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Göttliche Gemetzel
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eBook417 Seiten5 Stunden

Göttliche Gemetzel

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Über dieses E-Book

Das Wunderwerk der Liebe

Wer sucht, der findet... Aber was? Und wen? Und vor allem: warum?
Ein Seelenkrimi für alle, die auf der Suche sind!
Die Liebe gibt nicht auf!

Ein poetisch-philosophischer und zugleich humorig-zeitgeistiger Roman über die ewige Suche nach der Liebe. Über die Gemetzel – mal süß, mal scharf, mal teuflisch, stets göttlich –, die Menschen sich mit dem schönsten Geschenk im Leben gegenseitig antun. Im Namen der Liebe. Über den Tod hinaus. Und natürlich auch im Business Battle, dem häufigsten Kriegsschauplatz von Männlein und Weiblein.

Die Rose, sinnliche Marketing-Ikone und Kopfverdreherin, ist auf der Suche nach der großen Liebe. Die sie mit ihrem verstorbenen Ehemann Uwe Maron verloren hat. Der wiederum kann nicht von seiner Leidenschaft für sie lassen. Von der Reservebank aus – einer ungewöhnlichen Form des "Fegefeuers" – beobachtet er das Treiben seiner wilden, Liebe suchenden und liebessüchtigen Ex und mischt sich bei Gefahr ins Geschehen ein. Seine Mission: Er muss ihr den Weg ins Glück weisen, um seine Seele zu befreien. Auf der Erde steht die Rose ihren Mann im stahlharten Business. Sie soll StechSchmied, das mittelständige, deutschlandweit führende Unternehmen der Messerbranche, in die Luxusliga voranbringen. Vom grauesten Ort der Welt aus: Waffendorf. Und das als "abgehobene Fashion-Tussi", wie sie ihre Chefs und Mitarbeiter fast einhellig verurteilen. Wird sie den Kampf um die wahre Liebe und die Anerkennung in der Männerwelt gewinnen?
SpracheDeutsch
HerausgeberN. Rose Verlag
Erscheinungsdatum1. Sept. 2018
ISBN9783981880793
Göttliche Gemetzel

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    Buchvorschau

    Göttliche Gemetzel - Nicole Rose

    Antrag

    Teil 1: Süße Gemetzel

    Love is a Battlefield

    by Pat Benatar

    CHORUS:

    We are young, heartache to heartache we stand

    No promises, no demands

    Love is a battlefield

    We are strong, no one can tell us we’re wrong

    Searchin’ our hearts for so long, both of us knowing

    Love is a battlefield

    You’re beggin’ me to go, you’re makin’ me stay

    Why do you hurt me so bad?

    It would help me to know do I stand in your way

    Or am I the best thing you‘ve had?

    Believe me, believe me, I can’t tell you why

    But I’m trapped by your love, and I’m chained to your side

    CHORUS

    When I’m losing control will you turn me away

    Or touch me deep inside?

    And when all this gets old, will it still feel the same?

    There’s no way this will die

    But if we get much closer, I could lose control

    And if your heart surrenders, you’ll need me to hold

    CHORUS

    (Break)

    CHORUS

    Alle Weisheit der Welt

    Ich setze mein himmlisches Fernglas auf und schaue auf die Welt. Wieder einmal SIE! Meine Ex. Liebe macht süchtig. Ich bin besessen. Seit ich sie zum ersten Mal erblickte, kann ich an nichts und niemand anderen mehr denken. »Du bist die Frau, auf die ich mein Leben lang gewartet habe!«, waren meine ersten Worte an sie. Seitdem ist viel geschehen. Einiges ist schiefgelaufen. Ich bin ins Jenseits katapultiert worden, ein Stalker, der an seiner Situation scheinbar nichts ändern kann … Ich würde ja mein Leben geben. Doch das habe ich bereits aufs Spiel gesetzt – und verloren.

    Was hilft es mir, alles zu wissen? Alles sehen zu können? Zu erblicken, was ich sehen oder besser NICHT sehen will? Die Welt zu verstehen? Die Menschen zu durchschauen? Wenn ich doch wenig tun kann, um in das Geschehen einzugreifen? In das tägliche Gemetzel, das die Welt in einen Ort voller Hass verwandelt. Terror und Wahnsinn regieren das Geschehen. Und selbst die Liebe wird zum Schlachtfeld … Aber ist nicht alles besser als diese Outsider-Situation in tumber Toren Gesellschaft auf der Reservebank? Ausgeschieden aus dem Leben, aber noch nicht gänzlich raus aus dem Spiel. Irgendwie gefangen zwischen dem Spielfeld und dem ewigen Aus? Ich habe mich aus dem Game gekickt. Nun beobachte ich es von außen und sehne mich ach so sehr danach, wieder teilzunehmen am Worldcup der Liebe und des Lebens! Sind Gemetzel nicht eigentlich süß?

