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Sonnwendfeuer: Österreich Krimi
Sonnwendfeuer: Österreich Krimi
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eBook269 Seiten3 Stunden

Sonnwendfeuer: Österreich Krimi

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Über dieses E-Book

Am Tag der Sonnwendfeuer versammelt sich ganz Bad Höfstein, um zu sehen, wie der riesige Holzstoß angezündet wird. Es ist der große Tag des Juweliers Heinrich Tauschitz. Nach einer ausgefeilten Rede darf er das Feuer entzünden. Doch mitten in seiner Rede explodiert das Sonnwendfeuer und Tauschitz und die neben ihm stehende Frau Weißhappel werden zu Opfern der Flammen. Inspektor Distl steht kurz vor der Pension. Nun muss er ermitteln, wer für die Explosion verantwortlich war.

SpracheDeutsch
HerausgeberFederfrei Verlag
Erscheinungsdatum12. März 2018
ISBN9783903092990
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    Buchvorschau

    Sonnwendfeuer - Hans Christ

    4

    Kapitel 1

    Pünktlich zur Sommersonnenwende regnet es in Bad Höfstein so stark wie das ganze übrige Jahr nicht. Das hat ebenso Tradition wie der Sonnwendbrauch selbst.

    Ich meine, Höfstein ist ja allgemein bekannt als Wasserkurort und nicht als Sonnenkurort, aber den Höfsteinern ist es halt auch lieber, das Wasser kommt aus den Thermalquellen und nicht kübelweise vom Himmel.

    Aber da kannst du nichts machen. Quasi Amen im Gebet.

    Oder wie bei diesen psychologischen Assoziierungstests, wo der Psychologe sagt »rot«, und du sagst spontan »Blut«, oder der Psychologe sagt »Baum«, und du denkst an deinen Nachbarn und sagst »Motorsäge«, also immer das Naheliegendste.

    Ganz genau das gleiche Schema bei der Höfsteiner Sonnwendfeier.

    Der Tourismusobmann sagt »Sonnwendfeuer« und der Petrus, ganz spontan, »Regen«.

    Und dann müssen die Burschen, die die ganzen Scheiterhaufen ringsherum auf den Berggipfeln und -graten aufschichten, nicht nur mühselig das Holz dort hinaufschleppen, sondern auch das Benzin, damit es, wenn es so weit ist, auch wirklich brennt.

    Aber genau genommen, könnten sie sich die Arbeit auch sparen, weil man von unten im Tal sowieso nie etwas sieht.

    Wegen der Wolken. Solche dichten Regenwolken wie in Höfstein haben sie nicht einmal drüben am Amazonas, dort, wo sie zum Wald Regenwald sagen. Es wundert mich, dass noch keiner auf die Idee gekommen ist, die Höfsteiner Wolken in Blöcke zu schneiden und statt den Ytong-Ziegeln zu verkaufen.

    Darum veranstaltet der Tourismusobmann auch jedes Mal für die Sommergäste ein extra Sonnwendfeuer im Kurpark, damit sie ein bisschen Erlebnis mit nach Hause nehmen können.

    Weil es ist für ihn schon so schwierig genug, die Sommerfrischler auf Dauer bei der Stange zu halten, obwohl du frischere Sommer als in Höfstein sonst nirgends findest.

    Und ich muss sagen, der Sommersonnwendholzstoß im Kurpark ist schon jedes Mal ungeheuer imposant. Weil er bis in die Wolken hinaufreicht wie der Turm zu Babel. Nur dass die Höfsteiner Wolken halt bereits bei den Balkonen im ersten Stock anfangen.

    Aber trotzdem sehr beeindruckend.

    »Na, heuer brunzt uns dein Petrus ja wieder schön ins Geschäft, Hochwürden«, brummt der Laitner, der seit einem Jahr der neue Tourismusobmann ist, wie er nach der Frühmesse aus der Kirche kommt.

