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Ich bin der neue Hilmar und trauriger als Townes: Eine Kulturgeschichte der deutsch-texanischen Beziehungen, eine politische Autobiographie, die Poetikvorlesung eines leidenschaftlichen Sprachspielers, abenteuerliche Rezensionsreisen zu Songs, Filmen und Büchern...
Ich bin der neue Hilmar und trauriger als Townes: Eine Kulturgeschichte der deutsch-texanischen Beziehungen, eine politische Autobiographie, die Poetikvorlesung eines leidenschaftlichen Sprachspielers, abenteuerliche Rezensionsreisen zu Songs, Filmen und Büchern...
Ich bin der neue Hilmar und trauriger als Townes: Eine Kulturgeschichte der deutsch-texanischen Beziehungen, eine politische Autobiographie, die Poetikvorlesung eines leidenschaftlichen Sprachspielers, abenteuerliche Rezensionsreisen zu Songs, Filmen und Büchern...
eBook243 Seiten3 Stunden

Ich bin der neue Hilmar und trauriger als Townes: Eine Kulturgeschichte der deutsch-texanischen Beziehungen, eine politische Autobiographie, die Poetikvorlesung eines leidenschaftlichen Sprachspielers, abenteuerliche Rezensionsreisen zu Songs, Filmen und Büchern...

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Über dieses E-Book

Zwischen den amerikanischen Südstaaten und dem heimatlichen Bayern bewegt sich Martin Wimmer in seinem akrobatischen Text, der uns bisher ungeahnte deutsch-amerikanische Verflechtungen vor Augen führt. Eine wilde sprachspielerische Reise vom Inn und vom Siegestor nach Luckenbach, Texas und an den Golf von Mexico.
Den Insider wird besonders faszinieren, wie Wimmer die Wurzeln der US-Songwriter bei Goethe oder Hoffmann von Fallersleben aufdeckt und auf einer akribischen Spurensuche die Wirkungsgeschichte von Blues, Folk, Country und Americana nachzeichnet: Ob bei Rolf Dieter Brinkmann oder Roberto Blanco, bei Michael Köhlmeier oder dem Technoclub Robert Johnson. Für den Neueinsteiger ist das Buch eine gut geschriebene Einführung. Für alle, die sonst Vinyl sammeln oder die Muh, die No Depression oder die Akzente lesen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum8. Aug. 2016
ISBN9783863371302
Ich bin der neue Hilmar und trauriger als Townes: Eine Kulturgeschichte der deutsch-texanischen Beziehungen, eine politische Autobiographie, die Poetikvorlesung eines leidenschaftlichen Sprachspielers, abenteuerliche Rezensionsreisen zu Songs, Filmen und Büchern...
Autor

Martin Wimmer

Martin Wimmer, Autor. Geboren 1968 in Mühldorf am Inn. Lebt in Berlin.

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    Buchvorschau

    Ich bin der neue Hilmar und trauriger als Townes - Martin Wimmer

    red

    Dérive

    »Die kapitalisierte Zeit stand still. Ohne Zug, ohne Metro, ohne Auto, ohne Arbeit holten die Streikenden die Zeit nach, die sie auf so triste Weise in den Fabriken, auf den Straßen, vor dem Fernseher verloren hatten. Man bummelte herum, man träumte, man lernte zu leben«, sagt René Viénet.

    Und wer sagt: »Ich bin der neue Hilmar Hoffmann und ich schreibe traurigere Song Lyrics als Townes Van Zandt«? Mein kulturpolitisches Programm ist, dass jeder Mensch imstande ist, ein Buch wie dieses hier zu verfassen. Dass jeder Mensch die Bildung dazu erhält, die freie Zeit, die finanziellen Mittel, die technische Ausrüstung, das Netzwerk an Freunden, die ästhetischen Erfahrungen in allen Bereichen der Kunst, die Freiheit, in Raum und Zeit zu reisen, dass die allgemeine Anarchie es zulässt, im öffentlichen Diskurs private Leidenschaft zu pflegen. Jeder Mensch, Kultur von allen, darunter mache ich es nicht. Bummeln, träumen, lernen, leben, lieben.

