Die schönsten Sagen und Legenden aus Potsdam
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Über dieses E-Book
Christine Anlauff hat fünfzehn der schönsten Sagen der Region gesammelt und neu erzählt. Sie schildern, wie die Landschaft, ihre Namen, aber auch die Eigenheiten der Gegend entstanden – vom Babelsberg bis zum Griebnitzsee, von der Mühlentradition bis zum ältesten Haus der Stadt.
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Rezensionen für Die schönsten Sagen und Legenden aus Potsdam
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Buchvorschau
Die schönsten Sagen und Legenden aus Potsdam - Christine Anlauff
Autorin
Sagenhaftes Potsdam – eine Art Vorwort
Vor ungefähr zehn Jahren übernahm meine Familie einen Garten. Der Vorpächter führte uns ausführlich über die rund 500 Quadratmeter, auf denen er heroisch versucht hatte, die Botanik sämtlicher Klimazonen zu vereinen. Die Folge war, dass hitzeresistente Hartlaubgewächse an einen Plastikteich mit Minitrauerweiden und jene wiederum an einen kleinen Nadelwald voller vertrockneter Blaubeerbüsche grenzten – all das, wie er stolz erklärte, jahrelanges Eigenwerk.
Wir lächelten, nickten, und als er gegangen war, griffen wir umgehend zum Spaten. Mit schlechtem Gewissen, aber was sollten wir machen: Uns stand der Sinn weniger nach einem botanischen Garten als nach Salat, Erdbeeren und vielleicht einer Spielwiese für die Kinder. Als wir jedoch in die Erde stachen, stießen wir überrascht auf Widerstand. Ein Stück daneben auch. Endlich fanden wir eine nachgiebige Stelle und begannen zu graben. Und siehe da: Nach einer Stunde hatten wir im Schweiße unseres Angesichts eine Wanne freigelegt. Keinen Zinkbottich, sondern eine gute alte Emaillebadewanne, wie sie normalerweise in Bädern steht. Doch dies war nur der Anfang unserer Entdeckungen. Nach und nach gesellten sich ein Plastikschwimmbecken, diverse löchrige Töpfe, Kanister und andere Gerätschaften, ehemaliges Gartenmobiliar aus Plastik usw. hinzu. Und einigermaßen frustriert nahmen wir zur Kenntnis, dass der Vorpächter uns eine bepflanzte Schrotthalde hinterlassen hatte.
Unsere Kinder indes teilten diesen Ärger in keiner Weise. Für sie waren all die verschütteten und nun »leider« freigelegten Gegenstände der unschlagbare Beweis dafür, dass unter den zukünftigen Erdbeerbeten jemand gewohnt hatte, ein Volk, das nun seines Friedens beraubt war und noch dazu ohne Einrichtung dastand. So entstehen Sagen.
Mit den hier gesammelten verhält es sich nicht viel anders. Denn was ist eine Sage anderes als die wunderliche (und oft lyrische) Erklärung für eine Eigenheit der Gegend, in der man lebt und mit der man sich so verbunden fühlt, dass sie einem auffällt?
Und da Potsdam und Umgebung während der letzten
1.300 Jahre von unterschiedlichsten Völkerschaften bewohnt wurden, die einander – teils friedlich, teils durch zähe Kriege – ablösten, ergab sich eine erkleckliche Summe solch märchenhafter Geschichten, die, wie der »Räuber vom Liefeldsgrund« zuweilen sogar modernen Kriminalgeschichten ähneln, mit Spannungsbogen und listigem Showdown.
Es war allerdings nicht ganz leicht, sie zu bergen. Für Stadtführungen, die ich ab und an für Freunde und Bekannte gebe, hatte ich mich vor einigen Jahren auf die Suche nach einer Sammlung von Potsdamer Sagen gemacht, mit denen ich die Fakten- und Datenlast der einzelnen Stationen unterhaltsam unterfüttern konnte und stellte schließlich erstaunt fest: Es gab keine. Jedenfalls keine halbwegs aktuelle.
Erst nach längeren Recherchen stieß ich im Brandenburger Literaturportal auf einzelne Geschichten – zumeist aber Anekdoten aus der Zeit Friedrichs des Zweiten –, auf ein in den letzten DDR-Tagen entstandenes, knapp gehaltenes Sagen-Heftchen des Bezirks Potsdam und endlich auf Karl von Reinhards »Sagen und Märchen der Potsdamer Vorzeit«. Natürlich waren Letztere in dem verschwärmten und für den heutigen Geschmack schwer verständlichen und völkischen Duktus des 19. Jahrhunderts verfasst. Außerdem gehen sie recht jovial mit geschichtlichen Fakten um. Doch lässt sich in der Leidenschaft ihrer Erzählung noch heute die Liebe eines Potsdamers zu seiner wald- und wasserreichen Heimatstadt erkennen.
Selbst gebürtige Potsdamerin, war es mir ein Vergnügen, mich ihrer und der anderen Quellen anzunehmen und die alten Mären neu zu erzählen. Ich hoffe, lieber Leser, Sie genießen sie ebenfalls. Und vielleicht nehmen Sie die Lektüre, mithilfe der beigefügten Karte, einfach an die entsprechenden Orte mit und genießen sie dort – und sehen sie danach mit anderen Augen. Denn was für den einen nur eine Badewanne in der Erde, ist für den anderen ein verwunschener Ort.
