Im Zeichen des Lotus: 12 - Unter dem Kastanienbaum
Von Valerie Loe
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Über dieses E-Book
Jede Nacht, ungesehen, unbemerkt von den Menschen, wird ein Krieg gefochten. Seit mehr als tausend Jahren treffen sich in den Schatten zwei Mächte, Chaos und Ruhe, Feuer und Eis, die ihre Schlachten schlagen bis zum Ende aller Zeit.
Ihre Wege kreuzen sich, wieder und immer wieder. Und auch jetzt scheint es, dass Penelope und Titus aufeinander treffen müssen. Doch zu welchem Zweck? Welchen Plan verfolgt Beryll und wer wird aus dieser Konfrontation hervorgehen und wer das letzte Mal zum Kampf aufrufen?
Wer ist Penelope wirklich und wird sie am Ende die richtige Entscheidung treffen?
Bisher erschienen:
Erwachen
Jäger und Gejagte
Erkauftes Leben
Die ungleichen Zwei
Fieberträume und Wahrsagungen
Wenn Erinnerungen brennen
Verlorener König
Puppenspieler
Beugen und Brechen
Puzzlestücke
Familienbande
Unter dem Kastanienbaum
Valerie Loe
Seit ich als Kind das Schreiben und Lesen gelernt habe, faszinieren mich Geschichten aller Art. Ich wusste mit dem ersten Satz, den ich je selbst las, dass ich das auch wollte. Geschichten und Welten erfinden, Menschen dorthin zu entführen und sie für eine Weile aus der Realität zu locken, um mit meinen Figuren Abenteuer zu erleben. Im letzten Jahr wurden Kurzgeschichten von mir veröffentlicht und gaben mir die Chance, zu lernen und zu wachsen. Und nun bin ich glücklich und stolz, meine Urban-Fantasy-Serie in die Welt zu entlassen und bin gespannt, was die LeserInnen davon halten werden.
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Im Zeichen des Lotus - Valerie Loe
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Impressum
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Zu sagen, er fühle sich nicht gut, wäre eine Untertreibung. Weit entfernt von denen, die ihn zusammenhielten, allein mit seinen Wahnvorstellungen, konnte Titus sich das eingestehen. Er lag keuchend und zitternd am Strand, wie Müll, der vom Meer angespült worden war. So fühlte er sich, wie Abfall. Er hatte versagt. Seine Glieder bebten, er zitterte so heftig, dass er sich nicht einmal zur Seite drehen konnte. Im Grunde glich es einem Wunder, dass er überhaupt soweit kam. Eigentlich hätte er auf dem offenen Meer ertrinken müssen. Das wäre fair gewesen, das hätte alles beendet. Aber etwas in ihm ließ ihn nach wie vor nicht untergehen, ließ es nicht zu, dass er starb. Wahrscheinlich eine masochistische Ader, die gerade ihren Höhenflug, ihre große Stunde genoss, während er zugrunde ging. Diese masochistische Seite hatte sich auch noch zu allem Überfluss ein liebliches Gesicht mit runden Wangen und strahlenden Augen gewählt, um ihn weiter zu quälen.
Titus hustete. Ein Husten, das zu einem bitteren, trockenen Lachen wurde. Frankreich war kein guter Ort, es war regelrecht Gift für ihn. Nur hier an der Küste zu liegen, reichte schon aus, um seinen Körper zu quälen und seinen Geist zu peinigen. Es war, als hätte sich das Land mit all dem Kummer und Blut getränkt und würde es an den ersten abgeben, der dazu in der Lage war, es zu fühlen. Und er fühlte es! Verdammt, und wie er es fühlte! „Ti, reiß dich zusammen, ermahnte ihn das Mädchen. Es saß neben ihm im Schneidersitz und blickte mit einem unergründlichen Lächeln hinaus aufs Meer. „Wieso lächelst du? Es sind viele von uns gestorben!
, fauchte er unwirsch. Nur dass sein Bibbern die Härte seiner Worte schwächte. Hope drehte den Kopf langsam zu ihm, suchte seinen Blick und hielt ihn fest. Es war gruselig, wie düster und kalt sie sein konnte, so alt, die ganze Welt und ihr Leid im Gesicht eines Kindes. „Wir befinden uns im Krieg, König. Die Solani mögen es verdrängt haben, aber deswegen hört der Feind nicht auf zu existieren. Er hat einen Plan verfolgt und führt ihn nun aus. Weine um die Toten, soviel du willst, davon kommen sie nicht zurück und damit ist den Lebenden auch nicht geholfen. Kurz machte sie eine Pause, um Luft zu holen. Titus konnte sie nur mit einer Mischung aus Entsetzen und Bewunderung ansehen. „Es wird Zeit, dass du erwachsen wirst, Ti. Du magst der älteste, lebende Solani sein, aber du bist ein Kind. Du wolltest der Ritter in goldener Rüstung sein, ein Vagabund, ein Reisender. Du wolltest Kämpfer sein und Schlachten schlagen, aber im Grunde deines Herzens bist du naiv. Du spürst jeden Verlust und leidest mit jedem Leben, das vergeht, aber du musst hart sein und darüber stehen. Es sind Leben, es kommen neue. Jedes einzelne mag für sich besonders sein, doch im Großen und Ganzen, wenn du das gesamte Bild ansiehst, dann sind es eben nur einzelne Momente in der Ewigkeit, kleine Lichter, die von anderen ersetzt werden können.