    Zugegeben: Es lief nicht alles reibungslos im Match meines Lebens. Ich war süchtig nach Liebe und der Anerkennung ALLER. Habe nicht genug auf mich geachtet. Eros’ Pfeil hatte mich mitten ins Herz getroffen. So tief, dass ich das Feuer nicht überlebt habe, das er in mir entfacht hat. Und doch: Ich bereue keine Sekunde! Die Leidenschaft hat mein Herz mit Leben erfüllt. Mit Explosionen an Emotionen. Ich hatte gigantische Lust am und im Leben. Leider quälte mich die Folter der Eifersucht. Die schlug mir teuflisch auf den Magen. Resultat: Bauchspeicheldrüsenkrebs. Mein Leben endete viel zu früh. Mit unermesslichem Leid. Doch wenn ich die Wahl hätte zwischen dem Nichts und dem Schmerz, so würde ich immer wieder den Schmerz wählen!

    Aber es gibt auch Gutes. Das Jenseits, selbst hier auf der Reservebank, ist der Hit. Hätte ich nie gedacht. Alle meine Wünsche werden im Augenblick des Gedankens wahr. Es ist wie im Schlaraffenland. Ich kann – ohne Magen und Därme – essen und trinken, so viel ich will. Ich öffne eine Tüte Kartoffelchips und eine mit Happy Bären, verzehre ein riesiges Stück Schwarzwälder Kirschtorte. Und gleich noch eins. Wenn schon, denn schon. Die fettigen Snacks verlangen nach Gleitmittel. Ich schenke mir ein Glas RuinHart Rosé-Champagner ein. Sowie – natürlich – ein Kristallglas Sauvignon Blanc. Dann schütte ich noch einen guten schottischen Whisky meine trockene Kehle hinunter. Umbringen kann mich das ja nicht mehr. Also: Runter mit dem Schund. Doch wenn man alles bekommt, was man will, ist das furchtbar fad! Das sind alles nur Ersatzbefriedigungen. Fressen und Saufen sind der Sex des Alters. Dafür fühle ich mich viel zu jung! Was ich wirklich will, ist mein Leben zurück! Inklusive meiner Femme fatale. Doch das steht nicht auf der himmlischen Speisekarte. Ich suhle mich in Schmerz und Selbstmitleid und gönne mir einen Einblick in IHR Leben! Ich halte mein magisches Fernglas vor die Augen, lehne mich in meinem samtroten Sessel zurück und starte die Reise in ihr momentanes Erleben. Als Geist verfüge ich über zwei göttliche Instrumente: ein Fernglas zum Sehen, ein Funkgerät zum Seelenflüstern mit der Hauptmit- bzw. Gegenspielerin auf meinem ehemaligen »irdischen Fußballfeld«. Ich bin quasi ein unsichtbarer Spanner mit gewisser Eingriffsmöglichkeit ins Geschehen. Meine Aufgabe des göttlichen Schiedsrichters ist rätselhaft: »Erkenne den Sinn deines irdischen Daseins. Erkenne deine Fehler. Werde dein eigener Coach. Dann erst kannst du deine Liebste von ihren Irrwegen ins Glück führen.« Das klingt nach einer Herkulesaufgabe. Doch meine Ressourcen sind limitiert. Fernglas und Funkgerät haben bisweilen schlechten Empfang und sind nur einmal im Monat aufladbar. Lohnt sich der Aufwand überhaupt? Wo ich doch allen Luxus dieser Reservewelt genießen kann?

    Der Preis scheint es mir wert zu sein. Man versprach mir beim Einchecken: »die Chance auf ewiges Spiel und Glück – und die Liebe der Menschen, die du liebst«. Klingt auf jeden Fall besser, als hier auf der Reservebank abzusitzen. Auch wenn dieser Knast ein Luxuskerker ist. Irgendwie hänge ich »half way up, half way down«. Bin noch nicht weg, aber auch noch nicht angekommen. Ich beschließe, das zu ändern, und morse mich ins Geschehen ein.

    Kein Spiel. Kein Glück. Ich beschließe: ALLES ZU GEBEN. DAMIT ALLES WIEDER GUT WERDEN KANN. Vielleicht gibt es noch andere Möglichkeiten, als hier herumzusitzen und mich vollzustopfen? Vielleicht findet sich ja ein Weg zurück in ihr Herz? Zurück in mein Leben als glücklicher, liebender Sterblicher? Ich visiere sie, indem ich ihr Bild in Gedanken aufrufe, und ENDLICH finde ich sie … Nachdem ich drei Jahre lang nur schwarzgesehen habe, erscheint sie plötzlich vor meinen Augen. In all ihrer prachtvollen, außergewöhnlichen Schönheit. Und wo? Nicht etwa in New York, Miami oder Manhattan! Inmitten des trübsinnigen Münzenlandes. Einer besonders finanzstarken Region im östlichen Nordrhein-Westfalen, wo die Menschen noch Pferde reiten, wilde Tiere jagen und sich wie Dagobert Duck abends in Geldmünzen baden. Sie gehen dort zum Lachen in den Keller. Was für ein seltsamer Ort für die Rose, diesen menschlichen Paradiesvogel, meine große und einzige Liebe. Was zur Hölle treibt sie hier? Und was auch immer: OB DAS GUT GEHEN KANN? Ich fixiere mich auf das Geschehen!

