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So Schaut's Aus
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eBook311 Seiten4 Stunden

So Schaut's Aus

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Über dieses E-Book

Deutschsprachige Autobiografie von Erich "Weissfeder" Brandl, die - abgesehen von seiner Jugend im Österreich der Nachkriegszeit - seine Reise durch 47 Jahre Musikmachens und Malens - beginnend in den revolutionären Mitt-Sechzigern des vorigen Jahrhunderts - beschreibt.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookBaby
Erscheinungsdatum31. Jan. 2017
ISBN9783200045965
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    Buchvorschau

    So Schaut's Aus - Erich "Weissfeder" Brandl

    Kommentar

    Vorwort

    Ich bin als Sohn einer Arbeiterfamilie aufgewachsen, der seine Teenagerzeit als Teil einer Jugendbewegung verbrachte, die den Umbruch zu einer neuen Zeit einleitete. Alles war immer irgendwie ein bisschen lässig und psychedelisch, voller Musik, bunt und extrem aufregend. Eine Zeit der Erneuerungen und einem ständigen Wachstum der Technik und der Wirtschaft. Man machte sich auch wenig Sorgen um die Zukunft, im Gegenteil, man sah hoffnungsvoll auf das, was vor einem liegt und auf einen zukommt.

    Das erste Voll-Transistorradio, der sogenannte Kofferempfänger mit Ultrakurzwellenband für den Empfang des UKW-Rundfunks, löste 1957 im deutschsprachigen Raum das Röhrenradio ab, doch auch die alten Röhrenradios wurden noch längere Zeit weiterverwendet – vor allem für mich waren sie ideal als Gitarrenverstärker. Der regelmäßige Fernsehbetrieb wurde 1958 aufgenommen und in den 1960er-Jahren wurde das Fernsehen zu einem äußerst beliebten Medium.

    Die Flower-Power-Jugendbewegung, die in den 1960er-Jahren in den USA entstand und in der man Jugendliche als Hippies bezeichnete, wurde 1967 symbolisch zu Grabe getragen und vom Summer of Love, einer bis in die späten 1970er-Jahre dominanten Massenkultur, abgelöst. Die Flower-Power-Bewegung hob sich durch ihre dementsprechende Kleidung ab, riesige Glockenhosen nach dem Vorbild der Marineuniform bei den Jungs und wallende Röcke bei den Mädels – bunte Blumenhemden und lange Haare waren Standards bei beiden Geschlechtern. In dieser Zeit ist eine neue, voll Beatstampfende Musikrichtung entstanden – die den älteren Generationen, die nur Volksmusik und Schlager kannten, Kopfschütteln und auch Ängste bereitete – und ein neuer Zugang zu Sex und Liebe.

    Ein neuer Modetrend wird Anfang der 60er-Jahre von der Modedesignerin Mary Quant kreiert oder, besser gesagt, wiedereingeführt … der Minirock, was einen Skandal wegen hervortretender erotischer Signale verursachte, obwohl schon 1927 in der in Berlin uraufgeführten Operette Franz Lehars „Der Zarewitsch", von der Schauspielerin Nora Weindl ein Minirock zu Lederstiefeln getragen wurde.

    Ab Anfang der 60er-Jahre war endlich auch die Antibabypille nach ärztlicher Verschreibung in den Apotheken erhältlich. Ein Zeichen für eine neue Selbstverständlichkeit und ein neues Selbstbewusstsein für die Frauen dieser Zeit, die nun von Zwängen befreit, selbst über eine Schwangerschaft entscheiden konnten. Es wurden Kommunen gebildet und Hausbesetzungen von alten leer stehenden Häusern durchgeführt. Die Polizisten waren zugänglicher, freundlicher und die Welt wurde nicht von so vielen Verbrechen beherrscht wie heute. Das Wort Stress war etwas Unbekanntes.

