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Keltische Knochen
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eBook52 Seiten40 Minuten

Keltische Knochen

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Über dieses E-Book

Keltische Knochen ist eine Erzählung von Wilhelm Raabe.

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Wir waren unserer Drei, und trotz allem, war der Dichter der Edelste von uns; er hieß leider Krautworst und war aus Hannover, sagte natürlich beides nicht gern; sondern stellte sich meistens als den Verfasser der Lebensblüthen vor und dar, sonst nannte er sich auch wohl, glänzenden aber auch von der Prosa ihres Namens oder Geburtsortes erdrückten Beispielen folgend, Roderich von der Leine. Er hatte uns in Linz im Erzherzog Karl aufgegabelt, hielt krampfhaft wenigstens an mir fest, schwärmte für Linz und ließ nicht selten geheimnißvolle Andeutungen fallen, daß er daselbst etwas erlebt habe. Seine öftere Geistesabwesenheit und Zerstreutheit gab Anlaß zur Vermuthung, daß er dieses Erlebte poetisch zu verwerthen im Begriff sei; seine lyrischen Wehen hatten oft etwas Beängstigendes für mich; afficirten jedoch den Dritten in unserem Bunde weniger. Dieser Dritte war, ohne sich dafür zu geben, ein Geheimniß, und eben so verschlossen, als der Poet offenherzig und mittheilungswüthig war. In die Fremdenbücher zeichnete er sich kurz als Zuckriegel; ich hegte aber einigen Zweifel, ob dies wirklich sein Name sei; bis er in Wien in den drei Raben höchst unmotivirter Weise in einen Streit gerieth, der ihn und mich vor die königlich-kaiserliche Polizei führte und ihn zwang, mit seinem Paß herauszurücken. Er hieß in der That Zuckriegel, ohne sich dessen zu schämen, und war Prosector an einer kleinen norddeutschen Universität, hatte jedoch in seinem Aeußern sowohl als in seinem Innern sehr viel vom Scharfrichter. Nur ein schlechter Charakter gleich dem seinigen, konnte es über sich gewinnen, einen so guten Menschen wie den Dichter durch ein ewig wiederholtes Auftischen des gehaßten Familiennamens Krautworst an allen Nervenenden zu zupfen und zu kitzeln.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum10. Aug. 2022
ISBN9783756801688
Keltische Knochen
Autor

Wilhelm Raabe

Wilhelm Raabe (1831-1910), bekannt unter seinem Pseudonym Jakob Corvinus, schuf ein breites Werk. Sein einzigartiger Stil und sein Blick auf eine Vielzahl von Themen begeistern bis heute seine Leser.

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    Buchvorschau

    Keltische Knochen - Wilhelm Raabe

    Keltische Knochen

    Keltische Knochen

    Anmerkungen

    Impressum

    Keltische Knochen

    Festgeregnet! … Wem und Welcher steigt nicht bei diesem Worte eine gespenstische Erinnerung in der Seele auf? eine Erinnerung an eine Stunde – zwei Stunden – einen Tag – zwei, drei, vier – acht Tage, wo sie ebenfalls festgeregnet waren – festgeregnet an einer Straßenecke, unter einem Thorwege, bei einem Freunde oder einer Freundin, in einer Dorfkneipe, auf dem Brocken, dem Inselsberge, dem Rigi oder dem Schafberge?

    Es ist eine leidige Vorstellung – festgeregnet! Grau, greinend und griesgrämlich kriecht sie heran, streckt hundert fröstelndkalte, feuchte Fangarme nach dem warmen Herzen aus und ist so schwer los zu werden, wie alles andere Unbehagliche, Unbequeme, Ungelegene in der Welt.

    In Ischl spazierten die schönen Damen auf der Esplanade im glänzendsten Sonnenschein, als wir ausfuhren, und sämmtliche arme Hämorrhoidarier, Drüsen- und Scrophel-Kranke hatten ihren Jammer in die freie Luft getragen: auch die königlich-kaiserliche Familie fuhr spazieren.

    In der Nähe von Laufen, im heiligen Bezirk der schönen, holdseligsten Maria im Schatten zog die allerschönste aber auch allereigensinnigste Dame Natur den Nebelschleier über das Gesicht, und als wir auf dem See schifften, wurde dieser Schleier und unsere Hoffnung auf einen schönen Tag vollständig zu Wasser. Es scheint eben in den angenehmsten Gegenden am liebsten zu regnen; aber vielleicht war auch der fromme Dichter, welchen wir mit uns führten, und welcher jedenfalls unter dem Zeichen des Wassermannes geboren war, Schuld daran.

    Wir waren unserer Drei, und trotz allem, war der Dichter der Edelste von uns; er hieß leider Krautworst und war aus Hannover, sagte natürlich beides nicht gern; sondern stellte sich meistens als den Verfasser der Lebensblüthen vor und dar, sonst nannte er sich auch wohl, glänzenden aber auch von der Prosa ihres Namens oder Geburtsortes erdrückten Beispielen folgend, Roderich von der Leine. Er hatte uns in Linz im Erzherzog Karl aufgegabelt, hielt krampfhaft wenigstens an mir fest, schwärmte für Linz und ließ nicht selten geheimnißvolle Andeutungen fallen, daß er daselbst etwas erlebt habe. Seine öftere Geistesabwesenheit und Zerstreutheit gab Anlaß zur Vermuthung, daß er dieses Erlebte poetisch zu verwerthen im Begriff sei; seine lyrischen Wehen hatten oft etwas Beängstigendes für mich; afficirten jedoch den Dritten in unserem Bunde weniger. Dieser Dritte war, ohne sich dafür zu geben, ein Geheimniß, und eben so verschlossen, als der Poet offenherzig und mittheilungswüthig war. In die Fremdenbücher zeichnete er sich kurz als Zuckriegel; ich hegte aber einigen Zweifel, ob dies wirklich sein Name sei; bis er in Wien in den drei Raben höchst unmotivirter Weise in einen Streit gerieth, der ihn und mich vor die königlich-kaiserliche Polizei führte und ihn zwang, mit seinem Paß herauszurücken. Er hieß in der That Zuckriegel, ohne sich dessen zu schämen, und war Prosector an einer kleinen norddeutschen Universität, hatte jedoch in seinem Aeußern sowohl als in seinem Innern sehr viel vom Scharfrichter. Nur ein schlechter Charakter gleich dem seinigen, konnte es über sich gewinnen, einen so guten Menschen wie den Dichter durch ein ewig wiederholtes Auftischen des gehaßten Familiennamens Krautworst an allen Nervenenden zu zupfen und zu kitzeln.

    Zuckriegel's Reisezweck war, die Knochen des unbekannten Volkes am Rudolfsthurm über Hallstadt zu besuchen, und womöglich einen Schädel und einige sonst überflüssige Gebeine für seine osteologische Sammlung zu stehlen oder, wie er sich euphemistisch auszudrücken beliebte, an sich zu nehmen.

    Er liebte es, irgend etwas an sich zu nehmen,

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