    Für euch, die ihr begeistert seid von den Geschichten, die sich in der Bohème von Schwabing und im Quartier Latin, in Haight-Ashbury und Greenwich Village, in Soho und Kreuzberg abspielten, wenn ihr Worte liebt und den Tanz, den Rausch und die Liebe, dann müsst ihr euch mit Luckenbach, Texas beschäftigen.

    »Vom Eise befreit sind Strom und Bäche / durch des Frühlings holden, belebenden Blick, im Tale grünet Hoffnungsglück / The Winter old and weak ascends, back to the rugged mountain slope / Thunder on the mountain, rollin’ like a drum / Gonna sleep over there, that’s where the music’s coming from / I don’t need any guide, I already know the way / Oh, help me in my weakness, I heard the drifter say.«

    To drift? Dérive? In Frankfurt wird nicht abgeschwiffen. Ostern geht man spazieren. Tarzan flaniert am Main. In der zweiten Ausgabe der Zeitschrift der Situationistischen Internationale, einer künstlerischen Bewegung der 60er, die dem Ausgeliefertsein an das Spektakel der kapitalistischen Gesellschaft die Herstellung einer wahrnehmungsintensiven Situation als ästhetisches Konzept gegenüberstellt und der auch René Viénet angehörte, schrieb dagegen deren Vordenker Guy Debord 1958: »Eine der wichtigsten situationistischen Praktiken ist das dérive, das Umherschweifen, eine Technik des schnellen Durchlaufens abwechslungsreicher Umgebungen. Umherschweifen bedeutet, sich spielerischkonstruktiv zu verhalten und sich die psychogeographischen Wirkungen zu vergegenwärtigen.« Das werden wir mit Landschaften aus Text und Musik und Film und Kunst und Politik und Liebe versuchen.

    Dem dérive verwandt sind in der europäischen wie amerikanischen Folkmusik die Figuren des drivens und des driftens. Der fahrende Sänger, der Troubadour, der Vagant, der lachende Vagabund, der Tramp, der Hobo. Der Fahrtwind weht uns ins Gesicht: »On the road again«, »Ridin’ on the City of New Orleans«, »Hank Williams pain songs and Jerry Jeff train songs«.

    Ein Bandit ist immer in Bewegung. Er reitet. Er schleicht. Er ramblet und gamblet. Banditen leben draußen. Im Walde von Toulouse. Im Llano estacado. Rebellen müssen sich verstecken, hangeln sich bei Verbündeten und Eingeweihten und Fans durch. Der bayrische Wilderer Jennerwein, ein Schütz in seinen besten Jahren, hangelt sich von Alm zu Alm durch: Auf den Bergen ist die Freiheit, auf den Bergen ist es schön. Jenny schart Piraten um sich von einem Schiff mit acht Segeln. Brechts Hannah Cash, Johnnys Rosanne Cash und die Caroline aus Tecumseh Valley, alles eine Mischpoke. Robin Hood hatte den dicken John. Und Willie Nelson den Waylon Jennings. Oder sie organisieren sich gleich eine Bande. Oder eine Band. Ihr Zuhause ist der Wald, der Pfad. Im Tourbus sind sie unterwegs, lagern auf Lichtungen. Outlaws leben außerhalb des Gesetzes. Highwaymen folgen nicht den Gesetzen von Nashville. Banditen leben draußen, raumgreifend unter weitem, offenen Himmel. Sie wollen sichtbar werden, brauchen eine Plattform, die Bühne und Zuschauer. Revoluzzer müssen Taten vollbringen. Postkutschen überfallen. Solos gniedeln. Sie sind Tatmenschen. Sie suchen den Marktplatz, retten mit einem geglückten Schuss durch das Seil in letzter Sekunde ihren Kumpan vom Galgen. Flageolett!