Der Schock, der auf diese Worte folgte, riss Titus in die Höhe. Der Silver setzte sich schwer atmend auf und starrte mit Entsetzen das Mädchen an, von dem er dachte, es entspringe nur seinem Kopf. „Das denke ich doch nicht wirklich!, zischte er, plötzlich wütend. Wie konnte Hope so etwas sagen? Wie konnte sein Hirn ihn so etwas denken lassen? Seine Schwester zuckte mit den Schultern, sah gar nicht mehr unschuldig und süß aus, trotz der dunklen Locken und großen Augen, sondern abgebrüht und uralt. Sie wirkte auf ihn wie ein Wesen, das bereits soviel Leid erlebt hatte, dass es keine Kraft mehr hatte, zu lieben oder Mitgefühl zu empfinden. „Sind es nicht deine Worte? Nun, vielleicht sind es ja meine ganz eigenen? Vielleicht auch von jemand ganz anderen? Titus, können wir je wissen, welcher Gedanke, welcher Wille wirklich uns gehört und nicht von jemanden in uns gepflanzt wurde? Wir sind doch nur Schachfiguren, wir werden benutzt. Bilde dir nicht ein, es sei anders.
Der Angesprochene saß am Strand, griff in den Sand und ließ ihn durch die Finger rieseln, während er überlegte. Das wiederum klang nach ihm - und auch wieder nicht. Denn er hatte sich nie von Glacien manipuliert gefühlt, lediglich verraten, da sie seine Familie sterben ließ. Nie hatte sie ihn hintergangen, nicht auf die Weise, wie das Mädchen es implizierte. Und Beryll? Sicher, der Gott der Nim war ein Spieler, er manipulierte und zinkte die Karten, aber er war Titus nie nahe genug gekommen, um seine Barrieren zu brechen und in seinen Geist zu dringen. Zumindest nicht, dass er davon wüsste. Das brauchte Zeit und einiges an Vertrauen, damit jemand, selbst Beryll, in den Geist eines Ersten Solanis dringen konnte, um dort damit zu spielen.
Nur was machte das dann aus dieser Wahnvorstellung, die er nicht nur klar und deutlich sehen und hören, sondern auch noch berühren konnte? Wie um sich zu vergewissern, streckte er die Hand aus und stieß einen Finger in Hopes dünnen Oberarm. Diese sah ihn ruhig und abwartend an. Der Blick hatte etwas Lauerndes. Was hatte sie noch in Florenz gesagt? Sie sei für den Krieg gemacht worden, für Kampf und Blut und Tod. „Was bist du?", fragte er nicht zum ersten Mal, doch hatte er nie die Frage weiter verfolgt, aus Angst, die Wahrheit könnte ihm nicht gefallen.
Das Zittern in seinem Körper hörte auf, dafür kribbelte eine Gänsehaut auf seinen Armen bis hinunter über seinen Rücken zu seinen Beinen. Das war Frankreich, diese Erde voller Blut und schlechter Erinnerungen, die sich über die guten legten. Früher hatte er es hier geliebt! Das Meer, den Flieder, die Feigen und die Rosen. Alles duftete stets köstlich, es schmeckte sogar ganz besonders. Nicht mehr. Als er nun hier in der Nacht saß, das Meer seine Füße mit schäumenden Wellen bedeckte, da roch er nur Kohle und schmeckte Asche. Dieses Land war Gift für ihn und seinen Geist. Selbst das Mädchen neben ihm schien das Land kälter und härter zu machen. Wo war das Kind hin, das in Italien um ihn herum tanzte, das von Hoffnung und Durchhalten mitten auf dem Meer sprach? „Was bist du?, presste der Silver erneut hervor. Er sollte aufstehen, sollte sich einen Unterschlupf für den Tag suchen, bevor er weiter reiste. Denn er musste weiter. Nicht sofort, nicht in dieser Sekunde, aber bald. „Wer bist du?
Das dritte Mal brüllte Titus, seine Stimme ein donnerndes Knurren aus seiner Kehle, das über das Meer und den Strand peitschte. Jedes Wesen in ihrem Umkreis schreckte aus dem Schlaf und rannte davon, denn sie spürten, dass hier eine Macht am überborden war, der sie lieber nicht in die Quere kommen sollten.
Aber Hope legte den Kopf lediglich in den Nacken und begann zu lachen. Das war kein Lachen eines lieblichen Mädchens, nicht glücklich und hell, sondern hart und mit dem Hauch von Wahnsinn. Mit einer fließenden Bewegung stand sie plötzlich auf. Purer Instinkt ließ Titus ebenfalls auf die Beine springen. Er glitt automatisch in eine abwehrende Haltung. Ihre Augen hatten sich verdunkelt, waren wie der Nachthimmel über ihnen, ohne Licht, das aus ihnen heraus schien. Ein hartes, schiefes Lächeln spielte um ihre Lippen. „Gut so, Titus, fürchte mich. Fürchte mich und deine Erinnerungen und die Zukunft. Fürchte das Leben, denn das kannst du so gut, zischte sie. „Du willst wissen, was ich bin? Nun, ich bin du und ich bin Hope, ein Splitter der Welt, ein Wesen, erschaffen zu genau einem Zweck. Ich bin nicht mehr und lebe doch weiter.
Sie machte einen Schritt auf ihn zu. „Und ich bin enttäuscht von dir, Bruderherz. Es ist so offensichtlich. Du müsstest nur auf dein Herz hören, deinem Instinkt vertrauen, aber stattdessen vergeudest du die Zeit von jedem um dich herum!" Nun schrie das Mädchen, ein gellender Laut, der Titus zurück weichen ließ. „Ich verstehe nicht,