    »Red doch nicht so geschert daher«, weist ihn Pfarrer Brauneder, der neben ihm durch den Regen zum Gasthof Alte Post eilt, zurecht. »Außerdem hat er recht. Heidnische Bräuche haben da bei uns nichts verloren. Auch wenn die Amtskirche leider längst dabei alle Augen zudrückt.«

    Der Brauneder ist ein ganz ein Scharfer. Der würde am liebsten sogar den Papst exkommunizieren, weil der seiner Meinung nach viel zu liberal ist. Was sich Rom heutzutage alles bieten lässt, geht auf keine Kuhhaut. Jahrhundertelang hat es einfach geheißen: roma locuta, causa finita, und gut war es. Jetzt rufen sogar schon Pfarrer selbst zum Ungehorsam gegenüber dem Vatikan auf, gründen Initiativen und treten für die gleichgeschlechtliche Ehe ein. Warum hat sich denn damals der Liebe Gott die Extramühe mit der Eva gemacht und nicht gleich zwei Adams auf einmal aus Staub geformt? Das wäre in einem Aufwaschen gegangen.

    Die Einzigen, die sich beharrlich gegen diesen Zeitstrom stemmen, ist die Pius-Bruderschaft, seinerzeit noch unter ihrem Erzbischof Levèvre, und was passiert mit ihr? In der öffentlichen Meinung, den Medien sowieso, wird sie zerrissen, und die Kirche entzieht ihr jede Unterstützung und nennt ihre Priesterweihen ungültig. Alles eine Spätfolge vom II. Vatikanischen Konzil unter dem liberalen Unglücksmenschen Johannes XXIII, diesem Roncalli. Aber was kann man schon von einem Papst erwarten, der wie ein Zirkus heißt, denkt der Brauneder verbittert. Besonders wurmt ihn, das sagt er natürlich nicht laut, dass zur Sonnwendfeier trotz dem Sauwetter immer viel mehr Leute kommen wie zu seinen Predigten, obwohl es in die Kirche nicht hineinregnet. Zumindest, seit er das Dach hat reparieren lassen.

    »Na na«, macht der Laitner, der ein ganz anderer Typ ist als sein Vorgänger Waggerl. »Nur nicht so hitzig. Immerhin habt Ihr euch ja andere heidnische Bräuche auch unter den Nagel gerissen. Das keltische Halloween zum Beispiel oder gar nicht zu reden vom Frühlingsfest der Ostara, was ihr zu eurem Ostern umgemodelt habt.«

    »Das Osterfest bedeutet die Auferstehung Christi.« Der Brauneder ist jetzt ganz fuchtig. »Deines Heilands. Du redest wie ein Freidenker.«

    »Denker sind immer frei«, kontert der Laitner und hat damit dem Pfarrer was zu kiefeln aufgegeben, zu dem ihm bis zur Post nichts Gescheites mehr einfällt.

    Die Wirtsstube ist bereits voll und dampft nur so vor nassen Jankern, Hüten und Zigarren. Am Stammtisch hocken die Honoratioren beisammen und begrüßen ihren Pfarrer mit lautem Hallo.

    »Nanu, Hochwürden, was verschafft uns die seltene Ehre? Ist der heurige Messwein zu sauer, oder ist es allein in der Kirche zu fad?« Das ist der Doktor Fink, der den Brauneder nicht um die Burg ausstehen kann und sich nicht sicher ist, ob er im Notfall bei ihm seinen hippokratischen Eid auch nachkommen würde.

    Aber bevor der Brauneder was erwidern kann, kriegt er Unterstützung vom Haunold, dem Besitzer und Gutsherrn vom Seilerhof. »Halt die Gosch’n, Doktor. Ein bisschen christlicher Beistand kann dir auch nicht schaden, vielleicht triffst du dann deine Diagnosen wieder besser.«

