Gimsteinn: Die Thrym
Von Christian Rach und Tom Riemer
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Über dieses E-Book
Eine Geschichte voller Freundschaft, Liebe, Abenteuer und Tot.
Christian Rach
Christian Rach ist ein junger Autor und Student, geboren in Baden-Württemberg. Sein Abitur machte er im Kreis Tübingen und 2012 begann er ein Studium in Villingen-Schwenningen im Studiengang Maschinenbau. Christian Rach ist passionierter Künstler und Autor.
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Buchvorschau
Gimsteinn - Christian Rach
Inhalt
Das Findelkind
Auf der Reise
Die Kreatur
Die Flucht aus Gloria
Gang der 8 Könige
Leiknir
Bedeutender Stahl
Hafli's Werkstatt
Gefangene
Impressum
Das Findelkind
Tinus ging im Wald spazieren. Das hatte er sich so angewöhnt.
Immer zur Mittagszeit, nachdem er wieder diverse Seiten ab
und niedergeschrieben hatte, brauchte er einfach ein bisschen
Zeit für sich.
Die Sonnenstrahlen fielen wie leichte Fäden aus Licht auf seine
Haut nieder. Zusammen formten sie mit den Blättern durch
die sie fielen ein eigenartiges, aber schönes Schattenspiel
auf dem Gesicht von Tinus. Es fühlte sich an wie eine Brise
von Energie, die ihn irgendwie zu durchströmen schien. Er hielt
an. Saugte die Luft in seine fette, knollige Nase, nebenbei
bemerkt die größte Nase seines Volkes, und stieß diese mit
einem kräftigen Pusten wieder aus. Hier fühlt er sich wohl.
Tief im Wald. Keine Menschenseele die ihn beeinflusst, von der
Seite anquatscht oder etwas will. Grinsend blickte er zu den
Baumkronen nach oben. Die Sonne brannte auf seine Haut.
Er musste seine Augenlider zu Schlitzen zusammenpressen,
um nicht zu stark von der Sonne geblendet zu werden.
Nun fehlte nur noch der richtige Platz. Er hatte sich extra sein
Tantarbrot mitgenommen um es genüsslich, an einem ruhigen
Platz, zu verspeisen.
Unter der Tantarfrucht kann man sich eine knollenförmige,
rote Frucht vorstellen. Diese ist auf ihrer Außenhaut mit
giftigen Stacheln bedeckt, die vor der Weiterverarbeitung
sorgfältig entfernt werden müssen. Das Gift ist zwar nicht
tödlich, beschert aber jedem, der es zu sich nimmt, äußerst
starke Verdauungsschwierigkeiten. Es sind auch schon Fälle
vorgekommen bei denen sich manche Muskeln zu den
unpassendsten Zeitpunkten entspannt haben. Tinus hatte ihn
gefunden, seinen Platz. Er war äußerst bequem, dennoch hatte
er auch weitere Eigenschaften die Tinus sehr zusagten. Sein
Platz lag im Schatten, jedoch nicht zu sehr. Es wurde immer
etwas Sonne durch die Baumkrone gelassen. Im Sommer gab
es stets eine angenehme und frische Brise. Im Winter jedoch
trug der Wind immer warme Luft von der angrenzenden
Heißwasserquelle mit.
Er setzte sich hin und gab sich einen Moment der Entspannung.
Wieder atmete er tief ein und stieß die Luft nach einiger Zeit
kraftvoll aus. Die Luft hier war einfach herrlich. So ein
unberührter Duft. Nun wurde er konzentriert. Sein Fokus war
ganz auf sein Tantarbrot gerichtet. Er wickelte es aus den
Blättern in die es eingewickelt war und sofort fingen seine
Augen an zu glänzen. Seine Frau hatte ihm Grissschmalz mit
auf sein Tantarbrot geschmiert. Er hatte schon eine tolle Frau,
sie war immer für ihn da, hatte ihn immer bestärkt. Er seufzte
kurz und biss genüsslich in sein Brot. Er genoss jeden einzelnen
bissen. Dazu gab es natürlich die übliche Portion Sirupwasser.
