The Lost History of Longboarding
Von Alexander Lenz, Gregor Kastner, Michael Brooke und Jogi März
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Buchvorschau
The Lost History of Longboarding - Alexander Lenz
Longboards
Impressum
Ministry of Stoke: The Lost History of Longboarding - deutsche Ausgabe
Erstveröffentlichung 6. März 2016
Alle Rechte am Werk liegen beim Verlag
Ministry of Stoke
Natascha Dänner
Friedhofstraße 80
63263 Neu-Isenburg
Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei der deutschen Nationalbibliothek erhältlich.
Die verwendeten Bilder sind Eigentum der jeweiligen Fotografen.
Erstauflage
Die gedruckte Version erscheint am 18. März 2016
Copyright 2011 - 2016 Ministry of Stoke
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN 978-3936137231
Surfchant
Ina aohe nalu, a laila
aku i kai, penei e hea ai
Ku mai! Ku mai! Ka nalu
nui mai Kahiki mai
Alo po i pu! Ku mai
ka pohuehue,
Hu! Kai koo loa.
Wenn keine Brandung gibt, lasst uns die See
in folgender Weise beschwören:
Wachse, Wachse du große Gischt von Kahiki
Ihr kraftvollen Wellen erwacht mit dem Pohuehue -
Sendet uns eine lang andauernde Brandung
Das Erbitten von Wellen - Surfchant der Kahunas
Vorwort
Als wir vor drei Jahren mit den Recherchen für dieses Buch begannen, ahnten wir noch nicht, wie komplex dieses Thema sein würde. Nun haben wir das Projekt abgeschlossen, und wir freuen uns, das Ergebnis zu präsentieren, auch wenn wir uns bewusst sind, dass einige Aussagen und Sichtweisen möglicherweise polarisieren werden. Zugegeben, mit über 300 Seiten im Großformat fällt das Buch aus dem üblichen Rahmen. Wenn ihr allerdings die kleinen Geschichten rund um den Sport lest, dann werdet ihr feststellen, wie facettenreich dessen Geschichte ist. Und es wird ersichtlich, dass selbst ein 600 Seiten dickes Buch nicht ausgereicht hätte, um alles zu dokumentieren. Illustriert haben wir das Buch an den Stellen, an denen es keine Bilddokumente mehr gab. Ansonsten haben wir die Originalfotos der Protagonisten und Zeitzeugen abgebildet. Da niemand besser weiß, was in all der Zeit passiert ist, haben wir diese – wenn möglich – selbst zu Wort kommen lassen. Auf den ersten Blick könnte man auch meinen, der Sport wäre noch zu jung, um daraus so ein dickes Buch zu machen. Doch die Ursprünge liegen viel weiter zurück, als viele annehmen, und die Entwicklung des Longboardens, wie wir es heutzutage kennen und lieben, beinhaltet etliche interessante Irrungen und Wirrungen.
Dieser geschichtliche Hintergrund macht einen Teil der Faszination dieses Sports aus. Faszinierend ist auch der sogenannte Flow, von dem beim Longboarden oft die Rede ist und der sich bei unterschiedlichen Situationen und Geschwindigkeiten einstellt – sei es beim Bomben ins Tal, beim Cruisen in der Stadt oder beim Dancen und Freestylen auf dem Parkplatz des Supermarktes um die Ecke. Die Empfindungen auf dem Board sind immer wieder anders, und während man täglich neue Dinge auf dem Brett lernen kann, lernt man – mit etwas Glück – auch neue Dinge an sich kennen. Ein Longboard ist nicht einfach nur ein Longboard. Es spricht mit uns, wenn wir genau zuhören, und es löst vieles in uns aus: Glück, Wut und Schmerz. Unser Anspruch ist es, den Flow, das Glück und die Schmerzen zu schildern.
