Seewölfe - Piraten der Weltmeere 418: Sirenenklänge
Von Burt Frederick
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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 418 - Burt Frederick
9
1.
Nur noch wenige zerborstene Trümmerteile erinnerten an die spanische Galeone „Santa Cruz". Die Wellen spielten mit einer zersplitterten Grätingsluke, einer Nagelbank und den zerschmetterten Bestandteilen einer Achterdecksbalustrade.
Strahlender Sonnenschein lag an diesem Nachmittag des 21. August 1594 über dem nördlichen Ausgang der Florida-Straße. Der Wind wehte aus Südwesten. Den vier englischen Galeonen wäre zweifellos rauschende Fahrt möglich gewesen, wenn nicht besondere Umstände Anlaß gegeben hätten, die Segel zu bergen und Treibanker zu werfen.
Kapitän George Rooke von der Galeone „Centurion" blickte mit Schaudern auf die im Wellengang schwappenden Wrackteile. Die Spanier mußten geglaubt haben, blutrünstigen Barbaren in die Hände gefallen zu sein – nicht aber englischen Seeleuten, die sich selbst auf Kaperfahrt noch an gewisse Regeln der Humanität hielten.
George Rooke enterte als letzter über die Jakobsleiter auf. Er betrat die Decksplanken des Flaggschiffs „Orion" mit Widerwillen. Lange hatte er gezögert, überhaupt an dieser für ihn nutzlosen Besprechung teilzunehmen.
Der hochwohlgeborenen Gentlemen-Clique ging es doch im Moment nur darum, den dreisten Sir John Killigrew mit seiner Karavelle „Lady Anne" wieder zu erwischen. Eben jenen berüchtigten Freibeuter aus Cornwall, der mit Sir Andrew Clifford als Geisel an Bord auf und davon gesegelt war.
Nur durch seinen persönlichen Freund, Kapitän James Wavell von der „Eagle, hatte sich George Rooke schließlich doch überreden lassen, der Aufforderung von Sir Edward Tottenham zu folgen und sich an Bord der „Orion
zu begeben. Schwerwiegende Konsequenzen seines Zögerns befürchtete Rooke nicht.
Selbst bei seinem Fernbleiben hätte er kein schlechtes Gewissen gehabt. Denn Sir Edward konnte sich durch nichts darauf berufen, daß er etwa zum Verbandsführer ernannt worden wäre. Gewiß, er war Kapitän der „Orion", und diese war von der verdammten Clique gewissermaßen als Flaggschiff auserkoren worden. Eine gleichzeitige Aufwertung von Sir Edwards Position durch Order von höchster Stelle war jedoch nicht erfolgt.
Kapitän Rooke warf einen Blick über die Verschanzung, nachdem er vom Zweiten Offizier in Empfang genommen worden war und zum Achterdeck geführt wurde. An der nordöstlichen Kimm waren soeben die Mastspitzen der „Lady Anne" verschwunden.
Im Achterdeckssalon hatte sich die gesamte hochwohlgeborene Gesellschaft bereits versammelt. Die sauren Gesichter standen in krassem Gegensatz zu dem prächtigen Wetter, das an diesem Tag herrschte. Tadelnde Blicke empfingen George Rooke angesichts seiner Verspätung.
Er begegnete diesen Blicken mit hoch aufgerichteter Haltung und betrachtete seinerseits die Teilnehmerrunde mit erkennbarer Geringschätzung. Das Schweigen, mit dem sie ihre Pikiertheit ausdrückten, störte ihn nicht im mindesten.
In seinen Spinnenfingern drehte der dürre Sir Edward Tottenham nervös einen Federkiel. Natürlich hatte sich die erlauchte Clique seine „Orion" hauptsächlich deshalb als Flaggschiff ausgesucht, weil Tottenham als einziger der vier Kapitäne von Adel war.
Die Tatsache als solche reichte bei seiner Crew indessen kaum aus, seinen Beliebtheitsgrad in die Höhe zu treiben. Sir Edward, dieser geiergesichtige Pedant, lebte nur für seine Dienstvorschriften und entwickelte entsprechend wenig eigene Initiative. Seine Untergebenen waren gewohnt, ihn ständig nörgeln zu hören.
Kapitän James Wavell, ein Seemann von der aufrechten Sorte, nickte seinem Freund kaum merklich zu. Rooke las in Wavells Augen Erleichterung, und er kannte den Grund. Wavell war froh, nicht allein auf verlorenem Posten zu stehen. Denn außer ihm war es nur noch George Rooke, der seine Ansichten teilte.