    Das ist jetzt natürlich ungerecht. Der Doktor Fink ist ein ordentlicher Gemeindearzt, der sogar noch Nachtbesuche macht. Weil heutzutage kannst du schwarz werden, wenn du glaubst, mitten in der Nacht kommt dir ein Doktor ins Haus. Die lassen sich nämlich nicht einmal mehr am Telefon erwischen. Da kriegst du höchstens die Notarztnummer vom Spruchband oder wirst gleich in die Ärztezentrale umgeleitet, die dann eine Rettung schickt. Aber anderseits wieder erklärlich: weil es ja genug Leute gibt, die glauben, nach dem Nachtfilm im TV noch ein wenig Anspruch auf Gesellschaft zu haben, und die klingeln dann den Doktor heraus, weil sie der Husten, den sie schon seit zwei Wochen haben, plötzlich um Mitternacht ärgert. Oder die Hand beim Handstand plötzlich wehtut. Nur bei der Luggabäuerin, auf die der Haunold jetzt anspielt, hat er sich damals halt ein wenig vertan. Die war aber auch eine Hypochonderin der Extraklasse. Normalerweise sind Bäuerinnen ja eher hart im Nehmen, aber bei der Luggaerin hat es alle Augenblicke woanders gezwickt. Darum hat der Doktor Fink ihren Spannungsschmerz im Bauch um drei viertel zwei in der Nacht auch nicht so ernst genommen und ihr ein Pulver gegen Blähungen gegeben, und wie sie dann später, aber zu spät, im Spital draufgekommen sind, dass ihr der Blinddarm durchgebrochen ist, ein bisschen dumm geschaut. Zu seinem Glück hat aber der Luggabauer die Gelegenheit, sich nach einer robusteren Bäuerin umzuschauen, beim Schopf gefasst und zum Dank auf eine Anzeige verzichtet. Aber im Ort verbreitete sich das damals natürlich wie ein Lauffeuer.

    Der Doktor wird ganz rot, nur kann er schwer etwas dagegen sagen, weil es erstens stimmt und zweitens der Haunold schon eine großmächtige Persönlichkeit in Höfstein ist.

    Als Seilerhofbesitzer ist man das automatisch. Der riesige Gutshof liegt idyllisch weit draußen vom Ort, dort, wo die steilen Felswände und der Bergwald anfangen, und hat im sechzehnten Jahrhundert dem Salzburger Erzbischof gehört, weil der für die Knappen, die ihm das Gold aus den Tauern geholt haben, eine ordentliche Ernährungsbasis gebraucht hat. Nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit oder christlicher Barmherzigkeit, sondern weil er gewusst hat, dass ein satter Esel besser zieht als ein verhungerter.

    Das Gut mit dem vierstöckigen Haupthaus und den Kreuzrippengewölben schaut zusammen mit den vielen Nebengebäuden und der Umfassungsmauer heute noch eher wie eine Burg aus.

    Und die Sommergäste aus Wien, Linz oder Stuttgart dürfen sich in den fünf historischen Appartements im obersten Stock auch wie die Burgherren fühlen. Oder, besser gesagt, durften, weil seit letzter Saison, wo die Mutter vom Haunold ihren Schlaganfall gehabt hat, vermietet der Haunold nicht mehr. Was wiederum dem Tourismusobmann Laitner sehr leidtut.

    Wenn man schon seit Generationen etwas besitzt, was früher einem Erzbischof gehört hat, entsteht natürlich eine kleine Seelenverwandtschaft. Und so klein ist sie beim Haunold gar nicht, weil die Familie schon immer katholisch war, durch und durch. Der alte Haunold, Landtagsabgeordneter und der jetzige Feuerwehrhauptmann und im Pfarrgemeinderat, geht auf jede Wallfahrt mit und trägt am Fronleichnam den Himmel.

    Drum weiß der Brauneder, dass er im Haunold einen tüchtigen Beistand hat, und sagt: »Ich bin gekommen, weil da herinnen der halbe Gemeinderat sitzt. Ich möchte euch daher nochmals bitten, die Sonnwendfeier morgen Abend abzusagen. So etwas steht einer gläubigen Gemeinde nicht an. Das ist etwas für die Gottlosen und ihre ketzerischen Gedanken gegen die Mutter Kirche. Deswegen werden sie später in der Hölle schmoren. Ein Gebirgstal aber, das auf die Gnade des Allmächtigen angewiesen ist, damit er im Winter reichlich Schnee schickt und trotzdem die Lawinen und Muren abhält, sollte sich nicht mit Ritualen heidnischen Ursprungs versündigen.«

    Jetzt aber. Die Höfsteiner sind von ihrem Pfarrer ja schon einiges gewöhnt, was konservativ anbelangt. Aber dass einer im einundzwanzigsten Jahrhundert wie ein Großinquisitor daherredet, noch dazu wegen so einer harmlosen und weitverbreiteten Brauchtumsangelegenheit, das ist doch wieder neu. Der Brauneder faselt doch glatt von Hölle und Ketzerei, wahrscheinlich hat er noch eine Streckbank und Daumenschrauben im Keller vom Pfarrhof.