Bei einigen Kapiteln standen Artikel aus dem einzigen deutschsprachigen Fachmagazin, dem 40inch Longboardmagazin, Pate. Viele der Magazinausgaben sind ausverkauft und nur noch in digitaler Form verfügbar. Wir möchten euch jedoch manche Geschichten aus den älteren Ausgaben nicht vorenthalten. Ein dickes Dankeschön für sein großes Engagement geht an Jogi März, dessen Vita eng mit dem Longboardsport verknüpft ist und der nach wie vor einer der Eckpfeiler der deutschen Longboardszene ist. Er hat uns viele Hintergrundinformationen geliefert und einige sehr interessante Anekdoten für das Buch zusammengestellt. Dank schulden wir auch Michael Brooke, der in seinem Buch The Concrete Wave aus dem Jahre 2000 die Geschichte des Skateboardens beschreibt und uns mit seinem Wissen zur Seite stand. Bedanken wollen wir uns auch bei Oliver Spies und Torsten Fuchs, die mit ihren Ideen zu Design, Mode und Musik der letzten 50 Jahre die bis dahin unvollständigen Kapitel um ihre Sichtweise auf das Longboard ergänzten. Und natürlich gilt unser Dank Dirk Ladwig fürs Lesen aller Kapitel.
Beginnen wir nun mit unserer Reise durch die Zeit genau … HIER. Wie weit reisen wir in der Zeit zurück? So lange, dass es keinerlei überlieferte Aufzeichnungen mehr gibt. Einige mögen jetzt denken: Okay, 1993 war Google noch nicht erfunden – also irgendwo davor. Nein, um die Historie des Longboards zu erkunden, müssen wir noch viel weiter in der Menschheitsgeschichte zurück. Begonnen hat alles zu einer Zeit, als wir Germanen unsere Nachbarn noch mit der Keule durch die Vorgärten jagten...
Die Geschichte des Wellenreitens
1.500 Jahre v. Chr. war das Surfen bereits Bestandteil der polynesischen Kultur. Einige Wissenschaftler vertreten die Ansicht, es habe sogar schon 4.000 v. Chr. viele Menschen in Polynesien gegeben, die dort gelebt und gesurft hätten. Die Mutter aller Brettsportarten, das Surfen, wie wir es heute kennen, unterschied sich noch beträchtlich vom Surfen der damaligen Zeit. Die Polynesier spielten in den Wellen mit Reisigbündeln, Baumstämmen oder Kanuspitzen und ließen sich damit im Wellengang treiben. Diese Art des Wellenreitens dürfte eher dem Bodyboarden entsprochen haben. Durch das rasche Bevölkerungswachstum im Zentrum Polynesiens, dem Bereich um die Marquesas-Inseln, kam es binnen kürzester Zeit zu Konflikten um den Lebensraum, der immer knapper wurde. Die Polynesier mussten sich zwangsläufig in alle Richtungen ausbreiten. Die Osterinseln beispielsweise wurden 300 n. Chr. besiedelt. Die Expansion des polynesischen Kulturraums umfasste bald einen Bereich, der sich bis nach Neuseeland erstreckte. Die für den Boardsport relevanteste Besiedlung war sicherlich die der hawaiianischen Inseln; das geschah etwa knapp 100 Jahre, nachdem die Osterinseln besiedelt wurden. Das Surfen entwickelte sich auch auf Tahiti weiter – bis zu dem Punkt, an dem die Surfer sogar auf ihren Brettern standen. Doch die Entwicklung zum Nationalsport, das Brettbauen und die Surftechniken stammen weitgehend aus Hawaii.
Die Bedeutung Hawaiis für den Brettsport lässt sich auch an der Vielzahl von Firmen ablesen, die sich und ihre Produkte nach bekannten Orten der Inselgruppe benannt haben. Hawailoa – der größte Seefahrer Polynesiens und Namensgeber der Inseln – hätte sich wohl über die weltweiten Auswirkungen, die seine Entdeckung der Inseln nach sich gezogen hat, gefreut. Es dauerte bis zum Jahre 1778, bis die westliche Kultur das Surfen zum ersten Mal wahrnahm. Der Brite James Cook, der Hawaii für den Westen entdeckte, notierte in seinem Tagebuch:
„ ... sie schienen großes Vergnügen an der Bewegung zu haben."
