Gesunder Pferderücken: Systematische Übungen und Trainingstipps für jeden Tag
Von Eva-Maria Sülzle
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Buchvorschau
Gesunder Pferderücken - Eva-Maria Sülzle
Literaturverzeichnis
VORWORT
Auf diesem Bild sehen Sie mich, Eva Maria Sülzle, mit meinem Sohn Philipp und meinem aufgrund einer schlimmen Beinverletzung verstorbenen Pferd Cornetto, dem ich all mein heutiges Wissen verdanke. (Foto: Dirk Niemeier)
Vielleicht haben Sie dieses Gefühl schon einmal erlebt: Wie von Zauberhand scheint Ihr Pferd durch die Reitbahn zu schweben. Alles fühlt sich so leicht an. Sie sind eins mit Ihrem Pferd – was für ein wahnsinniger Moment! Doch wie genau haben Sie das geschafft? Haben Sie die Rückentätigkeit Ihres Pferdes bewusst herbeigeführt?
Nicht alle Reiter kennen den Weg zu einem schwingenden Pferderücken. Oft scheint es so, als ob der Zufall entscheide, wann sie die totale Harmonie mit dem Pferd erleben. Doch so muss es nicht sein! Mit diesem Buch möchte ich Ihnen Übungen vorstellen, die die Rückenmuskulatur Ihres Pferdes lösen, stärken und so eine gesunde Reitpferdemuskulatur fördern. Diese einfachen Übungen sind als Anleitung zum Nachreiten und Trainieren gedacht. Sie haben sich in meiner Rückenschule für Pferde bewährt. Viele Pferde mit unterschiedlichen Voraussetzungen oder Schwierigkeiten konnten so zu Losgelassenheit – einem Hauptkriterium der Ausbildungsskala – und damit zu optimaler Rückentätigkeit finden.
Reitweisenunabhängig eignet sich das Rückentraining für jedes Pferd in jedem Alter. Egal ob Freizeit- oder Turnierpferd, egal ob jung oder alt, das Ziel ist immer eine gesunde Rückenmuskulatur des Reitpferdes. In diesem Punkt sind sich alle Reitweisen einig: Das Pferd kann nur gesund bleiben, wenn seine Rückenmuskulatur frei ist von Spannungen. Steigern Sie von nun an das Wohlbefinden und die Gesundheit Ihres Pferdes durch ein regelmäßiges, durchdachtes Training und erleben Sie den positiven Nutzen im Hinblick auf Ihren weiteren Ausbildungsweg.
Ich wünsche Ihnen und Ihrem Pferd viel Freude beim Training
Ihre
(Foto: Christiane Slawik)
AUSBILDUNG UND TRAINING?
François Robichon de la Guérinière beschrieb als Erster eine systematische Ausbildung für das Pferd. Seine Ausführungen gelten noch heute als Grundlage für die klassische Reitkunst. (Illustration: Maria Mähler)
„Die Reitkunst scheint nur Übung zu verlangen. Jedoch ist Übung ohne wahre Grundsätze nichts als Routine, deren Früchte Anstrengung, unsichere Ausführung und falsche Juwelen sein werden, mit denen man die Halbkenner beeindrucken kann." Mit diesem Zitat von François Robichon de la Guérinière möchte ich gerne einsteigen in das Thema Rückentraining. Der damalige Reitmeister des Königs von Frankreich Ludwig XV. forderte schon im 18. Jahrhundert eine systematische und individuelle Pferdeausbildung, die darauf abzielte, das Pferd lange gesund zu erhalten.
In seinem Zitat fällt uns sofort der Begriff „Übung auf, den wir in erster Linie einem Training zuschreiben würden. Kennen Sie das auch noch aus dem Sportunterricht? Mitunter bekam man von den Übungen, die dort verlangt wurden, einen hochroten Kopf und Schweißperlen auf der Stirn. Einige Übungen machten mehr, andere weniger Spaß. „Warum müssen wir gerade tun, was wir tun?
, fragte man sich. Genau wie wir uns das im Sportunterricht fragten, sollte auch beim Reiten der Nutzen der geforderten Übungen immer wieder infrage gestellt werden. Wichtig ist auch hier, welches Ziel wir gerade verfolgen. Eben weil nicht jede Übung jederzeit Sinn macht, nützt es nichts, einfach drauflos zu trainieren. Es sind die „wahren Grundsätze, von denen de la Guérinière spricht, die berücksichtigt werden müssen. Um zu verstehen, was mit den „wahren Grundsätzen
gemeint sein könnte, wenden wir uns zunächst den Begriffen Training und Ausbildung zu.
