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EX-QUATOR: Die Suche
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eBook758 Seiten11 Stunden

EX-QUATOR: Die Suche

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Über dieses E-Book

Das Buch erzählt die Abenteuer eines jungen Franzosen namens Jacques, welcher in der Nachkriegszeit als Schiffsjunge anheuert. Auf der DS Humboldt führt die Reise nach Süden, durchs Mittelmeer, den Kanarischen Inseln, Kapverden zur Atlantiküberquerung mit weiteren Zielhäfen in Südamerika. Bei seinem Landgang in Las Palmas lernt er Isis kennen und verliebt sich in sie. Das Buch beginnt hier den Faden der Suche, des Findens, der Enttäuschung und des Wiederfindens mit all seinen Hindernissen zu erzählen. Nachdem Jacques auf dem Schiff Gran Canaria verlässt, sein Herz an Isis verloren, gerät das Schiff bei der Atlantiküberquerung in ein Unwetter und geht unter. Jacques kann sich jedoch mit einigen anderen Seeleuten retten und findet sein Bewusstsein in einem Spital in Recife wieder. Das Buch hat seinen Namen Ex-quator von der Position, an der die DS Humboldt sinkt, 35 Grad West, 0 Grad Nord, also exakt am Äquator, eine Idee Jacques, der auf die Aufmerksamkeit aller Schiffsgäste eines Passagierschiffes zählte und auch mit dem Überleben belohnt wird. Während des Wiedersehens mit dem verbleibenden Rest seiner Mannschaft im Spital von Recife, wird seine Neugier nach einem Mädchen, welches sich am Passagierschiff um den bewusstlosen Jacques kümmerte und von seinen Kameraden beschrieben wurde, geweckt. Sein Herz und seine Liebe drängen Jacques nach Isis zu suchen. Die harte Realität des Lebens erleichtert seine Suche jedoch nicht und legt ihm Hürde nach Hürde auf den Weg. So bedarf es fast drei Monate, in denen Jacques in eine Schusterfamilie aufgenommen wird, das Leben ihm Neues lehrt, bis Jacques aufbrechen kann um seine Suche nach Isis fortzusetzen. Hier lernt der Leser mehr von der Person Jacques kennen, seiner Liebe zu Tieren, seiner Offenheit und auch der Tatsache, dass er eigentlich nicht weiß wer er wirklich ist.
Findig wird er schließlich in der Einwanderungsliste der Hafenbehörde von Montevideo, doch dies ist nur der Anfang seiner langen Suche......
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum21. Feb. 2020
ISBN9783347015470
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    Buchvorschau

    EX-QUATOR - Ulrich MÄSER

    Am Anfang war der Weg

    Mit einem gar fürchterlichen Knall zerschellte der Bierkrug an der Mauer der Gaststube. Das Bier spritzte den meisten Besuchern dieser urigen, alten Hafenkneipe auf ihre teils kahlen Häupter. Gegröle und Gelächter waren die einzigen Reaktionen der überschwänglichen Trunkenbolde. Es wurde geschrien, geschubst, aus Leibeskräften gesungen und mit den Krügen gegenseitig angestoßen, bis diese alsbald durch die ungezügelte brutale Lust an Herbheit und Ungestüm zerbrachen und sich das Bier über die Tische, Stühle und die Trunkenbolde selbst, schäumend ergoss. Seit langem schon traute sich keine Frau mehr in diese Kneipe am Hafen, denn jeden Abend ging es darin äußerst wild und rau zur Sache. Die meisten, die in diesem Lokal ihr Geld verzechten, waren Matrosen und Seemänner, die ihre letzten Tage Landurlaub mit vollen Zügen der Zecherei und Sauferei verbrachten. Wenn der Abend dämmerte, so sah man keine Magd mehr in dieser verruchten Gegend, selbst die Damen des horizontalen Gewerbes mieden diese Straßenzüge. Viele Gallonen an Bier flossen Abend für Abend in die grauen Tonhumpen des Lokals. Als Speis gab es nur deftige Küche, wie Schweinestelzen, Eintopf oder Fischsuppe. Der Geruch der Kneipe setzte sich aus Bier, Fisch und starkem Schweißgeruch der Kundschaft zusammen und wurde noch durch den Qualm der Zigarren und Pfeifen verschärft. Aus dem Gegröle konnte man nur selten einzelne klare Worte erkennen, die Besucher waren meist derart betrunken, dass nur Gestammel zu vernehmen war. Doch war dies, so schien es für die Einwohner dieser Stadt, eine für diese Seeleute notwendige Art, sich vor ihrer nächsten langen Fahrt von ihren Sorgen zu befreien…

    Es war der Abend des 20. Januars Anno 1946. Der Vorabend zur Abfahrt eines Handelsschiffes Namens „Humboldt nach Südamerika. Die Humboldt war eines der letzten Schiffe, die nur mit Dampf betrieben, auf so lange Fahrten ging. Offenbar war die gesamte Mannschaft an diesem Abschiedsabend an Land, um in der alten Kneipe noch einmal so richtig ihr Landleben feiern zu können. So auch Jacques, der Schiffsjunge mit seinen jugendlichen dreiundzwanzig Jahren. Er versuchte wie ein alter Seebär beim Trinken mitzuhalten, doch nach zwei Humpen Bier war es meist um ihn geschehen, so auch an diesem Abend. Er stürzte auf die Gasse und musste sich übergeben. Jacques grölte auf seinem Weg zurück zum Schiff genauso laut wie seine Kumpane, denn all dies schien ihm einen richtigen, stolzen Seemann auszumachen. Jacques war, so wie die meisten am Schiff, Franzose. Doch nur sein Vater stammte aus diesem Land, seine Mutter kam aus der fernen Slowakei, eine in ihrer Jugend wunderschöne blonde Grazie. Jacques fühlte sich wie ein ganz normaler Junge, der im Abenteuer seine Erfüllung suchen musste. Es war seine dritte Fahrt als Matrose, jedoch seine erste große. Zuvor setzte man dieses schon eher zum Alteisen gehörende Schiff nur auf kurzen Strecken ein. So gelangte Jacques bei seinen ersten beiden Fahrten nur nach Neapel und Tripolis. Marseille war zu dieser Zeit der wichtigste Hafen im Mittelmeer, von dem aus die meisten Fracht- und Passagierschiffe nach Südamerika und Südafrika ablegten. Die Humboldt wurde zu früheren Zeiten auf den Strecken nach Südamerika mit Fracht und Passagieren eingesetzt. Der Komfort in den Passagierbereichen entsprach nicht mehr den Anforderungen, und so fuhr dieses Schiff nur noch mit Fracht aller Art beladen, die billigeren Einsätze, ohne Passagiere. Der gesamten Mannschaft war es klar, dass dies die letzte Fahrt für dieses Schiff auf eine so lange Strecke war. So plante, fünf Tage nach dem Ablegen der Humboldt, ein modernes Passagierschiff die gleiche Strecke zu befahren, und dieses Schiff würde trotzdem zwei ganze Tage vor der Humboldt den ersten Hafen in Südamerika erreichen. Von Marseille bis zum letzten Zielhafen dieser beiden Schiffe, Buenos Aires, war ein Unterschied von mehr als zehn Tagen Fahrtdauer geplant. Das Passagierschiff mit dem klangvollen Namen „La Grande Belle, erreichte durch den Antrieb mit Dieselmotoren wesentlich mehr Geschwindigkeit und Reichweite als die alten, mit Dampfmaschinen betriebenen Schiffe.

    Es war der Morgen gekommen, an dem die Humboldt sich aufmachte um auf ihre letzte große Reise zu gehen. Schwerarbeit war es zu damaliger Zeit die Leinen einzuholen, den Anker zu lichten und das Schiff aus dem Hafen zu manövrieren. Jacques war beim Ziehen der Leinen und Trosse immer wieder an die Grenzen seiner Kraft gestoßen und Blutergüsse sowie Blasen auf den Händen waren für ihn jedes Mal schmerzvolles Lehrgeld. Endlich war das Schiff zur Hafenausfahrt ausgerichtet und langsam stieg der Druck in den Dampfkesseln des Schiffes, um mit viel schwarzem Qualm aus den zwei Schornsteinen den Hafen zu verlassen. Der Kapitän, der alte Seebär Gruiard, konnte diesen Augenblick nicht ohne ein langes Heulen der Schiffspfeife verstreichen lassen. Am Kai und an der Hafenausfahrt waren wieder viele schaulustige Besucher und natürlich auch Angehörige der Mannschaft zusammengekommen, um Abschied zu feiern und dem Schiff viel Glück auf seine lange Reise zu wünschen. So entdeckte auch Jacques seinen Vater und seine Mutter am Ende der Hafenmole mit zwei weißen Tüchern, die sie wie wild schwenkten. Jacques freute sich maßlos und winkte ebenfalls solange er die weißen Tücher erspähen konnte. Einige Tränen traten in seine Augen, kullerten die Wangen hinab, doch der milde Wind auf See trocknete diese schnell. Es war auch der Tag seiner Geburt, der 21. Januar. An seinem Geburtstag hinaus in die weite Welt, konnte es ein schöneres Geschenk geben? So blieb er noch eine Weile an der Reling stehen, blickte zurück auf Marseille und begann ein wenig über seine Erinnerungen an seine Heimat zu sinnen.

