Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Die Arktis ruft: Mit Hundeschlitten und Kamera durch Spitzbergen und Grönland
Die Arktis ruft: Mit Hundeschlitten und Kamera durch Spitzbergen und Grönland
Die Arktis ruft: Mit Hundeschlitten und Kamera durch Spitzbergen und Grönland
eBook268 Seiten2 Stunden

Die Arktis ruft: Mit Hundeschlitten und Kamera durch Spitzbergen und Grönland

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

"Meine erste Begegnung mit dem Treibeis liegt bereits 16 Jahre zurück; aber die Erinnerung an jene Zeit ist mir trotz der dürftigen Aufzeichnungen heute noch so lebendig, daß die Wiedergabe der Erlebnisse und Eindrücke nie schwer fiel.
So soll das Buch erzählen von der Welt des ewigen Eises, so wie ich sie sah, von Treibeisfahrten, Schlittenmärschen, Eisbärjagden, von Kampf mit Kälte und Nebel, von Schiffbruch und Rettungsfahrten und vor allem von den hoch­interessanten Tagen in den Zelten und Winterhäusern der Grönlandeskimos."

Bernhard Villinger, 1926
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum4. Juni 2019
ISBN9783749457007
Die Arktis ruft: Mit Hundeschlitten und Kamera durch Spitzbergen und Grönland
Autor

Bernhard Villinger

Bernhard Villinger (1889-1967) war ein deutscher Skiläufer, Polarreisender, Filmemacher, Regisseur, Bergsteiger und Mediziner.

Ähnlich wie Die Arktis ruft

Titel in dieser Serie (14)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Essays & Reiseberichte für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Die Arktis ruft

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Die Arktis ruft - Bernhard Villinger

    Vorwort

    Meine erste Begegnung mit dem Treibeis liegt bereits 16 Jahre zurück; aber die Erinnerung an jene Zeit ist mir trotz der dürftigen Aufzeichnungen heute noch so lebendig, daß die Wiedergabe der Erlebnisse und Eindrücke nie schwer fiel. Das Fehlen eines ausführlichen Tagebuches hatte den Vorteil, daß Nebensächliches von selbst wegfiel und trockene, wissenschaftliche Erörterungen sich nicht einschlichen.

    So soll das Buch erzählen von der Welt des ewigen Eises, so wie ich sie sah, von Treibeisfahrten, Schlittenmärschen, Eisbärjagden, von Kampf mit Kälte und Nebel, von Schiffbruch und Rettungsfahrten und vor allem von den hochinteressanten Tagen in den Zelten und Winterhäusern der Grönlandeskimos.

    Der Universum-Film-Gesellschaft Berlin bin ich für die freundlichst überlassenen Bilder der Filmexpedition 1926 zu großem Dank verpflichtet. Dabei gedenke ich in gleicher Weise der ausgezeichneten Mitarbeit meiner Begleiter, des Chefoperateurs Sepp Allgeier und der beiden Filmphotographen Benitz und Angst.

    Dr. Bernhard Villinger

    Inhalt

    Zur Einführung: Die Arktis ruft!

