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GegenStandpunkt 2-16: Politische Vierteljahreszeitschrift
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eBook338 Seiten3 Stunden

GegenStandpunkt 2-16: Politische Vierteljahreszeitschrift

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Über dieses E-Book

Von der „Europäisierung der Flüchtlingspolitik“ zur „Zusammenarbeit mit der Türkei“ und wieder zurück
Der humanistische deutsche Imperialismus kommt voran
Im Spätsommer 2015 verkündet die deutsche Kanzlerin, dass sich „mein Land“ nicht länger vor der immer weiter anwachsenden Flüchtlingswelle wegducken könne, die von Südsüdost auf Europa im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen zurollt. Obwohl sie diese Initiative mit einer vollständig im Menschlich-Moralischen angesiedelten Interpretation versieht und der Rest der Nation darüber umgehend in einen Streit gerät, in dessen Mittelpunkt ebenfalls ganz der Mensch, der flüchtende, steht, ist von Beginn an eines unübersehbar: Mit ihrem Vorstoß verschafft Merkel der von ihr regierten europäischen Führungsmacht einen weltpolitischen Auftritt, der die deutsche Macht vermittelt über die Flüchtlinge ins Verhältnis zu ihresgleichen: anderen staatlichen Mächten setzt und setzen soll. Ganz in diesem Sinne besitzt der unmittelbar nach Merkels Initiative losgetretene, ebenso heftige wie praxisorientierte Streit darüber, welche Gattungen von Flüchtlingen deutsches Willkommen (un-)bedingt (nicht) verdienen, nicht nur enormen patriotischen Agitprop-, sondern ebenso einen deutlichen politischen Klärungs- und theoretischen Aufklärungswert.

„Industrie 4.0“
Ein großer Fortschritt in der „Vernetzung“ und in der Konkurrenz um die Frage, wem er gehört
Unter dem Titel „Industrie 4.0“ wird nicht weniger als eine Zeitenwende verkündet, die zwar dem Namen nach nur die Industrie betrifft, aber der Sache nach die ganze Art und Weise verändern soll, wie in Zukunft produziert und konsumiert wird. Diese neue Welt lernt der Zeitungsleser zunächst und vor allem in Gestalt einer bunten Ansammlung von Stichworten kennen, die von „intelligenter Fabrik“ über „Internet der Dinge“ bis hin zu „Big Data“ reicht und gerne mit der „Digitalisierung aller Lebensbereiche“ zusammengefasst wird.

„Noch ist Polen“ schon wieder „nicht verloren“
Zusätzlich zu den nicht wenigen Krisenfällen im europäischen Bündnis hat sich seit dem Regierungswechsel Polen zu einem solchen ausgewachsen. Nach Aussage von Europa-Funktionären hat er das Zeug dazu, im Verein mit den anderen das Bündnis zu sprengen: „Flüchtlingskrise, Brexit-Abstimmung, der Konflikt mit Polen: Nie war das Ende der EU so nahe. EU-Kommissar Oettinger warnt,. dass ein Auseinanderfallen der Union eine ernsthafte Gefahr sei.“ EU-Parlamentspräsident Schulz: „Die EU war nie so herausgefordert, wie sie das zurzeit ist“.

„Je suis Böhmermann“
Kurze Chronologie eines Kampfes um Deutschlands Meinungsfreiheit
Ein öffentlich-rechtlicher Satire-Fachmann trägt voller Stolz – jedoch nicht ohne Hintersinn – ein Schmähgedicht auf einen ausländischen Potentaten vor, den in Deutschland von links- bis rechtsaußen sowieso schon jeder für die absolute Fehlbesetzung hält. Die deutsche Öffentlichkeit hält das mehrheitlich für total mutig. Sie verrät damit nicht nur einiges über das Recht auf freie Meinungsäußerung und deren öden Gipfel namens Satire, sondern ebenso über den Zusammenhang dieses jedem Menschen eingeborenen Rechtes mit dem nationalistischen Dünkel gegenüber fremden Mächten.
SpracheDeutsch
HerausgeberGegenstandpunkt
Erscheinungsdatum10. Juni 2016
ISBN9783929211849
GegenStandpunkt 2-16: Politische Vierteljahreszeitschrift