    Jacques lebte in Aix-en-Provence, welches nur etwa zwei Stunden mit dem Ochsenkarren von der Stadtgrenze von Marseille entfernt war. In einem armen Teil der Stadt waren mehrere Häuser so eng aneinandergebaut, dass man von einem Fenster zum gegenüberliegenden greifen konnte. Im obersten Stock eines dieser Häuser hausten seinen Eltern, zusammen mit ihm und seinem Onkel Philippe. Jacques liebte es, an Tagen an denen kein Besuch im Hause war, zu Fuß zu einem, etwa eine halbe Stunde entfernten, alten verlassenen Schloss zu laufen und dort vor dem verschlossenen Gittertor zu verweilen. Er hatte schon die gesamte Mauer inspiziert ob er nicht irgendwo ein Loch oder eine Möglichkeit fand um in den großen Garten zu gelangen. Die Leute erzählten, dass es in diesem Schloss nicht mit rechten Dingen zugehen sollte, und immer, wenn jemand versuchte einzudringen, so wurde dieser alsbald tot im nahegelegenen Wald wiedergefunden. So wagte sich bald niemand mehr das riesige Anwesen des Schlosses zu betreten oder nur den Versuch zu wagen, mehr über dieses mysteriöse Gelände herauszufinden. Das große schmiedeeiserne Tor bestand aus zwei mal zwei Flügeln, welche hintereinander angeordnet waren, ein Graben mit einer Klappbrücke aus Holz dazwischen. Man konnte nur sehr schwer erkennen, was sich im Inneren des großen Parks befand, wie das Schloss aussah, konnte eigentlich niemand genau sagen. Selbst die älteren Bewohner von Aix-en-Provence konnten keine Auskunft über das große Gut oder seine ehemaligen Bewohner geben. Wenn man auf die Mauer kletterte, welches aber nur mit einer langen Leiter möglich war, so blickte man wiederum nur auf den mit Wasser und Schilf gefüllten Graben, der zwischen diesen beiden Mauern lag. Jacques probierte einmal aus, die Leiter in den Graben zu lassen, doch so tief er die Leiter auch ins Wasser lies, es war kein Boden zu spüren, an dem die Leiter hätte Halt finden können. Die wildesten Phantasien träumte Jacques bei seinen Besuchen vor oder auf der Mauer des Schlosses. Manchmal verbrachte er Stunden vor der Schlossmauer und träumte. So malte er sich auch diesmal in seiner Phantasie ein Leben innerhalb der Mauern des Schlosses aus.

    Die Schiffspfeife schrillte ein letztes Mal zum Zeichen des Abschieds von Marseille und riss Jacques jäh aus seinen Tagträumen. Ein kribbeliges Gefühl machte sich in seinem Magen breit, denn dies war der Anfang seiner ersten langen Reise, die ihn in ein fremdes, für ihn unglaublich weit entferntes Land führte. Was würde ihn in Südamerika erwarten, wie würden die Leute dort aussehen, welche Sprache würden sie sprechen, was würde es dort alles zu sehen, zu essen, zu trinken, zu kaufen, zu bewundern geben, ja tausende Fragen beschäftigten ihn. Es war eine Mischung aus Angst, Neugier, Abenteuerlust und jugendlichem Wissensdrang, die ihm das flaue Gefühl im Magen bescherte. Doch der Tag war nun eben einmal da, es war soweit, er befand sich auf dem Weg in die Ferne. Jacques stand noch lange draußen und blickte zurück in Richtung der französischen Küste, die nur langsam kleiner und kleiner wurde, bevor sie nach etwa zwei Stunden auf See verschwand. Nach mehreren Stunden Fahrt konnte man westlich vor dem Schiff die spanische Küste erkennen. Der Kapitän der auf der Brücke stand, blickte ebenfalls in diese Richtung und genoss das wunderbare Wetter an diesem Tag. Die See war so ruhig, dass das Schiff überhaupt nicht stampfte oder schwankte. Jacques lief voll Neugier hinauf auf die Brücke, um den Kapitän über das vor ihnen liegende Land zu befragen.

    - Spanien, mein Junge, der Hafen von Barcelona liegt vor uns. In etwa vier Stunden werden wir östlich von Barcelona einen Kurswechsel weiter nach Süden durchführen. –

    gab der Kapitän mit einem Ton der Sehnsucht von sich.

    - Sag mir, wo liegt der nächste Hafen nach Süden, mein ehrwürdiger Kapitän? –

    fragte Jacques. Der Kapitän nahm Jacques an der Hand und ging mit ihm durch das Ruderhaus, die Mitte der Brücke, in den Navigationsraum, welcher direkt hinter dem Steuerraum gelegen war und von einem riesigen Holztisch in der Mitte des Raumes beherrscht wurde. Es gab einen Schrank, der mit Seekarten der ganzen Welt gefüllt war, eine Kommode mit Navigationsbesteck, Sextanten und vieles mehr welches zur Navigation auf hoher See von Nöten war. Mit offenem Mund bestaunte Jacques alles, was er hier erspähte. Er war begeistert. Der Kapitän öffnete die Papierrolle, breitete die Seekarte auf dem Tisch aus und fixierte sie an allen vier Ecken.

    - Sieh hier, mein Junge, das ist der Hafen von Barcelona, querab von diesem Leuchtturm, er ist auf der Hafenmole von Barcelona aufgestellt, werden wir einen Kurswechsel auf 180°, also genau nach Süden durchführen. Unser momentaner Kurs beträgt 200° auf dem Kompass, man kann es auch mehr oder weniger Süd-Süd-West Kurs nennen. –

    Jacques staunte und fragte, fragte und fragte.

    Mehr als eine halbe Stunde ging es darum, welchen Kurs sie gerade fuhren, wann sie diesen wechselten, den Kompasskurs, den Strömungsvorhaltewinkel, den Windvorhaltewinkel und vieles mehr, welches die Navigation des Schiffes betraf. Der Kapitän gab bereitwillig auf alle Fragen sehr genaue, und zum Teil für andere nicht verständliche, da zu komplizierte Antworten. Der Steuermann der draußen am Ruder stand und den gegebenen Kurs ganz genau halten musste, schüttelte immer wieder den Kopf, denn der Kapitän erklärte diesem einfachen Schiffsjungen mit einer derart ausführlichen Genauigkeit die kompliziertesten Navigationsaufgaben. Seiner Meinung nach, konnte dieser doch niemals, nicht einmal annähernd, nur ein wenig dessen, was der Kapitän von sich gab, verstehen. Selbst er, der schon so viele Jahre zur See fuhr und als Steuermann mit Navigation ständig zu tun hatte, verstand nur die Hälfte der Erklärungen des Kapitäns. Jacques bedankte sich kurz und verschwand in den Mannschaftsraum um ein wenig zu schlafen. Das Deck war bei der Abfahrt ein wenig schmutzig geworden, und so gab es für diesen ersten Nachmittag auf See die vornehme Aufgabe für die Schiffsjungen, mit Jacques waren es vier, bewaffnet mit Bürsten und Eimern das Deck zu schrubben. Während Jacques zusammen mit Antoine das Vorderdeck schrubbte, bemühten sich die anderen zwei um den hinteren Teil des Schiffes. Jacques begann nach einiger Zeit von seinem Ausflug auf die Brücke und die Informationen des Kapitäns zu erzählen. Antoine blickte immer wieder zu Jacques auf, schaute ihn mit seinen großen dunklen Augen unwissend und verwirrt an, denn er verstand nicht ein einziges Wort von dem, was Jacques von sich gab. Doch Jacques hörte nicht auf, seine neuen Eindrücke und sein soeben erworbenes Wissen über einige Dinge der Navigation von sich zu geben. Zum Schrubben auf Deck trugen die Jungen ihre kurzen weißen Hosen und kurzärmelige weiße Hemden, jedoch waren sie barfuß. Antoine hielt kurz inne und fragte Jacques, um doch auch endlich etwas von sich zu geben.

    - Du hast eine Muschel auf einem Lederband um den Hals hängen, warum? –

    Jacques erwiderte nur sehr kurz

    - Ich bin Seemann, dies ist mein Talisman! –

    denn er wollte keinem der anderen Matrosen am Schiff nur einen einzigen Ton von seinem nach außen so primitivem Anhänger preisgeben. Diese einfache, unscheinbare Muschel konnte man nur durch einen Trick öffnen, darin war, aus purem Gold, ein wunderschön gefertigtes Schmuckstück versteckt. In der Mitte befand sich ein ganz klarer, funkelnder, kreisrunder Edelstein. Jacques wusste nicht um welche Art von Stein es sich handelte, er hatte solche Steine schon manchmal am Markt in Aix en Provence gesehen, doch immer hatten sie andere Formen als der Seine, es waren aus Kristallglas geschliffene Ziersteine, die in der Sonne in den verschiedensten Farben funkelten. Dieser Stein war von wunderbar zart gefertigten Girlanden umgeben, welcher dann einer Sonne glich, die ganz hell schien. Auf der Unterseite war diese auf einem länglichen nach oben gewölbten Bogen mit nach unten geführten Linien befestigt, so dass etwas mehr als die Hälfte des Steines über dem Bogen lag. Man konnte beide Muschelhälften, die auf ihren Innenseiten durch das Perlmutt ebenfalls ein wunderschönes Farbenspiel preisgaben, so aufklappen, dass sie eine Waagrechte ergaben und der Stein mit dem goldenen Kunstwerk senkrecht nach oben stand. In dieser Position sah der Stein aus wie die Sonne die am Horizont versinkt oder aufgeht. Je nach dem Licht in das man sie hielt, leuchtete sie in zartem Rosa, Gelb, Orange oder Blau. Antoine sah Jacques nur verwundert an und zuckte kurz mit seinen Schultern. Aberglauben war für Seemänner eine ganz normale Sache. Viele der berühmtesten Geschichten der Seefahrt hatten mit dem Aberglauben der Seeleute zu tun.