    I. Das Zustandekommen der deutschen Hilfsexpedition für Schröder-Stranz

    Vorbereitungen und Abreise

    Das Expeditionsschiff »Lövenskjold«

    Die Tragödie der Schröder-Stranz-Expedition

    Kapitän Ritschers heldenhafter Marsch

    Staxruds und Lerners Pläne zur Rettung

    II. Hinauf ins Eis

    Die Bäreninsel in Sicht

    Das erste Treibeis

    Zusammentreffen mit Rave, Rüdiger und Staxrud

    Überfahrt nach Nordostland – Eisbärenjagden

    Am Nordkap Nordostlands vor Anker

    III. 600 Kilometer mit Schlitten und Ski über Meereis

    Auf der Suche nach Schröder-Stranz

    Keine Spuren

    Rückkehr zum festgefrorenen Schiff

    IV. Eispressungen – Schiffbruch – Rettung

    »Lövenskjold wird vom Eis zerdrückt

    In Ruderbooten übers offene Meer

    »Herzog Ernst« wird aus dem Eis gesprengt

    Gefahrvolle Flucht vor drohender Überwinterung

    V. Das tragische Ende der Schröder-Stranz-Expedition bestätigt

    VI. Wieder hinauf in die Arktis

    Filmvorbereitungen

    Vor der Ausfahrt

    Auf »Vaaland« nach Spitzbergen

    VII. Unser Hauptlager in der Magdalenenbai

    Walfang in Spitzbergen

    »Hundeschwierigkeiten« bei den Kohlenstationen

    Von Helmer Hanssen und unsern vierbeinigen Freunden

    Vögel und Füchse am Rotgesberg

    VIII. Mit Hundeschlitten über die Inlandgletscher

    Ein temperamentvoller Anfang

    Schwierige Orientierung im Nebel

    Eine lustige Fahrt

    Im Spaltengebiet des Penckgletschers

    Ein schauerlicher Marsch über brüchiges Meereis

    IX. Spitzbergen als Startplatz für Polflüge

    Andrées tragische Ballonfahrt

    Wellmanns Reklamehumbug

    Amundsens Dornier-Wal-Flug 1925

    Die Jagd nach dem Nordpol (Byrd /Amundsen 1926)

    X. Leiden und Freuden eines Filmregisseurs

    Auf Leben und Tod erkrankt

    Gefährliche Filmaufnahmen

    Die »Gletscherkalbung«

    Der »Absturz des Proviantschlittens«

    Unvermutete Seehundsjagd

    Begegnung mit dem Lloyddampfer »Stuttgart«

    »Vaaland« läuft auf Grund

    XI. Zur Ostküste Grönlands

    Havarie im Grönlandeis

    Reparatur in Island

    Land und Leute

    Stürmische Überfahrt zur Eisbarrikade Ostgrönlands

    Die Mannschaft will umkehren!

    Einfahrt nach Angmagsalik

    XII. Bei den Grönlandeskimos

    »Internationale« Zeichensprache

    Fellkleider

    Zelte und Erdhäuser

    Winterjagden

    Rassemerkmale

    Eskimos Küchenzettel

    Sitten und Gebräuche

    Der Kajak

    Präparieren der Felle

    Das Frauenfellboot (Umjak)

    Ehe und Erotik

    Soziale Verhältnisse und Religion

    Tanz und Geisterbeschwörung

    Musikliebe und Wißbegier

    Eine tragische Grippeepidemie

    Ihr Training im Essen und Hungern

    Unser Tauschhandel und seine Folgen

    XIII. Abschied von Grönland und Heimfahrt

    Nachwort

    Zur Einführung: Die Arktis ruft!

    In unserem Zeitalter der nüchternen Sachlichkeit, bei dem gesteigerten Tempo des 20. Jahrhunderts scheint die Masse keine Zeit mehr zu haben, sich auf einen urhaften Trieb des Menschenherzens zu besinnen: der Sehnsucht nach dem Fernen, Unbekannten. Der Kampf ums Dasein, der alle gleich gefangen hält, die materielle Lebenssorge des Alltags läßt wenig Besinnlichkeit und noch weniger Schwung übrig für das Außergewöhnliche, das Abseitige, wenn nicht ein klarer Vorteil winkt.

    Immer wieder begegnet man verständnisloser, kopfschüttelnder Ablehnung der Männer, die kühn ihr Leben zu Markte trugen da oben in den unerbittlichen Regionen des ewigen Eises. Warum auch gingen sie in jene kalte, starre Welt? Wem ist damit genützt? Was soll die tatsächliche Erschließung und Durchforschung der Arktis für einen praktischen Wert haben? Man bedenke doch, in welchem Mißverhältnis die ungezählten Menschenopfer, die der Umklammerung des weißen Todes erlagen, zu dem noch immer geringen Wissen und Kennen jener Zonen stehen!