Unter den Eichen
In der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts, als der Wilzenkönig Dragowit von seiner Burg Brennabor – der späteren Brandenburg – herunter über die Ländereien an Spree und Havel herrschte, erstreckte sich über beinahe den gesamten Potsdamer Werder ein dichter, uralter Eichenwald. Durch diesen zog sich vom Heiligen See bis zum heutigen Lustgarten und von Glienicke her in jene Richtung, wo inzwischen die Stadt Werder liegt, ein undurchdringlicher, gegabelter Bruch. Jedes Frühjahr fluteten ihn die Wasser der anschwellenden Havel, und dann teilte sich die große Insel stets für etliche Zeit in drei lang gestreckte kleinere.
Von ihnen war die nördlichste mit ihren verstreuten Gehöften zwischen Eiche, Bornim und dem Pfingstberg am dichtesten besiedelt und unterstand dem Krul der Heveller. Auf der südlichen dagegen schmiegte sich nur eine Handvoll ärmlicher Hütten ans Ufer der Havel, gegenüber der Stelle, wo sie sich mit der Nuthe verband. Ihre Bewohner, allesamt Fischer, kannten die Havel wie ihre Westentaschen und befuhren sie tief in ihre verzweigten Arme hinein, um nach Lachsen, Stören und Welsen zu jagen. Vor den düsteren Sümpfen und Wäldern aber, die ihre Heimstatt im Norden umschlossen, grausten sie sich und betraten sie so gut wie nie.
Stieg man in einen der Fischerkähne und ruderte den Fluss etwa zweieinhalb Stunden stromab, dann gelangte man zum Flecken Jelito, dem heutigen Geltow. An der Stelle, wo jetzt die Kirche von Alt-Geltow steht, hatte sich der Krul der Heveller eine feste Burg gebaut, von der aus er in den weitläufigen Wäldern um den Schwielowsee auf die Jagd zu gehen pflegte. Es war dies eine wuchtige, aber schlichte Unterkunft. Aus einem doppelten Erdwall ragte ein turmähnliches Gebilde, das aus groben Feldsteinen und Baumstämmen unförmig zusammengesetzt war. Nur eine einziehbare Brücke führte über den Graben zwischen den beiden Wällen, und außer einer kleinen Tür besaß der Turm keine Öffnungen, die man vom Boden aus hätte erreichen können. Erst in erheblicher Höhe schnitten sich schmale Scharten ins Mauerwerk, durch die etwas Licht und Luft in die Räume drang. Und noch höher hinauf fand der Rauch der ständig brennenden Steinöfen seinen Weg durch einige rußschwarze Löcher.
Genau wie die Burg war auch ihr Besitzer roh und ungeschlacht. Überall fürchtete man seine Grausamkeit, besonders seit der Oberkriwe – der oberste Priester der Heveller – des Kruls einzigen Sohn in eine Schlacht gegen die Deutschen gezwungen hatte und der Junge dort gefallen war. Zum neuen Erbfolger hatte der Krul widerwillig seinen Neffen Chocus bestimmt, einen lebenslustigen, jungen Mann, ungefähr im selben Alter wie der Verstorbene. Doch obgleich der Alte streng darauf achtete, Chocus dieselben Ehren zuteilwerden zu lassen wie vorher seinem Sohn, blieb sein Herz dem Jüngling fremd. Bei Festmahlen oder Opferritualen sah man Chocus zuweilen an seiner Seite, ansonsten gingen sie getrennte Wege.
Je älter der Krul wurde und je weißer sein Haar, desto bitterer fraß sich der Verlust in seine Seele. Immer häufiger zog er sich in seine Burg zurück. Selbst die langen Winterabende verbrachte er dort allein in seiner Halle vor dem Feuer. Nur noch sehr selten ließ er nach Chocus schicken. Auch zur Jagd ritt er nicht mehr aus, und bald sprach sich herum, dass der Krul, seiner einzigen Lebensfreude beraubt, auf den Tod warte.
Chocus hingegen genoss seine Jugend in vollen Zügen. Die Mädchen machten ihm schöne Augen und schmückten sich, wenn er im Dorf war, in der geheimen Hoffnung, ihm aufzufallen. Der junge Thronfolger belohnte ihre Mühen mit freundlichem Lächeln, wählte aber keine von ihnen zu seiner Gefährtin. Seine Lust galt der Jagd. Ure, Hirsche, Wölfe und Bären, selbst der gelbschnäblige scheue Wildschwan, nichts war vor ihm sicher, und stets kehrte er von seinen Streifzügen mit reicher Beute beladen zurück.
Eines Tages geschah es, dass er sich nach einer erfolgreichen Wolfsjagd von seinem Knecht in Templin mit dem Kahn abholen ließ, um nach Jelito überzusetzen. Es herrschte ein kräftiger Westwind, und die Wellen schlugen hoch, sodass sie nur mit Mühe vorankamen. Als sie fast den Wentorf erreicht hatten, verlor der Knecht zu allem Übel auch noch das Ruder. Darauf blieb ihnen nichts weiter übrig, als mit ihren Spießen vorwärtszustaken.
Hatten sie aber ein paar Meter geschafft, warf der Sturm sie wieder zurück, schon wurde es dunkel, und die Muskeln erlahmten ihnen langsam, und noch