    Der Süd Kurs lag nun schon eine Weile an und man konnte auf der rechten Schiffsseite noch immer deutlich die spanische Küste erkennen. Doch in der Ferne tauchte auch links Land auf. Jacques hatte seinen Teil der Arbeit beendet und fragte den Obermaat um Erlaubnis wieder kurz zur Brücke laufen zu dürfen. Der Kapitän hatte schon seit einiger Zeit Jacques bei seiner Arbeit beobachtet und so war es ihm auch nicht entgangen, dass Jacques seine Arbeit sehr schnell und doch gründlich tat, wobei er immer wieder aufblickte um die Küste zu beobachten. So erwartete der Kapitän Jacques bereits auf der Brücke, ein großes Fernrohr in der Hand haltend. Wieder dauerte das Gespräch der Beiden fast eine halbe Stunde, es ging um die genaue Position, die in Koordinaten nach Breiten und Längengraden bestimmt war, die Insel links vor Ihnen „Ibiza" hieß, und dass Entfernungen in der Seefahrt in nautischen Meilen angegeben wurden. Jacques erfuhr weiter, dass die Geschwindigkeit des Schiffes in Knoten gemessen wurde, also nautische Meilen pro Stunde und vieles mehr. Beiläufig fragte der Kapitän nach einigen Details die er am Vormittag Jacques erklärt hatte, und Jacques sprühte förmlich vor Antworten. Es war der Versuch eine Bestätigung dessen zu finden, was der Kapitän schon einige Zeit vermutete, nämlich der Tatsache, dass Jacques ein sehr intelligenter Bursche war. Der Kapitän fragte Jacques ob er nicht Lust hätte am nächsten Abend mit ihm das Abendmahl einzunehmen. Jacques war begeistert, stimmte sofort zu und wünschte sich soviel er nur konnte von diesem alten und so erfahrenen Kapitän lernen zu können. An diesem Abend gab es für die Mannschaft, also auch für Jacques, Antoine und die anderen Matrosen Eintopf. Bis spät in die Nacht wurde noch über dies und jenes gesprochen, bevor die Lichter auf dem Schiff langsam erloschen und nur mehr diejenigen wach waren, die die erste Wache hatten. Eine solche Wache bestand aus einem Steuermann, der Kurs, Geschwindigkeit und Navigation des Schiffes überwachte und steuerte, einem Maschinisten, der die Befehle des Steuermanns im Maschinenraum weitergab und die Maschinen steuerte, sowie die wichtigsten Teile der Maschine und des Getriebes immer wieder mit Öl zur Schmierung versorgte, vier Heizern, die die Dampfkessel mit Kohle fütterten um die Temperatur und dadurch die Kraft des Wasserdampfes hoch zu halten, und einem Matrosen, der im sogenannten Vogelnest Ausschau halten musste. Das Vogelnest war ein kleiner Standplatz, hoch oben am vordersten Mast des Schiffes, von dem aus, jedes Hindernis vor dem Schiff besser und schneller erkannt werden konnte. Weiter hatten ein Schiffsjunge und ein Telegraph, auch Funker genannt, während einer solchen Wache, Dienst. Die erste Wache am Abend, dauerte von acht bis zwei Uhr in der Früh. Danach war die zweite Wache bis acht Uhr am Morgen eingeteilt. Jacques war in dieser Nacht für die zweite Wache vorgesehen, so musste er also versuchen, früher zu Bett zu gehen, um nicht während seines Dienstes Gefahr zu laufen wieder einzuschlafen. Als er sich in seinem Lager zur Ruhe legte, schlief er fast unmittelbar ein, denn die zahlreichen Erlebnisse des Tages, sowie das Stampfen und Fauchen des Schiffes bescherten ihm eine Bettschwere die seine springenden Gedanken lähmten und den Schlaf wie eine schwarze Decke über ihn zog. Mitten im tiefsten Schlaf läutete die Schiffsglocke, es war viertel vor zwei Uhr in der Nacht. Jacques lief so schnell er konnte zu den Mannschaftsduschen, um einer der ersten zu sein, schrubbte sich mit der Kernseife die bei jeder Dusche an einem Band befestigt war und verwendete zum Schluss kaltes Wasser, um so ordentlich munter zu werden. Jedes Mal, wenn das kalte Wasser seinen Körper erreichte zuckte er zusammen, konnte kaum atmen und stieß kurze Laute von sich. Mit seinem großen Handtuch bekleidet eilte er zurück zu seinem Schlafplatz und bekleidete sich. Zu solchen Diensten musste er die lange, dicke weiße Hose mit dem Langarmhemd und seiner Jacke tragen. Socken und weiße Schuhe sowie sein Seemannsbarett komplettierten seine Ausstattung. Dieses Barett war wie bei allen Matrosen weiß, hatte darunter einen schwarzen Rand auf dem der Name des Schiffes geschrieben stand. DS HUMBOLDT stand auf seiner Kappe, also Dampfschiff – Humboldt. Dieser Tage gab es ja fast nur noch MS, also Motorschiffe. Eilig lief Jacques zur Mette, ein sehr großer Raum in der die Messen gelesen wurden, Besprechungen mit der Mannschaft abgehalten wurden und sich eben auch die Wache einfand, um auf Vollständigkeit geprüft, eventuelle Instruktionen für ihren Dienst zu erhalten. Diesmal gab es nichts Besonderes und so begab sich jeder auf seinen Arbeitsplatz. Als Schiffsjunge hatte man eigentlich keine fest eingeteilte Arbeit, man war sozusagen das Mädchen für alles, jeder auf dem Schiff konnte einem Schiffsjungen Befehle erteilen, denn diese waren ja die Letzten in der Hierarchie.

    Jacques beschloss eine Runde, der Reling entlang ums Schiff zu gehen, dann sich einen warmen Platz zu suchen um eventuell ein bisschen zu dösen. So verging rasch die Zeit bis zum Morgengrauen und Jacques begab sich ganz nach vorne um den Sonnenaufgang im Osten besser bewundern zu können. Es war ein wunderschöner Sonnenaufgang. In den herrlichsten Farben zeigte sich die Sonne langsam höher steigend, wie eine glühende Kugel, die aus dem Meer emporstieg um endlich mit dem Wasser Kontakt zu verlieren, und so ihre volle Pracht und Leuchtkraft entfalten zu können. Jacques dachte an seinen Anhänger, welch wunderschönes Kunstwerk mit tiefer Bedeutung zur Natur, der Sonne, dem Meer und dem Feuer, das er so dicht an seinem Herzen trug. Diesen Anhänger hatte er von seinem Vater bekommen. Er erinnerte sich an den Zusatz, dass dies Jacques Leben sei, sollte er es verlieren würde er auch sich selbst, seine Familie sowie seine Vergangenheit und Zukunft verlieren. Jacques öffnete seine Muschel und blickte durch den Stein auf die Sonne. Es war ein noch wunderbareres Funkeln des Lichts, als die Sonne es je hätte zeichnen können. Für Jacques war diese Muschel sein Leben wert, und so fragte er sich nie über den weltlichen Wert dieses Anhängers. Nach der kühlen Nacht genoss offensichtlich jeder an Bord der zu dieser Stunde auf den Beinen war, die wärmenden Strahlen der Sonne. Bis auf die Mannschaft aus dem Maschinenraum waren alle Männer der Morgenwache an Deck und blickten in Richtung Osten. Aus dem Mannschaftsraum kamen auch bereits die ersten Köche, die bald mit den Vorbereitungen für das morgendliche Frühstück beginnen mussten. Die gesamte Besatzung der DS Humboldt bestand aus über fünfzig Männern, die natürlich einen großen Hunger mitbrachten. So gab neben zwei Bäckern, die Brot und frisches Gebäck zubereiten mussten, vier Köche und zwei Kochgehilfen. Um Punkt Sieben läutete der Koch vom Dienst die Glocke, welches für den Tagdienst das Zeichen war das Frühstück im Speisesaal der Mannschaft einnehmen zu können. Kurz nach Acht konnten dann die Nachtwachen, nachdem ihr Dienst zu Ende war, ihr wohl verdientes Frühstück zu sich nehmen. So auch diesen Morgen Jacques. Es gab für jeden eine Scheibe Wurst, eine Scheibe Käse sowie etwas Marmelade. Zwei Stück Gebäck oder drei Scheiben Brot konnte man wählen, dazu einen Becher mit Kaffee oder Milch. Tee gab es in großen Kannen, soviel man trinken wollte oder konnte. Es war ein einfaches, aber für die meisten der Seeleute ausreichendes Mahl. Da Jacques in eher ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen war, freute er sich jedes Mal über eines dieser, für ihn sehr ausgiebigen Frühstücks. An diesem Tag war nichts Spezielles für die Mannschaft vorgesehen, für alle war es ein Tag der Ruhe, und so beschäftigte man sich mit sich selbst oder spielte Karten. Nur Jacques war wieder vor lauter Neugierde auf die Brücke verschwunden um über Position, Kurs und Seekarten zu hören und zu lernen. Die anderen Schiffsjungen machten sich über Jacques lustig, sie hatten keinerlei Interesse, irgendetwas Neues zu lernen. Wieder war es ein strahlend schöner Tag geworden, windstill und wunderbar warm. Das Schiff befand sich bereits südlich von Alicante und nur noch eine halbe Stunde lag auf dem momentanen Kurs an, bevor Richtung Gibraltar ein Kurswechsel nach Westen durchzuführen war. Der Kapitän ließ Jacques, den neuen Kurs aus der Karte mit Lineal und Zirkel messen. Jacques war sehr stolz, da es ihm auf Anhieb gelang. Mit der Frage, welche Schule Jacques besucht hatte, entließ der Kapitän Jacques wieder von der Brücke, denn der alte Gruiard wollte sich ein wenig zur Ruhe legen. Jacques antwortete wie immer sehr kurz, aber ohne Zweifel ehrlich und genau,

    - In keine –

    Der Kapitän schüttelte den Kopf und antwortete leise.