    Und doch richtete sich die abenteuerliche Sehnsucht der Menschen durch alle Jahrhunderte nach Norden, gleich der Spitze der Kompaßnadel magnetisch dem Pol zu. Dort ist der Angelpunkt der Erde, dort müßte das Herz unseres Gestirns pochen. Es ist schon so; das Interesse für das Fremde, Niegesehene, der Wunsch, alle Teile und Gegenden unserer kleinen Erde, deren Geschöpfe wir nun einmal sind, kennenzulernen, entspringt einem tiefen, angeborenen Trieb der menschlichen Natur.

    Alle, die hinauszogen ins Unbekannte, sind Pioniere dieses Gedankens gewesen, mag ihr Erfolg noch so gering gewesen und mögen ihre Namen für immer vergessen sein. Die Erforschung unserer ganzen Erdoberfläche baute sich nach und nach aus den Erfahrungen der Vorangegangenen auf, besonders die Erforschung der Arktis und Antarktis, die sich mühseliger und langsamer durch die Jahrhunderte hinzog als diejenige der übrigen Erdteile. Da die nördlichen Polargebiete den alten Kulturländern näher lagen als die südlichen, galt ihnen in erster Linie das Interesse der Menschheit. Man stellte sich die Erde als eine im Meer schwimmende Scheibe vor und sprach vom Nordpol als dem Ende der Welt. Bis ins 4. Jahrhundert v. Chr. erhielt sich diese Vorstellung, und erst die Griechen Aristoteles und Pytheas aus Marsilia (dem heutigen Marseille) erklärten die Kugelform als die wahre Gestalt der Erde. Pytheas war der erste Wissenschaftler, der in kühnen, langen Reisen weit in den unbekannten Norden – bis Island, Norwegen und den Shetlandinseln – vordrang und Kunde von der Furchtbarkeit der Elemente im Lande des ewigen Eises brachte.

    Jahrhunderte lang blieb die Menschheit auf seine Berichte angewiesen. Erst im 9. Jahrhundert n. Chr. stießen verwegene Wikingerhelden auf ihren Piratenfahrten bis ins Eismeer und nach Labrador in Amerika vor.

    Das Zeitalter der Kreuzzüge leitete eine neue Ära in der Geschichte der Polarforschung ein. Die Seefahrt aus kühner Abenteuerlust und ziellosem Fernhunger entsprang in erster Linie dem triebhaften Wunsch, Neues und immer mehr kennenzulernen. Nun aber bekamen die Entdeckerfahrten einen realen Hintergrund. In der Tat ist gerade die Periode, die die Geschichte verklärend das Zeitalter der Entdeckungen nennt, nichts anderes als eine Periode rein kaufmännischer Unternehmungen der aufgeblühten, europäischen Handelsgesellschaften. Machthunger, Länderhunger der europäischen Herrscher, die Gier nach den Schätzen Indiens, Japans und Chinas wurden auf den langwierigen und unsäglich beschwerlichen Landwegen nicht mehr rasch und lohnend genug befriedigt. Der Gedanke einer Umschiffung der Erdkugel lag nahe und wurde von furchtlosen Seehelden im Auftrag ihrer Machthaber in die Tat umgesetzt. So wurde der Seeweg nach Indien um die Südspitze Amerikas gefunden, Südamerika umschifft. Auch im Norden dachte man einen Weg nach Asien finden zu können, und dieser Weg, am Pol vorbei, mußte weit kürzer sein als die langen südlichen Schiffahrtsstraßen. Alle seefahrenden Nationen, vor allem Holland und England, rüsteten große Expeditionen aus, diese Durchfahrt zu entdecken. Aber keiner glückte es, den Weg nach dem Osten zu finden oder ins eigentliche Polarmeer vorzustoßen. Das Netz der Land- und Wasserstraßen spannte sich immer dichter um die ganze Erde; die einzigen Regionen, die durch alle Jahrhunderte starr und unberührt geblieben, waren die Gebiete der Arktis und Antarktis. Ihnen galt darum – nach all den vergeblichen Opfern und Versuchen – in erhöhtem Maß das Interesse der wissenschaftlichen Welt.