    Ein Glück nur, dass alle im Trockenen sitzen, sonst hätte es ihnen jetzt in den offenen Mund hineingeregnet. Nur dem Laitner hat es nicht die Rede verschlagen. Der quetscht sich auf die Bank dazu und meint ruhig: »Der liebe Gott braucht es im Winter nur schön kalt werden lassen, den Schnee machen wir uns dann schon selber.«

    Logo, weil die teuren Schneekanonen samt den großen Speicherbecken müssen sich ja schließlich amortisieren und der Naturschnee heutzutage ist für das Schifahren sowieso eher ein Ärgernis. Das kennst du ja von den Schirennen im Fernsehen. Da karren sie tagelang ganze Lastwagenladungen mit Schnee vom Großglockner durch die Gegend, auf der Rennstrecke stapft das halbe Bundesheer die Piste fest, und wenn dann alles so richtig schön präpariert und spiegelglatt vereist ist, kommt so ein Wintereinbruch und haut ordentlich Schnee zwischen die Torstangen. Was bedeutet, dass das Rennen, wenn es nicht überhaupt abgesagt wird, nur verkürzt über die Bühne gehen kann. Was wiederum die Sponsoren und Zuschauer ärgert. Von seiner Sicht als Tourismusobmann hat der Laitner wiederum recht.

    Das bringt den Brauneder erst recht in Rage, er bleibt stehen, und wie er so wild gestikuliert, schaut er in seinem schwarzen Regenmantel mit den weiten Ärmeln aus wie eine Krähe vor dem Abflug. »Das ist die hohle Stimme der menschlichen Hybris, die sich über die Schöpfung erhebt.«

    Einige lachen jetzt, nur der Haunold und der Bürgermeister nicht, weil er in der gleichen Partei wie der Haunold ist und auf dessen politische Unterstützung angewiesen ist. Und der Eibisberger. Der hat bis jetzt auch nichts gesagt, weil sich Bankdirektoren nur selten äußern, wenn es nicht um Geld geht, aber das Getue geht ihm auf die Nerven. »Lassen Sie es gut sein, Herr Pfarrer. Wegen dem bisserl Sonnwendfeuer wird aus unserem Höfstein nicht gleich Sodom und Gomorrha werden. Unsere paar Sommerfrischler wollen auch eine Unterhaltung, wenn sie uns schon treu bleiben bei diesem Sauwetter, was uns Ihr Himmelsvater schickt. Ein paar harmlose Volkstänze um den Scheiterhaufen, der Obmann vom Brauchtumsverein hält eine kurze Ansprache und dann ein bisschen Glühwein für alle. Das ist doch keine Sünde.«

    Der Stocher Franz aber feixt: »Was hat denn die Kirche plötzlich gegen brennende Holzstöße? Im ganzen Mittelalter habt Ihr sie selbst angezündet, um die Hexen schön knusperig darauf zu braten.« Der Stocher muss das wissen. Weil der hat früher Lehramt studiert. Geschichte. Aber nicht fertig geworden. Jetzt fragt man sich natürlich, was so ein gescheiterter Lehramtskandidat auf einem Gemeindehonoratiorentisch zu suchen hat. Ganz einfach. Der Stocher hat nach dem Studienabbruch nämlich bei einer großen Salzburger Zeitung angefangen und ist jetzt bekannter Lokalreporter. Und einen Zeitungsmenschen schlecht zu behandeln, ist ein zweischneidiges Schwert. Da kannst du dir als Gemeinde und Bürgermeister geschwind eine schlechte Presse einfangen. Zeitungsmeldungen sind natürlich immer zwei Paar Schuhe. Dann steht entweder: Raser hat auf Gemeindestraße die Herrschaft über sein Fahrzeug verloren oder aber: Lenker hat auf dringend sanierungsbedürftiger Gemeindestraße die Herrschaft über sein Fahrzeug verloren. Und darum sitzt der Stocher am Honoratiorentisch, im Winter sogar mit Richtung Kachelofen.