    - Bis zum Abendessen. -

    Jacques spazierte wieder aufs Vorderdeck um in Richtung der spanischen Küste seine Blicke schweifen zu lassen. Er spürte den linden Wind, der durch das Meer über den er streifte, mit Feuchtigkeit und Salz versetzt war. Es war ein herrliches Gefühl, ein Gefühl der Freiheit und der jugendlichen Unbeschwertheit, die Jacques aus vollen Zügen genoss. Mit jedem Atemzug spürte er, wie sich sein Wunsch nach Abenteuern und neue Länder kennen zu lernen, näherte und langsam verwirklichte. Jacques strich sich mit seiner rechten Hand durch seine dunkelblonden Haare, die er offensichtlich von seiner Mutter geerbt hatte. Diese Handbewegung machte er schon lange unbewusst. Sein Vater hatte ihn bereits mehrmals daraufhin angesprochen, doch Jacques ignorierte dies. Er dachte immer wieder bei sich, dass jeder Mensch auf der Welt etwas eigen haben konnte. Seine Haare waren immer sehr kurz geschnitten. Er war kein Freund von Kamm und Bürste, die sich durch diesen Haarschnitt, für ihn erübrigten. So waren seine Finger der Kamm. Für die folgende Nacht hatte er keine Wache eingeteilt, doch wurde er zunehmend nervös, da alsbald das Abendmahl mit dem Kapitän nahte. Jacques wurde zum ersten Maat gerufen. Der erste Maat war der Ranghöchste Matrose der nicht zu den Schiffsoffizieren gehörte. Der erste Maat gab Jacques ein schönes weißes Hemd und sagte ohne eine Miene zu verziehen,

    - Ich weiß nicht wo deine Grenzen sind, doch hüte dich davor, zu vertraut mit dem Kapitän zu werden. –

    Mit großen Augen schaute Jacques den Maat an, drehte sich langsam um, und verschwand leise mit einem

    - Danke für den Hinweis. -

    Die Glocke der Küche läutete zum Abendessen für die Mannschaft, doch Jacques blieb in seiner Koje liegen, erst als alle anderen zum Mahl verschwunden waren, richtete er sich auf zog sein schönes neues Hemd an und lief zur Küche. Den Ersten, der aus der Küche kam, hielt er an und fragte,

    - Wann wird der Kapitän essen? –

    - In einer halben Stunde –

    lautete es aus der Küche,

    - Wenn du Jacques der Schiffsjunge bist, so sollst du in etwa zwanzig Minuten beim Chef antanzen. -

    Nervös, aber voller Erwartungen wartete Jacques vor der Türe des Kapitäns, zappelte dabei von einem Fuß auf den anderen und klopfte schließlich an der Türe. Sein Herz klopfte dabei ebenso laut wie sein Zeigefinger an der Holztür.

    – Herein –

    lautete die Stimme des Kapitäns. Jacques betrat vorsichtig und schüchtern die Kapitänskajüte, verneigte sich und wünschte einen schönen Abend.

    - Komm Jacques, setz dich hier her, es gibt bald etwas zu essen. Ich hoffe du bringst einen großen Hunger mit, mein Magen knurrt schon kräftig. –

    Nachdem die beiden völlerhaft speisten, bat der Kapitän Jacques zu der dick gepolsterten Sitzbank, um mit ihm ein wenig zu plaudern.

    So wie zu Mittag fragte der Kapitän wieder,

    - Welche Schule hast du besucht? Keine, sagst du, das verwundert mich aber sehr, denn ich habe das Gefühl, du könntest Lesen und Schreiben. Oder sollte ich mich da irren? Ich habe dir absichtlich Dinge erklärt, die für normale Matrosen unverständlich sind, sogar Einiges, welches nicht einmal meine Offiziere wissen, ich glaube auch zum Teil nicht verstehen würden, und du hast dir das so genau gemerkt. Ich hatte den Eindruck du hättest es auch verstanden. Nun all dies musst du jetzt deinem Kapitän erklären –

    Jacques blickte sehr verwundert auf und antwortete kurz aber bestimmt,

    - Ich habe niemals eine Schule besucht. Lesen, schreiben, sowie alles andere, lernte ich bei einigen lieben, mit meinen Eltern befreundeten Padres die sehr oft zu uns auf Besuch kamen, oder die ich in ihren Klöstern aufsuchte. –

    Der Kapitän setzte so mit seiner Neugierde fort,

    - Wie sieht es mit Rechnen aus, oder vielleicht einer höheren Mathematik? –

    Jacques erinnerte sich an die Worte des ersten Maats und versuchte diplomatisch zu antworten.

    - Nun, um meinen Sold und meine Ausgaben kalkulieren zu können, glaube ich reicht mein rechnerisches Wissen aus. –

    Jacques merkte langsam, dass er dem Kapitän gegenüber, mehr Vorsicht an den Tag legen musste. So kam Jacques in der Hoffnung, Neues zu lernen und Fragen über Fragen stellen zu können, doch es war nun der Kapitän, der bis zu diesem Augenblick die Fragen stellte. Jacques versuchte noch kurz das Thema zu wechseln, doch merkte er sehr bald, dass eigentlich nur der Kapitän seine Neugierde stillen wollte. Jacques stellte sich zunehmend dumm und verließ, eine große Müdigkeit vortäuschend, bald die Kajüte des Kapitäns. Aus solchen Treffen und Gesprächen konnte Jacques immer wieder für sein Leben lernen, denn es war nicht immer ratsam, allen Menschen zu vertrauen, geschweige diesen offen zu begegnen. Jacques wusste zu genau, dass die Worte des Maats eine Bedeutung für ihn hatten, und wollte diesen ab nun etwas mehr Beachtung schenken.

    In den folgenden Tagen ging Jacques nicht mehr auf die Brücke, irgendwie waren die Fragen des Kapitäns für ihn zu viel gewesen. Die Neugierde jedoch entfach in ihm immer wieder die Sehnsucht etwas Neues von der Schifffahrt zu lernen. So kämpfte in seinem Herzen die Neugierde gegen das Misstrauen. In diesen Tagen führte die Route das Schiff durch die Meeresenge von Gibraltar hinaus auf den weiten Atlantik. Jedoch hielt sich der Kurs immer an der afrikanischen Küste entlang nach Südwesten, mit einigen Kurswechseln steuerte die Humboldt in Richtung der Kanarischen Inseln. Für die Mannschaft waren es ganz normale Arbeitstage ohne besondere Aufgaben. Die meiste Zeit verbrachte man damit, Ausschau nach Hindernissen oder anderen Schiffen zu halten. Die See wurde, nachdem das Schiff das Mittelmeer verlassen hatte und nun den Atlantik befuhr, wesentlich rauer. Die Temperatur des Wassers sank ebenfalls um mehrere Grade, welches man auch an den verschiedenen Fischarten erkennen konnte. Vermehrt gab es jetzt Fisch zu den Mahlzeiten.

