Bootsbau - Gestern und Heute: Trends, Präferenzen und Prioritäten
Von Peter Foerthmann und Erik Kinting
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Bootsbau - Gestern und Heute - Peter Foerthmann
PROLOG
Kaum ein Thema kann besser polarisieren, als Gedanken zur Qualität Schiff gewordener Träume, die in einem Seglerleben eine zentrale Rolle spielen, denn die Wahl für oder gegen ein Schiff hat Konsequenzen – wer A sagt, muss den Rest des Alphabets auch deklinieren können. Das gilt für finanzielle Leidensbereitschaft, handwerkliches Geschick und Lernfähigkeit ebenso wie für den Gehorsam der zwangsverbundenen Familie, die aushalten muss, was auf der Brücke kommandiert und als Richtlinie in Kunststoff, Alu oder Blech gegossen oder verschweißt wird – mitgefangen, mitgelitten oder, mit Glück, das Gegenteil. Ein komplexes Thema, bei dem es erstaunt, dass viele Argumente nur selten erörtert werden. Eine polarisierende Diskussion über früher ist besser bzw. modern ist schlechter greift erheblich zu kurz, auch wenn dies z. B. in einer Forengemeinde mit Spitzfindigkeiten und vorhandenen Fronten schnell außer Rand und Band geraten und die Feinde eigener Erkenntnisse schnell stigmatisiert oder gar beschimpft werden. Turbulentes Fahrwasser eben.
Erstaunlich eigentlich, dass darüber so wenig in der Fachpresse zu lesen ist. Hat das vielleicht mit Rücksichtnahmen gegenüber einer Anzeigenkundschaft zu tun, von der man vielleicht ein wenig abhängig geworden ist? Es wäre vermutlich die alte Geschichte vom Händewaschen – einer Hand und der zweiten.
So finden wir kritische Betrachtungsweisen zum Bootsbau nur in Randbereichen, wenn z. B. Stehhöhen, Kojenlängen oder individuelle Geschmackssachen benannt werden, wohingegen die Grundsätzlichkeiten eines Schiffes selten im Fokus stehen oder gar Gegenstand akribisch vergleichender Untersuchungen werden. Zum Beispiel einer Untersuchung über Designtrends. – Heißes Thema? Mitnichten, denn es handelt sich um den Kern des Ganzen: den Bootsbau und seinen Wandel von einer Handwerkskunst zu industrieller Bootsbauweise, insbesondere die Auswirkungen auf Qualität und Preis der Ware. Spätestens hier kann jeder Segler mitreden, denn kaum ein Sachgebiet bringt die Gemüter so zum Kochen, wie die Diskussion über den Vergleich von früher gegenüber heute.
Untersuchen wir den Fall …
BOOTSBAU – VOM HANDWERK ZUR INDUSTRIE
Unbestritten, dass Segeln erst mit der Einführung serieller glasfaserverstärkter Kunststoffe (GFK) zum Breitensport geraten konnte. Je kleiner das Boot, desto größer der Markt sowie mögliche Stückzahlen – Optimist-Jollen und Laser wurden in sechsstelligen Stückzahlen gebaut. Bei Dickschiffen ist die Stückzahl vergleichsweise rührend, das Wertschöpfungspotenzial hingegen enorm viel interessanter – weil ein OPTI weder Stehhöhe, Maschine noch eine Toilette aufzuweisen hat.
Unvergessen, dass die damals geringe Zahl der Anbieter europäischer Boote auf Messen ihre Schiffe dutzendfach verkaufen konnten – pro Messe und Schiff. Unvergessen die Geschichte von Peter Schmidt, meinem abendlichen Skat-Pendent während der Interboot in Friedrichshafen in den 70er-Jahren, der im Verlauf einer schnellen Messewoche über 30 Sirius-Jachten hat verkaufen können – und vor Übermut kaum noch laufen konnte.
In den 70ern und 80ern herrschte Goldgräberstimmung. Die Segler haben den Werften die Türen eingerannt, mit ihrer Nachfrage Atemlosigkeit erzeugt und in der Folge für steile Absatzkurven gesorgt. Brian Meerloo und seine Männer haben in England unter der Marke Cobramold UK die Leisure-Jachten zu Tausenden produziert, Styrol galt damals vermutlich noch als ungefährlich und Absauganlagen waren eher unbekannt.