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    Buchvorschau

    GegenStandpunkt 2-16 - GegenStandpunkt Verlag München

    Impressum

    GegenStandpunkt – Politische Vierteljahreszeitschrift

    erscheint in der Gegenstandpunkt Verlagsgesellschaft mbH

    Kirchenstr. 88, 81675 München

    Tel. (089) 272 16 04; Fax (089) 272 16 05

    E-Mail: gegenstandpunkt@t-online.de

    Internet: www.gegenstandpunkt.com

    Redaktion: Dr. Peter Decker (verantwortlicher Redakteur),

    Dr. H. L. Fertl, H. Kuhn, W. Möhl, Dr. S. Predehl, H. Scholler, U. Taraben

    Anschrift der Redaktion und des verantw. Redakteurs: siehe Verlagsanschrift

    © 2016 by Gegenstandpunkt Verlag, München. Alle Rechte vorbehalten.

    GegenStandpunkt erscheint viermal im Jahr und ist zu beziehen über den Verlag

    oder über den Buchhandel

    Die Zeitschrift erscheint jeweils gegen Ende des Quartals.

    Bestellungen direkt beim Verlag oder im Buchhandel

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    ISSN der Druckausgabe: 0941-5831.

    ISSN-L 0941-5831

    ISSN 2198-5782

    EPUB ISBN 978-3-929211-84-9

    GegenStandpunkt 2-16

    Inhaltsverzeichnis

    Von der „Europäisierung der Flüchtlingspolitik zur „Zusammenarbeit mit der Türkei und wieder zurück

    Der humanistische deutsche Imperialismus kommt voran

    I. Die Flüchtlingsaffäre zwischen Deutsch-Europa und der Türkei

    1. Deutscher Imperialismus mit syrischen Flüchtlingen

    a)

    b)

    2. Türkischer Regionalimperialismus mit syrischen Flüchtlingen

    a)

    b)

    c)

    3. Deutsch-europäisch-türkischer Machtkampf in und anhand der Flüchtlingsfrage

    a)

    b)

    c)

    II. Das Junktim zwischen Europas Außen- und Innengrenzen – die nächste Etappe deutscher Hegemonie

    1. Frontex hilft – beim „Lösen der Flüchtlingskrise" und beim Abbau von Souveränität

    2. Die Dialektik von Europas Außen- und Binnengrenzen

    3. „Schengen muss endlich wieder funktionieren! – die aktuelle Definition von „Den Grenzen das Trennende nehmen!

    „Industrie 4.0"

    Ein großer Fortschritt in der „Vernetzung" und in der Konkurrenz um die Frage, wem er gehört

    I. Die „vierte industrielle Revolution" und ihre systembedingten Widersprüche für die Konkurrenz der Kapitalisten

    1. Die „Verschmelzung" von Industrieproduktion mit Informations- und Kommunikationstechnologie

    2. Die Widersprüche und Probleme, die sich kapitalistische Konkurrenten mit ihrer „Revolution" einhandeln

    a) Der Widerspruch zwischen der Vernetzung und ihrem Zweck – und die vorwärtsweisende Lösung: Konkurrenz und Kooperation um „Standards und „Daten

    b) Das Problem konkurrierender Kapitale mit der Verschmelzung von IT und Industrie – und die vorwärtsweisende Lösung: Der Kampf um die Beherrschung der gesamten industriell-digitalen „Wertschöpfungskette"