    Immer wieder begegneten der Humboldt Frachtschiffe, die sich auf dem Weg zurück nach Europa befanden. Der Handel in Europa war nach dem Ende des langen Krieges wieder langsam am Erwachen. Jedes Mal wurde mit dem Schiffshorn zum Gruß ausführlich gepfiffen. Das Wetter zeigte sich weiterhin von seiner besten Seite, die Sonne schien jeden Tag heiß und unverhüllt, in immer steilerem Winkel auf das Schiff herab. Jacques war tagsüber nur noch in seiner kurzen Hose auf dem Schiff unterwegs. Den Sonnenbrand, den er sich täglich holte, linderte Albert, einer der Schiffsköche mit einem speziellen Gemisch, welches er in den vielen Jahren, die Albert schon zur See fuhr, durch Zufall entdeckte und seitdem immer wieder erfolgreich anwandte. Es handelte sich dabei um eine Flüssigkeit aus Karottensaft, Olivenöl, Kokosmilch, Fischfett sowie einigen Kräutern, die gekühlt mehrere Tage lagern musste, bevor Albert sie eine halbe Stunde lang kochte und dann durch ein Sieb in kleine Flaschen abfüllte. Jeder an Bord, der sich einen Sonnenbrand holte, bekam dann von Albert so ein kleines Fläschchen. Jacques rieb sich nach der Dusche am Abend und am Morgen mit dieser Flüssigkeit ein und merkte bald wesentliche Linderung seiner Verbrennungen. Albert verwendete dieses Zufalls-Heilmittel in den ersten Jahren seiner Seefahrerei nur bei Verbrennungen durch heißes, spritzendes Öl oder kochendes Wasser, die er sich bei der Küchenarbeit zuzog. Als jedoch eines Tages ein neuer Offizier durch die extreme Sonne auf See derart starke Verbrennungen erlitt, dass dieser sich nicht mehr bewegen konnte, sich die Haut in großen Fetzen zu lösen schien und der Offizier vor solch starken Schmerzen zu schreien begann, wusste Niemand mehr an Bord was zu tun war. Damals versuchte Albert dem Offizier vorerst nur psychisch zu helfen, indem er ihm seinen Verbrennungssaft als mögliche Hilfe anbot, und den Offizier unter großen Schmerzen, damit gleich an Ort und Stelle einrieb. Da der Offizier aber nächsten Morgen keinerlei Schmerzen mehr hatte und die starke Rötung wesentlich gelindert schien, war die gesamte Mannschaft von der Wirkung dieses Mittels überzeugt. Ab diesem Tag nannte Albert seine Erfindung Sonnen-Öl. Alberts Familienname war Leal, und so schrieb er auf die Etiketten seiner kleinen Fläschchen mit Hand - HUILE SOLEILE DE LEAL - (Sonnenöl von Leal). Die Matrosen sagten dann nur noch zu den Fläschchen – De-leal –.

    Da dies sich so schnell einbürgerte, schrieb Albert alsbald nur noch Deleal auf die Etiketten. Jacques Haut war braungebrannt und sein Haar blich in der Sonne so sehr, dass es hellblond golden in der Sonne glänzte.

    Nach fünf Tagen auf See lag nur noch eine Nacht vor der Humboldt, bevor die Kanarischen Inseln auftauchen sollten. Am nächsten Morgen war die Besatzung schon wesentlich früher als gewohnt auf den Beinen um nach der ersten größeren Insel Ausschau zu halten. Tatsächlich, gegen Sieben Uhr morgens, meldete das Vogelnest mit lautem Glockengeläute und Geschreie,

    - Land in Sicht –

    Es handelte sich um die nördlichste der Kanaren, nämlich Lanzarote, eine aus mehreren Vulkanen entstandene Insel, an der die Humboldt östlich vorbeifuhr. Zwischen Lanzarote und Fuerteventura ging es in einer Meerenge hindurch auf Süd Kurs, jedoch diesmal westlich der Insel Fuerteventura entlang in Richtung Gran Canaria. Mit einem leichten Kurswechsel nach Südwest steuerte die Humboldt am späten Nachmittag auf den Hafen von Las Palmas zu. Am frühen Abend dieses Tages, lief das Schiff in den Hafen der Hauptstadt dieser Insel ein. Das Anlegen des Schiffes war für die gesamte Mannschaft harte Arbeit, so holte sich Jacques auch diesmal wieder eine Blase an seiner rechten Hand. Trotzdem Alle dicke Lederhandschuhe trugen, waren es die schweren Taue, die durch das Salzwasser und die ständige Reibung solche Verletzungen hervorriefen. Der Rauch der Dampfmaschinen, der kohlrabenschwarz aus den beiden Kaminen qualmte, verdunkelte bald den ganzen Hafen und verwandelte ihn in ein schwarzes Nebelloch. Endlich war das Schiff fest verzurrt und die Landebrücke an den Hafenkai angelegt. Der Grund für das Einlaufen in diesen Hafen war das Bunkern von Kohle. Für zwei bis drei Tage hätte die aus Marseille mitgebrachte Kohle an Bord noch gereicht, doch der nächste größere Hafen auf der Strecke, der dann auch ein Erreichen des Südamerikanischen Kontinents garantierte, lag auf den Kapverde Inseln. Diese waren jedoch wieder fünf bis sechs Tage Fahrt auf hoher See von Gran Canaria entfernt. Es dauerte nicht lange und eine Lore nach der anderen kam, um mit Kohle beladen, der Humboldt Nachschub für den weiteren Weg zu liefern. Mit einem Schwenkkran an Land wurde die Kohle dann auf das Schiff verladen. Dies dauerte normalerweise vier bis fünf Stunden, und so bekam der Rest der Mannschaft bis zwei Uhr morgens Landgang. Die Seeleute hatten mit einem freien Nachmittag nicht gerechnet und waren daher umso freudiger überrascht, als ihnen der erste Maat diese Nachricht überbrachte. Auch Jacques strahlte vor Freude etwas Neues kennen zu lernen und lief so schnell er konnte in seine Kajüte.

    Er brauchte nur zehn Minuten, bis er an Land war. Er beeilte sich durch den Hafen hindurch, das Zentrum der Stadt zu erreichen. Die Sonne strahlte noch wunderbar auf die Stadt, als er den Hauptplatz vor sich sah. Hunderte Menschen tummelten sich in den engen Gassen der Stadt. Jacques lief zu dem größten Geschäft am Platz, um den Versuch zu wagen, einige seiner französischen Francs in die Landeswährung zu tauschen. Als er im Geschäft stand, hielt er dem Verkäufer wortlos die zehn Francs hin und deutete mit seinen Fingern in kreisenden Bewegungen dieses Geld doch wechseln zu können. Als der Verkäufer Jacques anblickte und sein Matrosengewand sah, verstand er schnell und gab Jacques zwanzig Peseten zurück. Mit einem kurzen,

    - Mercie beaucoup –

    verabschiedete sich Jacques und eilte zur Tür. Der Verkäufer antwortete nur kurz

    - Gracias y adios –

    Jacques hielt erschrocken inne, drehte sich langsam um und blickte ängstlich den Verkäufer an, hatte dieser doch Worte verwendet, die Jacques in seiner Kindheit mit dem alten Pater Joaquin als Geheimsprache, wie die beiden es nannten, wechselten. Jacques hatte mit vier verschiedenen Mönchen, vier verschiedene Geheimsprachen gelernt, in denen er jeweils flüssig Sprechen, Schreiben und Rechnen konnte und die ihn als Kind natürlich sehr faszinierten, da es sich ja um Geheimnisse handelte. Manchmal sprach er im Jux andere Menschen in Aix-en-Provence in einer dieser Geheimsprache an, doch nie hatte ihn irgendjemand verstanden. Die meisten schüttelten immer nur den Kopf und waren überzeugt, dass er besonders kindlich und verrückt war. Jacques überlegte, ob dieser Mann womöglich auch ein alter Freund von Joaquin war, da dieser ja als Wandermönch viel herumkam. So fragte Jacques in der Geheimsprache von Pater Joaquin,

    - Kennst Du Joaquin? –

    Der Verkäufer blickte Jacques verwundert an und antwortete ebenso verblüfft,

    - Joaquin? Ja ich kenne Joaquin, warum fragst Du? –

    Jacques war erleichtert und schüttelte dem verdutzten Verkäufer die Hand mit den Worten,

    - Richtest du Joaquin schöne Grüße aus, solltest du ihn wiedersehen, ich bin Jacques aus Aix-en-Provence. Ich freue mich so sehr, jemanden zu treffen, der Joaquin auch so gut kennt! Ich danke dir und wünsche dir einen schönen Abend. –

    Der Verkäufer schaute Jacques noch lange nach, schüttelte immer wieder den Kopf und wunderte sich welchen Joaquin der Knabe wohl gemeint hatte. Er kannte doch mindestens fünfzehn Joaquins allein hier in Las Palmas.

    Während Jacques nun durch die Gassen lief, dachte er zu sich wie klein doch diese Welt war. So weit weg von seiner Heimat traf er gleich einen Freund von Joaquin, seinem alten Mönchsfreund. Jacques stand, nachdem er durch einige Gassen bummelte auf einem kleinen Platz und sah neben sich ein nettes Lokal, vor dem sich sehr viele jugendliche Besucher mit Gläsern in der Hand unterhielten. Jacques ging ganz langsam zu dem Lokal. Er versuchte seine Aufregung nicht zu zeigen, denn eine neue Stadt, so viele unbekannte Dinge und Leute machten ihn ganz ängstlich und nervös. Er wollte alles auf einmal sehen und alles Neue kennenlernen. So stellte er sich mitten in die Menschenmenge und blickte sich neugierig um. Alle hatten hier entweder schwarze oder sehr dunkelbraune Haare. Einige der Mädchen die er hier sah, waren so hübsch anzusehen, dass er nur sehr schwer seine Blicke von ihnen trennen konnte. In seiner Heimat gab es doch schon so viele nette und hübsche Mädchen, doch hier sahen sie viel lebendiger und frecher aus. Ein Kellner stand unverhofft vor ihm und fragte,

    - Hola, que queres? –

    Jacques schaute den Kellner mit offenem Mund an und brachte kein Wort über seine Lippen, denn der zweite, mit dem er hier redete, konnte seine Geheimsprache. Der Kellner wartete nur kurz, bevor er wieder blitzschnell im Getümmel der Gäste verschwunden war. Jacques war sprachlos, fing aber langsam an, den Leuten um ihn herum zuzuhören. Er verstand jedes Wort, denn alle hier sprachen seine und Joaquins Geheimsprache.