    Getrieben werden ist das Gegenteil von etwas in Bewegung setzen. Ich habe in meinem Leben nichts erreicht. Keinen Samen gesät. Keinen Baum gepflanzt. Keine Schule begründet. Kein Haus gebaut. Kein Vermögen angesammelt. Kein Kind gezeugt. Ich war niemandem ein Vorbild. Der kulturelle Fußabdruck meines Lebens geht voll in Ordnung: »When I leave I’m leavin’ nothin’ behind«, singt Jerry Jeff Walker in »Hill Country Rain«, seinem definitivem Statement zum texanischen Lebensgefühl. »I get a feelin’, somethin’ that I can’t explain, it’s like dancin’ naked in that high Hill Country Rain.«

    Wim Wenders hat »Paris, Texas« im Kino ein Denkmal errichtet und das »Dallas« der Ewings wurde zur TV-Ikone. Die Geburtsstunde der alternativen Countrymusik schlägt jedoch in einem Zwei-Einwohner-Kaff, gegründet 1849 von der deutschen Pfarrerstochter Minna Engle und benannt nach ihrem Mann Albert Luckenbach. Waylon Jennings brachte mit seinem gleichnamigen Lied das deutsche Dorf auf Nummer Eins der amerikanischen Hitparade: »Let’s go to Luckenbach, Texas, with Willie and Waylon and the boys / This successful life we’re livin’ got us feuding like the Hatfields and McCoys / Between Hank Williams pain songs and Jerry Jeff’s train songs and Blue eyes cryin’ in the rain / Out in Luckenbach, Texas ain’t nobody feelin’ no pain.«

    1971 kauften der Poet Hondo Crouch und seine deutschstämmige Frau Shatzie den Ort und machten die drei Holzhütten zum Mekka der musikalischen Außenseiter und Späthippies. In einem alten Schuppen wurde dem polierten Nashville-Schlager mit Marihuana und freier Liebe zu Leibe gerückt. Unabhängig von den großen Plattenkonzernen entstanden mit mobilen Aufnahmegeräten am Lagerfeuer so die ersten selbstgefrickelten Home Recordings.

    Der wahltexanische Liedermacher Jerry Jeff Walker aus New York erfand hier eine Ausdrucksform, die sich zum Hitparaden-Country aus Nashville ungefähr so verhielt wie die Biermösl Blasn zum Musikantenstadl. Für den Laien klang das oberflächlich erst mal ähnlich. Aber dann fiel auch dem Rockpublikum auf, dass Walkers tiefsinnige Texte und die feinfühlige Steel-Guitar von Lloyd Maines jeden Kitsch vermieden und das Genre neu belebten. Papa Maines vererbte das Talent an seine Tochter Natalie weiter: Dreißig Jahre später machte sie als Sängerin der Dixie Chicks Furore. Kürzlich wurden sie mit fünf Grammys geadelt. Warnung: Ihr »An Evening with the Dixie Chicks« kann selbst Hartgesottenen den Tanzwolf in die Beine und die Tränen in die Augen treiben.

    »Blue eyes cryin’ in the rain« ist ein Lied von Fred Rose, das schon Hank Williams interpretiert und Willie Nelson bekannt gemacht hat. Es ist das letzte Lied, das Elvis vor seinem Tod gesungen hat. Was hätte ein großer Musiker jetzt an deiner Stelle gemacht? Nach diesem Muster sind zwei höchst amüsante Songs gebaut: »What would Willie do?« vom Texaner Bruce Robison. Und der texanische Songwriter Robert Earl Keen hat eine brillante Version von »Are You Sure Hank Done It This Way?« aufgenommen, einem Song von Waylon Jennings, der 1976 zusammen mit Willie Nelson eine LP mit dem Titel »Wanted: The Outlaws« veröffentlichte, die als erste Country-Schallplatte überhaupt mit Platin für mehr als 1 Million verkaufter Exemplare ausgezeichnet wurde. Schallplatten damals bestanden aus Vinyl, auch bekannt als PVC, ein Kunststoff, der durch Polymerisation aus Erdöl und Salz gewonnen wird.