    II. Deutschlands „digitale Transformation" – einer europäischen Führungsmacht würdig

    1. Gesamteuropäische Rechtssicherheit unter deutscher Federführung

    2. Europa als Standort deutscher IT-Kapitale, die denen der USA gewachsen sind

    3. Die technische Aufrüstung des deutschen Standorts

    4. Staatliche Moderation der Kooperation von Konkurrenten

    5. Die Transformation einer Produktivkraftentwicklung zur Souveränitätsfrage

    III. Die Arbeitswelt 4.0

    1. „Modern Times" 2016 ff

    2. Sozialstaatliche Folgenbewirtschaftung

    3. Gewerkschaftlicher Epilog zu Fluch & Segen des technischen Fortschritts

    „Noch ist Polen schon wieder „nicht verloren

    Ein enttäuschter Nationalismus rechnet ab

    Die polnische EU-Bilanz

    Die polnische Wirtschaft: Produkt einer Kapitalisierung durch Anschluss, d.h. der Erschließung durch Auslandskapital unter dem EU-Reglement

    „Sind wir eine Zulieferwirtschaft?"

    Als Nettoempfänger in der EU auf deren Kriterien für Fortschritt verpflichtet

    Dem EU-Regime im Finanzsektor samt Haushaltsvorschriften im Namen des Euro unterstellt

    Ein entschiedenes Nein zum Euro

    Kampf um die EU-Geschäftsordnung, gegen die Subsumtion als Mitglied dritter Klasse unter die deutsch-französische Hegemonie

    Visegrád und andere Bündnisse statt Weimarer Dreieck

    Waszczykowski: „Welche Union will Polen?"

    Aufstand gegen die außenpolitische Linie der EU im Namen der polnischen Feindschaft gegenüber Russland: „Mehr NATO, weniger EU"

    Mehr NATO

    Umbau des Staats zur Rettung der Nation vor ihren Feinden

    „Wir müssen den demografischen Niedergang durchbrechen." (Ministerpräsidentin Szydło in ihrer Regierungserklärung)

    Beten statt Kindergeld

    Der entscheidende Hebel aller polnischen Bemühungen, sich gegen die Bremser und Russlandfreunde in der EU aufzustellen: die Waffenbrüderschaft mit Amerika

    Zu dem „Stichwort: Gerechtigkeit"

    I. „Kritische Anmerkungen zum Artikel „Stichwort: Gerechtigkeit

    II. Antwort der Redaktion auf „Kritische Anmerkungen zum Artikel „Stichwort: Gerechtigkeit

    III. Leserbrief 2 zu „Stichwort: Gerechtigkeit"

    Antwort der Redaktion

    I.

    II.

    III.

    Fragen zum Sozialstaat & zu Freiheit und Zwang in der Politik

    Leserbrief

    Antwort der Redaktion

    Zu 1. Warum unterhält Deutschland einen Sozialstaat?

    Zu 2. Was Politiker wollen, können und müssen

    Zum Aussteigen im Kapitalismus

    Leserbrief

    Antwort der Redaktion

    „Je suis Böhmermann"

    Kurze Chronologie eines Kampfes um Deutschlands Meinungsfreiheit

    Prolog: Ein Stück türkischer Imperialismus – als Hintergrundinformation

    Das Drama: Die entlarvende Inszenierung eines demokratischen Höchstwerts

    1. Akt: Prozess gegen Journalisten – ein Fall für deutsche Oberaufsicht

    2. Akt: Ein öffentlicher Gegen-Schauprozess

    3. Akt: Der deutsche Humor schlägt zu

    4. Akt: Der Türke versteht keinen Spaß – da versteht der Spaßmacher auch keinen mehr

    5. Akt: Böhmermann inszeniert sich als ultimative Nagelprobe

    Epilog: Wie’s wahrscheinlich doch nicht gemeint ist

    Die Botschaft von drei Landtagswahlen: Deutschland im Konflikt zwischen konservativem und reaktionärem Anpassungswillen

    Öffentlicher Streit der Regierungsparteien über den Aufstieg der AfD: Wie wir den Ausländerfeinden am besten das Wasser abgraben

    „Deutschland-Rente" – ein neuer politischer Vorschlag zur privaten Altersvorsorge: Mit mehr Erwerbsarmut wachsende Altersarmut bekämpfen