Gemeint waren die Ureinwohner, die in den Wellen stehend auf ihren Brettern ritten. Wenngleich Cook kritisch anfügte, dass diese das nackt täten. Das „Hee nalu, so der hawaiianische Begriff für das Surfen, war zu diesem Zeitpunkt auf den Inseln zur Sportart der Könige gereift. Für „Normalsterbliche
, die nicht der Königsfamilie angehörten, bedeutete es, bestimmte Wellen nicht surfen zu dürfen. James Cook überlebte seine Entdeckung nicht sehr lange. Nach Streitigkeiten mit den Ureinwohnern starb er einen grausamen Tod. Nur seinem Nachfolger Charles Clerke ist es zu verdanken, dass die Leiche von James Cook zumindest in Stücken beerdigt werden konnte. Es galt nämlich auf Hawaii als Tradition, im Kampf geschlagene Häuptlinge – und als solcher galt Cook – an verschiedene Familen auf den Inseln aufzuteilen.
Traditionen – nicht nur blutrünstige – hatten auf den Inseln einen hohen Stellenwert, und der Bruch mit einigen dieser Traditionen führte zu Verboten und Bestrafungen und später schließlich zum Surfboom. Eine wichtige Tradition war beispielsweise das Kapu oder auch Tapu. Die westliche Gesellschaft kennt dieses Wort unter der Aussprache Taboo oder dem deutschen Tabu. Es bezeichnet etwas Unantastbares, Unverletzliches oder Geheiligtes. Eine genaue Definition dafür gab es nicht; demzufolge können es auch Dinge oder Örtlichkeiten gewesen sein. Normalerweise diente das Kapu dazu, Ressourcen oder Rechte zu schützen. Bevor die Europäer nach Hawaii kamen, gab es beispielsweise ein Kapu für den Fischfang, also eine Art Begrenzung, um eine Überfischung zu verhindern – eine Idee, mit der sich westliche Politiker leider erst viel zu spät befasst haben. Und besagtes Kapu galt auch für das Surfen. Denn nur mit der Aussprache des Kapu wurden die Surfspots der Königsfamilie geschützt. Mit ihren „olos, die sie selbst aus der Koa-Akazie oder Hölzern des Wiliwili Baums bauten, ritten die Mitglieder der Königsfamilie auf den Wellen. Es durften nur bestimmte Sorten Holz verwendet werden, und es entstanden eigene Gesänge und Gebete rund um das Wellenreiten. Dem Volk waren die kleineren Boards, die „alaias
, vorbehalten. Die „olos" waren bis zu sieben Meter lang und beinahe 100 Kilogramm schwer. 1819, drei Jahre vor dem Eintreffen der westlichen Missionare, starb King Kamehameha I, der letzte große König Hawaiis und ein Ausnahmesurfer. Sein Tod war auch das Ende der Kapu-Tradition, und das Surfen avancierte zu einer Art Volkssport. Denn nun konnte das gemeine Volk auch an den bisher verbotenen Surfspots die Wellen abreiten. Traditionell surften Frauen und Männer zusammen und dies nackt, wie Cook bereits kritisch bemerkt hatte. Führt man sich die puritanischen Auswüchse des 19. Jahrhunderts vor Augen, wird einem klar: Diese Zivilisationen passten nicht zusammen. Fast zwangsläufig beschlossen die Kirchenmänner, diesem Sündenpfuhl den Garaus zu machen. Das Surfen wurde verboten und damit ein großer, wesentlicher Teil der hawaiianischen Kultur. Dies jedoch war, verglichen mit dem, was den Ureinwohnern Hawaiis noch bevorstehen sollte, nur ein kleines Übel.
Innerhalb der nächsten 100 Jahre bis zur Annektierung Hawaiis durch die USA verloren die hawaiianischen Inseln den Großteil ihrer Bewohner durch Seuchen – wie zum Beispiel die Pocken. Von den einstmals 800.000 Einwohnern verblieben nur noch 40.000. Das Verbot des Surfens war in Anbetracht des Aderlasses, dem sich die hawaiianische Kultur ausgesetzt sah, kaum erwähnenswert. 70 Jahre lang wurde es aus den Köpfen der Hawaiianer und den Wellen des Pazifiks verdrängt. Verdrängt, aber nie vergessen; immer gab es eine kleine Gruppe von Surfern, die den Sport ausübten. Doch die Entwicklung des Wellenreitens in Sachen Brettbau und Surftechnik stagnierte auch deshalb, weil die Hawaiianer über keine schriftlichen Aufzeichnungen verfügten und somit nach diesen zwei Generationen einen Teil eben jener Kultur verloren. Die Gründung eines Surfclubs im Jahre 1908 löste schließlich auf Hawaii das Surffieber aus, das wir bis zum heutigen Tage kennen und das letztlich zur Entwicklung des Longboardens maßgeblich beigetragen hat. Duke Kahanamoku, zweifacher Olympiasieger im Schwimmen, haben Surfer in dieser Hinsicht vieles zu verdanken.
