Das Pferd sagt es uns jeden Tag: Pferdewissen aus der Stallburg
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Über dieses E-Book
Schließlich gilt es die berühmten Schulhengste fit für Kapriolen, Courbetten und Levaden zu halten. Im Mittelpunkt seiner Arbeit stehen die Gesunderhaltung des Pferdes und dessen Wohlbefinden. Probleme zu erkennen, lange bevor sie Schäden verursachen, das Lösen von Blockaden, das Leben eines jeden Pferdes so schön und qualitätsvoll wie nur möglich zu gestalten – das sind die Anliegen, die den leidenschaftlichen Pferdemenschen zu diesem Buch veranlasst haben. Mit seinen Tipps und Erfahrungen will er unser Auge schulen, unsere Empathie verbessern und uns zum Nachdenken anregen. Einiges ist bekannt, manches klingt vertraut, doch vieles wird neu sein. Und alles zusammen wird auf jeden Fall Anregung sein, mit unseren Pferden bewusster umzugehen.
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Buchvorschau
Das Pferd sagt es uns jeden Tag - Johannes Hamminger
Brass
1 PHILOSPHIE, MENSCH-TIER-BEZIEHUNG
Das Pferd verstehen
Foto © Julie Brass
Die enge Verbundenheit zwischen Mensch und Pferd verpflichtet uns zu einem sorgsamen und partnerschaftlichen Umgang. Denn das Pferd ist kein Sportgerät, sondern ein Lebewesen, das mit dem Menschen schon seit Jahrtausenden zusammenarbeitet, sei es im Krieg oder bei der Nahrungsbeschaffung oder unter dem Sattel. Dafür muss man sich eigentlich jeden Tag bedanken.
Auch dass es dem Menschen gern dient, ist keine Selbstverständlichkeit. Darum ist Respekt so wichtig. Wir haben die Pflicht, alle Erkenntnisse, die der Mensch in dieser Zusammenarbeit gewonnen hat, zu nützen, um das Leben des Pferdes so schön wie möglich zu gestalten. Das beginnt bei der Aufzucht und endet bei der Pension. Der Mensch hat ein Pferdeleben lang die Aufgabe, das Pferd als Partner zu sehen.
Denn sieht man vom Hund ab, ist uns kein Tier näher. Das Pferd ist seit fünf Jahrtausenden Begleiter an der Seite des Menschen. Es hat seine Rolle stets mit beispielloser Gewissenhaftigkeit erfüllt – sei es im Feld- und Ackerbau, im Kriegseinsatz, als Minenpony untertage, als Lastenträger über Saumpfade oder beim Holzrücken im unwegsamen Forst. Darüber hinaus ist es uns Partner im Leistungssport, bedingungsloser Gefährte im Freizeitsport und ganz nebenbei noch ein Meister der Körpersprache, was der Mensch sich besonders in der therapeutischen und pädagogischen Arbeit zunutze macht. Wir wissen, Pferde sind Herdentiere und leben in ausgeprägt sozialen Strukturen. Sie beherrschen es meisterlich, ihrem Befinden Ausdruck zu verleihen. So können sie etwa allein durch ihren Gesichtsausdruck zur rechten Seite andere Signale aussenden als zur linken – dem Kumpel rechts mit netter Mimik Wohlwollen vermitteln und gleichzeitig dem rangniedrigeren Tier links hinten Demut abverlangen. Sie sind aber auch Fluchttiere und Fehler im Umgang oder in der Ausbildung können selbst das geduldigste Pferd nachhaltig verstören. Die Erfahrung zeigt, dass wir dem Pferd viel Sicherheit geben müssen, um sein Vertrauen zu behalten. Dazu gehören ein entspanntes und dennoch bestimmtes Auftreten, umfassendes Wissen und eine gewisse Routine in den Abläufen.
Routine gibt Pferden Sicherheit und Selbstvertrauen. Wenn das Futter pünktlich kommt, die Abläufe im Stall ruhig und im Fluss sind, die Bezugspersonen selten wechseln, dann wirkt sich das positiv auf das Wohlbefinden aus. Das selbstbewusste Pferd hat großes Interesse an seiner Umwelt und kommuniziert ohne Unterlass mit uns. Selbst während es frisst, behält es uns im Auge. Und wenn es tagsüber entspannt in seiner Box liegt, so bedeutet das nicht, dass es sein Umfeld nicht mehr wahrnimmt. Als Pferdemenschen wissen wir das tiefe Vertrauen zu schätzen, lassen wir uns immer wieder berühren von diesen Augenblicken.
Foto © Julie Brass
Eine ganz besondere Beziehung – der Stallmeister und seine Lipizzaner.
SIGNALE DER KOMMUNIKATION
Wesentliche Merkmale der Kommunikationsbereitschaft des Pferdes beruhen auf sozialer Interaktion mit dem Menschen und der besonderen Fähigkeit zur Verständigung. Pferd und Mensch leben jeweils in ihrem Sozialverband und sind auf eine qualitätsvolle Beziehung angewiesen. Nur so gelingt harmonische Zusammenarbeit. Optische Signale wie Mimik, Gestik, Körperhaltung und Bewegungsfluss sind wichtige Bestandteile der Kommunikation. Weitere Ausdruckselemente wie Schnauben oder Wiehern haben in der Interaktion mit dem Menschen hingegen geringere Bedeutung. Umso mehr bewegt uns das zufriedene Schnauben nach der Arbeit oder ein kurzes Begrüßungswiehern aus der Box.