    Zur Übernahme von Kaiser’s Tengelmann: Edeka kämpft um die Marktführerschaft – Der ‚Verdrängungswettbewerb‘ und seine öffentliche Betreuung

    I. Staat und Öffentlichkeit betreuen die Konkurrenz im Lebensmitteleinzelhandel – wohlfeile Klarstellungen über das Verhältnis von Wettbewerb und Lebensunterhalt

    Wettbewerb – idealistisch

    Wettbewerb – realistisch

    Wettbewerb – zynisch

    II. ‚Verdrängungswettbewerb‘: Über die Methoden der Gewinnsteigerung im Lebensmitteleinzelhandel – Erpressung nach allen Seiten

    Verkaufsfläche: Indikator des Standes der Zentralisation und Mittel der Aneignung gesellschaftlicher Massenkaufkraft

    Kapitalgröße: Indikator der Erpressungsmacht und Mittel des Gewinns

    Lohndrückerei: Mindestlöhne als Normallöhne

    IG Metall „Aktionswoche für den deutschen Stahl"

    Die Logik des gewerkschaftlichen „Kampfs um Arbeitsplätze": Alles für den Erfolg des deutschen Stahlkapitals!

    ‚Für den Erhalt von Arbeitsplätzen!‘ = Kapitalerfolg als Sachzwang und Anrecht

    ‚Für den Erhalt von Arbeitsplätzen!‘ = rücksichtslose Kapitalförderung als Auftrag an den Staat

    ‚Für den Erhalt von Arbeitsplätzen!‘ = nationale Durchsetzung im internationalen Verdrängungswettbewerb als politisches Kampfprogramm

    „Kurzum: ohne Wenn und Aber für die Stahlindustrie!" (Jürgen Kerner)

    Von der „Europäisierung der Flüchtlingspolitik zur „Zusammenarbeit mit der Türkei und wieder zurück

    Der humanistische deutsche

    Imperialismus kommt voran

    I. Die Flüchtlingsaffäre zwischen Deutsch-Europa und der Türkei

    1. Deutscher Imperialismus mit syrischen Flüchtlingen

    a)

    Im Spätsommer 2015 verkündet die deutsche Kanzlerin, dass sich „mein Land" nicht länger vor der immer weiter anwachsenden Flüchtlingswelle wegducken könne, die von Südsüdost auf Europa im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen zurollt. Obwohl sie diese Initiative mit einer vollständig im Menschlich-Moralischen angesiedelten Interpretation versieht und der Rest der Nation darüber umgehend in einen Streit gerät, in dessen Mittelpunkt ebenfalls ganz der Mensch, der flüchtende, steht, ist von Beginn an eines unübersehbar: Mit ihrem Vorstoß verschafft Merkel der von ihr regierten europäischen Führungsmacht einen weltpolitischen Auftritt, der die deutsche Macht vermittelt über die Flüchtlinge ins Verhältnis zu ihresgleichen: anderen staatlichen Mächten setzt und setzen soll. Ganz in diesem Sinne besitzt der unmittelbar nach Merkels Initiative losgetretene, ebenso heftige wie praxisorientierte Streit darüber, welche Gattungen von Flüchtlingen deutsches Willkommen (un-)bedingt (nicht) verdienen, nicht nur enormen patriotischen Agitprop-, sondern ebenso einen deutlichen politischen Klärungs- und theoretischen Aufklärungswert.