Die damaligen Bretter waren finnenlos und schwierig zu beherrschen. Dies hielt Kahanamoku nicht davon ab, das Surfen weltweit bekannt zu machen. Im Alter von 21 Jahren nahm er an einem Schwimmwettkampf im Hafenbecken von Honolulu teil und unterbot den bis dahin bestehenden Weltrekord um 4,6 Sekunden, was im Schwimmsport bekanntermaßen eine halbe Ewigkeit ist. Erst viele Jahre später wurde dieser Rekord auch anerkannt. Bei den Olympischen Spielen 1912 gewann er Gold und unterbot bei den Qualifikationsläufen erneut den Weltrekord. Auch 1920 in Antwerpen gewann er die Goldmedaille. Nach seinem Rücktritt vom Leistungssport nahm er in vielen Ländern der Welt an Schwimmvorführungen teil, und speziell in den USA und Australien sorgten seine zusätzlichen Vorstellungen des Surfsports für Furore. War der Sport bis dato nur auf Hawaii bekannt, lösten seine Vorführungen einen Run auf die Bretter aus. Schon bald experimentierten weltweit Surfer mit anderen Materialien, um leichtere Boards herzustellen und somit auch einen anderen Surfstil zu kreieren. Der Kalifornier Tom Blake tat sich damit in den zwanziger Jahren besonders hervor; berühmt wurde er auch als Erfinder der Finne. Durch die Hohlbauweise seiner Bretter senkte er deren Gewicht auf 30 Kilogramm.
Und Duke? Er wurde zum Vater des modernen Surfens und später zum Sheriff von Honolulu ernannt. 1977 starb er an einem Herzinfarkt. Sein Spitzname war „The Kahuna. Ein Ausdruck, der auch viel im esoterischen Bereich verwendet wird. Kahuna bedeutete im Hinblick auf Duke, dass er als Hohepriester des Surfens galt. Auch hier adaptierte eine Firma aus den Vereinigten Staaten den Namen und nannte sich „Kahuna Creations
, um unter diesem Namen Paddel fürs Longboarden im Skatebereich zu vertreiben. Viel stolzer hätte es Duke Kahanamoku sicher gemacht, dass Quentin Tarantino den Namen eines Burgers, einer fiktiven Burgerkette im Film „Pulp Fiction", nach Dukes Spitznamen benannte. Dieser Big Kahuna Burger hätte wohl auch Duke geschmeckt.
In den 50er Jahren und 60er Jahren wurde das Surfen populärer denn je. Von Hawaii über Kalifornien schwappte es bis an die französische Atlantikküste. Hier trafen sich in dieser Zeit alle, die Gefallen am neuen Sport fanden. Die Insel Sylt kann in Deutschland als Geburtsstätte des deutschen Surfens bezeichnet werden. Die Sylter Rettungsschwimmer, die auf den ihren Rettungsbrettern surften, waren buchstäblich die Vorreiter. Viele der Insulaner zog es nach Biarritz, um von dort spezielle Wellenreitboards mitzubringen und damit den Surfboom in deutsche Gefilde zu importieren. Bis zum heutigen Tag stehen die Namen Dieter Behrens, Uwe Draht und Walter Viereck für die Anfänge des Wellenreitens in Deutschland. Einer ihrer Ziehsöhne war Jürgen Hönscheid, der es sogar zum Windsurfprofi brachte und den erst eine schwere Halswirbelverletzung auf dem Weg zum Weltmeistertitel stoppen konnte. Wie eng das Surfen und das Longboarden miteinander verwoben sind, sieht man daran, dass beispielsweise Jürgens Tochter, Sonni, für die deutsche Longboardfirma „Jucker Hawaii" ein Brett gestaltet hat.