    Anfang der 60er-Jahre erblickt in Liverpool die neue Beatmusik der vier Beatles das Licht der Welt. The Beatles führten von 1964 bis 1968 in fast allen Ländern die Hitparaden an, bis sie sich 1970 wegen persönlicher Differenzen trennten und jeder für sich eine Solokarriere startete. Diese neue Musik brachte massenhaft neue Bands und Musikrichtungen zutage. Gruppen wie die Rolling Stones, Black Sabbath, Deep Purple, Pink Floyd und viele andere, entwickelten Musikrichtungen wie Beat, Rock, Hardrock, Psychedelische Musik und Jazzrock, um nur einen kleinen Teil der damals entstandenen Stile zu nennen. Auch der Tanzstil wurde durch diese Musik ein anderer, man bewegte sich nach eigener Entscheidung, frei, unbekümmert, ohne bestimmtem Tanzschema oder vorgeschriebenen Tanzschritten – jeder tanzte für sich nach dem Beat und dem Rhythmus der jeweiligen Musik.

    Mitte der 60er-Jahre schockte die sechzehnjährige, aus London stammende Twiggy – mit bürgerlichen Namen Lesley Hornby –, die Modellwelt mit ultrakurzem Minirock und blauen Kulleraugen mit falschen langen Wimpern und erschuf so ein vollkommen neues Erscheinungsbild für Frauen. Die Medien nannten sie verächtlich „Bohnenstange" und doch wurde sie buchstäblich über Nacht berühmt.

    1963 wird in Dallas/Texas der US-amerikanische Präsident John F. Kennedy bei einer seiner Wahlveranstaltungen erschossen. Kurz zuvor hatte er am 26. Juni 1963 vor dem Berliner Rathaus noch sein berühmtes Zitat „Ich bin ein Berliner" anlässlich des fünfzehnten Jahrestages der Berliner Luftbrücke, als Zeichen seiner Solidarität zu Berlin, ausgesprochen. Vom 15. bis 17. August 1969 findet im US-amerikanischen Bundesstaat New York am Gelände einer Farm in Bethel ein riesiges Musik Festival mit mehr als vierhunderttausend Besuchern statt, das legendäre Woodstock Festival, an dem an die zweiunddreißig Bands und Solisten der Musikrichtungen Folk, Rock, Soul und Blues teilnahmen.

    1969 ertrinkt Brian Jones, ein Mitbegründer der Rolling Stones, in seinem Swimmingpool. Nach ihm wurde die zweite Gitarre von Mick Taylor gespielt, der 1972 ausstieg. Danach übernahm Ron Wood den Gitarrenpart neben Keith Richards. Ebenso 1969 stirbt Jimi Hendrix von The Jimi Hendrix Experience, er war ein bedeutender Gitarrist, der wegen seiner experimentellen, linkshändigen Spielweise großen Einfluss auf die Entwicklung der Rockmusik hatte. 1971 stirbt Jim Morrison, der Sänger und Frontman der Doors. Die Umstände, die zu seinem frühen Tod führten, konnten nie mit vollkommener Sicherheit aufgeklärt werden. Er brachte bei Konzerten der Doors spontane, poetische Texte vor, die verbunden waren mit seinem aufrührerischen und teils selbstzerstö-rerischen Lebensstil.

    Mitte der 70er-Jahre entsteht in New York die Jugendkultur der Punks, auch Punk-Rocker oder Punker genannt. Die weiblichen Punker bezeichneten sich selbst als Punkettes. Die Punks provozierten mit extremem Aussehen und rebellischer Haltung. Die Haare wurden in allen möglichen grellen Farben eingefärbt und der Haarschnitt selbst erinnerte an jenen der Irokesen-Indianer. Die Kleidung wurde mit möglichst vielen Nieten und Ketten verziert, und auch die Musik hat sich in eine andere Richtung verändert. Die Rock ‘n’ Roll Hymne „Sex and Drugs and Rock ‘n’ Roll, 1977 von Ian Dury und Chaz Jankel geschrieben, stellt die englische und moderne Fassung des deutschen Slogans „Wein, Weib und Gesang dar. Der englische Song wurde schnell zum Klassiker, obwohl die Öffentlichkeit und auch die Presse wegen des Inhalts des Textes heftig protestierten.

