Ortswechsel: oder Das einfache Leben
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Über dieses E-Book
Die Liebe zum Detail und zur Natur hebt den Alltag - damit Hopper ähnlich - in seiner Einfachheit in die Sphäre des Mythischen. Bei Hopper ist es das Licht, hier ist es die Geste des Reisenden.
In jeder Landschaft, jeder Begegnung bestätigt finden, dass man nie anderswo war, immer schon angekommen ist.
Nicolaus Bornhorn
Nicolaus Bornhorn 11.7. 1950 Geburt in Dinklage, Südoldenburg, Niedersachsen - Okt. 1968 Jugendlager der Olympischen Spiele, Mexico - 1991 - 94 Marseille. Photographien, Frottagen, Gipsabdrücke und Texte im und über den Marseiller Hafen - 1992 Lesereise durch Deutschland mit dem Buch: "Eine Liebe zu Frankreich" - 2000 Reise nach Goa, Indien; Reise nach Santiago de Cuba und Havanna. Seitdem: freier Autor, Übersetzer und Fotograf
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Buchvorschau
Ortswechsel - Nicolaus Bornhorn
Für Anna Bugnard,
die Muse, Geliebte, Begleiterin jener Jahre
Inhaltsverzeichnis
Ibiza
Roma
american movie no. 2
Mexico oder Die Geburt der Schrift
american movie no. 2 (suite)
Ibiza
Barcelona. Sie suchen das billigste Hotel auf den Ramblas. Er liest die Titel der Zeitungen, versucht, die Spanischbrocken in eine sinnvolle Ordnung zu bringen. Sie essen in einem der volkstümlichen, günstigen Restaurants, die Hinterstube ist auch am Tag mit Neon ausgeleuchtet. Fast alle Speisen sind mit altem Öl angemacht, ein glänzender Film liegt auf ihnen, vergällt Anna den Appetit.
Am Brunnen vor dem Restaurant, auf einem kleinen Platz, der von einer Kirchenmauer erdrückt wird, füttert ein gebeugter Alter die Tauben. Er erzählt ihnen von seiner Flucht vor den Soldaten Francos, spricht das Französisch mit starkem Akzent. Er erinnert sich an Einzelheiten, langsam kommen die Worte, deutlich will er sie. Jeden Tag komme er, um die Tauben zu füttern, mit den Menschen spreche er kaum noch.
El London, eine Bar in einer der Seitengassen; das Hurenviertel ist nicht weit. Auf Fässern sitzend, an schweren dunklen Holztischen, trinken sie anis dulce. Anna beschwört die Vergangenheit, Joaquín, ein spanischer Student, mit dem sie oft hier gewesen sei. Weich, gelassen, gibt sie sich den Erinnerungen hin, an die langen durchdiskutierten Nächte, an die Spannung, die sich langsam aufbaute zwischen ihnen, die erst in der letzten Nacht sich entlud.
Überfahrt von Barcelona nach Ibiza. Die nächtliche Monotonie des Schiffes, Gitarrenspiel auf dem Achterdeck. Anna geht nicht hinaus, bleibt in ihren Sitz gekauert, ohne schlafen zu können, als bedaure sie schon jetzt, seinen Plänen nachgegeben zu haben, die sie dem gewohnten Rhythmus entreißen, um dem Bild vom einfachen Leben nachzulaufen. An der Reling, beim Starren auf die Gischtspuren weit unten, erzählt ihm eine Deutsche aus Hamburg von ihren nächtelangen Versuchen zu schreiben, in einem winzigen Zimmer am Grindelberg, ausgestreckt auf dem Bett, den Mund immer an der Zigarette. Sie zitiert Gedichte, schleudert die Worte hinaus in den Wind. Kurz vor Mallorca geht die Sonne auf, Schicht um Schicht weicht das Dunkel, zerfetzte Wolken, rot, dann gelb, nehmen seinen Platz. In der Tagesmitte, endlich, die Sicht auf Ibiza, die weiße Stadt auf dem Hügel am Meer.
Sie schleppen ihre Habseligkeiten durch die Straßen der Stadt bis hinein in ein kahles Hotelzimmer. Die Wände sind nackt, ohne Bilder, der Blick aus dem Fenster gleitet über ein Wirrwarr aus Gassen und Dächern bis zu den Fischernetzen, die nahe am Hafen zum Trocknen hängen. Und jenseits die Linie des Horizonts, scharf gezeichnet.
Wie immer, wenn er in die Nähe von Bergen oder Hügeln gelangt, muss er als Erstes hinauf. Erst wenn alles einmal überschaut ist, wird die Begrenzung in enge Räume möglich. Die Stufen, die zur Festung hinauf führen, sind von weißen, mit Bougainvilleen überladenen Mauern eingefasst. In Schwarz gekleidete Frauen, die Gesichter voller Runzeln, sitzen in der Nachmittagssonne vor offenen Türen. Lange bleibt er stehen bei einem blau gerahmten Fenster: eine Musik im Innern webt am Gespinst der Zeit. Der Burgplatz oben ist so leer wie der Himmel.
Abends, während er zwischen den kahlen Wänden dem Echo seiner Flöte nachhorcht, beginnt hinter einer der Mauern ein wilder Tanz auf der Violine. Er öffnet die Tür einen Spaltbreit: in einem winzigen Zimmer spielt eine Zigeunerin, in einem flammenden, im Stil der Flamencotänzerinnen geschnittenen Kleid. Sie ist jung, sie sieht ihn nicht; und an der Wand das bestickte Gewand eines Stierkämpfers. –
Morgen werden sie ein Haus auf dem Land suchen.
Einige Kilometer östlich von Santa Eulalia, abseits der Straße, nur über Feldwege erreichbar,