Parallel zu den Entwicklungen in Europa startete das Surfen in Kalifornien, Hawaii und Australien voll durch. Dafür gab es mehrere Auslöser. Zum einen war es der Film „Gidget, der zum Teil auf wahren Begebenheiten basierte. Friedrich Kohner schrieb den Roman 1957, in dem er die Erlebnisse seiner Tochter Kathy in der Surferszene an den Stränden Malibus verarbeitete. Kommerziell ein Flop und auch vom Drehbuch her eher naiv gehalten, infizierte „Gidget
tausende von angehenden Wellenreitern und sorgte für volle Surfspots in ganz Kalifornien. Der Film „The Endless Summer" war dann der erste ernstzunehmende Surffilm und spiegelte den Geist der ersten Surfreisenden wider. Er zeigte, worum es beim Surfen geht: den Einklang mit der Natur und den Spaß am Wellenreiten ...
Auch musikalisch brach die Surfkultur zu neuen Ufern auf. Die Beach Boys landeten mit „Surfin’ USA Chartplatzierungen und wurden zum Synonym für Surfmusik. Die Band wurde allerdings belächelt und von der wachsenden Surfszene nie wirklich ernst genommen. Ganz anders war die Reaktion auf den Sound von Dick Dale. Die Klänge seiner Gitarre schienen die Wellenreiter zu elektrisieren. Binnen kürzester Zeit avancierte die Musik von Dick Dale zum Soundtrack des Surfens. Es fanden erste Surfcontests statt, und die wachsende Schar von Surfern spaltete sich in wettkampforientierte Surfer mit immer radikaleren Surfstyles und in sogenannte Soulsurfer, denen es in erster Linie ums Surfen an sich und den Einklang mit der Natur ging. Diese wiederum waren von der Flower Power Generation beeinflusst und gelten wohl heute noch als Vorbilder, an denen sich viele Surfer orientieren. Die Surfer in den 60er Jahren hatten anfänglich in den USA nicht den Status von Sportlern, die in den Wellen spielten. Gesellschaftlich gesehen waren sie „Penner
oder „Stromer", die einen schlechten Einfluss auf die Jugend ausübten. Dieser rebellische Einschlag wurde gepflegt und zum Teil der Jugendkultur. Hier gab es dann Parallelen zum aufkommenden Skateboom, der in einem anderen Kapitel des Buches ausführlicher beschrieben wird. Aber das Surfen hat auch noch eine weitere Szene zu bieten: das Big-Wave-Surfen! Es hat seinen Ursprung auf Hawaii. Anfang der 60er Jahre flüchtete eine kleine Gruppe von Surfern vor den überfüllten Spots Kaliforniens, um auf Hawaii ihr Glück zu finden und den sagenhaften Spot Jaws zu surfen. Ihr Lebensinhalt war das Surfen und die Suche nach der perfekten Riesenwelle. Sie jobbten auf den umliegenden Plantagen, um zu überleben, und schliefen am Strand. Ein weiterer Grundstein zur Legendenbildung war gelegt. Der Surfer wurde zum glücklichen Tramp stilisiert. Und das Big-Wave-Surfen wurde zum Adrenalinkick für eine kleine Gruppe von Surfern. Der deutsche Sebastian Steudtner aus Esslingen ist der wohl einzige deutsche Wellenreiter, dem es gelang, international Aufsehen zu erregen und den XXL Big Wave Award zweimal zu gewinnen.
So entwickelte sich die Sportart vom ausgefallenen Trendsport zum Lebensstil, bei dem Unabhängigkeit, Freiheit und Naturverbundenheit im Vordergrund standen. Wettkampfsurfer wie der elfmalige Weltmeister Kelly Slater sind Weltstars geworden, und einige wenige Surfer verdienen mit Sponsorenverträgen und Siegprämien sechsstellige Summen.Wellenreiten ist der wohl erste Trendsport der Geschichte und die Mutter aller nachfolgenden Boardsportarten. Das Snowboarden, Longboarden, Wakeboarden und einige andere Brettsportarten sind artverwandt, und sehr viele Slangausdrücke aus dem Surfbereich sind in die Entstehung anderer Sportarten eingeflossen.
Skateboard oder Longboard
Henne oder Ei? Was war zuerst da?