    Am 7. September 1978 stirbt Keith Moon, der exzentrische Schlagzeuger von The Who, der mit seinem dynamischen, showmäßigen, schnellen Spiel, zu den auffälligsten Musikern seiner Zeit zählte. Nach den Konzerten veranstaltete er auf der Bühne, gemeinsam mit Gitarrist Pete Townshend, rituelle Zerstörungsorgien, zur „Steigerung der Publicity. Moon galt als der Witzbold der Gruppe, der wegen seiner wilden Auftritte mit Alkohol und Drogen und seinen Zerstörungen von diversen Hotel-oder Wohnungseinrichtungen den Spitznamen „Moon the Loon bekam und das britischen Musikmagazin Q verlieh ihm sogar den Titel „Größter Rowdy der Rockmusik". Keith Moon starb an einer Überdosis eines Beruhigungsmittels, das ihm gegen seine Trunksucht, von der er wegkommen wollte, verschrieben wurde.

    1980 wird John Lennon, der neben Paul McCartney die meisten Songs für die bereits erwähnten Beatles schrieb, von einem verwirrten Attentäter getötet. Johns erste Band war eine „Skiffle Group und 1959 gründete er dann die Liverpooler Band The Beatles. Als sich die Gruppe nach internen Streitereien 1970 auflöste, machte er als Solist und auch mit seiner Frau Yoko Ono, die er 1969 heiratete, bei mehreren Musikprojekten und dem legendären „Bed-In weiter. Am 8. Dezember 1980 wurde er vor dem New Yorker Dakota Building, in dem er ein luxuriöses Apartment bewohnte, von Mark David Chapman erschossen. Sein Tod löste eine Welle des Entsetzens aus.

    Wie auch immer … diese Zeit prägte mich sehr stark und auch meinen Hang zur Musik, den ich mit meinen Instrumenten dem Publikum näherbringen wollte und immer noch will. Man kann ruhig sagen, dass ich in dieser Zeit hängen geblieben bin. Ich habe immer noch meine Liebe zu langen Haaren, zu ausgefallener Kleidung und vor allem zum Blues, der für mich von meinem Herzen aus, über das jeweilige Instrument, zum Publikum gehen muss und der textlich immer eine Erzählung von wahren erlebten Geschichten ist.

    Mein Leitspruch ist: „My music, the blues, goes back to the roots!" – zurück zu den Wurzeln der Musik und des Blues!

    Nun will ich euch an den Erlebnissen meines Lebens teilhaben lassen und wünsche euch dabei viel Spaß!

    Erich Brandl, 2013

    Meine Familie

    Also, ich will es einmal so sagen: ich kann hier nicht alles niederschreiben, denn ich war zwar bei den meisten Ereignissen dabei, aber zu vielem fehlt mir die Erinnerung oder sie setzt erst später ein.

    Zuerst einmal zu dem, was ich von meinen Eltern über meine Familie erzählt bekommen habe, über damals, als ich noch nicht dabei war. Meine Eltern, die am 29. Dezember 1938 den Bund der Ehe eingingen, erlebten während der beiden Weltkriege eine überaus schreckliche Zeit. Mein Vater, Johann Anton, geboren am 17. Juli 1909 in Seebach bei Neulengbach, wurde von meiner Mutter immer Hans gerufen. Er erlernte den Beruf eines Schuhmachers und trat nach seiner Gesellenprüfung bei der Polizei ein, wo er es bis zu einem Polizeiwachtmeister brachte. Meine Mutter, Maria Josefine, geborene Vlach, wurde am 21. November 1916 in Wien geboren. Sie wurde von meinem Vater immer Mitzi gerufen. Sie arbeitete in einer Hutfabrik im 7. Wiener Gemeindebezirk Neubau an einer Goldprägemaschine, mit der das Firmenlogo auf die Schweißbänder geprägt wurde, die dann in das Innere der Hüte eingenäht wurden.

