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Bavaria Kanada: Kommissar Bauer in der Fremde
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Bavaria Kanada: Kommissar Bauer in der Fremde
eBook246 Seiten3 Stunden

Bavaria Kanada: Kommissar Bauer in der Fremde

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Über dieses E-Book

Der Münchner Kriminalhauptkommissar Helmut Bauer geht aus beruflichen Gründen für sechs Wochen nach Kanada und sein Kollege Franz Kreuzpeintner soll ihn deswegen in München vertreten. Doch kaum nachdem Bauer in Toronto gelandet ist, findet man in einem Münchner Gasthaus in einer Besenkammer eine tote alte Frau. Der unbeholfene und schlichte Kreuzpeintner hat damit seinen ersten eigenen Fall. Etwas, was Bauer unbedingt vermeiden wollte. In Toronto sollte Bauer seine kanadischen Kollegen über die bayrische Polizeiarbeit informieren. Stattdessen gibt ihm und seinem neuen kanadischen Partner Bruce Hinterstocker eine grausam entstellte und ermordete Asiatin Rätsel auf. Doch sie wissen noch nicht, dass es nicht bei dieser einen Toten bleiben wird.
SpracheDeutsch
HerausgeberEurokomm
Erscheinungsdatum15. Juni 2013
ISBN9783000424076
Bavaria Kanada: Kommissar Bauer in der Fremde

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    Buchvorschau

    Bavaria Kanada - Wolfgang Schuldlos

    Wolfgang Schuldlos

    Bavaria Kanada

    Kommissar Bauer in der Fremde

    Kriminalroman

    Kontakt:

    www.kommissar-bauer.de

    Jede vermeintliche Ähnlichkeit der Figuren des Buches mit

    lebenden oder verstorbenen Menschen wäre rein zufällig und nicht

    beabsichtigt.

    Impressum:

    Copyright 2013 EuroKomm Publishing

    Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf - auch teilweise - nur mit

    Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

    ISBN 978-3-00-042407-6

    Inhaltsverzeichnis

    Kontakt:

    Impressum:

    Prolog

    Kapitel 1

    Prolog

    Jeder Schlagtrifftdie alte Frauunerbittlich.Sie schreit wie ein Tier.Doch ihr Peiniger lässt sich nicht beirren.

    Man hat sie mit weit gespreizten Armen und Beinen, unter denen in Abständen Pflastersteine liegen, auf die Pritsche einesPickup Trucksgefesselt. Ihr Gesicht ist konturlos. Ihr fehlen Lippen, die ihr Zahnfleisch bedecken könnten, und dort, wo die Nase saß, findet sich nur ein blutverschmiertes nichtssagendes Loch. Das dünne Haar der alten Frau fällt über die blutverkrusteten Schläfen, die nun nicht mehr an ihren äußeren Ohrmuscheln enden.

    Zwischen den Schlägen ist nur das Wimmern der Alten zu hören. Bis schließlich ein letzter Hieb auch dieses verstummen lässt.

    Kapitel 1

    Bauer sitzt in einem grauen Flugzeugsitz, vor sich ein Glas, das die Spuren von Bierschaum trägt. Er ist nervös an diesem Tag. Bereits um neun Uhr morgens hat er dieses Flugzeug betreten, er, der für zu viel Technik wenig übrig hat.

    Bauer blickt aus dem Fenster. Die Tragflächen schimmern silbern im Sonnenlicht. Er greift sich mit der rechten Hand an sein Kinn, das stoppelbesetzt und rau ist.

    Heute nimmt er Abschied von München, zwar nur für sechs Wochen, aber nach seinem Gefühl für eine Ewigkeit. Bauer war schon um sechs Uhr am Flughafen und hat den Abschied passend vorbereitet. Vier Weißwürste, zwei Brezen und vier Weißbiere haben ihn in die nötige Stimmung versetzt. Er war anschließend gelöst und gut gelaunt, hat sich freiwillig in die Maschine begeben und ungeduldig den Start erwartet. Denn nach dem Start könnte er nicht mehr zurück, dachte sich Bauer.

    Jetzt, nachdem er bereits zwei Stunden im Flugzeug sitzt und ihn zehntausend Meter vom Erdboden trennen, hat er die Gewissheit, dass er erst wieder in Toronto seinen Fuß auf die Erde setzen wird.

    Warum tut er sich das alles an, denkt Bauer. Ist denn wirklich das Überführen einer Verbrecherin ein Grund, um durchzudrehen und mehrere Wochen nach Kanada zu gehen? Natürlich ist es ein Grund! Er hatte mit der Verhaftung Claudias seine eigene Geliebte ins Gefängnis gebracht. Die Narbe, die dies in ihm hinterlassen hat, ist groß, wenn nicht gigantisch! Innerlich zerbrach er fast daran. Ohne Alkohol hätte er dies nie verwunden.