    Eben betritt sie, gefährlich gestylt, federnden Schrittes auf hohen Hacken und mit bis in den Himmel aufgebauschtem Haupthaar, ein Café mit dem Namen »Sieben«. Ihr Kleid ist schwarz und liegt eng am Körper an, der mir ein wenig abgemagert erscheint. Um ihre zauberhaften hellgrünen Augen liegt ein Schatten der Trauer. Das liegt doch wohl nicht immer noch an den schrecklichen Umständen meines Todes?

    Der fliegende Holländer

    Ich beame mich in Hammans Gehirn. Hamman kommt aus Ghana und ist Kellner im Café Sieben. Kaum hat er die Rose erblickt, zucken verzückte Gedanken durch seine Synapsen.

    Für Hamman ist Rose die personifizierte Liebesattacke! Seit sie das erste Mal hier ins Café Sieben rauschte, ist er ihr verfallen. Sie errötet, als sie seinen brennenden Blick sieht, und schlägt ihre verzaubernden, grün leuchtenden Augen nieder. Sie ist sich durchaus ihrer weiblichen Waffen bewusst. Welcher Mann fährt nicht auf unschuldiges Erröten ab? Hamman jedenfalls tut es. Er tritt zu ihr, drückt ihre Hand. Eindeutig länger, als es sich für einen Kellner selbst bei seinem Lieblingsgast geziemt. Sie setzt sich auf den dargebotenen Stuhl im Garten und schlägt grazil die netzbestrumpften Beine übereinander. »Merci, Monsieur«, lächelt sie neckend. Die roten Lippen strahlen in ihrem hochpolierten Antlitz. »Un Sauvignon Blanc s’il te plait!«, ordert sie wie stets. Dann nimmt sie ein Buch hervor und ignoriert den Kellner überaus dezent. Dabei ist er wohlerzogen, international ausgebildet. Und überhaupt nach seiner Meinung: der beste Mann der Welt. Hey, das Leben zwingt einen manchmal zum Kellnern. Doch ich sehe superb aus, bin mit besten Manieren ausgestattet und ganz bestimmt der Ritter, auf den sie wartet. Sie weiß es bloß noch nicht … Hey. Ich sehe besser aus als Zeal und sie ist deutlich attraktiver als Heidi Gladbach und jedes Germany’s Top Model. Wir sind DAS NEUE TRAUMPAAR! Ich sehe schon unsere Gesichter liebevoll strahlend in SAT 1, RTL, PRO 7, HBO … WIR WERDEN GEMEINSAM DIE WELT ROCKEN! Sie muss es nur noch begreifen! Er grinst in den Spiegel. Seine weißen Zähne strahlen im ebenholzfarbenen Antlitz.

    Er zieht den Gürtel um seine schmale Taille enger und stellt eine Flasche Sauvignon Blanc aus New Zealand in den Kühler: Cloudy Bay, einer ihrer Lieblingsweine. Er trägt das Tablett zu ihr und serviert einen Schluck, den sie mit fachmännischer Kenntnis prüft. Sie schwenkt das Glas, riecht an der duftenden hellgelben Flüssigkeit. Schließlich nimmt sie einen Schluck, den sie mit nachdenklichem Blick im perfekt konturierten, erdbeerroten Mund bewegt. Hamman malt sich unwillkürlich aus, wie es wohl wäre, wenn sie sein bestes Stück so verkosten würde. Sie blickt gestreng und konzentriert. Wie gut, sinniert er, dass meine Gedanken unlesbar sind. Oder etwa doch nicht? Sie errötet erneut und intensiv. Hat sie etwa einen Blick auf meine erregte Leibesmitte geworfen? Einen Moment ist ihr Gesicht ganz in sich und in Lust versunken. Dann lächelt sie bezaubernd, als erwache sie aus einem schönen Traum. Sie stellt das Glas ab. »Hervorragend!« Zum ersten Mal an diesem Abend entspannt sich ihre Haltung. Sie lehnt sich im Stuhl zurück und fragt mit einem Lächeln: »Wie geht es dir, Hamman?«

    Ich nehme mein Funkgerät zur Hand. Dieser Hamman scheint ein guter Kerl zu sein. Er soll auf die Rose aufpassen. Ich souffliere ihm diesen Seelenauftrag. Doch ich bin noch ungeübt im Handhaben des Funkgerätes, und meine Stimme dringt nicht richtig durch zu meiner Kontaktperson. Es knistert im Kanal. Mein Auftrag scheint ins Gegenteil umzuschlagen: Der Kellner versteht meine Botschaft offensichtlich als Aufforderung sie anzumachen und nähert sich ihr aufdringlich. Mit anzüglich-unsittlichem Grinsen im Gesicht.