    Meine Großeltern väterlicherseits habe ich nie kennengelernt, sie waren bereits verstorben, als ich geboren wurde. Zu Allerseelen fuhren wir immer mit der Straßenbahn zum Wiener Zentralfriedhof, um ihr Grab zu besuchen. Einmal waren wir sogar in jenem Haus, in dem mein Vater seine Jugend verbracht hatte. Es befindet sich irgendwo im 13. Bezirk (Hietzing), und in diesem Haus wuchs mein Vater gemeinsam mit seinen acht Geschwistern auf. Es war so klein – wie wir von den Erzählungen meines Vaters schon wussten – dass sie damals zu dritt in einem Bett schlafen mussten. Er erzählte auch von seinen Streichen, die er damals mit seinen Freunden in der Nachbarschaft auf der Wiener Schmelz anstellte, wie zum Beispiel eine Stricknadel, an die eine lange dünne Schnur gebunden war, in den Fensterkitt der im Erdgeschoß befindlichen Fenster zu stecken. In einiger Entfernung, um die Hausecke, wurde dann kurz an dieser Schnur gezogen und die Stricknadel klopfte an die Fensterscheibe. Oder von dem Streich, den fast jeder kennt und der sich auch heute noch großer Beliebtheit bei der Jugend erfreut: die „Glöckerlpartie". Bei der läutet man am Klingelknopf des Hausmeisters und rennt dann davon, um an der nächsten Hausecke zu beobachten, wie der Hausmeister schimpfend vor der Türe steht, weil er die Schuldigen, die ihn herausgeläutet haben, nicht sehen kann. Dieser Spaß funktioniert leider auch immer weniger, da es ja fast keine Hausmeister mehr gibt, weil die Arbeiten des Reinigens von Stiegen und Gehsteigen heutzutage mehrheitlich Fremdfirmen übertragen werden.

    Mein Vater und mein Onkel Sepp waren auch in einen Radklub eingeschrieben, für den sie auch Rennen bestritten. Einen großen Erfolg feierte mein Vater, als er bei einem Rennen den zweiten Platz belegte und eine Trophäe heimbrachte, die die Form einer Birne hatte. Man konnte sie öffnen, und wenn man das tat, kam eine grüne Glasschale zum Vorschein. Dieser Pokal war aus versilbertem Messing gefertigt und wir mussten ihn ständig putzen … so lange, bis irgendwann das ganze Silber weggeputzt war. Meine Großmutter mütterlicherseits, Josefa Vlach, geborene Lejsek, hatte eine Wohnung nicht weit entfernt von uns, in einem Gemeindebau in der Geyschlägergasse im 15. Bezirk (Rudolfsheim-Fünfhaus), die sie mit ihrer Tochter Lilli, einer Schwester meiner Mutter, teilte. Tante Lilli bewohnte gemeinsam mit ihrem Mann Franz ein Kabinett in dieser Wohnung. An meinen Großvater mütterlicherseits, Karl Anton Johann Vlach, kann ich mich nur dunkel erinnern – meine Großmutter lebte getrennt von ihm –, ich weiß nur, dass er gerne im Wirtshaus saß, ein großer Verfechter der kommunistischen Partei war und sich seine Zigaretten selber drehte. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde die Polizeitruppe, in der mein Vater Dienst tat, sofort nach Deutschland eingezogen und mein Vater kam in eine Kaserne in München, in der er zu einem Untergruppenführer ausgebildet wurde.

    Meine Mutter kaufte am 16. Juli 1940 um tausendfünfzig Reichsmark einen günstigen Ackergrund im 22. Bezirk Donaustadt, im Ortsteil Süssenbrunn – in einem Haus, einige Straßen weiter, lebte dort auch die Schwester meiner Großmutter Josefa, Tante Stasi, mit ihrem Mann Franz. Weil mein Vater immer von einem Schrebergarten schwärmte, wollte ihm meine Mutter mit dem Kauf des Grundes eine Riesenfreu-de machen. Das Grundstück – erzählte sie mir – war für die damaligen Verhältnisse relativ billig, weil es Ackergrund war, der in der „Ostmark", wie damals Österreich nach dem Anschluss an Deutschland hieß, parzelliert wurde, um die Wiener anzuregen, selbst Obst und Gemüse anzubauen, weil Essensvorräte sehr knapp waren. Ich habe heute noch den Grundbesitzbogen und den Kaufvertrag in meinen Aktenordnern zu Hause. Beide Dokumente wurden mit Hakenkreuzstempeln abgestempelt und mit der Unterschrift des damals zuständigen, amtlich bestellten Notars für Wien versehen. Meine Mutter erzählte, dass sich mein Vater über den Garten sehr gefreut habe, obwohl er eigentlich nicht viel davon hatte, weil er ja für Hitler-Deutschland im Dreck liegen musste. Doch er wollte schon immer seinen eigenen kleinen Besitz, einen eigenen Schrebergarten, wo er Gemüse und Obst anbauen konnte.