Sirupwasser war schwer zu beschreiben. Wasser mit Geschmack,
aber nicht nur mit einzelnen Geschmäckern sondern einer
ganzen Bandbreite. So schmeckte ein jeder Schluck der selben
Sorte Sirupwasser immer ein bisschen anders. Aber natürlich
nicht grundverschieden, eher einzelne Nuancen die
unterschiedlich stark in den Vordergrund traten. Und es war
unheimlich erfrischend, ähnlich einem Gebirgsbach, der von
einem Gletscher gespeist wurde. Als er sich sein Mahl
einverleibt hatte, zeichnete sich ein seichtes Grinsen ab. Er
schaute zur gleichen Zeit zu den Baumkronen hinauf,
in dessen hin- und herwankenden Blättern sich ein wunderbares
grünes Lichtspiel abzeichnete. Er wurde langsam schläfrig.
Seine Zufriedenheit tat einiges dazu, dass er sich alsbald auf
den Waldboden legte und unter dem Schutz des dichten Waldes
in einen tiefen Schlaf versank. Tinus wurde ganz plötzlich aus
dem Schlaf gerissen. Er schaute in den Himmel. Der Sonne nach
zu urteilen war nicht viel Zeit vergangen seit er sich hingelegt
hatte. Das kam ihm komisch vor, was hatte ihn so brutal aus
dem Reich der Träume zu seinem Lieblingsplatz zurückgeholt?
Er konnte es sich nicht erklären, aber etwas stimmte nicht.
Er hatte eine seiner komischen Vorahnungen, die er immer
hatte, kurz bevor etwas passierte. Tinus hatte nur noch keine
Ahnung ob sich diese als gut oder schlecht herausstellen sollte.
Und auch das war sehr ungewöhnlich. Sonst konnte er, präzise
wie ein Uhrwerk, voraussagen ob etwas gutes oder schlechtes
im Begriff war zu geschehen. Nur nicht dieses Mal.
Er richtete sich auf, runzelte seine Stirn und schaute sich um,
es war windstill und auch kein einziger Vogel war zu hören.
»Das kann nichts Gutes bedeuten.«,hörte er sich selbst in
seinem Kopf skandieren. Und der kleine Mann in seinem Kopf,
der ihn sonst zu beruhigen vermochte, war bereit. Bereit um zu
tun, was getan werden musste, wenn es denn von Nöten sein
würde. Tinus fing an sich zu konzentrieren, abzuschätzen aus
welcher Richtung denn diese vermeintliche Bedrohung zu
kommen schien. Etwas zog sein kleines inneres Männchen an,
er fixierte die Richtung, griff seinen Beutel und rannte los.
Er wusste nicht wohin, aber er wusste, dass er am Ende an
einem Scheideweg stehen würde. Es würde eine Entscheidung
geben.
Die eine oder die Andere.
Er rannte schneller, sprang über umgestürzte Baumstümpfe
und Wurzeln. Hätte ihm jetzt jemand aus seinem Volk
zugesehen, so hätte dieser jemand denken müssen der
Leibhaftige selbst wäre in ihn gefahren. Es schien als würde er
durch den Wald schweben. Auf dem Weg schaute er links und
rechts, seine Augen wurden schärfer.
Keine Tiere.
Auf dem Weg den er lief gab es keine Tiere. Was nicht mehr nur
unwahrscheinlich, sondern vielmehr unmöglich war. Dieser
Wald lebte unter normalen Umständen. Überall kreucht und
fleucht es, aber hier: Nichts!
Dann veränderte sich etwas in der Landschaft. Er kam auf eine
Lichtung zu. Er verlangsamte innerhalb von einigen Metern
seinen Sprint zu einem Schleichen. Er war einige hundert
Meter von der Lichtung entfernt, sie zog sich wie ein
ausgefranster Schnitt durch den Wald. Er spitzte seine Ohren.
Ein leises plätschern, mehr war da nicht. Kein gewohntes
Flattern der Vögel, kein rascheln und auch kein bestimmender
Wind, der einem durch das Haar bläst. Er fühlte sich langsam
aber sicher sehr unbehaglich. Und das war noch baumhoch
untertrieben. Nur für dieses Gefühl das er hatte, kannte er
keinen Namen.
Er ging weiter. Verwelkte Blätter raschelten unter seinen Füßen.