    Hamman ist, als vernähme er eine Stimme. Was die sagt, versteht er allerdings nicht. Aber der Rose Antlitz voll fröstelnder Verletzlichkeit törnt seine Männlichkeit mächtig an. Mit erwachtem Beschützerinstinkt legt er ihr sein Jackett um die Schultern. Sie lächelt zart mit diesem unverschämt sexy Augenaufschlag. »Merci«, sagt sie zuckersüß und blickt dankbar. Nun redet sie mit ihm wie zu einem Freund, nicht einem Dienstboten ihrer durstigen Kehle. »Comment ça va?« Ihr Französisch klingt in seinen Ohren verführerisch, gerade weil fehlerhaft. »Es geht mir gut, wenn ich das Glück habe, deinen Anblick zu genießen!«, antwortet der Kellner charmant. Mit seinem nur leicht brüchigen französischen Akzent à la Pierre Brücke, dem König der Indianer, und seinem Charme schmilzt er die Herzen der stolzesten Frauen. Die durchaus flirtsame Rose grinst geschmeichelt. Ihre Gefallsucht könnte sie durchaus zum Opfer dieses Charmebolzen werden lassen. Doch mit einem Kellner hat sie noch nie etwas angefangen. Noch dazu einem Farbigen. Nein, sie sollte bei standesgemäßen Verehrern bleiben. Apropos: Wenn man vom Teufel spricht. Ein ebensolcher kommt dem »Zeal für Arme« soeben zuvor.

    Die Tür öffnet sich und ein blond gelockter, groß gewachsener, strahlender Wikingertyp entert den Garten. Er sieht die Rose und eilt entschlossen auf sie zu. Der Eroberer verbeugt sich und gibt ihr einen antiquierten, allerdings feuchten Handkuss. Hamman kann förmlich seine Spucke sehen und blickt angeekelt. Das sieht der Amor wohl und wedelt ihn weg wie eine Fruchtfliege. Der Kellner zieht ab, kochend vor Wut. Mit Ohren und Augen bleibt er jedoch am Geschehen. »Du bist also die süße Rose! Du siehst ja noch überwältigender aus, als auf deinem E-Love-Profil beschrieben!«, säuselt der Aufreißer. Er setzt sich und nimmt unaufgefordert ein Glas Sauvignon Blanc. »Auf uns!« Mit strahlendem Lächeln und dem Wissen um seine Unbesiegbarkeit hält er ihr das Glas entgegen. Sie lächelt, schüchtern und schelmisch zugleich, und stößt mit ihm an. »Same to you! … Matthieu Mädchenheld. Schön dich kennenzulernen.«

    Oh no! Einspruch aus dem Jenseits: Ich halte das Fernglas näher ans Auge. Das darf doch nicht wahr sein! Liebste Rose, du kannst es wirklich nicht lassen! Sie ist drauf und dran, sich mit einem halbseidenen Wikinger und Möchtegern-Eros einzulassen. Einem Niederländer aus dem Neandertal. Nicht zu fassen. Mein Zorn verwandelt sich in einen drohenden Blitz. Vielleicht auch einen Windhauch. Denn die Kerze auf dem Tisch flackert wild und erlischt. Das ist die einzige Wirkung, die mein Warnschuss zu erzielen vermag. Ich fühle die seltsame Schlaffheit der Erschöpfung, die ich als Geist eigentlich ablegte. Irgendwas scheine ich falsch zu machen. Ich konzentriere mich aufs Beobachten

    Eine Flasche Wein später liegt Liebe in der Luft. Die Rose kann sie spüren. Matthieu presst seine Hand auf ihre, als gehöre sie ihm bereits seit immer und ewig. Der helle Flaum auf seiner starken Hand schimmert verführerisch. Dabei starrt er hypnotisierend in ihre hellgrünen Augen, denen man den Schmerz vergangener Blessuren von Liebesattacken ansieht. »Gehen wir zu dir!«, befiehlt er, statt zu fragen. Mit einem Gesichtsausdruck der Determination. Sie seufzt leise. Das Lächeln dieses blonden Liebesgottes betört ihre Seele, die zu verdorren drohte. Nun jubiliert sie. Die Zeit der einsamen Enthaltsamkeit ist vorbei.

    Sie ist dabei, sich zu verlieben! Ich runzele die Stirn. Zeit einzugreifen! Ich klinke mich probeweise in seine Seele ein. Dieser goldhaarige Typ zieht sie allzu magnetisch an. Da ist Gefahr im Verzug! Der Liebesblitz ist in sie eingefahren. Und der kann giftig sein für ein liebessüchtiges Herz. Ich horche mit meinem Funkgerät, obschon der Empfang durch Knattern und Knirschen gestört ist. Endlich empfange ich seine Signale. Sie klingen … erst einmal vertrauenswürdig. Matthieu ist extra aus Holland eingeflogen. Ziel: eine neue Lebenspartnerin zu finden. Ich beobachte die Situation umso alarmierter. Sie ist offensichtlich Feuer und Flamme. Kann er der Richtige sein? Ein fliegender Holländer – ihre neue Liebe? Ich muss auf mein Mädchen aufpassen! Ich sende einen weiteren Warnschuss. Der Himmel verdunkelt sich. Ein Blitz zuckt durch die Nacht.