    Sehr zügig nämlich stellt die deutsche Politik praktisch klar, dass sich größere Teile der Flüchtlingsmassen schlicht durch ihre Herkunft aus bestimmten Staaten insbesondere des Westbalkans als Nutznießer der neuen deutschen Willkommenskultur pauschal disqualifizieren und sich umgekehrt ihre – auf diese Weise überhaupt erst offiziell als solche definierten – Herkunftsstaaten zu obligatorischen Hilfsdiensten dabei qualifizieren, ihre Bürger aus Deutschland zurückzuführen und zukünftig gar nicht erst nach Deutschland gelangen zu lassen. Komplementär dazu werden ebenfalls sehr zügig die Flüchtlinge aus Syrien ganz ohne penible Einzelfallprüfung als diejenige Migrantenabteilung herauspräpariert, denen Merkels „freundliches Gesicht" in erster Linie gilt. Begründet wird das an den Flüchtenden mit der rechtlichen Kategorie „besonderer Schutzwürdigkeit für Kriegsflüchtlinge". Dies wiederum kann man, wenn man will, als Aufklärung oder zumindest als Hinweis dahingehend nehmen, was die Syrer für eine Macht wie Deutschland so interessant werden lässt: Es ist neben ihrer schieren Masse, die sich im dritten Quartal 2015 bereits von der Türkei über Griechenland bis nach Budapest und Wien staut und die ein irgendwie kontrolliertes Ventil verlangt, ihre politische Qualität als Produkt und Moment der Gewaltaffäre, welche die Weltöffentlichkeit in gewohnt gezielter Unsachlichkeit als „syrischen Bürgerkrieg" zu bezeichnen pflegt.

    b)

    Tatsächlich handelt es sich dabei um den derzeit wichtigsten Fall gewaltsam ausgetragener Staatenkonkurrenz um internationale Ordnungsstiftung: Bezogen einerseits auf die Nahostregion, die die EU als ihr südliches bzw. südöstliches nahes Ausland ins Auge fasst; auswärtige und regional ansässige Mächte ringen mit- und gegeneinander darum, dieser Staatengegend eine ihnen jeweils genehme Gewaltordnung zu verpassen und dafür den Konkurrenten die Anerkennung als befugte Stifter und Wächter dieser Ordnung abzutrotzen. Zugleich aber auch bezogen auf die von den Großmächten USA, Russland, dann auch Großbritannien und Frankreich global ausgetragene Konkurrenz darum, wer sich mit seinen Gewalteinsätzen bei den anderen den generellen Respekt verschafft, der die entscheidende Voraussetzung dafür abgibt, was dann als ‚Weltordnung‘ firmiert. Deutschlands kundigen Außenpolitikern ist klar, dass ihre Nation dabei nicht abseits stehen darf. Von der Höhe dieses Anspruchs aus ist ihr liebenswertes Land aber viel zu wenig mitbestimmendes Subjekt bei diesem multikulturellen Gemetzel. Mit der politischen Adoption des syrischen Flüchtlingselends und unter Berufung auf die Betroffenheit als Zielland eines Großteils der Flüchtlingsströme versucht die Merkel-Regierung, sich neu in diesen Machtkampf einzubringen. Sie definiert den Krieg als Fluchtursache und macht sich daran, dieser Definition die Anerkennung seitens der maßgeblichen kriegführenden Mächte zu verschaffen und dieser auch eine praktische Dimension zu verleihen: Erstens entfacht Deutschland eine neue diplomatische Initiative für eine ‚friedliche Beilegung des Konfliktes‘ und lässt seine Außenpolitiker dafür in die regionalen und relevanten internationalen Hauptstädte ausschwärmen; zweitens mischt es sich in den praktischen, für den Kriegsverlauf nicht ganz unerheblichen Umgang mit den Flüchtlingen in den unmittelbaren Nachbarländern und auch in Syrien selbst ein – selbstverständlich neben allem sonstigen politischen und militärischen Engagement, das darüber nicht eine Sekunde eingestellt wird.

