht. Das scheint nur konsequent, denn das Rezept heißt – wie immer, seit ich als Kind und Jugendliche der 80er begriffen habe, dass so etwas wie Wirtschaftsund Sozialpolitik überhaupt existiert – Entsolidarisierung, natürlich immer unter dem Titel »Reform«: Verschlankung, Privatisierung, Deregulierung. Jetzt haben wir den Salat, wir Erdlinge. Überraschend ist eigentlich nur, dass mit immer demselben Rezept immer noch Neuerung behauptet werden kann.

    Eine solche Welt setzt Gefühle frei, vor allem natürlich das der Machtlosigkeit, der Marginalisierung. Da kann der Konsum von Kurznachrichten durchaus ein Ventil bieten, eine schnelle, rauschhafte Bestätigung der eigenen instinktgesteuerten Impulse auf dem grellbunten Meinungsstraßenstrich kann momentan Erleichterung verschaffen, selbst wenn der Nachgeschmack schal bleibt, auch weil die Meinungswelle ständig anschwillt, weil die Kammlinie unentwegt abbricht, die Empfangseinheiten verstopft und donnernd überrollt.

    Zeugnisse alltäglichen Irrwitzes sind allgegenwärtig – ob das die berüchtigte Pressekonferenz des amerikanischen Präsidenten vom 16. Februar 2017 mit ihrem massiven Angriff auf die Medien war, in der er den fake news-Begriff prägte, oder das Erstarken von etwas so hybridem wie einer nationalistischen Internationale, die auf den zweiten Blick doch eine erstaunlich ähnliche Fratze zeigt wie die alten nationalen Ismen, ob es der immer wiederkehrende Vorstoß ist, Bürgerrechte wie das Demonstrationsrecht einzuschränken (hier scheint es sich um ein Herzensthema des bis Dezember 2017 amtierenden österreichischen Innenministers Wolfgang Sobotka gehandelt zu haben, auch wenn die Aushöhlung der Demokratie in Polen und Ungarn eigentlich ein mahnendes Beispiel für einen sogenannten Bürgerlichen sein müsste), oder die Tendenz diverser europäischer Regierungen, die sattsam bekannte Anti-EU-Karte zu spielen, und das in Zeiten der bisher größten EU-Krise. Munter wird weitergezündelt, als hätte die Erfahrung der letzten Jahrzehnte nicht hinreichend klargemacht, dass man mit dem Versuch, das Schlimme zu tun, um das Schlimmere zu verhindern, immer nur wieder dem Schlimmsten Vorschub leistet, den niedrigsten Instinkten, an die eine solche Politik der billigen Lösungen eben appelliert. Als hätte man nicht begriffen, dass die Früchte dieser rechtspopulistischen Anstrengungen mittelfristig immer nur den rechtspopulistischen Parteien in den Schoß fallen, nicht denen der sogenannten politischen Mitte, selbst wenn sich daraus kurzfristig Kapital schlagen lässt, wie das der höchst medienkompatible neue ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz schon in seiner Funktion als Außenminister sattsam demonstriert hatte und dafür in der Presse, nicht nur in der österreichischen, weithin akklamiert wurde. Die Sexiness des Erfolgs generiert Erfolg, was für ein verführerischer Selbstläufer. Die Forderungen der extremen Rechten zu übernehmen, macht nur ebendiese salonfähig und nützt mittelfristig immer nur der Rechten, nicht der sogenannten Mitte. Politische Vorteile auf Kosten von Geflüchteten zu lukrieren, sprengt durchaus einen Konsens europäischer Volksparteien (einschränkend muss vielleicht hinzugefügt werden: wenigstens dann, wenn es auf so offenkundige Weise geschieht). Man darf gespannt sein, wie der neue österreichische Bundeskanzler Kurz mit dieser Hypothek umgeht. Darüber hinaus hat er zu verantworten, bei der Regierungsbildung auch stramm rechts agierenden Freiheitlichen zu Regierungs- und vor allem auch Verwaltungsämtern verholfen zu haben. Jedenfalls hat die FPÖ das Innen- und das Verteidigungsministerium für sich beanspruchen können, was ihr ganz nebenbei die Kontrolle über sämtliche Geheimdienste Österreichs verschafft.

    Rechts ist die neue Mitte: Die politische Mitte bewegt sich mit dem Anbiedern an rechte Positionen aus der Mitte hinaus und macht sich damit letztlich selbst obsolet (wo war noch mal die Position?), und ganz nebenbei adelt sie die Forderungen der extremen Rechten und höhlt den demokratischen Grundkonsens aus.

    Angesichts der Überfülle an Abstrusitäten hatte das Gefühl der Überforderung beim Schreiben dieses Essays solche Ausmaße erreicht, dass die Autorin sich wünschte, sie könnte die Auseinandersetzung mit der Gegenwart einfach absagen. Doch seit wann würde jemand freiwillig das eigene Unvermögen eingestehen? (Schlechtes Argument, und so gibt

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