    Hamman erkennt die Botschaft. Er kommt an den Tisch geeilt. Er presst seine sonst so saftigen Lippen aufeinander und sieht für seine Verhältnisse sonderbar blass aus. Seine Stimme klingt kehlig-krass, wie der Donner persönlich. »Rose! Geh noch nicht. Es zieht ein Gewitter auf! Trink bitte noch ein Glas im Restaurant. Auf meine Kosten! Laufe nicht in dein Unglück!«, fleht er und sieht die massive Hand des Wikingers noch immer auf ihrer zierlichen ruhen. Doch der Aufreißer hat Besseres vor. »Die Rechnung bitte. Die Lady und ich haben noch etwas Intimes zu besprechen!« Mister Goldlocke weiß, was er will. Und: Er wartet nicht. Die Rose lächelt entschuldigend. Sie sieht unverschämt erblüht aus. Rote Lippenstiftspuren auf beider Antlitz zeugen davon, dass der Holländer schon an ihren Lippen genascht hat, ebenso wie die Rose an seinem Saftmund. Aufpasser Hamman bringt die Rechnung. Die Rose lächelt gefährlich tief und sinnlich. »Wir sehen uns die Tage, lieber Hamman. Dann nehme ich dein Angebot auf ein gemeinsames Glas gerne an!« Er seufzt und zieht ab. Ein Mann muss erkennen, wenn er verloren hat. »Nach einer gewonnenen Schlacht gönnt man sich den Champagner. Nach einer verlorenen benötigt man ihn!«, wusste bereits Napoleon! Hamman schleicht sich an die Bar und genehmigt sich ein Glas Ersatzglück.

    Es beginnt zu regnen. Hamman sieht durch den Champagner und den Regen verschwommen, wie der blonde Eroberer SEINE Erdbeerlippen-Rose vom Stuhl zieht und besitzergreifend in seine Arme nimmt. Er breitet sein Sakko wie ein schützendes Dach über sie aus. Hammans Jackett hat er zu Boden geworfen, wie einen nassen Lappen. Dann zieht er sie fort. Der Kellner sitzt an der Bar, wie ein begossener Pudel. Er hebt die Schultern und blickt sinnierend in sein Glas: Meinen Auftrag als Aufpasser der delikaten Rose habe ich klar verfehlt! Sorry, das war nicht zu verhindern! Es gewittert laut und bösartig. Hamman hat das Gefühl, der Ausbruch sei alleine für ihn bestimmt. Im Donnergrollen vermeint er eine wütende Botschaft zu vernehmen.

    Ich habe dir aufgetragen, auf sie aufzupassen. Und schwups, innerhalb einer Stunde zieht sie mit diesem hergelaufenen holländischen Möchtegern-Casanova ab!

    Hamman zieht seinen Kopf ein und sinkt auf die Theke. Vielleicht lässt sie ihn ja doch noch abblitzen?

    Ich luge mit dem Fernglas ins Dachgeschoss und kann durch dieses Zauberinstrument sehen, was dort geschieht.

    Feuerwerk im Miniformat

    Der Holländer entführt die Rose aus dem Café Sieben. Er geleitet sie, die leicht taumelig ist von Liebe und Wein, in die Klosterstraße 65. Ihr temporäres Zuhause im Münzenland. Sie betreten den Aufzug. Die Türen schließen sich. Er nimmt ihren kunstvoll frisierten Kopf zärtlich in seine beiden riesigen Hände und küsst sie mit seinen weichen, warmen Lippen. Sie seufzt süß. Ihre Lippen, ihr ganzer Körper wölbt sich ihm entgegen. Er zieht sie aus dem Aufzug. Dann greifen seine starken Arme unanständig unter ihr Gesäß. Er hebt sie hoch und trägt die Rose über die Schwelle ihrer Wohnung. Sie fühlt sein Verlangen und ist elektrisiert und ergeben in die Lust, die seine Berührung in ihr weckt.

    Offene Küchen sind nicht nur zum Kochen gut geeignet. Matthieu hebt die Rose auf die Küchenbar und schiebt ihr Kleid nach oben. Goutierend erblickt er das schwarze Spitzenhöschen und die weißen Schenkel in schwarzen Strapsen. »Du bist ja eine besondere Leckerei!« Er leckt sich die vollen Lippen, als wäre sie ein Dessert. Seine forschen Finger schieben das feine Spitzenhöschen beiseite. Ihr wird schwindelig. Aber gleichzeitig gewinnt das schüchterne Mädchen in ihr die Oberhand. Ganz so einfach will sie es dem Möchtegern-Casanova aus den Niederlanden doch nicht machen. Qualvolle kleine Pausen erhöhen den Reiz des Liebesspiels. Außerdem ist er sich seiner Sache allzu sicher. Sie ist doch keine Trophäe seiner eingebildeten Unwiderstehlichkeit. SIE ist diejenige, die über den Fortgang des Abends bestimmt. Schließlich können solche Herzattacken schmerzhaft in die Hose gehen. Davon kann sie Lieder singen! Sie braucht Aufschub und mehr Nervennahrung. »Ein weiteres Glas Weißwein?« Sie springt von der Küchenbar und sprintet an den Kühlschrank. Ihre Seele muss sich Mut antrinken. Die halbe Flasche Sauvignon Blanc war eindeutig zu wenig. Zum Glück gibt es ausreichend Nachschub in ihrem kalten Tresor. Wenn auch nichts Essbares. Matthieu lechzt eh nach anderer Nahrung …