    Dass im Zuge dieser imperialistischen Offensive die Türkei ins Zentrum der deutschen Bemühungen rückt, ist kein Zufall und schon gar kein unvorhergesehener. Von dem auch in Deutschland nicht unbekannten Standpunkt der puren Abschottung aus mag sich die Türkei als regionales Auffangbecken für Flüchtlinge ausnehmen, dessen Überlaufmechanismus schlecht justiert ist und daher Hunderttausende von denen nach Europa schwappen lässt – die Wahrheit über den türkischen Umgang mit diesen Gestalten ist das nicht. Und das wissen nicht zuletzt die deutschen Politiker, die der Türkei ein ums andere Mal eine „Schlüsselrolle bei der Bewältigung des syrischen Flüchtlingsproblems" zusprechen, mit der sie freilich viel mehr meinen als türkische Hilfe beim Fernhalten der Flüchtlinge von Europas Grenzen: Sie zielt auf eine türkische Politik, die mit den Flüchtlingen genauso viel anzufangen weiß wie die deutsche.

    2. Türkischer Regionalimperialismus mit syrischen Flüchtlingen

    a)

    Fast von Anfang der bewaffneten Auseinandersetzungen auf syrischem Boden an ist die Türkei eine der treibenden Kräfte dieses ‚Konflikts‘. Neben der Finanzierung und Bewaffnung der ihr genehmen Rebellengruppen, der logistischen Hilfe für deren Angriffs- und Rückzugsbewegungen etc. hat auch die Türkei die massenhaften Fluchtbewegungen von kriegsvertriebenen Syrern zu ihrer Sache gemacht.

    Erstens versucht die türkische Macht, die innersyrische und grenzüberschreitende Migration praktisch für sich auszunutzen: Die Flüchtlingslager auf türkischer Seite sind zugleich Rückzugs-, Stationierungs- und Rekrutierungsbasen für die Aufständischen, die sie unterstützt; innerhalb Syriens spielt die Massenflucht aus bestimmten Gegenden bzw. ihre Verhinderung eine Rolle dabei, wo die verfeindeten ethnisch-religiösen Gruppen und Grüppchen über eine menschliche Basis verfügen oder wo ihnen diese abhanden kommt; wie allen Seiten in diesem Krieg ist auch der Türkei geläufig, dass auf internationaler Ebene ausgehandelte ‚humanitäre Korridore‘, die ‚Notversorgung der Zivilbevölkerung‘ in eingeschlossenen Gebieten etc. dafür taugen können, den Gegnern militärisch Schwierigkeiten zu bereiten und was dergleichen Kalkulationen mit der Zivilbevölkerung in einem Kriegsgebiet mehr sind…

    Zweitens beruft sich die Türkei diplomatisch auf die Millionen inzwischen auf türkischem Boden anwesenden Syrer dafür, dass auch und gerade ihre westlichen Verbündeten anerkennen müssen, dass die an Syrien, Irak und Iran grenzende Mittelmacht unbedingt respektable strategische Interessen und Ansprüche und eine denen entsprechende Agenda in Bezug auf die gesamte Region hat. Und auf dieser Agenda ganz oben steht nicht nur die Bekämpfung Assads, sondern mindestens genauso dringlich die Bekämpfung jeder Perspektive kurdischer Eigenstaatlichkeit, weil die Türkei die für unvereinbar nicht nur mit ihrer Rolle als Regionalmacht, sondern überhaupt mit ihrer Definition von Souveränität hält. In diesem Sinne meldet die Türkei unter Berufung auf die Flüchtlinge entschieden – teilweise ganz direkt in Form einer von ihr immer wieder geforderten ‚Pufferzone‘ im Norden Syriens, analog zu ihrer jahrelang im Irak betriebenen Strategie – Mitspracherechte auf den laufenden Krieg und auf die syrische Nachkriegsordnung an. Von der wissen schließlich alle, dass sie auf keinen Fall eine Angelegenheit des ‚syrischen Volkes‘ – was bzw. wer auch immer damit gemeint ist – wird sein dürfen. Den in diesem Zusammenhang beständig wiederholten türkischen Verweis auf die islamische Religion, die das türkische Volk mit „unseren Brüdern und Schwestern" in Syrien gemeinsam hat, verstehen diejenigen, die es angeht, so, wie er gemeint ist: als Anspruch der Türkei auf die teuren Verwandten, i.e. auf ein prominentes Mitspracherecht in allen Kriegs- und Nachkriegsangelegenheiten, von denen die brüderlich-islamische Schutzmacht sie im Verein mit und in Konkurrenz zu den anderen Kriegsparteien betroffen macht bzw. noch zu machen gedenkt.