    Direkt vor ihm, mit dem Rücken zu ihm gekehrt, stand ein Mädchen mit langen dunkelbraunen, fast schwarzen Haaren. Sie unterhielt sich gerade mit mehreren anderen Jugendlichen. Jacques sah sie nur von hinten, doch ohne zu überlegen klopfte er ihr auf ihre Schulter. Als sie sich umdrehte, fragte Jacques, ob sie immer in dieser Sprache rede, oder ob sie zu Hause eine andere Sprache verwende. Das Mädchen blickte Jacques in seinem Matrosengewand an und antwortete lächelnd,

    - Ja, Spanisch ist meine Muttersprache, doch zu Hause sprechen wir manchmal Portugiesisch, mein Vater ist Portugiese. Woher weißt du das, habe ich einen Akzent? –

    Jacques sah erst jetzt vor welcher Schönheit er stand, dieses Mädchen war hübscher als alle anderen. Ja, viel hübscher als alles Weibliche, was Jacques je in seinem Leben zu Gesicht bekommen hatte. Er schaute ihr in ihre wunderschönen Augen, die ihm in einem unbeschreiblich schönen Grün entgegen schimmerten.

    - Ich heiße Jacques, ich komme aus Aix-en-Provence in Frankreich, ich bin Seemann! –

    stammelte er unbeholfen und total verlegen.

    - Freut mich sehr. Ich heiße Isis, ich wohne hier, ich studiere Medizin – antwortete sie genau so kurz und einfach im Satzbau wie Jacques, denn sie dachte dieser Junge vor ihr, könne nur wenige Worte in ihrer Sprache.

    - Du sprichst gut Spanisch –

    sagte sie um Jacques ein bisschen aufzubauen, da er sehr verlegen wirkte. Sie drehte sich dabei ganz zu ihm um, ein Glas mit dunklem Rotwein in ihrer linken Hand. Jacques fasste all seinen Mut und begann,

    - Nun, ich bin völlig fassungslos, ich bin überwältigt von diesem Ort, ich verstehe hier alle Leute, obwohl ich hier nicht wohne und auch noch nie in diesem Land Zeit verbringen durfte, was soll ich dazu sagen? –

    Jacques blickte dabei umher, denn er traute sich nicht mehr dieser Grazie ständig in ihre Augen zu blicken.

    - Wo hast du denn so gut Spanisch gelernt, du hast überhaupt keinen ausländischen Akzent, und du sagst du warst noch niemals hier? –

    erwiderte Isis.

    - Also, die Sprache, du nennst sie Spanisch, also die Sprache der Spanier, du sagst also, dass alle Spanier mit diesen Worten sprechen, nun diese Sprache lernte ich bei Joaquin, einem alten Mönch, der mir diese Wörter als Geheimsprache zwischen ihm und mir beigebracht hatte –

    gab Jacques stotternd und noch immer etwas nervös von sich. Jacques strich sich etwas verlegen mit seiner rechten Hand durch seine Haare.

    - Ja, alle Spanier sprechen Spanisch, natürlich gibt es auch Dialekte, aber so spricht hier jeder, ich muss dir noch einmal sagen, du sprichst ausgezeichnet, deine Wortwahl ist zwar etwas eigen, aber wirklich wahr, sehr gut. Wenn man nicht wüsste, dass du nicht Spanier bist, du bist Franzose, oder? –

    - Ja, Franzose, meine Mutter ist allerdings aus der Slowakei. Mein Schiff liegt hier im Hafen um Kohle zu bunkern und so muss ich morgen zeitlich in der Früh wieder weiter, ich bin schon ganz aufgeregt, denn so weit entfernt von meiner Heimat war ich noch nie –

    begann Jacques nun etwas schneller und ungehemmter zu plaudern. Nach etwa einer halben Stunde, die beiden plauderten und erzählten sich sehr viel, begann Isis,

    - Jacques, es ist jetzt sieben Uhr am Abend, ich muss zum Abendmahl nach Hause, möchtest du mich auf meinem Weg begleiten, so kann ich dir noch etwas von Las Palmas zeigen. –

    Jacques war begeistert und stimmte sofort zu. Die Beiden spazierten durch die Stadt in Richtung des Elternhauses von Isis. Sie zeigte ihm den Platz an dem sonst der Fischmarkt war, die älteste Kirche, das Rathaus und die Universität, die sie besuchte. Als Jacques über eine Straße gehen wollte nahm Isis seine Hand und stoppte ihn.

    - Halt, wir müssen hier nach links –

    sagte sie leise und lies seine Hand nicht mehr los. Jacques wurde ganz kalt, dann heiß und wieder kalt, er fühlte ihre Hand in der seinen und wusste nicht mehr was er sagen sollte. War das alles nur ein Traum oder Wirklichkeit. Jacques klatschte mit seiner rechten Hand in sein Gesicht, wobei er ein kurzes

    – Au –

    von sich gab, denn das war ja seine verletzte Hand. Isis blickte ihn verwundert an, und Jacques erklärte,

    - Ich möchte nur testen ob ich träume oder ob ich wirklich hier mit dir stehe, das Au war nur wegen meiner Hand, die ich mir heute ein bisschen verletzt habe –

    Isis lachte laut auf und blickte dann auf seine rechte Hand.

    - Komm wir sind gleich da. –

    Als die beiden vor dem Haus, in dem Isis wohnte, ankamen, sagte sie nur kurz,

    - Warte hier einen Moment bitte –

    und lief ins Haus. Es vergingen zwei Minuten, fünf Minuten, zehn Minuten, niemand kam aus dem Haus. Jacques dachte zu sich, wie gerne er doch auf dieses Mädchen warten würde, doch da niemand zu sehen war und er sie ja nur nach Hause begleiten sollte, drehte er sich um und ging wieder den Weg zurück in Richtung Zentrum. Bei der Ecke an der er ihre Hand berührte blieb er stehen und roch an seiner Hand, sie roch noch ein bisschen nach ihr, es war ein wundervoller Geruch, er roch noch einmal an seiner Hand und dachte in Gedanken versunken an sie. Er schloss seine Augen und stand regungslos da. Wieder spürte er eine Hand nach der seinen greifen und glaubte wieder zu träumen. Als er jedoch einen leichten Klaps auf seine Wange bekam, wusste er sofort, sie war wieder da.

    - Jacques, ich bat dich ein wenig zu warten, doch du bist gleich wieder davongelaufen. Du träumst nicht, ich bin Realität, ich habe mich kurz umgezogen und wir gehen jetzt zu meiner Cousine. Ich schlafe heute dort. Sie ist nicht da und so muss ich mich um ihre Katze kümmern. Mein Abendessen zu Hause habe ich gestrichen, zum Leid meiner Mutter. Wenn du willst kann ich dir ein paar kleine Brötchen machen, hast du Hunger? Wir nennen das Bocadillo, oder kleiner Biss. -

    Jacques war wieder außer sich vor Freude, und nickte mit einer kleinen Träne in seinem Auge. In der Wohnung der Cousine von Isis war die Katze sehr schnell versorgt und auch Jacques war sehr rasch mit den Brötchen fertig. Die beiden setzten sich auf die gemütliche Sitzbank und plauderten weiter. Plötzlich, und völlig unerwartet sagte Isis zu Jacques,

    - Gib mir einen Kuss. –

    Verlegen blickte er in ihre grünen Augen und sagte ganz, ganz leise, obwohl ihm das sehr schwerfiel,

    - Ich habe noch nie geküsst. –

    Der Stolz seines Alters und auch der, eines richtigen Seemanns, erlaubten normalerweise keine Blöße, doch dieses himmlische Wesen vor ihm, öffnete sein Herz,

    - Ich bin noch Jungfrau, oder sagt man Jungmann? Sei mir nicht böse, aber ich habe keinerlei Erfahrung in diese Richtung. –

    Jacques streifte wieder mit seiner rechten Hand durch seine Haare und war froh, ehrlich gewesen zu sein. Isis lächelte und legte ihren Arm um Jacques Schulter. Sie gab ihm zuerst nur einen ganz sanften Kuss auf seine Wange und dann berührte sie ganz zärtlich seine Lippen mit ihren Fingern. Jacques blickte sie fragend an und lächelte,

    - So einfach geht das? –

    Wieder lächelte Isis und hielt den Finger vor seinen Mund und flüsterte leise,

    – Schhhhh –

    Jacques verstand und schloss seine Augen. Jacques erlebte seinen ersten Kuss, ganz zärtlich, ganz lieb und süß, es war wie ein Schweben auf Wolken, ein so wunderbar schönes und unbeschreibliches Gefühl, es war schöner als alles was er je vorher erlebt hatte. Isis fragte,

    - Wie alt bist du, Jacques. –

    Jacques antwortete noch mit dem Gefühl des Kusses auf seinen Lippen,

    - Dreiundzwanzig, seit sechs Tagen bin ich Dreiundzwanzig und du? –

    Isis sagte ihm, dass sie einundzwanzig Jahre zählte und noch nie einen so lieben Jungen wie ihn getroffen hätte. Die Burschen hier zeigten nur selten Gefühle oder Schwächen, sie mussten immer die starken, stolzen und großen Männer spielen, und dass einer von ihnen zugeben würde, noch nie ein Mädchen geküsst zu haben, unmöglich.