    Irgendwann Anfang 1945, der Krieg wütete noch, wurde mein Bruder Fritz geboren, mitten in der Zeit als die Amis (US-Truppen) und die Engländer bereits in Frankreich waren und Flugzeugangriffe mit vielen abscheulichen Bombenabwürfen gegen Deutschland und Österreich flogen – die Alliierten standen dabei an Skrupellosigkeit den Deutschen um nichts nach … Krieg ist eben etwas ganz Abscheuliches! Bald nach Fritz’ Geburt wollte meine Mutter meinen Vater in Deutschland besuchen, der zu dieser Zeit wieder einmal dort stationiert war. Der Zug, in dem sie mit Fritzi saß, wurde entsetzlicherweise von amerikanischen Tieffliegern angegriffen, obwohl, wie meine Mutter erzählte, der Zug als Zivilzug gekennzeichnet war. Sie blieb im Abteil über meinen Bruder gebeugt sitzen, sie dachte, im Zug besser geschützt zu sein als im Freien. Doch Bombensplitter drangen in den Kopf meiner Mutter ein und dem kleinen Fritz wurde der Kopf abgerissen. Man hat ihn in einem Massengrab in Deutschland bestattet. Meine Mutter kam in ein Hospital und mein Vater bekam einige Tage Urlaub, um sie im Spital zu besuchen. Als er wieder zu seiner Einheit zurückkehrte, erfuhr er, dass „seine Jungs", die er als Untergruppenführer befehligte, nach Holland überstellt wurden, wo alle bei einem Kampfeinsatz ums Leben kamen. Auch für meinen Vater war der Krieg bald zu Ende, er wurde von den Amis als Kriegsgefangener nach Texas gebracht. Er kehrte heim und 1947 kam meine Schwester zur Welt, was ich natürlich auch noch nicht mitbekommen konnte, denn sie wurde ja zwei Jahre früher geboren als ich.

    So, jetzt betrete ich das Licht der Welt.

    Genaugenommen war das am 26. Juni 1949, um 11:30 Uhr. Es war offensichtlich an einem Sonntag, denn immer wieder wurde gesagt: „Da Erich, der is a Sonntagskind!"

    Wahrscheinlich habe ich dann einen Klaps auf den Po bekommen, weil ich so laut geschrien habe oder vielleicht auch, damit ich nicht zu schreien beginne. Dazu muss ich gleich sagen, dass mir meine laute Stimme geblieben ist. Ich höre sehr oft in meinem Leben „Red net so laut! oder „Geht des leiser a? und das Beste, was mir einmal gesagt wurde, als ich dann in späteren Jahren mit meinem Handy telefonierte, war: „Führst a Ferngespräch?" Also, leiser bin ich nach diesem Klaps auch nicht geworden. Das ist jetzt aber auch nur eine Mutmaßung, da ich zwar dabei war, aber mir dazu jegliche Erinnerung fehlt. Erste bewusste Erinnerungen an meine frühe Kindheit kommen bei mir erst ab dem Zeitraum auf, in dem ich vier oder fünf Jahre alt war.

    Also, da gibt es meinen Vater Johann, meine Mutter Maria, meine Schwester und mich, den jüngsten der Familie. Unsere Wohnung befand sich in einem Mietshaus in der Wurzbachgasse, Ecke Sorbaitgasse, im 15. Bezirk, im ersten Stock, oberhalb eines Wirtshauses, wo es einmal – wobei ich mich an den genauen Zeitpunkt nicht mehr erinnern kann – brannte und wir mitten in der Nacht aus der Wohnung evakuiert wurden, dann auf der Straße standen und den Feuerwehrleuten bei den Löscharbeiten zusahen. Vom Gang des Hauses ging es durch die Wohnungstüre in unsere Küche und von dort durch einen sehr breiten Türrahmen in das Wohnzimmer, in dem ein Klappbett stand, das immer in der Früh unter einen Verbau geschoben wurde und hinter einem Vorhang verschwand, am Abend wieder hervorgeholt wurde und ausgeklappt das Ruhelager meiner Eltern war. Oben auf dem Vorbau stand eine Vitrine, in der waren die Trinkgläser und die Teller verstaut, die wir immer auf den Tisch, der in einer Zimmerecke neben der Eckbank stand, zum Essen auflegten, und auch der Pokal, den mein Vater für seinen zweiten Platz beim Radrennen bekommen hatte.

