Holzboote restaurieren und pflegen: Ein praxisnaher Ratgeber
Von Michael Oelkers
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Buchvorschau
Holzboote restaurieren und pflegen - Michael Oelkers
KAPITEL 1
Sachstandsklärung – Bestandsaufnahme
Eine durchaus absichtlich provokant gestellte Frage will ich vorausschicken: „Muss wirklich jedes alte Schiff erhalten werden – und dies auch noch unabhängig davon, in welchem Zustand es sich befindet? Ganz nüchtern gesehen: Nein – nicht jedes! Denn oftmals befinden sich Boote in einem derart desolaten Zustand, dass sie im Grunde lediglich als Beitrag zu einer Sonnenwendfeier taugen. Wobei ich natürlich sogleich relativieren muss, denn wenn eine Restauration aus persönlichen Gründen unbedingt sein muss, dann darf in letzter Konsequenz auch der monetäre Einsatz keine Rolle spielen. Als persönliches Beispiel nenne ich die Rettung des R 101 „Phönix
aus dem Jahre 1934. Ich musste ihn haben und irgendwie wollte er auch zu mir (denke ich), denn bei der Restauration ging alles erstaunlich glatt – gerade so, als ob das Boot mitmachen wollte.
Auch ein Erfahrungswert: Ein altes Boot umfänglich zu restaurieren, um es dann anschließend gewinnbringend zu verkaufen, rechnet sich in den allermeisten Fällen nicht. Die Entscheidung pro Restauration muss jeder zukünftige Eigner also für sich selbst treffen.
Im Grunde hat sich folgende Erkenntnis bei mir verinnerlicht:
• Schadensstellen, die wirklich notwendig zur Erhaltung der Bootsstruktur sind, stehen an erster Stelle der Tätigkeitsliste. Sie sind ein Muss und erzwingen sofortiges Handeln vor der nächsten Saison. Aufschub ist nicht zulässig. Dazu zählt auch ohne Diskussion der jährliche Lackauftrag am klarlackierten Rumpf.
• Schadensstellen, die zwar erste Anzeichen andeuten, aber noch nicht wirklich kritisch aussehen, stehen an zweiter Stelle der Liste. Spätestens im Zeitraum der nächsten Winterpause wird allerdings ein intensiver Blick darauf geworfen.
• Stellen, die lediglich oberflächlich etwas gelitten haben – wie z.B. der Lack eines Kajütdaches, das ohnehin unter einer Persenning liegt – sind bei mir nachrangig. Sie sind lediglich aus ästhetischen Gründen (irgendwann) fällig.
Der Kauf
Nehmen wir einmal an, das Objekt der Begierde ist in das nähere Betrachtungsfeld gerückt und die Besichtigung steht an.
Wir unterscheiden hierbei den Kauf:
• beim Bootsmakler/-bauer oder
• von privat oder
• von gewerblichen Internetanbietern.
Ersterer hat seinen Ruf zu wahren und wird deshalb (hoffentlich) die Wahrheit über das Boot sagen. Wenn er geschäftstüchtig ist, wird er auf noch zu behandelnde Stellen hinweisen und möglicherweise gleich ein Angebot dazu unterbreiten. Das kann auf den ersten Moment erschreckend hoch klingen, bei genauerer Betrachtung wird die Preisvorstellung allerdings recht schnell darstellbar.
Besondere Vorsicht gilt es bei gewerblichen Anbietern aus dem Internet walten zu lassen, die bei näherer Inaugenscheinnahme der Firma nichts anderes als An- und Verkäufer sind. Da offiziell gewerblich unterwegs, kollidieren hier übrigens ganz schnell die gesetzlich verankerten Gewährleistungsrichtlinien mit den Anbietern.