Ein Stock knackte laut und er hielt inne, seine Sinne aufs
äußerste geschärft. »Mach dich nicht verrückt.« sprach er leise
zu sich und schüttelte kaum wahrnehmbar seinen Kopf um die
schlechten Gedanken los zu werden. Jedenfalls hat er das
versucht. Er hob seinen Kopf, versuchte etwas zu riechen,
was ihm sonst mit seiner Rekordhalter-Nase nicht schwer viel.
Es lag nur ein salziger Geruch in der Luft, wie am großen
Wasser im Osten. Er schlich weiter in die Richtung, in die es
Tinus nun fast zu ziehen schien.Die Ungewissheit riss an ihm.
Zerriss seinen Geist. Zerrte an seiner Kondition und
Konstitution.
Bevor er auf die Lichtung hinaustrat taxierte er mit seinen
Blicken die Umgebung. Nichts war zu sehen. Es schien niemand
sonst hier zu sein, als er plötzlich einen sehr leisen Schrei hörte.
Nun ja, weniger ein Schrei, als mehr ein Quengeln. Jetzt wurde
er zielstrebiger. Fast wie auf Schienen setzte er sich zum
Quengeln in Bewegung. Der Ursprung des Geräusches war im
angrenzenden, etwa kniehohen Gras eines schmalen Bachlaufs.
Er sah ein leichtes Schimmern einer Farbe die da nicht
hingehörte, da war er sich ganz sicher. Er beugte sich vor und
schob das Gras leicht zur Seite, ganz darauf besonnen keinen
Schaden an den Gräsern anzurichten. Denn die eigenen
Handlungen, ob klein oder groß würden immer auf einen
selbst wieder zurückfallen. An diesen Kreislauf glaubte er.
Manche nannten es Karma, es gab aber viele Worte dafür, wie
etwa K'hal Nahh oder Perthro. Nun konnte er es fast erkennen,
er ging noch einige Schritte näher an dieses fremdartige Ding
heran.
Was er sah erstaunte ihn, damit hatte er nicht gerechnet. Seine
Eingeweide fingen an sich zu entspannen. Ein leichtes
verschmitztes Grinsen zeichnete sich auf seinem Gesicht ab,
was aber nur die engsten seiner Freunde erkannt hätten.
Da sich seine Mimik nur minimal verändert hatte, zudem
behielten seine Augen ihre Schärfe. Schon so manche seiner
geschätzten Mitarbeiter bekamen durch diesen Blick weiche
Knie. Jetzt ging er die letzten Meter zu seinem Ziel.
Er erblickte beigen Stoff, sogar einen ganzen Haufen davon.
Das war aber nichts großartig komisches. Die leichten,
zurückhaltenden Bewegungen die von dem Bündel ausgingen
waren wesentlich ungewöhnlicher.
Aber, so viel soll an dieser Stelle zu Tinus Person gesagt sein,
er war unglaublich neugierig. Und es gab genug von den
Yahgan die genau diese Eigenschaft überhaupt zu schätzen
wussten. Und die Meisten ließen ihn das auch merken.
Jetzt hörte er es noch einmal wesentlich deutlicher. Ein leises
Quengeln. Es war ein unzufriedenes Quengeln, eines, welches
man sich in einer Situation vorstellen könnte in der man sich
überhaupt nicht wohl fühlt. Tinus sondierte das Bündel,
schaute sich um, konnte aber niemanden entdecken.
Vorsichtig streckte er seine rechte Hand aus und zog an einer
Ecke des beigen Stoffes. Langsam kam ein Gesicht zum
Vorschein. Es war das eines Kindes,
eines menschlichen Kindes.
Das Quengeln verstummte und das Kind blickte Tinus nun
direkt in die Augen, er hatte sogar das Gefühl es würde ihm
direkt in seine Seele schauen. Das Kind hatte eisblaue Augen
und vereinzelte Haare auf seinem Kopf. Es brabbelte oder
raunte, Tinus konnte es nicht genau einschätzen, und vergrub
seine winzigen Ärmchen unter dem Stoff. Nun schloss das Kind
seine Augen. Wie alt mochte es wohl sein? Mehrere Monde,
vielleicht aber noch keinen gesamten Zyklus. Bei diesem
Gedanken wurde er misstrauisch. Beobachtete ihn etwa
jemand? Wurde er getestet? Oder spielte ihm das Schicksal
einen Streich?