    Als gewiefter Seelsorger erkennt der Brauneder Granit, wenn er daraufbeißt. In einer Theatralik, aber schon wirklich ifflandringwürdig, reißt er noch einmal die Hände in die Höhe. »Ich sage euch ein letztes Mal, lasst ab von eurem Tun, es liegt kein Segen darauf.«

    Dann flattert die schwarze Krähe eilig ab.

    »Der spinnt doch.«

    »So was muss man dem Bischof melden.«

    »Der wird ja immer ärger.«

    Das sind noch die nettesten Kommentare. Sogar der Haunold wirkt unangenehm berührt und säuft vor lauter Peinlichkeit sein Viertel in einem Ruck aus, um nichts sagen zu müssen. Der Bürgermeister macht es ihm aus dem gleichen Grund nach. Parteiinternes Synchronschwimmen im Wein nennt man das.

    Das alles hat einer von einem der Nebentische mitgehört. Man fragt sich jetzt natürlich, warum der Distl nicht auch, wie früher, am Honoratiorentisch sitzt. Antwort: weil er, seit er nicht mehr der Gendarmeriepostenkommandant in Bad Höfstein ist, dort nichts mehr verloren hat. Da gibt es am Land halt noch eine strenge Hierarchie. Quasi Kastenwesen.

    Dem alten Tierarzt Langmann ist es genauso ergangen. Wie der in Pension gegangen ist, haben sie ihn im Ort kaum mehr beachtet. Höchstens noch gegrüßt. Und alle haben gesagt, Gott sei Dank, jetzt kommt ein Junger, ein Moderner.

    Aber bald haben sie bemerkt, dass der Neue zwar ein Junger, aber auch eine rechte Flasche war. Und da haben sie den Langmann wieder oft zu Hilfe gerufen und ihn auch wieder an den Honoratiorentisch eingeladen. Und so hat der Langmann halt hie und da ein bisschen gepfuscht, wenn der Junge wieder einmal gepfuscht gehabt hat.

    Weil so ist das in Österreich. Du kannst bei der Arbeit pfuschen, aber alles legal, und du kannst noch so saubere Arbeit leisten, aber dann halt Pfusch.

    Der Langmann hat jetzt für seine Pfuscherei das Dreifache wie in seiner Aktivzeit verlangt, und auf den Honoratiorentisch hat er ihnen was geschissen.

    Für Polizisten im Alters-Pfusch gibt es hierzulande keinen Bedarf, und der Honoratiorentisch hat den Distl schon gar nicht interessiert. Nur sein Ohrwaschl war drüben. Sozusagen alte Berufsgewohnheit.

    Und drum hat er auch, wie das kurze Zeit später mit dem Tauschitz passiert ist, den letzten Satz vom Brauneder noch so gut im Ohr gehabt: »Es liegt kein Segen drauf.«

    Kapitel 2

    Es gibt Regen und Regen. Das, was in der Nacht vom Sonntag auf Montag niedergeht, aber schon wirklich.

    Die zwei Burschen in der Uniform der Freiwilligen Feuerwehr Bad Höfstein denken sich das auch.

    Sie sitzen auf einer Bierbank unter einer Plane, die zwischen vier Pfosten aufgespannt ist, und bewachen den Holzstoß für das Sonnwendfeuer. Den hat der Brauchtumsverein auf der Wiese neben dem Sportplatz errichtet, damit die Urlauber wenigstens herunten im Tal etwas zu sehen bekommen, wenn schon die Gipfelfeuer von den Regenwolken verschluckt werden.