    Die Goldlocke ist erhitzt. Begeistert von den eigenen Verführungserfolgen. Ich komme durch jede Tür. Das ist das Versprechen, das er auf seinem E-Love-Profil gibt. Es scheint zu wirken! Man sollte klotzen, nicht kleckern! Die Bereitwilligkeit zur Hingabe, die diese besondere Rose verspricht, betört ihn. Wow! Er nimmt das feine, mit Sauvignon Blanc gefüllte Kristallglas entgegen und leert es in gierigen Zügen. »Zeig mir deine Wohnung!« Stolz führt sie ihn durch die stilvolle Dach-Maisonettewohnung. Er trägt die Gläser und die Flasche. Ihm gefällt, was er sieht. Die Wohnung ist modern, architektonisch anspruchsvoll, und das knackige Hinterteil der Rose wippt verführerisch vor ihm auf und ab. Sie weiß sich so zu bewegen, dass ihre weiblichen Reize optimal zur Geltung kommen! Cheers auf die Waffen der Frauen! Er stellt die Flasche und die Gläser ab und greift nach dem knackigen Po. Sein heißer Atem bläst ihr in die Ohren. »Let’s make love!« Sie bleibt stehen und hält die Luft an. Heiße Schauer der Lust jagen wie Stromschläge durch ihren Körper. Ihre Knie werden weich. Sie steht vor ihm. Mit angehaltenem Atem. Zum Vernaschtwerden bereit. Aber nicht mit der Haut und schon gar nicht ihren heiligen Haaren. Sie wehrt seine Hand ab, die gefährliche Anstalten macht, ihre kunstvolle Frisur zu zerwühlen. Stattdessen leitet sie die Hand zu ihren vor Erregung knospenden Brustwarzen um. Er massiert sie begeistert. »Das sind die Brüste einer 19-Jährigen!«, flüstert er schwärmerisch, während er ihr in die erregten Rosenknospen beißt. Sie genießt das köstliche, lange nicht mehr verspürte Gefühl, sich einem Mann zu ergeben. Ihr Körper windet sich unter seinen Berührungen. Er fügt ihr süße Schmerzen zu. Geht in die Knie und bedeckt sie, von den zarten Fesseln hochwandernd, mit feuchten Küssen. An ihrer empfindlichsten Stelle angelangt, saugt er zärtlich. Gleichzeitig streicheln seine kraftvollen Hände weiter ihre knusprigen Brustwarzen. Eine Hand wandert nach hinten. Er zerrt am Reißverschluss des filigranen Kleides. Ihre Hingabegefahr erreicht Alarmstufe Rot. Ein leises Stöhnen verrät ihre Lust. Er spürt ihre Liebesbereitschaft, die ihm Machtgefühle verleiht. Er hebt sie hoch und trägt sie die Wendeltreppe hinunter. Hinein in das Zimmer, das sie noch nicht erkundet haben. Ihr seltsam bescheiden wirkendes IDEA-Bett steht unter dem Dachfenster. Das Gewitter wütet über ihnen, während er das Kleid öffnet und ihren weißen Körper – nur mit schwarzen Strapsen, Spitzenhöschen und High Heels bekleidet – aufs Bett legt. Er bleibt, wie er ist, während er ihren Körper mit zärtlichen Berührungen und Küssen verwöhnt. Seine Zunge taucht ein in ihre feuchte Rose. Sie zieht ihn zu sich. Neugierig und erregt, seinen Körper zu spüren. Das Wiedererwachen ihrer Sinnlichkeit lässt sie vor Lust fast verbrennen. Ihre Hände wandern zu seinem Hemd. Spielerisch knöpft sie es auf. Streichelt sein blondes Brusthaar. Wandert weiter. Sie öffnet seinen Gürtel und berührt die Ausbuchtung in seiner Hose. Sie öffnet den Reißverschluss, lehnt sich einladend zurück und öffnet ihre weißen Schenkel.

    Matthieu legt seinen schweren, großen Körper auf sie. Ihre sehnsuchtsvollen Augen saugen ihn förmlich ein in ihre tiefe, lustvolle Hingabe. Mit einer Hand greift er sich in die Hose. Mit der anderen streichelt er die erblühende Rose. Er hält sein Glied in der Hand und platziert es am Eingang der Rose. Ihre Augen werden dunkel vor Verlangen. Er dringt in sie ein. Doch was ist das? Ein Penis en miniature gleitet in sie wie ein frecher Frosch in einen tiefen Teich. Anstelle einer ausfüllenden Männlichkeit fühlt sie die Stöße seines Schwänzchens wie ein kaum spürbares Necken. Der Liebesakt intensiviert sich trotzdem und kommt zum Höhepunkt. Der gleicht einer Bleistiftskizze statt einem Gemälde. Das Feuerwerk erleuchtet und erlischt in Sekundenschnelle. Ein Liebesakt im Miniformat. Die Rose räkelt sich dennoch genießerisch. Es kommt nicht nur auf die Größe an, stellt sie wieder einmal fest. Die gegenseitige Anziehung und sein Können im Umgang mit dem Kleinen sind vielmehr entscheidend. Sie lächelt ihn allerliebst und aufmunternd an. Matthieu jedoch zieht sich blitzschnell aus ihr zurück, als bestehe akute Verbrennungsgefahr. Tatsächlich hat sein nun ruhendes Schwänzchen gerade mal die Maße eines Bleistiftstummels. Und das bei so einem großen und kräftigen Mann. Er hüllt sich eilig in ein Handtuch. Dann flieht er kommentarlos ins Bad. Postkoitale Zärtlichkeit liegt ihm offensichtlich nicht. Sie sieht seiner Flucht teils amüsiert, teils traurig zu. Warum nur verlässt er sie so panisch wie eine Ratte das sinkende Schiff?