    Isis stand auf, ging etwas von der Couch weg und sagte,

    - Wie gefalle ich dir, möchtest du nicht herkommen und mich halten und umarmen? –

    Jacques war wie gelähmt und konnte sich weder bewegen, noch etwas sagen. Da Jacques wie angewurzelt auf der Bank saß und nur verzückt die wunderschöne und schlanke Isis betrachtete, ging sie auf ihn zu und stellte sich vor ihn. Jacques blickte mit offenem Mund zu ihr hinauf und konnte nichts von sich geben. Isis setzte sich auf seinen Schoß und fing ihn wieder an zu küssen, nahm seine Hand und legte sie auf ihre Brust. Jacques begann langsam und ganz vorsichtig ihre Brüste zu streicheln, was sie zusehends erregte. Sie griff abermals nach seiner Hand und schob diese langsam und vorsichtig sein Zögern spürend tiefer. Jacques war von so viel Gefühl und wunderbaren Eindrücken wie auf tausend weichen Wolken schwebend gebannt und fühlte Dinge, die er bis dato nicht kannte. Auch Isis begann Jacques Körper langsam zu streicheln und zu inspizieren. Die zarte Kurven, die Jacques in seiner Hand spürte, die zärtlichen Küsse von ihr, und immer wieder ihre Aufforderungen auch ihren Körper mit Küssen und Liebkosungen zu verwöhnen, brachten Jacques in einen Zustand, der süßer, schöner und wonniger nicht sein konnte, und der besser war, als er sich dies von Erzählungen hätte je träumen lassen. Isis zog Jacques zu sich, drückte ihren Körper ganz fest an den seinen, um ihn so noch näher und begehrender zu spüren. Bei Jacques regten sich Gefühle, die er noch nie zuvor verspürte. Es war für ihn wie der Himmel auf Erden. Isis forderte Jacques auf, ihre Bluse zu öffnen und führte seine Küsse von ihren Lippen über den Hals zu ihren Brüsten, die für ihn wie die schönsten und wohlgeformtesten Hügel, in elfenbeinfarbener Pracht mit den Knospen der Wollust zu erobern waren. Er küsste sie so zärtlich, aber doch mit so viel Begierde, dass Isis ihren Kopf nach hinten fallen ließ und mit den Tönen der Lust diese Erregungen genoss. Dabei hielt er ihren Körper mit beiden Händen an ihren Hüften und Isis forderte mit unmissverständlichen Bewegungen, Jacques Küsse weiter auszudehnen. Beide streichelten sich gegenseitig, so voll Lust und Gier, dass sie sich beide wie ein Ganzes fühlten. Zum ersten Mal in Jacques Leben spürte er wie alles in ihm zu kochen begann und er wie gelähmt die wunderschönsten Gefühle verspürte. Er genoss diesen Moment derart, dass er beinah die Schiffspfeife überhörte. Er flüsterte zögernd,

    - Isis, das ist mein Zeichen, ich muss zurück zum Schiff. Mein Herz möchte lieber hier bei dir bleiben. Du bist so schön, so zärtlich und du bist all dies auf dieser Welt für mich, welches man mit den Begriffen, Wunderbar, Zauberhaft, Umwerfend, Überirdisch, Begehrenswert, Unendlich, Göttlich beschreiben kann. Ich danke dir für alles, was ich mit dir erfahren durfte, und ich bin glücklich nicht mehr Jungfrau zu sein. Das Wort Begierde ist neu in meinen Kopf eingedrungen, und ich verbinde es jetzt nur mehr mit dem Namen Isis. Oh, mein Herz schlägt nur mehr für dich! –

    Isis gab Jacques einen zärtlichen Kuss auf seine Stirn und sagte mit der lieblichsten Stimme,

    - Oh Jacques, du bist so lieb, ehrlich und offen. Ich begehre dich und würde auch gerne an Deiner Seite bleiben, doch ich muss dich enttäuschen, du bist noch immer Jungfrau, denn wir haben uns nicht körperlich geliebt, das wäre noch einen Schritt weiter gegangen. Ich weiß jedoch nicht, ob wir uns jemals wiedersehen werden, und so kann und will ich das Intimste zwischen Mann und Frau nicht mit dir teilen, ich hätte dies wirklich gerne mit dir erlebt, traue mich aber nicht. Es schmerzt mich, dass du jetzt von mir musst. Ich werde diesen Abend bestimmt niemals vergessen. –

    - Oh Isis, deine Worte rühmen mich und nähren das Feuer in meinem Herzen, ab diesem Tage bist du in meinem Herzen und wirst dort für immer verweilen. Es wird zwar für mich wie eine Ewigkeit erscheinen, doch werde ich bei unserer Rückkehr alles versuchen dich hier wieder zu sehen. Ich kann es jetzt schon kaum mehr erwarten. Ich fühle so viel, wofür ich noch keine Worte kenne! –

    Jacques gab Isis noch einen zärtlichen Kuss, worauf sie mit Tränen in den Augen sehr, sehr leise erwiderte,

    - Ich bin nicht sicher ob du mich je wiederfinden wirst. –

    Jacques war verwundert und erschrocken über diese letzten Worte und nahm Isis in seine Arme. Sie umarmten sich innigst, bis Jacques nach einem langen und heftigen Abschiedskuss hinunter zum Hafen eilte.

    An Bord verschwand er sofort in seiner Hängematte und versuchte zu schlafen. Kein Auge konnte er schließen, keine Ruhe fand sein Kopf. Er dachte unaufhörlich an Isis, ihre tolle Art, ihr Wissen, ihren Körper, ihre Hände, ihre Augen und an all die erotischen Gefühle, die er mit ihr kennengelernt hatte. Noch immer war er erregt, konnte sich ein Mehr an Lust einfach nicht mehr vorstellen.

    Als am Morgen die Mannschaft zum Ablegen und Auslaufen gerufen wurde, beeilte sich Jacques an Deck zu kommen, ein letzter Blick auf Las Palmas. Alle Leinen waren eingeholt und seine Aufgabe damit beendet. Jacques war frei um auf das Vorderdeck zu laufen und zum Kai zu blicken. Einige Hafenarbeiter beobachteten das Ablegen, und auf der Hafenmauer erblickte er alsbald ein Mädchen mit dunklen Haaren, die oben auf der Mauer saß und zum Schiff blickte. Sofort schlug sein Herz höher. Er begann zu winken, ganz wild, in der Hoffnung es könnte sich um seine neu gewonnene Liebe Isis handeln. Doch das Mädchen rührte sich nicht, sie senkte ihren Kopf. Jacques kamen Tränen in die Augen, denn seine Gefühle waren bei ihr, und nicht am Schiff, was sollte er denn nur tun. Jacques fuhr sich wieder mit seiner rechten Hand durch seine Haare. Erst als das Schiff langsam Fahrt aufnahm und zur Hafenausfahrt steuerte, sah Jacques, dass das Mädchen auf der Mauer einmal zum Abschied grüßte. Es war doch Isis, die offensichtlich auch nicht schlafen konnte und in wehmütiger Sehnsucht nach diesem braungebrannten, blonden Jungen aus der Ferne, in Tränen aufgelöst, schwelgte.

    Es war sehr kalt an diesem Morgen und die Luft war glasklar. Der Blick auf die benachbarte Insel Tenerife, mit dem schneebedeckten Teide, dem höchsten Berg Spaniens, bot ein Bild wie aus den schönsten Träumen. Es war für Jacques, als ob er das Paradies verlassen musste. So saß Jacques am Schiffsrand und blickte traurig, in seinen Gedanken verloren mit einer für ihn bis dahin unbekannten Sehnsucht in das dunkle Meer, welches still und rein unter dem Schiff vorbeizog. Nachdem die Südspitze Teneriffas erreicht war, erwachte Jacques plötzlich aus seinem Tagtraum, es herrschte wilde Aufregung an Bord, alle liefen wild schreiend und gestikulierend zum Bug des Schiffes. Jacques wollte gerade aufspringen, als er direkt vor seinen Augen im Wasser einen riesigen Fisch auftauchen sah. Nein so groß konnte kein Fisch sein, nein es konnte auch keine noch so große Art von Hai sein, es musste; ja wirklich, es war ein echter; daher die ganze Aufregung, es war ein Wal.

    - Da vorne noch einer! Nein es sind zwei, da, noch und noch, eine ganze Herde von Walen –

    schrie einer der Matrosen. Die Maschinen des Schiffes wurden sofort gestoppt, und leise glitt der Dampfer an den Walen vorbei, so lautlos, dass jeder an Bord das Schnauben und Blasen der Wale hören konnte. Jacques war von dieser seltenen Erscheinung auf den Meeren so sehr gerührt, dass ihm unzählige Tränen über die Wangen flossen.

    - Seht nur wie wunderschön, wie elegant, es ist wie, wenn, ich glaube, wenn Könige vor ihrem Volk erscheinen –

    murmelte Jacques. Die gesamte Mannschaft starrte noch eine ganze Weile auf die Walherde, bevor die Maschinen wieder auf Touren gebracht wurden und mehr und mehr Fahrt aufgenommen wurde.

    Es ging zwischen der Insel La Gomerra und Hierro hindurch auf direkten Kurs zu den Kapverdischen Inseln. Es lagen fünfeinhalb Tage auf hoher See vor ihnen.