    Und Bewachung ist absolut notwendige Maßnahme. Weil es schon vorkommt, dass die Nachbargemeinde eine Abordnung schickt, die unbewachte Holzstöße anzündet. Das ist am Land so der Brauch wie das Maibaumstehlen. Nur beim Maibaum kriegst du ihn für ein Fass Bier wieder zurück, aber mit einem abgefackelten Holzstoß kann kein Mensch mehr was anfangen. Und dann kommen noch die Blamage dazu und der Spott aus der Nachbargemeinde.

    Darum hat der Brauchtumsverein seit Jahren ein Abkommen mit der Feuerwehr, damit sie gegen eine kleine Spende von der Gemeine und den Hoteliers den Schutz für den Holzstoß übernimmt. So ein Sonnwendfeuerholzstoß ist ja kein ordinärer Haufen, wie wenn einer die alte Kücheneinrichtung aus dem Fenster geworfen hat, sondern ein sorgfältig aufgestapeltes Kunstwerk nach allen statischen Kriterien. Da stecken viel Arbeit und Können und Holz drin, da macht sich der Laie gar keinen Begriff.

    Der Haunold als Feuerwehrkommandant ist natürlich in der Zwickmühle. Auf der einen Seite sein Pfarrer, der den Holzstoß am liebsten selbst anzünden möchte, auf der anderen die Gemeinde, die was für den Tourismus tun will. Weil, wenn du aus Wanne-Eickel anreist oder aus Berlin oder Rotterdam, dann ist ein Sonnwendfeuer mitten in den Bergen schon ungeheuer malerisch und romantisch.

    Außerdem sind Spenden immer willkommen.

    Deshalb also doch Rund-um-die-Uhr-Bewachung.

    Damit die nicht so fad ist, spielen der Ferdl und der Julian Schnapsen mit doppeldeutschen Karten. Ab und zu steht einer auf und drückt von unten gegen die gewölbte Plane, dass das Wasser wieder abrinnt. Dabei muss er aber aufpassen, dass die vier Petroleumlampen nicht von ihrem Nagel am Pfosten fallen.

    »Wenn du jetzt noch einmal zudrehst, steh ich auf und geh heim«, schimpft der Ferdl, der deutlich jüngere. »Möchte überhaupt wissen, zu was wir dahocken. Völliger Schwachsinn. Bei dem Guss traut sich doch eh kein Schwein ins Freie, und der Stoß brennt sowieso nicht. Da müsstest du erst ein paar Kanister Benzin drüberschütten.« Man merkt, dass es dem Ferdl ernst ist.

    »Wenn du jetzt gehst, mein Lieber«, sagt der Julian, »dann frisst dich der Haunold Karl morgen zum Frühstück. Da ziehst du deine Uniform am besten gleich hier aus und marschierst als Nackerter nach Hause. Deine Feuerwehrlaufbahn kannst du dir dann nämlich auf den Hut stecken.«

    »Aber du musst doch selbst zugeben, dass bei so einem Wetter keine Gefahr für den Stoß besteht.«

    »Kann man nie wissen. Benzin haben die G’fraster aus den anderen Dörfern auch, und die Gelegenheit, Höfstein zum Gespött zu machen, ist einen Schnupfen allemal wert. Außerdem, Auftrag ist Auftrag. Der Karl legt höchsten Wert auf Disziplin. Ein Feuerwehrmann, sagt er immer, kann noch so gut sein, ohne Disziplin ist er eine Gefahr für sich selbst und die Kameraden. Erinnere dich an den Gschweidl. Der hat damals vergessen, die Motorsägen wieder aufzufüllen, und wie damals bei dem Sturm oben auf dem Kreuzbichl der Baum auf das Auto vom Hufschmied ist, haben wir ihn nicht gleich aus dem Wrack gekriegt, weil wir den Stamm nicht zerteilen haben können. Der Weber Pauli hat dann noch einmal geschwind runter ins Zeughaus müssen, Benzin zu holen. Und was war? Bis wir den Baum endlich zersägen haben können, war der Hufschmied tot. Obwohl es nachher geheißen hat, dass es eh fraglich war, ob er seine Verletzungen überlebt hätte, die Dreiviertelstunde hat seine Chancen aber

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