Größere Unterschiede wird es zwischen den Werften nicht geben. Die Auftragslage ist gerade an den großen Seen oder Küsten gut, zudem gibt es dort bei den Werften bereits langjährige Stammkunden. Es lohnt sich deshalb mit Sicherheit ein Blick in die Fläche. In welcher Werkstatt/Werft das eigene Holzboot den Winter verbringt, ist im Grunde ziemlich egal. Warum also nicht gleich bei einer entsprechenden Werkstatt irgendwo auf dem Land?
Wenn ein Privatmann sein Holzboot verkauft, hat dies immer unterschiedlichste Gründe, die hier nicht näher geschildert werden können. Da reicht die Spannweite von „Opas Schatz bis zur gut getarnten „Grotte
. Vor allem bei frisch farbig lackierten Rümpfen (plakativ ist hier ein vom Verkäufer wiederholt lobend angesprochenes neues Antifouling) gilt es, eine gesunde Skepsis walten zu lassen. Was verbirgt sich darunter? Lieber diese Streicharbeit in Kauf nehmen und dabei erkennen, wo sich eventuelle Schäden verbergen, als spätestens im nächsten Herbst zum Ende der Saison mit Erschrecken die bis dato versteckte Baustelle bemerken.
Wie oben schon benannt, gilt es, besondere Vorsicht bei (Internet-)Unternehmen walten zu lassen, die oftmals reine Postenschieber sind. Meist sind diese sofort erkennbar durch Angaben, welche eine Seriosität und/oder Sachkenntnis vermitteln sollen. Da finden sich gerne Bemerkungen in der Art von: „vor Jahren wurden bereits zigtausend Euro investiert und überwiegend in Prosa gehaltene Beschreibungen wie: „zieht lediglich alle 14 Tage zwei bis drei Schwammfüllungen Wasser
. So etwas zeigt mit derartigen Umschreibungen schonungslos die tatsächlich vorhandene Kompetenz auf. Stutzig werde ich allein schon bei Angeboten, in denen das Boot im Angebotsbild zwar auf dem Trailer steht, dieser allerdings extra bezahlt werden soll. Besonders lustig fand ich auch einmal ergänzend die Bemerkung: „multiradiales Hydranet. Gemeint ist damit ein hochfestes Polyestergewebe mit einem eingewebten Dyneema®-Netz bei Segeln, welche dadurch die Bezeichnung: Hydra Net® erhält. Radiale Hydra Net®-Segel sind jedoch Tücher, die erst ab 340g/qm im Angebot der Segelmacher stehen und somit für die meisten Binnen-Boote viel zu schwer sind. Die erwähnten „Fachbegriffe
fand ich übrigens bei einer Annonce zu einem 15er Jollenkreuzer und so etwas ist ja bekanntlich alles andere, als ein Schwerwetterschiff. Bei derartigen Anbietern wird man mit Verlaub „über den Leisten gezogen und die Juristen unter uns haben mit Sicherheit nicht ganz unrecht, wenn hier der Begriff der „irreführenden Angaben
ins Spiel kommt…
Bringen wir es auf den Punkt.
Nachvollziehbar will jeder Holzbootliebhaber so wenig Geld wie möglich ausgeben. Das „dicke Ende" folgt dann aber garantiert danach. Alte Holzboote zu nutzen und zu erhalten, ist und bleibt kein billiges Hobby. Je nach eigenen handwerklichen Fähigkeiten, lässt sich zweifelsfrei viel Geld bei der (irgendwann anstehenden) Restauration sparen. Der Unterhalt ist übersichtlich mit jährlichem Lackauftrag und, falls nötig, unbedingt biozidfreiem (!) Antifouling – wenn die Grundsubstanz vorhanden ist. Und bei aller Begeisterung für ein Schiff, darf beim Kauf nicht das Zubehör vergessen werden. Ich habe bei jedem meiner Holzboote immer ganz schnell einen soliden dreistelligen Euro-Betrag dafür investiert, um Fender, Taue, Beschläge usw. zu ergänzen und das Boot entsprechend komplett auszurüsten. Wie bereits angemerkt – nicht zu vergessen einen passenden Trailer, Segel, Persenning, etc., pp. Das stehende und laufende Gut ist ebenfalls ein nicht unwesentliches Thema.