Kapitän Charles Stewart von der „Dragon" war ebenfalls ein handfester Seemann. Doch Rooke und Wavell hatten sich mit ihm nie so recht anfreunden können. In manchen Situationen – ob bei einer Wirtshaus-Schlägerei oder bei einem Gefecht zur See – neigte er zur Hinterhältigkeit und zu brutaler Gewalt, die nichts mehr mit Ritterlichkeit zu tun hatten.
Dank der zwangsläufigen Abwesenheit von Sir Andrew durfte sich Sir Henry, Duke of Battingham, in dieser Besprechungsrunde sozusagen als Oberhaupt fühlen.
Dem Kapitän der „Centurion" war dieser Mann schon bei der ersten Begegnung unsympathisch gewesen. Für Rooke war dieser Sir Henry nichts anderes als ein eitler Pfau, der sich immer wieder aufplusterte und es doch nicht schaffte, ein Rad zu schlagen.
Er war nur mittelgroß, hatte eine leicht nach oben gebogene Nase und wäßrige Augen von blassem Blau. Von den Nächten, in denen er erst richtig munter zu werden pflegte, zeugte Sir Henrys bleiches Gesicht.
Jetzt Ende Zwanzig, war er noch blasierter geworden, seit er den Titel des Duke geerbt hatte. Die Schiffsoffiziere hatten darüber zu berichten gewußt. George Rooke selbst interessierte sich nicht für Klatsch und Tratsch aus Adelskreisen.
Von den übrigen sehr ehrenwerten Gentlemen hielt Rooke noch viel weniger. Daß sie sich anmaßten, an der Besprechungsrunde der Kommandanten teilzunehmen, zeugte von ihrer Blasiertheit. Denn von seemännischen Dingen verstanden sie nun wahrhaftig nichts – wohl aber davon, nächtelang zu saufen und zu würfeln und tagsüber den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen. Das hatten sie in den knapp drei Monaten seit dem Auslaufen aus dem Hafen von Plymouth hinlänglich bewiesen.
Jener, der in dieser gepuderten Perückengesellschaft am unangenehmsten auffiel, war für George Rooke ein Mann, der sich durch geschickte und flinke Hände auszeichnete und das Aussehen eines eiskalten Haies hatte. Das war er ohne Zweifel – ein mit allen Wassern gewaschener Hasardeur und Abenteurer: Sir Robert Monk, der Spieler.
Wegen ihm hatte es erst vor ein paar Tagen ziemliches Aufsehen gegeben. Vom Alkohol umnebelt, hatte ihn Sir Henry nachts des Falschspiels bezichtigt und war von Sir Robert zum Duell gefordert worden. Ob Falschspiel oder nicht, das Duell hatte zum großen Bedauern der Mannschaften nicht stattgefunden. Denn am nächsten Morgen hatte sich der erlauchte Sir Henry – leider, leider – so unpäßlich gefühlt, daß er nicht imstande war, dem Herausforderer mit einer Pistole gegenüberzutreten.
Statt dessen hatte Sir Henry anschließend geruht, ein paar Decksleute auspeitschen zu lassen – sehr zur Erheiterung der gepuderten Achterdecksgesellschaft, die damit wenigstens vorübergehend der Eintönigkeit eines langen Tages enthoben war.
Sir Edward hob den Kopf und räusperte sich. Es klang wie ein Krächzen.
„Nun, äh – Mister Rooke, da Sie auch schon anwesend sind, können wir wohl anfangen." Tottenham blickte in die Runde, wartete auf ein Lachen, doch niemand schien seinen Scherz zu verstehen.
„Verspätet hat er sich, sagte Sir Henry von oben herab und scheinbar gelangweilt. Er hing auf seinem Stuhl und war hingebungsvoll damit beschäftigt, mit einem kostbaren ziselierten Dolch seine Fingernägel zu reinigen. Ohne aufzublicken, fuhr er im gleichen Tonfall fort: „So ein Verhalten ist ungezogen. Man sollte es bestrafen.
Die Gentlemen in seiner Umgebung nickten so heftig Beifall, daß man befürchten mußte, der Puder würde ihnen aus den Gesichtsfalten bröckeln.
„Ich habe niemanden darum gebeten, auf mich zu warten, sagte George Rooke kühl. „Sie hätten Ihre Gesprächsrunde auch ohne mich beginnen können, Gentlemen.
Sir Henry hob nun doch den Kopf, öffnete und schloß den Mund fassungslos und sah dabei aus wie ein Karpfen auf dem Trockenen.
Sir Edward nagte angestrengt auf seiner Unterlippe und fand offenbar nicht die rechten Worte der Zurechtweisung.
Kapitän Charles Stewart von der „Dragon" war es, der lospolterte, bevor ein anderer etwas sagen konnte.
„Wie