    Gut erhaltenes Vinyl aufzuspüren, das ist dem Plattensammler Aufgabe und Freude. Während meines Zivildienstes in der Gärtnerei einer Behindertenwerkstätte hat unser Koch mich ein paar Mal mitgenommen zu einem Treffen seiner Blues-Freunde. Ich erinnere mich an vier ältere Herren in gemusterten Pullovern, eine Wohnung in Haar, Glühbirnen an der Decke, karge Möbel und 50 000 LPs, hochgeschichtet an allen Wänden der Wohnung inkl. dem Zimmer, das anderswo eine Küche geworden wäre. Angeblich auch im Schlafzimmer, das ich als Novize nicht betreten durfte, da dort die Raritäten standen. Ab und an zauberte der Gastgeber, ein Siemens-Ingenieur, eine Scheibe dort raus, zelebrierte sie auf den Plattenspieler, und alle, der Zivi, der Koch mit dem Sprachfehler, sein schmuddeliger Bruder, der verkrümmte Radioredakteur, lauschten Uraltem, Obskurem, Abgefahrenem, Grandiosem.

    Dann der Initiationsritus. Wie reagiert der Grünschnabel auf diesen texanischen Verrückten, der Countrylieder aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs zu Synthesizerklängen – jodelt? Randy Erwin jodelte mir dort das erste Mal den »Lovesick Blues« um die Ohren. Kann sich jemand vorstellen, welches Glücksgefühl mich Jahre später durchzuckte, als die Scheibe bei einem Plattenladen in der Münchner Türkenstraße für 1.99 Mark rumstand? Ich habe vor lauter Übermut gleich drei Stück davon gekauft.

    Randy Erwin machte vor einigen Jahren noch mal von sich reden, indem er einen Song in einem Disney-Blockbuster unterbrachte. »Home On The Range«, deutsch »Die Kühe sind los«. Da bei den Synchronisationen niemand (außer vielleicht in Deutschland) Randys Rolle jodeln konnte, hat er in 42 Sprachversionen seinen Part selbst eingejodelt. 42 Mal dieselbe Nummer jodeln, das hat mich begeistert, und ich habe angefangen, mich für das Jodeln zu interessieren. Ich lege euch jetzt allerdings nicht eine Auswahl von Webseiten vor, die ich bei meinen Recherchen gefunden habe, weise aber stolz darauf hin, dass ich auf myspace.com einer von 16 Freunden war, zu denen es Randy Erwin gebracht hat.

    Scribe et labora, I von III

    KAMMERERRUMBACHSAGERSPITZENBERGERMÜLLERWIMMER, Martin. Fest steht, so zumindest die Familienerzählung: Ein Kammerer heiratete in einer Donauschwaben-Enklave an der jugoslawisch-ungarischen Grenze eine Rumbach und zeugte eine neue Kammerer. Eine geborene Müller, geschiedene Spitzenberger aus einer Sudeten-Enklave im Böhmerwald, gebar dort einem noch vor der Geburt seines Sohnes verstorbenen Sager einen neuen Müller. Die aus dem späteren Serbien vertriebene Kammerer heiratete den aus dem heutigen Tschechien vertriebenen Müller, ihr in der neuen Heimat Bayern geborener deutscher Müller aus Ampfing eine Wimmer aus Pfaffenhofen, und so heiße ich heute Wimmer Martin und weiß nicht, wer ich bin.

    Von allen Verwandten, die ich überschauen kann, hat nur eine Tante an einer Universität studiert, eine Lehrerin an einer Klosterrealschule. Mein Großvater mütterlicherseits war im KZ, allerdings auf der falschen Seite, und hat die Tante nach dem Krieg ins Kloster erzogen. Braune Vergangenheit. Weiße Weste. Ihr Leben war es, sich unter Selbstanwendung von weltlicher Psychologie aus diesem Familienschlamassel wieder zu exorzieren. Vor dem Essen wurde gebetet, und nie wurde dabei mit einem Gott gesprochen, vor jedem Gulasch wurde die Mauthausener Blutarbeit des in die SS geratenen Maurers ohne Schulbildung totgeschwiegen. Ansonsten sind da: Bauarbeiter, Näherinnen, Installateure, Friseusen, Zugführer, einfache Leute allesamt. Ich bin einer von ihnen. Ich bin der gebildete Installateur, der intellektuelle Bauarbeiter, die kosmopolitische Friseuse, der akademische Zugführer, die belesene Näherin. Ich war im KZ und ich war im Kloster.