    Wieder in das Geschehen und die kümmerliche Seele des Möchtegern-Eros eingeklinkt, stelle ich erfreut fest: Das Schiff des fliegenden Holländers wird nie in diesem Hafen landen. Der Typ ist zu sehr Weichei!

    Matthieu flüchtet mit klopfendem Herzen und eingezogenem Schwänzchen in das großzügige Badezimmer der Rose. Er muss sich nach diesem unerwarteten Feuerwerk der Sinne erst einmal fassen. Wow! Was für eine Frau! Welches Feuer, welche Leidenschaft. Er fürchtet: Dem ist er nicht gewachsen. Sein kleiner Mann schon gar nicht! Auch hatte er während des Liebesakts das Gefühl, beobachtet zu werden. Spooky! Er nimmt eine lange Dusche, um das Feuer zu löschen. Dann sammelt er seine Klamotten auf und schleicht sich im French leaving style davon. Man könnte es auch Flucht vor der Liebe nennen …

    Die Rose blickt melancholisch aus dem Dachfenster, auf das der Regen nur noch leise prasselt: Das wird dann wohl doch nicht die große nächste Liebe mit dem fliehenden Holländer?! Der Vollmond schiebt sich durch die Wolken. Ihr ist, als sende er ihr ganz persönlich Trost und Licht. Sie schläft friedlich und von Monsieur Sauvignon Blanc betäubt ein. Am nächsten Morgen gibt es außer der leeren Weinflasche, den Gläsern und einer großen Pfütze im Badezimmer keine Erinnerung mehr an den fliegenden Holländer. Sein Schiff ist weitergezogen. Die Rose ignoriert den Schmerz, der sich wie ein spitzer Dorn in ihr Herz bohrt. Sie wischt den kleinen See auf und sammelt die Gläser ein. Wirft die leere Flasche in den Müll. Damit sind der Abend mit dem Holländer und der Anflug von Liebe oberflächlich ausgelöscht. Die Spur auf ihrer Seele noch nicht. Zum Glück lässt ihr Leben keine Zeit für Larmoyanz. Ihre Mission ist eine andere. Sie ist ja so gar nicht ganz nebenbei Business Queen mit einem stahlharten Auftrag.

    Na, das ist ja gerade noch halbwegs gut gegangen! Ich muss gestehen, dass der Anblick ihres nach wie vor verführerischen Körpers in schwarzer Spitzenwäsche meine himmlischen Gefühle durcheinandergebracht hat. Aber dieser Holländer … Was für ein Schlappschwanz! Zum Glück kann der es ganz und gar nicht mit mir aufnehmen. Die Rose bleibt mein. Hoffentlich ist jetzt erst einmal Ruhe mit dem Geschlechtergemetzel. Sie soll sich gefälligst auf ihre Karriere konzentrieren und Kohle scheffeln! Ich lehne mich etwas entspannter auf meinem Bett aus Wolken zurück. Was ich von hier oben tun kann, um ein weiteres Liebesunglück zu vermeiden, werde ich tun. Und wenn ich mich dem Teufel persönlich stellen muss!

    Diva in der Knochenmühle

    Oh Hölle. Es ist Montag. Nach ausgiebigem Schönheitsprogramm zwängt sich die Rose in einen schlichten schwarzen Schlauch von Kleid. Die Haare türmt sie so hoch wie ein Häuptling. Das gehört unvermeidlich zu ihrem Style. Es ist Zeit für Big Business. Die unbefriedigende nächtliche Begegnung mit dem Holländer entschieden vergessend, steigt sie in ihren BMFahrfreude-Firmenwagen und gleitet durch das graue Deutschland in the middle of nowhere. Eine Dreiviertelstunde später landet die Rose auf dem voll besetzten Parkplatz der Firma StechSchmied in Waffendorf. Der ist kiesbestreut und nicht für Stilikonen auf High Heels gemacht. Sie grinst kriegerisch und stellt sich in erster Reihe auf den Geschäftsführer-Parkplatz. Schließlich ist sie die Marketing-Direktorin. Quasi direkt aus der großen weiten Welt der Luxus-Labels importiert, um aus dem traditionellen, hochwertigen, jedoch altbackenen Unternehmen eine Premiummarke zu machen. Sie reckt das kleine Kinn energisch nach vorne und sprintet über die Straße. Ein Fahrrad rast beängstigend nah an ihr vorbei und bringt sie fast zu Fall. Statt sich zu entschuldigen, blafft der Radler sie böse an. »Blöde Tussi, pass doch auf!« Die Rose blickt ihn stolz und verächtlich an. Sie hasst Fahrradfahrer, seit sie im Münzenland lebt, wo es keine rabiateren Straßenverkehrsstörer gibt. Die Woche könnte schlimmer nicht beginnen. Herzattacke am Montagmorgen. Da tritt die Rettung in Gestalt von Herrn Feldführer, dem jungenhaften Produktionsleiter von StechSchmied und Hobbyjäger, auf sie zu. Einer der Machtmänner der Firma, der ein offensichtliches Faible für die Rose hat und nicht an taubem oder zerstochenem Herzen leidet. »In Waffendorf braucht es eine Seele aus Stahl!«, grinst er frech. Die Rose, deren Seele so sensibel wie ein Schmetterling ist, blickt schmerzlich. Eine Träne kullert aus dem Auge. Wieso musste sie ausgerechnet beim deutschen Marktführer für Luxusmesser im absoluten Nowhere-Land landen? Sich liebesverblendet von einem ebenso erfolglosen wie größenwahnsinnigen Rock-Musiker auf eigene Kosten nach Miami entführen zu lassen, war wohl der Fehler ihres Lebens. Den Preis dafür zahlt sie nun mühsam und diszipliniert im Mekka des industriellen Mittelstands von Düster-Deutschland. Mancher Sinn im Leben erklärt sich erst später …