Er sah sich noch einmal um, diesmal wesentlich länger und
genauer. Er blieb bestimmt fünf Minuten in dieser
angespannten Haltung stehen und lauschte in die Ferne.
Er konnte absolut nichts erkennen. Aber das war für ihn noch
nicht genug. Er schaute auf das kleine Wesen, welches sich
eingerollt im Stoffbündel befand und seelenruhig vor sich hin
schlief. Er bückte sich und hob es ganz vorsichtig hoch.
Er blickte sich kurz um und fand sofort ein lauschiges
Plätzchen, wo er das Bündel sogleich hin brachte und ablegte.
Es war eine kleine moosige Kuhle die er gefunden hatte.
Sie war wie eingezäunt von zwei Wurzeln die ihren Ursprung
an dem Baum hatten, der etwa einen halben Meter weiter
stand. Als er das kleine Wesen sorgfältig hinlegte, blickte er
es an, wie ein Vater sein Neugeborenes ansieht. Voller
Schutzgedanken. Sich sorgend. Nachdem er seinen Blick von
dem Kind losgerissen hatte, machte er sich auf den Weg die
Umgebung zu erkunden. Jedoch ohne den Sichtkontakt zu dem
kleinen, unschuldigen Etwas zu verlieren, dass er so sorgsam
im Moos gebettet hatte. Nach gut 20 Minuten hatte er einen
Radius von ungefähr tausend bis eineinhalbtausend Metern
um das Kind abgesucht, und nichts gefunden. Keine Spuren
und auch keine Anzeichen, dass hier, vor geraumer Zeit,
irgendjemand anderes als er selbst gewesen war. Er ging
wieder zurück zu dem, immer noch friedlich, schlafenden Kind.
Er dachte darüber nach was er denn mit ihm tun sollte,
so klein und verletzlich.
Er schüttelte seinen Kopf. »Wie kannst du überhaupt darüber
nachdenken? Es ist doch ganz klar was zu tun ist!«, skandierte
das kleine Männchen in seinem Kopf mit rechthaberisch
erhobenem Zeigefinger, wobei es die linke Hand in die Hüfte
gestemmt hatte.
»Stimmt auch wieder.«, murmelte er in sich hinein und hob das
Bündel vom Boden auf. Während er das tat regte sich das Kind
kurz und machte Anstalten seine verschlafenen Augen zu
öffnen, aber es blieb bei dem Versuch und kurze Zeit später
war es wieder eingeschlafen. Tinus Grinsen kehrte, angesichts
dieses urkomischen Versuchs des Kindes, wieder auf sein
Gesicht zurück. Er wickelte das Bündel auseinander. Danach
hielt er das Kind sanft in der Rechten und ein ungefähr fünf
Meter langes Stück Stoff in seiner Linken. Nun wickelte er das
kleine Kind an seinen Körper. Es lag leicht schräg da die
Stoffbahn von seiner rechten Hüfte zu seiner linken Schulter
reichte. Schließlich nahm er noch einen Schluck Sirupwasser
und packte seine sieben Sachen, um sich dann auf den
Weg zurück zur Stadt zu machen.
Er konnte die Stadt in der Ferne schon erkennen. Der hohe
Hauptturm ragte in den Himmel wie ein mächtiger Monolith.
Er sah nicht so aus als könne er dem Zahn der Zeit widerstehen.
Und doch tat er es. Er tat es schon so lang, dass noch nicht
einmal die weisesten der Yahgan etwas darüber wussten wann
sein Zentrum gebaut wurde. Der Turm selbst wird seit
Ewigkeiten ausgebaut. Immer weiter nach außen und gen
Himmel. Stets bringen kleine Bautrupps Holz heran um ihn zu
erweitern. Der Kern des Turms, dessen Ursprung schon sehr
weit in der Vergangenheit liegt, ist aus einem steinernen Baum
gefertigt worden. Man sagt dieser Baum sei aus dem Spross des
Urbaums gewachsen. Über den Urbaum selbst wissen sie nur
aus ihren Büchern. Aber sie glauben fest daran, dass er alle
Lebewesen der Erde beschützt, ja sogar die ganze Welt.