    Die arktischen Expeditionen der Neuzeit, besonders des 19. Jahrhunderts, brachten eine Menge wertvollster Entdeckungen auf den verschiedensten Gebieten. So wurde von Nordenskjöld die nordöstliche Durchfahrt längs der russischsibirischen Küste gefunden, die Nordwestpassage durch den kanadischen Inselarchipel und längs der Küste Alaskas von Amundsen erschlossen, und schließlich als Wichtigstes die Polardrift, diese stete Strömung von Sibirien über den Pol nach Grönland, durch Fridtjof Nansens weltberühmte Framfahrt festgestellt. Diese klassisch zu nennende Expedition Nan sens brachte eine solche Fülle wissenschaftlichen Materials nach Hause, daß sie für die ganze spätere Polarforschung von grundlegender Bedeutung wurde.

    Erst nach dem Weltkrieg erreichte die Polarforschung durch die Fortschritte der Technik eine neue Phase. Schiff und Hundeschlitten wurden von Flugzeug und Luftschiff verdrängt, die zunächst den mehr sportlichen Wettlauf nach dem Pol aufnahmen (Byrd, Amundsen, Nobile).

    Man könnte nun annehmen wollen, daß nach der Eroberung der Pole die Erforschung der Arktis ihren Abschluß gefunden hätte. Was soll noch in den unermeßlich weiten Eisgefilden ohne Land und Leben zu suchen sein?

    Tatsächlich ist heute die genaue Kenntnis der polaren Verhältnisse erwünschter denn je. Das Wissen um die physikalischen Erscheinungen südlicher Breiten läßt keine sicheren Schlüsse zu auf die der nördlichen; umgekehrt können die Gesetze für die Bewegung und Zirkulation der südlichen Atmosphäre und der südlichen Meere nicht zuverlässig ergründet werden ohne Kenntnis der Verhältnisse in den Polargebieten.

    Nach Ansicht der modernen Wissenschaft haben die meteorologischen Zustände der Arktis entscheidenden Einfluß auf diejenigen unserer Breiten, ja, die Arktis ist sogar der Hauptausgangspunkt der atmosphärischen Störungen. Die vielen Opfer, die die Transozeanflugversuche forderten, waren ausnahmslos den unvorhergesehenen Sturm- und Wetterverhältnissen zuzuschreiben. Eine genaue und dauernde Kontrolle der im Polargebiet herrschenden atmosphärischen Strömungen und Luftdruckschwankungen ist daher für das gesamte Wirtschaftsleben, Schiffahrts- und Flugwesen von größter unmittelbarer Wichtigkeit, gar nicht zu reden von den ungeahnten Auswirkungen auf Landwirtschaft, Reisen, Bauten usw. Wenn es gelingt, dieses Gebiet meteorologisch zu überwachen und in den Kreis der Radiowetterstationen einzubeziehen, wird die ganze Wettervorhersage rascher und zuverlässiger erfolgen können. Fridtjof Nansen, der größte und erfahrenste Polarforscher der Gegenwart, organisiert derzeit mit einem Stab ernster, erprobter Männer der Wissenschaft für das Frühjahr 1930 drei große Zeppelinfahrten über das ganze arktische Gebiet. Neben der Lösung wichtiger geographischer, physikalischer, biologischer, topographischer Fragen auf diesen Fahrten hat sich die »Internationale Gesellschaft zur Erforschung der Arktis mit Luftfahrzeugen« als Hauptaufgabe eben diese meteorologische Überwachung des Polargebiets gestellt. Durch Großluftschiffe sollen im Laufe der nächsten Jahre mehrere Radiowetterstationen mit je sechs Mann Besatzung an den Nordküsten der an das Polarbecken angrenzenden Länder und Inseln – vielleicht sogar auf dem Polareis selbst – abgesetzt werden. Man plant, diese arktischen Wetterwarten jährlich durch Luftschiffe neu zu verproviantieren und die Besatzungen abzulösen. Mögen diese großzügigen Pläne bald verwirklicht werden zum Nutzen der ganzen Menschheit. Dann hatten die vielen Opfer einen Sinn, die der Erforschung der Arktis durch alle Jahrhunderte gebracht worden sind.