Es ist schwer, den Unterschied zwischen einem Longboard und einem Skateboard zu bestimmen; es hängt von der Sichtweise ab:
Ist das Longboard ein großes Skateboard mit großen Rollen? Ist das Skateboard ein kleines Longboard mit kleinen Rollen? Je nach Tagesform gibt es dazu unterschiedliche Aussagen zu hören oder schlichtweg die unumstößliche Wahrheit. Wir haben uns intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Die Überlegungen sind recht theoretisch, aber das Kind sollte beim Namen genannt werden. Ist das Streetskateboarden eine Unterdisziplin des Skateboardens oder Longboardens? Viele sehen das Streetskateboarden sogar als eigenen Sport an. Ganz gleich, welche Aussage wir in diesem Buch treffen, wir können nur daneben lieben – das liegt in der Natur der Sache: der Perspektive und der Präferenz. Trotzdem versuchen wir die grundlegenden Unterschiede zu definieren. Ein Blick in die entsprechende Geschichte lässt erkennen, dass jede der jeweiligen Szenen ihren Ursprung im Surfen der 60er Jahre vermutet. Und beide Szenen berufen sich darauf, Mitte der 60er Jahre erstmals groß in Erscheinung getreten zu sein. Dabei bezieht man sich jeweils auf die gleichen Entwickler und Konstrukteure. Bis weit in die 80er Jahre war das Rollbrett vom Shape her etwas, was als typisches Longboard bezeichnet werden kann. Würde man einem heutigen Streetskateboarder ein Board aus der Zeit zwischen 1960 und 1985 zeigen, würde er dieses wohl als Longboard oder Minicruiser bezeichnen – kaum aber als Skateboard. Dennoch berufen sich Streetskateboarder darauf, ihre Wurzeln bei den legendären Z-Boys zu haben, obwohl diese unwiderlegbar eine Art Longboards gefahren sind.
Eine grundlegende Änderung des Shapes der 60er und der Fahrweise kam mit der Erfindung des Kicktails durch Larry Stevenson Anfang der 70er auf. Als typisches Beispiel können hier eben die Boards der legendären Z-Boys gelten. So unterschieden sich die Brettformen wenig von den im Umlauf befindlichen Shapes, die in Richtung Cruiser gingen. Nachdem Jerry Madrid 1984 die „upturned nose" entwickelte, also die Aufbiegung des Boards im vorderen Bereich, war das erfunden, was wir gemeinhin als Streetskateboard kennen. Die progressiven Brettformen, die das moderne Streetskateboarden begründen, kamen somit erst mit der Kombination der Erfindungen von Stevenson und Madrid auf. Nimmt man nun also die grundlegenden Formen der Boards als Maßstab, dann dürfte darüber Einigkeit herrschen, dass die Geschichte zwischen 1960 und etwa 1985 bis zur Entwicklung der aufgebogenen Nose dieselbe war. Bis dahin war, mit wenigen Ausnahmen, das Rollbrett fahren fast identisch. Erst mit Beginn der 80er wurden die Rollen kleiner und härter. Mit der neuen Brettform entstanden neue Tricks. Der Freestyle der 60er Jahre hat sich bis heute jedoch kaum grundlegend verändert und dürfte im Vergleich dem heutigen Dancen ähneln oder entsprechen. Slalom und Downhill haben sich von der Idee her nicht verändert. Selbstverständlich haben sich Style und Boards weiterentwickelt. Diese Disziplinen werden heute dem Longboarden zugeordnet. Das gilt auch für das klassische Cruisen und einige andere Arten des Rollens.Das Streetskateboarden mit den klassischen Skateboardbrettformen wurde erst Mitte der 80er populär. Während beim Streetskateboard die Form des Boards in den letzten 30 Jahren keine großen Innovationen erfahren hat, haben sich die Boards in vielen anderen Bereichen permanent weiterentwickelt.
Das lässt den Schluss zu, dass beim Streetskateboarden auch keinerlei Veränderungen mehr nötig sind. Oder schwingt hier ein gewisser Dogmatismus mit? Wohl kaum, denn für diese Art des Skatens benötig man eben jene Spezifikationen, die ein Streetdeck bietet. Das gilt natürlich auch für Achsen, Griptape, Rollen und das Zubehör. Man kann nicht von Stagnation