Er betrat Kar' Hun. Es war um diese Zeit immer sehr wenig auf
den Straßen los. Die meisten waren auf der Arbeit und machten
gerade ihre Mittagspause, machten ein kleines Nickerchen
oder redeten angeregt in einer der unzähligen Bibliotheken
die Kar' Hun beherbergte. Es war eine schöne Stadt. Sehr groß,
sehr alt und voller Geschichte der ganzen Welt. Es war Tinus
manchmal als könne er spüren wie die Erkenntnis wie Wellen
an den Turm schwappte. Sämtliche Gebäude hatten die Form
von Türmen, aber sie waren immer unterschiedlich hoch oder
breit. Es war jedem Yahganer selbst überlassen wie er seinen
Turm baute. Sämtliche Türme hatten kleine, angrenzende
Gärten in denen ein jeder Früchte anbaute. Oftmals viele
verschiedene, aber man musste zum Glück keine allzu große
Vielfalt in seinem Garten haben, da man untereinander stets
tauschen konnte. Die Yahgan waren nämlich ein sehr
freundliches Volk das immer im Einklang mit dem Wald lebte.
Sie respektierten den Wald, behandelten ihn wie einen von
den Ihren. Der Wald beschützte sie.
Tinus war zu Hause angekommen. Er hörte klappern und
klirren von drinnen. Er lächelte leicht, seine Frau muss mal
wieder am auf- oder umräumen sein. Egal welches Wort,
sobald es »räumen« in sich hatte, machte sie es gerne.
Genau solche Dinge liebte er an ihr. Zwar konnte er manchmal
einige von seinen Sachen nicht wiederfinden, da sie Lana mal
wieder irgendwo hin geräumt hatte, aber das störte ihn nicht.
Er drehte den Türknauf, trat ein und rief:
»Na, Schatz schon wieder etwas zum Aufräumen gefunden?
Ich hab eine interessante Überraschung für dich.«
»Du brauchst gar nicht so scheinheilig daher kommen,
immer lässt du deine Sachen überall liegen, ich musste wieder
deine komische Pfeife wegräumen.« Sie kam langsam aus dem
Wohnzimmer herbei, wie immer, auch jetzt mit einem Lächeln
auf den Lippen. Als sie den Stoff um Tinus Körper sah, blieb sie
stehen und ihr Blick wurde streng. »Was zum Teufel hast du
schon wieder mitgebracht? Einen Vogel, 'ne Maus oder wieder
irgendeinen verloren gegangenen Igel?«, nun stemmte sie ihre
beiden Hände in ihre Hüfte. Aber neugierig war sie schon und
so kam sie langsam näher. »Nein«, sagte Tinus. »Etwas ganz
anderes. Wir wurden beschenkt, sieh nur.«, er lüftete den
Stoff während er das Kind sanft in den Armen hielt. Lana
schaute auf das Kind und bekam große Augen. Sie wechselte
immer wieder den Blick von dem Kind zu Tinus und zurück.
Das konnte doch nicht wahr sein. Wo hatte er dieses Kind her?
Sie wurde ernst. »Du willst mir doch nicht ernsthaft erzählen,
dass du ein Kind im Wald gefunden hast. Binde mir doch
keinen Koldoren auf.«
»Nein, ganz im ernst, es war ein paar Kilometer von meinem
Lieblingspunkt entfernt. An einem Bachlauf.«
»Wie kommst du überhaupt an einen Bachlauf, der ein paar
Kilometer von deinem Lieblingspunkt entfernt ist? Zu wenig
zu tun? Langeweile? Ich hätte da eine einfachere Lösung für
gehabt als auf Wanderschaft zu gehen. Du treibst mich noch in
den Wahnsinn.«, jetzt war sie schon fast genervt, diese
ominösen Aktionen die ihr Mann immer so trieb.
»Das darfst du mir jetzt mal ganz genau erklären!«,
befahl sie ihm. »Oh, oh«, dachte er sich. »Jetzt ist sie sauer.«,
und so fing er an und erzählte ihr die ganze Geschichte.