    Die Sonne brannte wieder unerbittlich auf das Schiff und alsbald kehrte der Arbeitsalltag wieder für jeden der Mannschaft auf dem Schiff zurück. So waren wieder die verschiedenen Wachen zu besetzen, für die einzelnen Aufgaben die Mannschaften bereitzustellen und einige der Matrosen keuchten gegen Abend wieder vor Schmerzen, denn die Sonne wurde gegen Süden immer intensiver. Drei der Matrosen hatten sich an diesem Tage einen starken Sonnenbrand geholt und wurden wieder mit dem Wundermittel des Kochs Albert Leal versorgt.

    In diesen fünf Tagen begegneten sie keinem einzigen Schiff, denn nur mehr sehr wenige verkehrten südlich der Kanaren. Ohne einen einzigen Kurswechsel steuerten sie in Richtung der Kapverdischen Inseln. Der Hafen den sie ansteuerten hieß Praia, die größte Stadt der Inseln.

    Am Abend des dritten Tages auf hoher See war Jacques wieder zur Wache eingeteilt, pünktlich versammelten sich die dafür eingeteilten in der Messe. Wie erwartet gab es keine besonderen Aufgaben, nur Jacques musste vortreten und bekam den Befehl, sich innerhalb der nächsten halben Stunde auf der Brücke beim Steuermann einzufinden. Was konnte dies bloß für ihn bedeuten, dachte Jacques bei sich als er sich auf den Weg zum Kommandostand des Schiffes machte. Etwas zaghaft klopfte er an der Holztür und wartete.

    – Herein –

    grölte der Steuermann mit einer ziemlich grimmigen Stimme.

    - Ach du bist es kleiner, ja komm her. Du wirst es nicht glauben, aber du sollst ein wenig das Schiff steuern, der Alte will das so. Ich soll aufpassen, dass du keine Dummheiten machst. Ich glaube der Alte mag dich, Bürschchen. –

    - Wer ist der Alte? –

    fragte Jacques etwas naiv.

    - Na der Kapitän, du Dummerchen. –

    erwiderte der Steuermann. So durfte Jacques zum ersten Mal das Steuer halten und musste darauf achten, dass der Kurs genau gehalten wurde. Nach etwa einer halben Stunde, es war bereits finstere Nacht draußen auf dem Meer, ging es daran die momentane Position des Schiffes zu bestimmen. Mit dem Sextanten musste Jacques den Nordstern fixieren und dann mit einer weiteren Messung bestätigen. Dieser Wert musste nun in einer Tabelle eingetragen werden. Danach gingen die beiden wieder nach draußen um eine bestimmte Sternengruppe im Westen und Osten zu suchen, diese ebenfalls mit dem Sextanten zu bestimmen und die Werte in der Tabelle darunter zu vervollständigen. Daraus konnte man dann mit Hilfe eines Buches, in dem man in der für das entsprechende Datum verbindlichen Liste die gefundenen Werte verglich, die exakte Position als Koordinaten feststellen. Es war allerdings auch möglich die gemessenen Werte direkt auf die Seekarte als Standlinien einzuzeichnen und so ebenfalls die momentane Position zu bestimmen. Die zweite Methode war schneller aber etwas ungenauer. So verglichen Jacques und der Steuermann die beiden gefundenen Werte und waren mit Ihrer Arbeit sehr zufrieden, denn auf der Seekarte stimmten diese beiden genau überein. Umso besser, als sie auf dem, vom Kapitän eingezeichneten Kurs lagen. Diese Seekarte zeigte die gesamte Strecke von den Kanaren bis zu den Kapverden. Jacques betrachtete die Karte und strich mit seinen Fingern wehmütig über die Insel Gran Canaria, als könnte er so Isis etwas Zärtlichkeit zukommen lassen. Der Steuermann machte sich wieder auf, um nach dem Steuer zu sehen und den vorliegenden Kurs auf dem großen Kompass zu kontrollieren.

    - Alles in Ordnung, du kannst ja noch ein wenig die Karten bewundern, wenn Du willst! –

    rief der Steuermann. So verging die Nachtwache für Jacques wie im Fluge, denn noch zweimal wiederholte sich die Prozedur der Positionskontrolle. Als seine Schicht zu Ende war, wollte Jacques fast nicht zurück zu seiner Schlafstelle, so aufgeregt und stolz fühlte er sich. In seiner Matte dachte er noch lange über die Bestimmungen, Bücher und Karten nach, bevor er endlich einschlief.

    Nach fünf Tagen und acht Stunden ertönte wieder der Ruf eines Matrosen,

    - Land in Sicht! -

    Hier in Praia, der Hauptstadt der Kapverdischen Inseln wurde ein kleiner Teil der Ladung gelichtet, also ausgeladen, es handelte sich dabei um dreißig Fahrräder und zwei Dieselaggregate. Während des Entladens wurde wieder Kohle nachgebunkert. Keiner der Mannschaft bekam für diese sechs Stunden Aufenthalt im Hafen, Landgang. Nur der Koch Albert bemühte sich zum Markt, der unweit des Hafens gelegen war, um etwas Nachschub für seine Küche zu besorgen.

    Jacques half diesmal sehr fleißig beim Entladen der Fracht, vor allem die schweren Dieselaggregate waren sehr kompliziert zu behandeln. Nach etwa einer Stunde kehrte der Koch zurück an Bord. Er wurde von einigen Einheimischen begleitet, die ihm beim Transport seiner Lebensmittel halfen.

    Seit dem Anlegen wurde Kohle gebunkert. Die Kohlenkammern waren bald voll und so wurden noch extra Kisten mit zusätzlicher Kohle aufs Schiff gebracht. Alle möglichen und unmöglichen Stellen des Schiffes wurden zum Verstauen des Brennstoffes verwendet. Das Überqueren des atlantischen Ozeans lag vor Ihnen. Ein schrilles Pfeifen riss alle Matrosen aus ihrer Arbeit. Es war das Signal an die Mannschaft, dass der Kapitän das Schiff verlassen oder wieder an Bord kommen würde. So blickte auch Jacques auf, gerade damit beschäftigt eine große, mit der übelriechenden, braunen Kohle gefüllte, hölzerne Kiste an der vorderen Seitenstiege zu befestigen. Der Kapitän, gefolgt von einem Offizier ging an Land und marschierte langsam zur Hafenbehörde. Jacques fragte den ersten Maat, der neben ihm an der Reling lehnte, was denn jetzt vor sich ginge. Der Maat drehte sich zu Jacques, blickte ihm direkt in seine blauen Augen und blieb ohne eine Miene zu verziehen stumm. Erst nach zwei oder drei Minuten, in denen er zu überlegen schien, begann er.

    - Ich glaube du bist meinem Rat gefolgt, gut, gut. Ich sehe du kannst mich ein wenig verstehen. Sieh her, hm, der Umgang mit dem alten Kapitän ist nicht einfach, doch, ………..nun gut zu deiner Frage. Ich hörte, dass wir hier vielleicht ein wenig warten müssen. Das Wetter oder so, weißt du, schlechtes Wetter könnte die Überquerung des Atlantiks für uns verschieben. Ich glaube er holt jetzt mehr Informationen. -

    Jacques verstand und erwiderte,

    - Der Kapitän holt mehr Informationen von der Hafenbehörde, welche sich mit anderen Schiffen über Morse-Telegraphie unterhalten kann. So können wir erfahren wie das Wetter sein wird und dies ermöglicht uns danach eine möglichst unbeschwerte Fahrt. Ich habe ein paar Mal beim Funkraum zugesehen wie man die einzelnen Worte in Buchstaben zerlegt und für jeden Buchstaben einen Code übermittelt. Sollte es da draußen schlechtes Wetter geben, so erfährt der Kapitän dies und wir warten auf Besserung. –

    Der Maat drehte sich langsam um und schloss die Unterhaltung mit kurzen, leisen Worten,

    - So sollte es sein, doch so wird es nicht sein. –

    Jacques setzte seine Arbeit, die großen Kisten mit der Kohle zu verstauen, fort. Als der Koch die Gruppe der Einheimischen wieder von Bord begleitete, lief Jacques zu ihnen und fragte auf Französisch, seiner Muttersprache, warum denn so viele Menschen hier am Hafen mit allen möglichen Gepäckstücken eintrafen. Es wurden immer mehr und mehr, die mit Karren und Wagen zur Mole kamen und ihre Sachen abluden. Während ihn die Einheimischen mit großen fragenden Augen anlächelten und langsam das Schiff verließen, wandte sich der Koch an Jacques, - Schau Jacques, hier wird dich keiner verstehen, diese Leute hier sprechen nicht unsere Sprache, hier auf diesen Inseln spricht man Portugiesisch. Ich habe in meiner Küche ein Wörterbuch für alle Speisen und Lebensmittel, welches mir die französischen Namen in vier andere Sprachen übersetzt. Kommen wir zu einem Hafen, in dem ich einkaufen soll, so schreibe ich eine Liste mit den Lebensmittel die wir benötigen. Ich kann dies also außer in unserer Sprache auch in Englisch, Italienisch, Portugiesisch und Spanisch aufschreiben oder besser gesagt, abschreiben. Toll so ein Buch, nicht wahr? –

    Jacques nickte beiläufig und lief die Brücke hinunter zu den Männern, die sich gerade auf den Weg zurück zum Markt machen wollten. Jacques hielt einen der Männer auf und sagte,

    - Portugiesisch –

    Er machte den Mund auf und zu, fuchtelte mit den Händen um den Männern zu

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