    Wir heizten mit einem Brikett-Kachelofen. Die Briketts wurden immer vom Keller geholt, die ein Kohlenhändler zu Saisonbeginn vor der Heizperiode von der Straße in einem Leinensack in unser Kellerabteil trug – der Kohlenhändler hatte es ja auch nicht weit, sein Geschäft lag gleich gegenüber unserem Miethaus. Der Kohlenhändler war immer in Kohlenstaub gehüllt und sah echt wie ein schwarzer Mann aus. Wenn ich nicht den Vorstellungen meiner Mutter entsprach – was sicher recht oft der Fall war – drohte sie mir: „I stell di ausse auf ’n Gang und dann holt di der schwarze Mann! Eine Zeit lang sind auch Bettler, Scherenschleifer, Topflicker und die sogenannten Fetzntandler, die als Hausierer, Altwarenhändler und Trödler vielleicht bekannter sind, ins Haus gekommen. Später dann wurde diesen Besuchen mit einer Tafel mit der Aufschrift „Betteln und Hausieren verboten! Einhalt geboten. Weiter vom Zimmer ging’s dann ins Kabinett, in dem meine Schwester und ich unsere Betten hatten. Das Wasser wurde anfangs von der Gangwasserleitung geholt, etwas später wurde das Wasser in die Wohnung eingeleitet. Das WC, das sich am Gang befand, mussten wir uns mit einer zweiten Hauspartei teilen. Dieses WC diente mir dann später als Raucherraum, um meine ersten Zigaretten oder Friedenspfeiferln, die ich mir selbst zusammengebastelt hatte, zu rauchen. Ich verabscheute schon immer den ekelhaften Gestank, der am WC herrschte, wenn ich mein Geschäft verrichten wollte und andere vor mir dasselbe getan hatten. Ich war eben immer der Meinung, ich selbst würde den Duft von Eau de Cologne auf der Toilette verbreiten. Um die Wäsche zu waschen, gab es im Keller einen Waschraum, die sogenannte Waschküche, in der ein Kupferkessel in einem Backsteinziegelofen steckte, den ich öfters mit Papier, Holz und anderem Brennmaterial versorgte, um den Ofen einzuheizen und das Wasser im Kessel zu erhitzen, damit wir warmes Wasser für die Wäsche hatten. Da wir auch kein Bad hatten, wuschen wir uns dann in dem in der Waschküche vorhandenen Holztrog – es heißt ja auch „Waschküche. Die Wäsche wurde dann am Dachboden zum Trocknen aufgehängt. Dort war es so staubig, dass die Wäsche wieder gewaschen werden musste, falls sie vom Wäschestrick rutschte. Doch die Waschküche wurde irgendwann einmal stillgelegt. Nachdem allen Mietern empfohlen wurde, sich eine eigene Waschmaschine zu besorgen oder die schmutzige Wäsche in einem Waschsalon zu waschen, war auch unser Badezimmer im Keller kein Thema mehr. Von da ab ging mein Vater mit mir ins sogenannte „Tröpferlbad, wo man seinen Körper vom Schmutz befreien konnte. Das geschah natürlich in einem Gemeinschaftssaal für Männer, mit mehreren Duschnischen, wo man als Junge so manchen lüsternen Blick der älteren Männer bemerken konnte und seltsame Dinge erlebte. Sie waren mir immer schrecklich unangenehm, diese Duschtage im Tröpferlbad … da blieb ich lieber dreckig. Natürlich gab es auch Einzelkabinen, aber die waren meinen Eltern zu teuer. Später, als ich dann alleine ins Bad ging, habe ich immer eine Einzelkabine genommen, auf eigene Kosten von meinem Lehrlingsgehalt. In unserer elterlichen Wohnung war nie eine Dusche oder Badewanne eingebaut, die Wohnung war viel zu klein dafür. Zähneputzen, Gesicht und Füße waschen, das wurde daheim in der Waschmuschel erledigt. Später hatten wir dann auch einen eigenen Eiskasten (Kühlschrank), dadurch konnte die Milch, die ich von der Milchfrau holte, die ihr Geschäft in unserer Gasse hatte, nicht mehr so schnell sauer werden. Die Milch, die ich jedes Mal in einer Blechkanne holte, wurde im Milchgeschäft immer aus einer riesigen Milchkanne in einen glänzenden, metallenen Bottich geleert und da war öfters ein Butterbrocken dabei, den die Milchfrau mit einem Schöpfer in meine mitgebrachte Kanne goss. Den mochte ich sehr, deshalb wartete ich immer, bis die Milchfrau den Bottich neu auffüllte und hoffte, einen Butterbrocken in meine Kanne zu bekommen, um ihn dann mit den Fingern herauszufischen und ihn mir genüsslich schmecken zu lassen – wobei die Kanne dann um etliches leichter und leerer war, als ich schließlich zu Hause ankam.