    I. Das Zustandekommen der deutschen

    Hilfsexpedition für Schröder-Stranz

    Man sagt, daß die Sehnsüchte und Liebhabereien der Jugendjahre meist von entscheidender Bedeutung wären für das spätere Leben. Natürlich war mein knabenhafter Abenteurertrieb zunächst, wie sich’s gehört, im Bann der Indianergeschichten Karl Mays und der Jagderlebnisse kühner Afrikaforscher. Aber der Traum von Fahrten durch Steppen und Dschungel, durch blauschwarze Nächte und glühende Tage war mit einem Mal versunken, als ich das Skilaufen kennenlernte. Ich war ganz behext von diesem Wunder des Schneeschuhs, und es ging mir eigentlich erst damals der Winter meiner heimatlichen Schwarzwaldberge richtig auf.

    Die reine, klare Winterluft, Kälte und Schnee steigern im gesunden Menschen die Energie, die Freude an der Bewegung, am Überwinden von Hindernissen. Man schlendert nicht bei grimmiger Kälte oder tollem Flockenwirbel, es gibt nur rasches Entfliehen oder Annahme des Kampfes. Der lange, schmale Schneeschuh – diese geniale Erfindung nordischer Völker – hat uns dieses freudige Bekämpfen und Besiegen der winterlichen Welt ermöglicht. Gerade die Eigenschaften, die der Skilauf erfordert und steigert: Mut, Kraft, Ausdauer, Geistesgegenwart, rasches, sicheres Übersehen des Geländes – sind unerlässlich für den Polarmann. Die Skandinavier, besonders die Norweger, sind die geborenen Polarforscher, weil die Wetter- bzw. die Winterverhältnisse ihres Landes sie von jeher in diesem Sinne erzogen haben, so Nansen, Amundsen, Sverdrup, Nordenskjöld, Rasmussen usw.

    Die Werke dieser Männer wurden für mich Offenbarung. Der Wunsch, es ihnen nachzutun, wuchs immer glühender in mir, und schon als zwanzigjähriger Student war ich fest entschlossen, mich nach dem Staatsexamen irgendeiner Expedition anzuschließen. Bis dahin wollte ich mich durch Sport, besonders Alpinistik und Skilaufen, tüchtig rüsten.

    Im Akademischen Ski-Club Freiburg i. Br. fand ich gleichgesinnte Kameraden, Männer, die bei der Verbreitung des Skilaufs in Deutschland mit führend waren und sportlich internationale Erfolge aufzuweisen hatten. Ein Klubkamerad, L. Kohl, nahm 1911 als Arzt an der deutschen Südpolexpedition Filchners teil und arbeitete vorher die Verproviantierung auf unserer kleinen Skihütte aus. Das war etwas für mich. Durch Wochen hindurch lebten Kohl und ich da oben in den Bergen nur noch für diese Sache. Mit einem Stück Pemmikan und gedörrten Zwetschgen trainierten wir Dauerläufe, einmal 110 Kilometer in 13 ½ Stunden bei 3000 Metern Gesamtsteigung. Wehmütig begleitete ich ihn schließlich nach Bremen, um die Expedition wenigstens auslaufen zu sehen.