Das Pferd sagt uns also schon beim Betreten des Stalles, wie es ihm geht. Es erkennt die Schritte seiner Bezugspersonen, vermittelt Interesse, zeigt Freude, lässt uns Hunger, Durst und Unwohlsein erkennen. Wir müssen nur hinschauen. Der Mensch kann lernen, sein Pferd zu lesen: Hebt es den Kopf und spitzt die Ohren? Zeigt es Unlust? Ist es gar eingefallen – über den Augen (Schmerz, Unwohlsein) oder in den Flanken (Durst)? Durst lässt sich leicht überprüfen. Anzeichen dafür sind etwa, wenn das Pferd nicht aufgefressen hat, die Tränke nicht funktioniert oder das Pferd hineingeäpfelt hat. Ist es startklar und bereit, mit uns aus der Box zu kommen? Oder dreht es sich weg und zeigt uns den Hintern?
Foto © Andrea Kerssenbrock
Der Stallmeister freut sich über die innige Begrüßung.
Ein vertrauensvolles, dem Menschen zugewandtes Pferd genießt in der Regel schon das Putzen. Es lohnt sich, beim Einsatz des Massagestriegels die Reaktionen des Pferdes zu beobachten. An gewissen Körperstellen wie Hals oder Kruppe verrenkt manches Pferd den Kopf vor Wonne, legt ihn waagrecht, beginnt, mit den Lippen zu zucken. Man sieht ihm den Genuss regelrecht an.
Beobachtet man Pferde in der Natur, kann man gut erkennen, welche Bedeutung die gegenseitige Körperpflege hat. Da wird geknabbert, gezupft und hingebungsvoll gekrault. Dabei geht es oft ordentlich zur Sache. Es wird nicht nur sanft gekrault, sondern auch herzhaft zugebissen und zugedrückt.
Foto © Julie Brass
Das behutsame Aufsatteln des jungen Hengstes findet in der vertrauten Box statt.
Wer aufmerksam bürstet, entdeckt Hautunebenheiten, Dippel, kleinere Verletzungen oder Parasiten wie Milben und Zecken. Letztere saugen sich bevorzugt da fest, wo die Haut sehr dünn ist, etwa unter den Ellbogen oder an der Innenseite der Schenkel und in den Ganaschenunterkanten. Beobachten Sie, ob das Pferd anders auf den Druck des Striegels reagiert als sonst. Senkt sich etwa der Rücken? Hebt es die Beine anstandslos? Gibt es jeden Huf willig her? Blockaden, etwa in der Hinterhand, lassen sich so schon im Ansatz erkennen. Hinzu kommt noch der soziale Faktor. Das Pferd interagiert ständig und ganz besonders bei der Pflege. Das gibt schon erste Eindrücke über die Stimmung des Pferdes. Ja, auch Pferde haben gute und besonders gute Tage!
Tipp: Reiten Sie nicht auf den Schwächen Ihres Pferdes herum. Lassen Sie es vielmehr seine Stärken ausspielen. Das steigert die Motivation und macht Mängel weniger offenkundig.
Vor dem Reiten vermittelt uns das Satteln Aufschlüsse über das Wohlbefinden des Pferdes. Schlägt es mit dem Schweif, legt es die Ohren an oder beißt gar nach hinten? Versucht es auszuweichen, schlägt beim Gurten nach dem Bauch oder knirscht es mit den Zähnen? All das sind Zeichen des Unbehagens. Sie müssen ernst genommen werden. Mit Verstand, Geduld und Gefühl lassen sich die meisten Verhaltensmuster aus der Welt schaffen. Manchmal muss man auch Maßnahmen durchführen, das können Behandlungen sein, ein anderer (passender) Sattel oder ganz einfach ein paar Schritte an der Hand vor dem Festzurren des Sattelgurts.
Tipp: Das Pferd vor dem Auflegen des Sattels anzusprechen, hat sich in der Praxis sehr bewährt. Achten Sie darauf, den Sattel behutsam aufzulegen und den Gurt nicht auf die Vorderbeine knallen zu lassen. Den Sattelgurt etappenweise nachzuziehen und zwischendurch ein paar Schritte einzulegen ist wenig Aufwand und gewährleistet ein zufriedenes Pferd.
FREIGANG
Pferde verheimlichen nichts. Sie schätzen Freigang, das ist logisch für ein Flucht- und Herdentier. Aber innerhalb der Domestizierung erleben wir praktisch jeden Tag, dass auch hier die Bedürfnisse total unterschiedlich sind. Das Pferd um jeden Preis so lange wie möglich auf die Koppel zu stellen, gelingt nur unter idealen Wetter- und Bodenverhältnissen – vorausgesetzt, das Pferd möchte das.
Es gibt unter Pferden gesellige und weniger gesellige, auch Einzelgänger sind keine Seltenheit. Oft ist einfach das Verletzungsrisiko zu groß, um sie gemeinsam auf einen