Unter Training versteht man das systematische Durchführen sportlicher Übungen mit dem Ziel, die Leistungsfähigkeit zu steigern. Durch häufige Wiederholungen in regelmäßigen Trainingseinheiten können Ausdauer, Kraft, Koordination, Schnelligkeit und Beweglichkeit verbessert werden. Das trifft auch auf das Training unserer Pferde zu. Dabei bleibt festzuhalten, dass die Natur das Pferd anatomisch eigentlich nicht zum Tragen des Reitergewichts vorgesehen hat.
Ein gezieltes und kontinuierliches Training macht Ihr Pferd leistungsfähiger. Durch ein solches Training passt sich die Muskulatur den Belastungen an – sie adaptiert, wodurch eine Leistungssteigerung hervorgebracht wird.
Merke
Durch Training kann die individuelle Leistungsfähigkeit gesteigert, bewahrt oder (nach Pausen/Verletzungen) wieder aufgebaut werden.
Weil es nicht so leicht ist, dem Pferd verständlich zu machen, was genau wir von ihm möchten, spricht man in Reiterkreisen nicht von Training, sondern von Ausbildung. Verstehen wir nun unter Ausbildung im klassischen Sinne einen Lehr-Lernprozess, geht es in erster Linie darum, dem Pferd etwas beizubringen. Zum Beispiel soll es lernen, unter dem Reiter seinen Rücken aufzuwölben. Erst wenn es das verstanden hat, kann ein nachhaltiges Training beginnen. Damit ich mein Pferd bitten kann, seinen Rücken aufzuwölben, muss ich ihm eine bestimmte „Sprache" beibringen. Diese Sprache besteht aus Zeichen, die mein Körper an das Pferd sendet.
Mit den Händen, die über die Zügel mit dem Pferdmaul verbunden sind, kann ich dann meinem Pferd „sagen", dass es sein Tempo verlangsamen oder seinen Kopf nach links oder rechts wenden soll. Mein Körpergewicht unterstützt mich dabei. Ich richte mich im Sattel auf, wenn ich mein Pferd pariere und signalisiere ihm mit kurzen, annehmenden Zügelhilfen, dass es bremsen soll. Hat mein Pferd gelernt, die Signale meines Körpers richtig zu interpretieren, versteht es zum Beispiel meine Bitte, kleinere Schritte zu machen. Damit es seinen Rücken nicht nach unten durchhängen lässt, wenn ich mich in den Sattel setze, erhalte ich mit meinen Unterschenkeln die nötige Körperspannung im Pferd. Dies gelingt mir, indem ich mit meinen Unterschenkeln wenn nötig impulshaft einen sanften Druck auf den Pferdeleib ausübe. Dieser führt zu einer Kontraktion der Bauchmuskulatur. Die Bauchmuskulatur zieht sich zusammen und hebt den Rücken an. Gebe ich rechtzeitig die richtigen Impulse, bleibt die Körperspannung auch bestehen, wenn mein Pferd bremst. Ich erkenne dies daran, dass die Hinterhand aktiv bleibt: Beim Vortritt hebt mein Pferd seine Hufe an und zieht sie nicht durch den Sandboden.
Gemäß der gültigen Ausbildungsverordnung stelle ich die Körperlängsachse meines Pferdes auf die jeweilige Linie ein. Reite ich eine Wendung, biege ich es. Um mein Pferd auf die gebogene Linie einzustellen, stelle ich seinen Kopf auf die jeweilige Bewegungsrichtung ein. Diesen Prozess nennt man „Stellen. Ich stelle mein Pferd nach links oder rechts, indem ich die innere Zügelfaust leicht schließe. Sobald mein Pferd diesem leichten Zügelanzug nachgibt und seinen Kopf in die gewünschte Richtung wendet, gebe ich sofort nach und habe in beiden Händen wieder gleichviel Gewicht. Grundsätzlich sollte dieses Gewicht immer so gering wie möglich, also möglichst „leicht
, sein. Allein das seitliche Stellen des Kopfes genügt jedoch nicht, um mein Pferd auf eine gebogene Linie vorzubereiten. So würde es immer noch geradeaus laufen. Damit mein Pferd sich biegen kann, muss der gesamte Pferdekörper auf die Biegung eingestellt werden.
Reite ich geradeaus, sitze ich auf beiden Gesäßknochen mit gleichviel Gewicht im Sattel. Um eine Wendung einzuleiten, verlagere ich mein Körpergewicht vermehrt auf den Gesäßknochen der Bewegungsrichtung. Reite ich beispielsweise rechts herum, setze ich mich leicht nach rechts und gebe dadurch mehr Druck auf den rechten Sitzbeinknochen. Dafür reicht es schon, dass ich mein linkes Bein aus der Hüfte heraus ganz leicht zurücknehme.