KAPITEL 2
Der Transport
Dieser erfolgt üblicherweise mit einem entsprechenden Trailer. Bei allen meinen Booten musste zu diesem Thema immer etwas getan werden – selten stand nur eine neue TÜV-Plakette an.
Tipp: Der TÜV-Prüfer legt das Hauptaugenmerk normalerweise auf die Reifen; dabei wirft er einen Blick auf das Alter der Reifen sowie deren Zustand. Alle sechs Jahre neue Pneus sorgen hier für eine gewisse Grundsicherheit – bei „Tempo 100"-Trailern ohnehin. Dass die Beleuchtung entsprechend funktionstüchtig ist – genau wie die Bremsen auch – versteht sich sicherlich von selbst.
Erwerb von Bootstrailern
Reicht ein Slippwagen vom Segelverein oder benötige ich einen zugelassenen Bootstrailer? Falls das Boot den Platz des Vereines auch im Winter nicht verlassen muss, kann ein entsprechender Slip- oder Hafentrailer völlig ausreichen. Allerdings dürfen solche Fahrzeuge nie auf öffentlichen Straßen bewegt werden – auch nicht bei niedrigen Geschwindigkeiten oder mit Warndreieck. Auf öffentlichen Straßen darf nur ein zugelassener Bootsanhänger gefahren werden.
Für einen Trailerkauf sind zwei Dinge entscheidend:
1. Gewicht des Bootes
2. Länge des Bootes
Zu Punkt 1 bedeutet dies, dass das Zugfahrzeug den Trailer mit Boot (eventuell mit Treibstoff) sowie die Ausrüstung bis zu der Gewichtsgrenze ziehen darf, die bei dem Trailer als zulässiges Gesamtgewicht angeführt ist. So ist z.B. ein Trailer mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 750 kg dafür vorgesehen, ein Boot mit Ausrüstung von etwa 500 kg zu ziehen. Bei einem Trailer mit einer Gewichtsangabe von 1.350 kg sind im Schnitt rund 1.000 kg Boots-/Ausrüstungsgewicht möglich.
Als grober Anhalt kann gelten: Ab etwa 1.200 kg Tragkraft besitzen verzinkte Stahl-Trailer ein Eigengewicht von rund 400 kg. Bei allen Gewichtsbemessungen ist zwingend das Eigengewicht des Trailers zu beachten. Inkl. Boot kann dann schon schnell die Belastungsgrenze des vorgesehenen Zugfahrzeuges erreicht werden. Leichtgewichtigere Aluminium-Trailer bringen rund 100 kg weniger auf die Waage, kosten allerdings deutlich mehr. Oftmals lassen sich aus der Trailerbezeichnung schon die Lasten ersehen. Mögliche Zusatzausrüstungen wie Stützrad, Windenstand, Slipprollen, Kipprahmen, Ersatzrad oder Slippwagen erhöhen das Grundgewicht ebenfalls.
Unbedingt wichtig ist, dass der Eigner das Gewicht seines Bootes kennt und entsprechend berücksichtigt. Was macht man aber, wenn man ein altes Holzboot ohne Trailer kaufen will und das Bootsgewicht nicht genau kennt? Hier helfen Klassenvereinigungen weiter. Dort kann man sich entsprechende Hinweise holen, um ein annäherndes Bild zu erhalten. Es empfiehlt sich, bei der Wahl des Trailers nicht zu knapp zu kalkulieren – die Höchstlast ist schnell erreicht. Bei Kielbooten liegt der Schwerpunkt unten im Kielgewicht, hier muss an dieser Stelle für eine entsprechende, (vor allem für die Stützlast wichtige) austarierte Auflage im Trailer gesorgt