    b)

    Die Bilanz, die die Türkei nach über vier Jahren Syrienkrieg ziehen muss, fällt für ihre Führer nicht sonderlich positiv aus. Wie es sich gehört, machen sie dies nicht zuletzt an den Flüchtlingen geltend, die doch zu Großem taugen sollten und weiterhin sollen.

    An ihren westlichen Verbündeten beißt sich die Türkei mit ihrem Beharren auf autonom definierten, von den anderen als unhintergehbar anzuerkennenden politischen und strategischen Ansprüchen die Zähne aus. Zwar haben die viel Verwendung für türkische Hilfsdienste bei der Bewirtschaftung des Kriegsgeschehens ‚from behind‘ oder von sonst woher; und auch die Beherbergung von Millionen Kriegsflüchtlingen in riesigen Lagern, Erleichterungen bei Arbeitserlaubnissen etc. kommen den Alliierten sehr zupass, so dass sich insbesondere deutsche Politiker über die vorbildliche türkische Willkommenskultur zwischenzeitlich geradezu überschwänglich äußern. Das wissen sie aber fein säuberlich davon zu trennen, dass sie ansonsten für türkische Vormachtsambitionen in der Region, für Interessen, auf denen die Türkei pur aus eigener Machtvollkommenheit heraus besteht, nichts übrighaben – dass sie sich für türkische Anliegen instrumentalisieren lassen, kommt für sie nicht in Frage. Also schmettern sie allerlei diesbezügliche Vorstöße aus Ankara ab: Einen von der Türkei zwischendurch favorisierten Bodenkrieg lehnen sie ebenso ab, wie die von ihr beantragte Flugverbotszone; Patriot-Batterien stellen die NATO-Partner zwar irgendwo im Süden des Landes offiziell zum „Schutz des türkischen Luftraums" auf, aber die von der Türkei probehalber zum NATO-Fall ausgerufene Verletzung ihres Luftraums durch einen syrischen Hubschrauber heben sie nicht auf die Ebene einer militärisch zu beantwortenden Herausforderung für die transatlantische Bündnissolidarität. Auch mit dem massiven Auftreten Russlands auf dem syrischen Schlachtfeld ändert sich vom türkischen Standpunkt aus gesehen nichts an der mangelhaften Unterstützung seitens der westlichen Partner. Zwar verurteilen diese Putins Hilfe für seinen bedrängten Verbündeten Assad, aber in eine von der Türkei initiierte und bestimmte Konfrontation mit der russischen Macht mögen sie sich nicht zerren lassen. Entsprechend lauwarm fallen die Stellungnahmen aus, als es zu einem späteren Zeitpunkt zum Abschuss eines russischen Kampfjets durch türkisches Militär kommt; auch hier unterbleibt die von der Türkei angestrebte Aufwertung der Konfrontation vom türkisch-russischen Zwischen- zum NATO-Bündnisfall. Aber die westlichen Alliierten der Türkei verkneifen sich nicht nur, auf deren Forderungen nach Eskalation gemäß türkischem Kalkül einzugehen, sie versuchen ihrerseits, die Türkei dazu zu drängen, den Krieg gemäß westlichen Interessen, also entlang westlicher Freund-Feind-Prioritäten zu führen. Wo die Türkei ihnen mangelnde Solidarität im Kampf gegen die gemeinsamen Gegner vorwirft, da werfen sie der Türkei umgekehrt Bündelei mit oder jedenfalls mangelnde Distanz zu denjenigen vor, die sie als die gemeinsamen Gegner ganz oben auf ihren Listen haben. Die Türkei wird in die Anti-IS-Koalition genötigt, die türkische Zusammenarbeit mit dem großen Partner und Konkurrenten Saudi-Arabien wird auf die gleiche Weise kritisch verfolgt, türkisch-saudische Vorstöße für einen Bodenkrieg werden abgelehnt, dafür von diesen beiden Staaten mehr Einsatz beim gemeinsamen Luftkrieg und mäßigendes Einwirken auf die islami(sti)schen Rebellengruppen gefordert. Aber damit nicht genug: Endgültig unannehmbar ist für die ambitionierte türkische Macht, dass ihre NATO-Bündnispartner ihren Kampf gegen den kurdischen Separatismus, der im Zuge der fröhlich betriebenen Zerlegung des syrischen Staatswesens neu aufflammt, nicht nur nicht entschieden gutheißen und unterstützen, sondern mehr oder weniger offen hintertreiben. Während für die Türkei die Kurden die größte zu bekämpfende Gefahr in der ganzen Gegend sind, weil sie in deren Eigenstaatlichkeitsansprüchen – egal ob auf irakischem, syrischem oder sonstigem Territorium – letztlich einen Angriff auf sich, ‚Terrorismus!‘ eben, selbst entdeckt, erscheinen den westlichen Staaten die kurdischen Guerillatruppen dies- und jenseits der türkisch-syrischen Grenze als halbwegs brauchbare, halbwegs kontrollierbare Truppe sowohl gegen Assad als auch gegen die Islamisten von IS und al-Nusra. So dass sie schließlich auch nicht umhin können, der türkischen Regierung gewisse Defizite beim rechtsstaatlichen Umgang mit der kurdischen Opposition und überhaupt vorzurechnen…