    Als im März 1912 der wundervolle Südpolsieg Amundsens bekannt wurde, hatte ich vollends nur noch Aug’ und Ohr für die Polarwelt. Das arktische Fieber hatte mich bis ins Innerste erfaßt. Den Winter 1912/13 nützte ich fast ausnahmslos zum Training im Skilaufen. Ich fuhr von einem Wettlauf zum andern und hatte bei deutschen und schweizerischen Skirennen solche Erfolge, daß ich Ende Februar als deutscher Vertreter nach Norwegen zu den Holmenkollwettläufen, der größten skisportlichen Veranstaltung überhaut, entsandt wurde.

    Als Abschluß des Winters kehrte ich Mitte März mit verpflastertem Brustkorb – ein Andenken an Holmenkollen – auf den »Feldberger Hof« zurück, um mich dort moralisch auf die «skilose« Sommerarbeitszeit vorzubereiten. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel erreichte mich da eines Tages ein dringendes Telegramm, das von einem Herrn Theodor Lerner aus Frankfurt am Main, Polarfahrer seines Zeichens, unterschrieben war und mich zur Teilnahme an der deutschen Hilfsexpedition für die im Eismeer verunglückten Schröder-Stranz-Leute einlud. Ich hätte alles eher vermutet als eine Aufforderung hinauf in die Arktis. Wer dieser Lerner war, ließ mich vorläufig völlig kalt. Nur erst mal fort ins Eis, alles Weitere würde sich schon finden.

    Eine Hilfsexpedition hat keine Zeit zu verlieren, zumal schon seit Januar in allen Zeitungen spaltenlange Artikel über die verschiedenen Rettungsmöglichkeiten der verschollenen Deutschen erschienen waren. Ich fuhr darum umgehend nach Frankfurt, um mit Lerner Fühlung zu nehmen. Leider stellte sich heraus, daß die Expedition längst nicht so finanziell gesichert war, wie Lerner in seinem Telegramm mit geteilt hatte. Im Gegenteil, es war praktisch kein Pfennig bares Geld vorhanden, außer den zweieinhalbtausend Mark, die ich vom Feldberg mitbrachte. Lerner hatte nämlich seinem Telegramm weitblickend noch beigefügt: »Erhoffe fehlenden Rest von sportbegeisterter Jugend auf dem Feldberg!« Sofort war unter den Hotelgästen eine Sammlung veranstaltet worden, die den obigen ansehnlichen Betrag ergab.

    Ich dachte mir allerdings, daß Geld bei einer dringenden Hilfsexpedition keine Rolle spielen würde. Vor zwei Monaten schon war Lerner in den Zeitungen für die sofortige Entsendung einer Schiffsexpedition eingetreten – es wurde auch in Berlin ein Hilfskomitee gegründet, das freiwillige Spenden entgegennahm –, aber in diesem Komitee saßen offenbar Leute, die mit Lerner persönlich verfeindet waren und ihn als Führer kaltzustellen wußten. Man griff seinen Plan, mit einem Schiff sofort zur Nordwestecke Spitzbergens zu fahren und von dort aus mit Schiff, Schlitten und Kajak nach der Treurenbergbai und Nordostland vorzustoßen – wo nach Angabe des Hilferufs die Verunglückten zu suchen waren – ganz ungerechtfertigt an. Da außer Lerner kein anderer deutscher Führer für eine Hilfsexpedition in Frage kam, wandte man sich hilfeflehend nach Norwegen. Selbstverständlich wurde dann ebenfalls in Kristiania das Vorhaben Lerners für undurchführbar erklärt und ein norwegischer Offizier, Kapitän Staxrud, der bei der Kartographierung Spitzbergens mitgearbeitet hatte, mit der Leitung der offiziellen »deutschen« Hilfsexpedition betraut. Alles Geld, was bisher gesammelt war – übrigens hauptsächlich auf Lerners

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1