Schöner Zufall, dass der Gründer meiner Firma – John Adam – im Jahre 1968 bei Brian um ein Schiffchen bat, hernach mit einer Leisure 17 dann nach Westen segelte, wo er unfreiwillig – weil schlafend – an der kubanischen Küste gestrandet ist. Im dortigen Gefängnis reifte vermutlich der Entschluss zur Gründung der Firma Windpilot – immerhin hatte die erste Anlage ihren Test mit Bravour bestanden und Augen haben Windsteuersysteme auch heute nicht. Johns Story war in Deutschland damals eine Sensation. Profis hätten eine Markteinführung für Leisure-Jachten nicht besser erfinden und koordinieren können. Der Mythos der Marke strahlt heute noch – nach immerhin 4.000 gebauten Schiffen, die fast alle noch lebendig sind. Abgeschweift? Macht nichts – gehört dazu.
Die Anforderungen eines Volkes, das aufs Wasser strömte, waren mit den Produktionsmethoden handwerklicher Bootsbaukunst nicht zu erfüllen. Konsumenten sind ungeduldige Menschen, das galt früher ebenso wie heute. Sitzt der Stachel erst im Fleisch, will man den Schwan seiner Träume flott unter dem Hosenboden haben. Erwachsene können wie Kinder sein: nervig, quengelig und ungeduldig. Geld spielt dann plötzlich nur eine Nebenrolle.
Kaum ein Wandel erfolgte derart radikal, wie jener im Bootsbau. Was unten war, wurde sprichwörtlich nach oben gewendet bzw. das Innere nach außen, denn Schiffe wurden fortan falsch herum gebaut – mit der Außenschale fängt heute alles an. Früher war es anders herum, weil Schiffe bis dato von innen nach außen gebaut worden sind. Obwohl Henry Ford das Fließband schon im Jahre 1914 eingeführt hatte, erwachte der Bootsbau erst vor rund 50 Jahren aus dem Dornröschenschlaf – das Volk hatte in den wirren Nachkriegszeiten nun mal ganz andere Sorgen.
Ein Bootsrumpf war früher eine komplexe Angelegenheit. Er bestand aus Kielschwein, Totholz, Vor- und Achtersteven, Springern, Decksbalken, Wrangen und Spanten im Dreivierteltakt. Ein solides Schiff, das mit daumendicken Planken zum Schluss wasserdicht verschraubt, verklebt, vernagelt, kalfatert und final vielfach lackiert, poliert und versiegelt worden ist. Ein fertiger Schiffs-Kasko war auch ohne Möbel schon schwimm- und segelfähig – eine steife Zelle, die Belastungen jeder Art souverän gewachsen war. Regattaschiffe wurden damals im ersten Leben – des Gewichtes wegen – vielfach nur mit Rohrkojen ausgestattet. Erst im zweiten Leben, also wenn als unmodern abgewertet, wurden sie sodann voll möbliert und erfuhren manches Mal die Metamorphose zum Fahrtenschiff. Der Eigner bestimmte, ob er mit Männer-Kerlen Seeschlachten schlagen oder samt Frau, Freundin oder Familie sein Schiff bewundern und bewegen wollte. Die Schiffe waren stark genug für beide Leben – die meisten von ihnen leben heute noch.
Die Proportion der Kosten für Schiffsrumpf zum fertigen Schiff war schmerzhaft, denn Bootsbauer konnten weder hexen noch blau färben – Holz biegen und verformen dauerte eben seine Zeit, auch wenn diese damals vergleichsweise preiswert zu kaufen war. Rationalisierung beim Rumpfbau wurde zum logischen Weg – und sie kann getrost als der Laster Anfang bezeichnet werden.
Materialien und Verarbeitung
War eine Negativform in glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) erst einmal hergestellt, konnten Schiffsschalen wie Brötchen vergleichsweise fix fertiggebacken werden – eine Arbeit, die plötzlich auch