    Ich bin eine Krankenschwester und ein Vertreter für Elektrogeräte. Rasierer und Kühlschränke, Stereoanlagen und Lichtschalter: Braun und Bosch, Schneider und Busch-Jaeger hieß das bei uns daheim. Weiße Ware. Braune Ware. Innovation und Qualität. Schwitters und Foucault heißt das bei mir, Haas und Weinberger. Damit handle ich in meinen Texten. Ich sterilisiere an der Semantik und operiere an der Syntax und im schlimmsten Fall anästhesiere ich die Rezipienten. In der Nachtschicht kommen die besonders zermanschten Satzglieder. Tupfer bitte. Ich ästhetisiere.

    Das Bohrloch

    Weiße Körner. Mühldorf ist Salzstadt, nah bei Salzburg am alten Salztransportweg zwischen den Alpen und den Meeren. Der Inn schäumt, die Stadttore sind Salz- und Pfefferstreuer. Als ich in den 70ern in Mettenheim und später in den 80ern in Ampfing aufwuchs, prägte die Förderung von schwarzem Schleim den Anblick. Auf und ab gingen die Pumpen, grüne Ungetüme in den Feldern. Und wenn wir mit dem Schlauchboot den Inn runter fuhren, war der aufregendste Moment immer der Inn-Düker, eine Pipeline, früher Öl, später Erdgas, die mitten durch den Inn kreuzt. Eine Salz-Öl Kreuzung praktisch, und bei Kreuzung muss ich immer an eine andere Kreuzung denken:

    Die crossroads der Highways US 61 und US 49 in Clarksdale, Mississippi, an der ein junger Afroamerikaner namens Robert Johnson seine Seele an den Teufel verkaufte, um den Blues spielen zu lernen. Eine herrliche schwarze frühe-20.-Jahrhundert-Version des Faust-Paktes, wie ihn der Brandner Kaspar dann mit dem Boandlkramer schloss. Johnson erobert nicht Gretchen, eine Gitarre wird seine Braut. Und nicht die Philosophie studiert er, nicht Juristerei und Medizin, mit Musik dringt er vor in die Welt der ökonomischen Elite, des blauen Blutes. Die blauen Noten adeln den Schwarzen zum Weißen. Die Farblehre der Musik folgt anderen Gesetzen als die der Malerei. Schwarz und Blau ergibt Weiß. Von Robert Johnson gibt es nur fünf historisch verbürgte, dokumentierte Fakten: das sind seine Aufnahmesessions, drei 1936 in San Antonio, Texas, zwei 1937 in Dallas, Texas. Robert Johnson hat auf seiner offiziellen MySpace-Seite 7 198 und auf der inoffiziellen 14 087 Freunde, was insofern erstaunlich ist, als Johnson seit 1938 tot ist. Was jetzt Randy nicht abwerten soll. Einer der bekanntesten deutschen Techno-Clubs ist nach Robert Johnson benannt. Die Facebookseite des Clubs in Offenbach hat 11 016 Mitglieder, die vom Blueser 488 983.

    Weiß, körnig ist Salz. Nicht zu unterscheiden von Zucker, außer du leckst daran. Ein bisschen auf die Fingerspitzen, eine Zungenspitze, die feinste Nuance zieht durch die Nervenbahnen und weckt Erinnerungen an Austern oder Pralinen. Schwarz, schmierig und stinkig ist Erdöl. Daran macht sich kein Reicher die Nase dreckig. Sie suchen nach dem gelobten Land, oben in den Bergen, unter den Ozeanen, am Ammersee. Und so werden sie dann also wieder bohren bei uns, sie werden Löcher in die Kruste reißen und die Erde schänden und die Tiefe zur Ader lassen. Jetzt klinge ich schon wie der Alfons Irlmaier. Wenn wirklich mal was anbrennt, lassen wir einfach den Red Adair aus Houston einfliegen, und wenn es dann in Unterdeixelham wieder landschaftsästhetische Bedenken gibt, wandern wir halt zu Konny Reimann nach Texas aus.