Von seinem Nickerchen, aus dem er heraus gerissen wurde,
dem beklemmendem Gefühl, seiner Vorahnung die er, im
Gegensatz zu denen die er früher gehabt hatte, nicht zuordnen
konnte. Seinem Sprint durch den Wald, der wie leer gefegt
schien. Und wie er das Kind dann fand, ohne in der Umgebung
Spuren zu finden, welche auf den Ursprung des kleinen
Findlings hätten hinweisen können. Um auch nichts
auszulassen schilderte er seiner Frau, die inzwischen nicht
mehr ganz so streng wie vorher guckte, noch seinen Heimweg.
Inzwischen waren die beiden in den Wohnbereich gegangen
und hatten sich auf die Stühle am großen Tisch gesetzt, welcher
direkt am Eingang zum Wohnbereich stand. Tinus hatte den
Findling immer noch an seine Brust gedrückt. Nachdem er
alles berichtet hatte war Stille im Haus eingekehrt. Stille,
so dick und kräftig, hätte man ein Messer gehabt, hätte man
sie in Scheiben schneiden können. Nach einiger Zeit sagte
Tinus nur noch eins: »Perthro.«
Seine Frau machte große Augen. Sie wusste was es bedeutete.
Perthro war ein sehr altes Wort. Man könnte sagen, es war ein
Überbleibsel einer alten Sprache, die jeder kannte, aber bis auf
einzelne Worte niemand mehr sprach. In der neuen Sprache
hieß es so etwas wie Karma. Aber nicht direkt Karma. Eher
etwas, was viel nachhaltiger war, viel mehr Folgen hat.
Man ging Früher davon aus, dass jede Tat, egal wie klein oder
groß, eine Folge für die Person hat, die sie tut. Ob gut oder
schlecht. Manchmal eine direkte Folge, wie ein stolpern oder
ein besonders gut schmeckendes Blatt Tee, aber manchmal
summierte es sich auch auf. Bis dann ein grundlegendes
Ereignis kam.
Sie dachte genauer darüber nach. Es würde sogar Sinn ergeben,
sie kannte keinen Yahgan der auch nur annähernd so voller
reiner Gedanken war wie ihr Mann. Regelmäßig schleppte er
ihr Tiere ins Haus, die er aufpäppelte und wieder in den Wald
entließ.Sie nickte. »Perthro.«
Und damit war es beschlossene Sache. Sie nahmen sich dem
Kind an. Sie würden es groß ziehen und lehren, bis es alt genug
war um für sich selbst Entscheidungen zu treffen. Und sie war
sehr froh. Sie selbst konnten keine Kinder bekommen. Warum,
war allen Heilern ein Rätsel gewesen. Nun, so hatte es den
Anschein, haben sie eines bekommen. »Wir brauchen noch
einen Namen. Und ist es ein Junge oder ein Mädchen?«,
fragte sie. Tinus sah das Kind an und wickelte es aus dem Tuch.
»Ein Junge. Überleg du dir doch einen Namen.« Und so fing sie
an nachzudenken.
Sie lächelte sanft und streckte ihre Hand aus. »Er soll Largas
heißen.«, und streichelte ihm sanft seine Wange. Sie guckte
ihren Mann an, »Wir werden dem Kleinen ein gutes Heim
geben«.
Gesagt, getan. Sie fingen an, dem kleinen Largas, eine
provisorische Schlafstätte aus Tüchern herzustellen. In welche
sie ihn auch sofort legten. Ungewöhnlich für ein Kind hatte er
die ganze Zeit über geschlafen. Zwischendurch öffnete er
mehrmals die Augen, doch das hielt nie lange an. Mit einem
Blick auf Largas werfend war Lana dabei ihm etwas Essen aus
Tantar und Wassersirup zuzubereiten. Tinus hatte sich
inzwischen in seine kleine Werkstatt begeben um ihm ein
vernünftiges Kinderbett zu bauen. Er hatte bereits das
Grundgerüst fertig, da fiel ihm auf, dass er nicht mehr genug
Holz für den Boden des Bettes hatte. Er fing an nachzudenken
wer ihm denn, für den Anfang, helfen konnte. Tinus wollte
nicht schon so früh, den Anderen, sein Findelkind präsentieren.
»Wer kann seine Klappe halten?«
Seine Wahl fiel auf Darion, er war mit Abstand der