Überprüfen Sie einmal, ob Sie Ihr Gewicht beim Reiten gleichmäßig verteilt haben: Traben Sie an der langen Seite der Reitbahn leicht und achten Sie dabei auf den Druck, den Sie auf die Bügel geben, während Sie aufstehen. Spüren Sie in beiden Füßen gleichviel Gewicht oder belasten Sie eine bestimmte Seite vermehrt? Können Sie darüber hinaus bewusst das Gewicht nach links oder rechts verlagern, ohne dabei in der Hüfte einzuknicken? Zusätzlich zu den Gewichts- und Zügelhilfen nutze ich meine Unterschenkel. Sie dienen mir auf gebogenen Linien dazu, das Pferd seitlich einzurahmen und zu begrenzen. Mit den Unterschenkeln kann ich die Hinterhand meines Pferdes steuern.
Drücke ich den inneren Unterschenkel an den Bauch des Pferdes, soll sein Hinterbein vorschwingen. Über den Schenkeldruck aktiviere ich die dafür verantwortliche Muskulatur. Deshalb erfolgt eine Schenkelhilfe immer als Impuls und wird sinnlos, sobald der Huf des Pferdes wieder Bodenkontakt hat. Nur die im richtigen Moment gegebene Schenkelhilfen, kann das Pferd verstehen und korrekt umsetzen. Dauerdruck verunsichert das Pferd und stumpft es ab. Ein einseitiger Schenkeldruck animiert das Pferd, nach vorn in Richtung seines Schwerpunktes zu treten. In einer Wendung kann ich so erreichen, dass die Hinterhand in die Spur der Vorhand tritt. Wenn ich mein Pferd beispielsweise nach rechts biege, veranlasse ich durch den Schenkeldruck an der rechten Körperseite des Pferdes, dass sein Hinterbein in Richtung Körpermitte fußt. Reite ich auf einer gebogenen Linie, sollte ich dadurch immer das Gefühl haben, als würde ich durch die Schenkelhilfe und den gleichzeitig am Hals außen angelegten begrenzenden Zügel, die Schulter meines Pferdes vor seine Hüfte bringen. Damit mein Pferd aber nicht mit der gesamten Hinterhand nach aussen ausweicht, um sich der anstrengenden Längsbiegung zu entziehen, liegt mein äußerer Unterschenkel verwahrend am Pferdeleib an. Auf diese Weise halte ich die Hinterhand auf dem gewünschten Kreisbogen und aktiviere impulshaft das äußere Hinterbein zum Vortritt. Je enger die Wendung ist, desto intensiver muss ich mein Pferd mit meinen Hilfen einrahmen. Damit sind wir schon mitten drin im nächsten Thema.
Das Zusammenspiel der Hilfen
Das Zusammenspiel der Reiterhilfen ist sehr komplex und das Pferd muss zu Beginn der Ausbildung erst lernen, Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen zu verstehen und darauf so zu reagieren, wie wir uns das wünschen. Um dem Pferd die einzelnen Hilfen verständlich zu machen, kann ich sie auch erst im Stand üben.
Reagiert mein Pferd prompt auf die gegebene Hilfe, ist es in seiner Ausbildung bereits fortgeschritten. Damit ein Pferd ein Rückentraining absolvieren kann, sollte es folgende Hilfen kennen:
Die Reiterin auf diesem Bild möchte den äußeren Sitzbeinknochen vermehrt belasten, knickt dabei aber in der Hüfte ein. (Foto: Alexandra Evang)
GEWICHTSHILFEN
Beidseitig belastende Gewichtshilfe: Das Pferd sollte sich zumindest für einen kurzen Augenblick aussitzen lassen, damit der Reiter es parieren und versammeln kann.
Einseitig belastende Gewichtshilfe: Sie dient der Unterstützung der Zügel- und Schenkelhilfen auf gebogenen Linien.
SCHENKELHILFEN
Vorwärts treibend: Durch leichten Druck der Unterschenkel am Pferdeleib tritt das Pferd mit den Hinterbeinen nach vorne.
Vorwärts-seitwärts treibend: Im Stand sowie im Schritt reagiert das Pferd mit dem Hinterbein nach vorn-seitlich in Richtung Körperschwerpunkt. Die Hinterhand kreist um die Vorhand herum.
Verwahrend: Das Pferd akzeptiert den äußeren Schenkel als Begrenzung. Es lässt sich vom Hufschlag abwenden und kann auch auf dem zweiten und dritten Hufschlag geritten werden.
ZÜGELHILFEN
Pferde, die ein Rückentraining absolvieren, haben häufig zu Beginn des Trainings Probleme mit der Anlehnung. Sie können die Zügelhilfen noch nicht korrekt umsetzen. Sobald das Pferd jedoch im Rücken schwingt, kann es die Hilfen auch verstehen.
Grundsätzlich sollte sich ein Pferd in allen 3 Gangarten auf große gebogene Linien abwenden lassen und problemlos durchpariert werden können. Das sind die Grundvoraussetzungen für ein