    Die Süddeutsche schreibt am 8.11.2007, dass die Konzerne wieder in Bayern nach Öl graben. Die Wintershall AG aus Kassel ist bereits fündig geworden und betreibt zwei Bohrstätten in Großaitingen bei Augsburg. Die österreichische OMV AG forscht in Zusammenarbeit mit Gaz de France und der tschechischen MND Exploration Ltd. zwischen Forggensee, Staffelsee und Starnberger See nach Öl. Parallel dazu prescht die Rohöl-Aufsuchungs AG (RAG) aus Wien zwischen Salzach und Inn vor. Die Bayrische Staatszeitung schreibt am 13.6.2008: »Die geologischen Verhältnisse in Bayern ähneln denen im Wiener Becken, dort existieren rund 2 000 Bohrlöcher in der Region.« Das sind doch Aussichten. Freuet euch, liebe Mühldorfer, 2 000 Bohrlöcher, Christkind kommt bald! Fortgeschritten Interessierte schauen sich am besten mal die Doku »The Oil Crash« von Basil Gelpke und Ray McCormack an.

    »Oil, oil, there was oil to be found / Everywhere you put a boot, there was oil in the ground / Oil in the ground and oil in the mud / You pump long enough it gets in the blood.« Das schrieb der texanische Songwriter Sam Baker, den ich immer mit dem texanischen Songwriter Vince Bell verwechselte. Sie sind auch verwechslungsanfällig, denn Sam wurde bei einem Terroranschlag auf einen Zug nach Machu Picchu lebensgefährlich verletzt, trug Hirnschäden davon und musste mühsam wieder lernen Gitarre zu spielen, Vince wurde bei einem Autounfall lebensgefährlich verletzt, trug Hirnschäden davon und musste mühsam wieder lernen Gitarre zu spielen. Ihre Alben »Phoenix« und »Texas Plates« bzw. »Mercy« und »Pretty World« gehören aufgrund dieser Nahtod-Erfahrungen mit zum Besten, was Texas zu bieten hat. Oder wer kann etwas Deprimierenderes zu Papier bringen als Bell’s »Frankenstein«: »I got stitches all over my body / My feet are too big for my head / I don’t know why they put me here with the living / I sure wish that I was dead / They call me Frankenstein / It’s not even my name / I don’t know my own name / I don’t know what I’ve done / I don’t know where I’ve been / I told him Victor you’ve got to build me a woman / Who will see me for myself / It’s so lonely living here without someone to love / I got to look out for myself.«

    Das Erdölzeitalter in Südbayern begann bereits 1883 am Tegernsee. Dort wurde zum ersten Mal eine Ölquelle angezapft, in den USA begann der Ölrush 1859. Es war ein ehemaliger Ingenieur der österreichisch-ungarischen Marine, der Texas zum Ölland machte: Antonio Francisco Luchich folgte dem Lockruf Amerikas und wurde Berater einer Salzmine in New Orleans. Bei Bohrungen seiner Gesellschaft nach Steinsalzvorkommen in Texas entdeckte Luchich, dass in Salzdomen oft Erdöl enthalten war. Am 10. Jänner 1901 machte er dann mit dem »Spindletop-Gusher« den mit Abstand größten Ölfund in den USA – ein heftiger Ausbruch, der pro Tag über 10 000 Tonnen Rohöl 100 m in die Luft jagte. Noch nie hatte die Welt Derartiges gesehen!

    Der Rest ist Geschichte und führt direkt zu Larry Hagman und zur Southfork Ranch und wieder zurück zu uns. 100 m, das ist dreimal so hoch wie der Nagelschmiedturm, freuet euch, Mühldorfer, ein Spindletop-Gusher! Die Southfork Ranch befindet sich bekanntlich nicht in Dallas, sondern in Plano, Texas. Eines der populärsten Restaurants in Plano, Texas ist das Bavarian Inn. Neulich war dort »Weißer Spargel Fest«, die EM-Spiele liefen vormittags und die Alpenmusikanten spielten auf. Gern teilgenommen hätte ich an einem der Bavarian Bier seminars, zum Beispiel. »Bier 103 – Hops – Pils and Pilz. $ 29, 50. Travel from the North to the South and taste a variety of four different German Pilsner style Biers to appreciate the regional differences and enjoy some appetizers during an insightful Power Point Presentation. You will learn about hops, the main flavoring ingredient, during our virtual visit to the famous Hallertauer Hop fields in Bavaria.«

    Pils und Pilze. In toga candida, keine Nacht kann ich schlafen, denn seitdem

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