    Mein Vater ist, wenn das Wetter schön war, fast jedes Wochenende mit einem Rad mit Hilfsmotor in den Garten gefahren. Dieses Gefährt nannte man im Volksmund „Antenjaucker", da es durch den Lärm des Motors den Ruf hatte, die Enten zu verscheuchen. Später dann, als das Rad für meinen Vater nicht mehr so interessant war und der Motor schon mehrmals Schwierigkeiten machte, kam ich das erste Mal mit einem Motor in Berührung, denn ich zerlegte ihn im Hof unseres Hauses, wobei ich den Boden gründlich mit Öl versaute, vom Hausmeister Schelte bekam, und den Boden reinigen musste.

    Wenn wir anderen auch nach Süssenbrunn in den Garten wollten, nahmen wir die damalige Stadtbahn (jetzt U-Bahn) und fuhren dann mit der Straßenbahn weiter bis Floridsdorf, um von dort mit dem Zug – der mit einer Kohlendampflok, die sehr stark rauchte und fürchterlich stank, betrieben wurde – direkt zum Bahnhof Süssenbrunn zu gelangen – später wurde diese Eisenbahnlinie elektrifiziert und die Züge bekamen den Namen „Schnellbahn". Bei der Eisenbahnfahrt fuhren wir auch an einem Gaswerk vorbei, in dem aus Steinkohle Stadtgas erzeugt wurde, das in Wien damals für den Betrieb von Gasherden zum Kochen und für Durchlauferhitzer für Warmwasser verwendet wurde und sehr giftig war. Es gab in Wien mehrere Behälter, in denen das Gas gesammelt wurde. Die Steinkohle wurde durch das sogenannte Entgasen in Kammeröfen unter Luftabschluss hergestellt. Man nannte diese Gaswerke auch Kokerei, weil bei der Entgasung der Steinkohle der sogenannte Koks als Abfallprodukt übrig geblieben ist, den man im Winter in Koksöfen verbrennen und somit Wärme in die Wohnungen bringen konnte.

    Einmal war wieder Schelte angesagt, weil ich bei der Heimfahrt vom Garten einen kleinen Rucksack, der mir anvertraut wurde und der vollgefüllt mit Äpfeln war, in der Straßenbahn vom Rücken genommen und dann liegen gelassen hatte, worauf es dann zu Hause kein Apfelkompott gab.

    Im Sommer, während der Schulferien, verbrachten wir die ganze Zeit im Garten, in dem ein von der gesamten Familie aus Holzbrettern zusammengebautes Haus stand. Es hatte ein mit Teerpappe belegtes Dach, das mein Vater immer wieder neu teerte, damit kein Wasser durchsickern konnte. Im Haus gab es zwei Räume. Eine Küche und einem Raum zum Schlafen. In der Küche stand zum Kochen ein Gasherd mit einer Gasflasche, weil wir im Garten keinen festen Strom und Gasanschluss hatten. Das Haus war auf einem Fundament aus Koks gebaut worden, den man auch dafür verwenden konnte, weil Koks keine Feuchtigkeit durchlässt. Der Eiskasten war ein Loch in der Erde, worin Butter und Milch mehr oder weniger gekühlt gehalten wurden.

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