    c)

    Mit der permanenten Zurückweisung der regionalpolitischen Ambitionen, die sie mit ihrer Beteiligung an einem halben Jahrzehnt auf syrischem Territorium ausgetragener Gewaltkonkurrenz verbindet, ändert sich für die Türkei auch der Blick auf ‚ihre‘ Flüchtlinge. In dem Maße, wie das imperialistische Nutzenkalkül nicht aufgeht, das sie auf diese Massen richtet, tritt zum Vorschein, was die ja nebenbei für den Staat Türkei auch noch sind: eine ziemlich kostspielige Last. Und so erfährt der subimperialistisch inspirierte türkische Umgang mit ihnen seine standes- und sachgemäße Fortsetzung: Im Sommer 2015 entscheidet Ankara, Flüchtlinge, die von der Türkei aus weiter nach Europa wollen, nicht mehr zurückzuhalten; gegen das schon vorher etablierte und nun sprunghaft anwachsende Schlepperwesen samt angrenzenden Geschäftsbereichen gehen die türkischen Behörden und Sicherheitskräfte nicht mehr aktiv vor. Dies geschieht nicht aus ‚Rache‘ – was deutschen Flüchtlingsfeinden gleichwohl sofort einfällt; dass man sie diesen Fremden aussetzt, können sie sich nur als abgrundtiefe Boshaftigkeit gegen das deutsche Heimatgefühl erklären –, sondern erstens um einen Teil der imperialistisch nicht im angestrebten Sinne brauchbaren Flüchtlingsmasse loszuwerden. Und zweitens sollen die aus türkischer Sicht für den mangelhaften politischen Ertrag aus dem Syrien-Krieg mitverantwortlichen Freunde in Europa dafür in Mithaftung genommen werden, um ihnen so perspektivisch doch die Zugeständnisse abzuringen, die sie bis dato so hartnäckig verweigern.

    Darauf nimmt Merkel also tatsächlich Bezug, als sie die syrischen Flüchtlinge zur deutsch-europäischen Angelegenheit erklärt. Das humanistische Verhältnis zu denen ist eine imperialistische Konfrontation mit der türkischen Regionalmachtspolitik, die diese Flüchtlinge zum einen mit geschaffen und zum anderen für sich instrumentalisiert hat. Von da an ist das sowieso nur bedingt harmonische Verhältnis

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