    Ich übernehme mit meinem Fernglas wieder die Aufsicht über das Schicksal der Rose. Sogleich sauge ich mich in die Seele dieses grobschlächtig, jedoch gutmütig wirkenden Herrn Feldführer. So ein zartes Geschöpf in dieser Knochenmühle. Da muss man doch drauf achtgeben …!

    Der Jagdheld begrüßt sie, sich tief verbeugend. Ganz Gentleman. »Frau Rose. Wo Sie sind, scheint die Sonne und lacht der Himmel!« Sie lächelt scheu mit ihren breiten, rot geschminkten Lippen. Ein Anblick für die Götter. »Hallo, Herr Feldführer! Das ist nett. Ja. In Waffendorf braucht man Hornhaut auf der Seele! Daran arbeite ich noch …«, raunt sie ihm schüchtern zu. Er nimmt ihr galant die tonnenschwere Laptoptasche ab. Gibt es tatsächlich Gentlemen in dieser Diaspora der Menschlichkeit? Er nimmt ihre Hand und geleitet die so angespannte wie fragile Marketing-Direktorin an den Empfang. Dort heißt sie die Sonne in Form der herzenswarmen Empfangssekretärin willkommen. »Frau Rose, Herr Feldführer, schön Sie zum Geburtstag von Herrn StechSchmied senior zu begrüßen!« Sie betrachtet die beiden wohlwollend.

    Ich erlaube mir einen kurzen Blick in ihre Seele. Ja, es gibt Sonnenherzen. Selbst im trübsten Umfeld. Ich habe mittlerweile die Gegend gecheckt: Der Anteil an Ausländern und Rollatoren ist der größte in Deutschland.

    Die Empfangssekretärin mustert das seltsame Paar aus bodenständigem Produktionsleiter und behighheelter Rose freundlich. »Da haben Sie sich ja ganz schön in Schale geworfen!«

    Ich beäuge den Ritter in seiner Rüstung von meiner Reservebank aus. Ein dreiteiliger Anzug mit antiquierten goldenen Knöpfen. Dazu ein Doppelreiher in spießigem Dunkelblau, definitiv sein Hochzeitsgewand. Er gibt es zähneknirschend zu. Doch das Resultat ist durchaus akzeptabel. Zumindest für Ost-Nordrhein-Westfalen. Der Wanst spannt zwar verdächtig. Doch die Hose hält. Und die Haare sind militärisch kurz und gestriegelt. Eine Eins bekommt er mit seinem Outfit nicht. Aber ein Befriedigend passt. Ich lehne mich neugierig in meinem Sessel vor. Mal sehen, was weiter geschieht.

    Das ungleiche Paar betritt die heilige Halle des Konferenzraums. Dort hat sich bereits ein Dutzend graugesichtiger und grau gewandeter Kollegen aus der Führungsriege versammelt. Der Feldführer hält der Rose ein Glas Sekt entgegen. Eine Seltenheit in der rigiden Zentrale der Messerbranche. Sie nimmt es dankbar an. »Auf den Opi«, flüstert er frech und stößt mit verschwörerischem Grinsen mit ihr an. Irgendwie ein obszöner Sound, als die Gläser laut klirren. Das passt nicht zur Unternehmenskultur. Die Führungsriege erwacht aus dem montäglichen Tiefschlaf. Die Rose blickt sich neugierig um. Das Glas in der Hand verleiht ihr etwas Sicherheit in diesem von Machtmännern dominierten Messer-Terrain. Die Gesichter, die sie umgeben, sehen ängstlich und angespannt aus den allzu eng gebundenen Krawatten. »Es scheint, als hätten die dem Unternehmen StechSchmied Dienenden allesamt einen Strick um den Hals«, frotzelt der Feldführer erneut.

    Offensichtlich ein Frechdachs. Nicht gänzlich passend zum Hochzeitsanzug und der harmlos wirkenden Fliege. Er wird mir immer sympathischer. Ich sehe die argwöhnischen Blicke der StechSchmied-Führungsmannschaft zur Rose wandern. Sie wirkt hier in dem Zentrum des Waffenmekkas wie ein Wesen von einem anderen Stern. Welche Lebensumstände sie wohl ausgerechnet an diesen Ort und in dieses Gefängnis aus Stahlklingen geführt haben? Die letzten drei Jahre war mir ihr Schicksal verborgen. Die Aura des Geheimnisses umgibt

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