    Claudia hatte ihm einen Brief aus dem Gefängnis geschrieben, in dem sie ihm vergeben hat. Sie hat aber auch geschrieben, dass die Tötung des Viehhändlers Angerer richtig war. Er sei ein Schwein gewesen, das nicht nur ihren Bruder umgebracht, sondern auch andere Menschen wie Vieh behandelt hat.

    Bauer hat ihr auf den Brief nicht geantwortet. Es war sogar ungewöhnlich, dass er ihn überhaupt gelesen hat. Das erste Mal in seinem Leben überhaupt, dass er einen Brief, der ihn wahrscheinlich innerlich aufwühlen würde, geöffnet hat. Bauer weiß, dass es ein Fehler war,ihn zu lesen. Mittendrin kamen ihm die Tränen, er musste seine Brille abnehmen, um sie wegzuwischen.

    Er will das nicht mehr! Warum auch? Kann er denn nicht in Ruhe leben in seinem Viertel, dem Schlachthofviertel, mitten in München?

    Immer wieder bringen ihn Frauen aus dem Gleichgewicht. Ein Mordopferhingegenbelastet ihn nicht, egal wie entstellt es ist. Schließlich ist er den Tod gewöhnt, denn dieser wohnt direkt in seiner Nachbarschaft, im Schlachthof. Er lebt mit ihm und er achtet ihn! Doch Frauen sind stärker als der Tod, zumindestnachBauersMeinung. Obwohl er es nie zulassen will, schaffen sie es, dass er wiedereinmal zusammenbricht, scheitert an seinen Gefühlen. Claudia hat ihn grandios scheitern lassen!

    Der Polizeipräsident hat ihmfür die hervorragende Aufklärung der letzten beiden Mordfällegedankt. Er hätte sich lieber für den Selbstmord von Bauers Gefühlswelt bedanken sollen.

    Er wusste damals, dass er nicht hier bleiben konnte, nicht im Schlachthofviertel, auch nicht in dieser Stadt. Schließlich hat er das Angebot angenommen, sechs Wochen bei der Mordkommission der Polizei in Toronto zu arbeiten. Eigentlich widerstrebt es Bauer, in Länder zu reisen,von denener weiß, dass sie Brachland sind, was Essen und Trinken anbetrifft. In München hater immer Bier, bayrisches Essen und das einvernehmliche Verstehen zwischen Bedienung und Gast, das er so schätzt. Italien oder FrankreichkannBauer da noch hinnehmen, aber Kanada?

    Wie groß muss sein Schmerz sein, dass er dieses Opfer, diesen Bußgangerträgt, ja sogar selbst herbeiführt?Eigentlich bestraft er sich selbst damit und flieht nicht, wie er esursprünglichgeglaubt hat.

    „Noch ein Bier, bitte", hört er sich sagen.

    Die Stewardessen sind nett zu ihm.Sie nehmen es einfach hin, dass er seine Nervosität mit Bier bekämpft. Wahrscheinlich empfinden sie ihn eh als kauzig und ungewöhnlich.

    Als er den Flieger betrat, trug er eine braune Cordhose, ein weißes Hemd, seine grüne Lodenjacke und einen grünen Filzhut. Die Nickelbrille, die immer etwas schief sitzt, und sein Dreitagebart machten Bauer zu einem eher ungewöhnlichen Fluggast. Zudem bestellte er sich im Laufe der letzten zwei Stunden vier Bier. Wahrscheinlich dachten die Stewardessen, dass er das sowieso seinem verschrobenen Äußeren schuldig sei. Egal! Kriminalhauptkommissar Bauer ist so, wie er ist. Warum soll er sich verstellen?

    Gestern hat Bauer seinen Kollegen Franz Kreuzpeintner ein letztes Mal im Krankenhaus besucht, heute wird er entlassen. Kreuzpeitner war, während Ermittlungsarbeiten im letzten Mordfall, von einem Auto erfasst worden. Wie sich herausstellte, hatte er nur eine schwere Gehirnerschütterung und einen Armbruch erlitten. In zwei Tagen wird er wieder zum Dienst erscheinen, mit gebrochenem und geschientem Arm zwar, aber immerhin überhaupt.

    Franz Kreuzpeintner war anfangs eine Last für Bauer, doch heute empfindet er sogar eine gewisse Sympathie für ihn,sotollpatschig und wenig einfühlsam, wiesein Kollegeist. Kreuzpeintner wird Bauer sogar vertreten, wenn er in Kanada ist. In die Fußstapfen des Kriminalhauptkommissars Bauer wird Kriminalkommissar Kreuzpeintner natürlich nicht treten, das weiß Bauer genau. Aber immerhin sitzt dann da jemand, der zumindest Anrufe annehmen kann.

    Es ist jetzt kurz nach zwölf Uhr deutscher Zeit. Eine Stewardess macht die Ansage, dass nun Essen serviert werden wird. Es gibt Huhn mit Reis und einen Obstsalat. Bauer verzieht das Gesicht. Ausgerechnet Reis und dann einen Obstsalat. Warum muss in der Luft das Essen immer so entsetzlich sein? Er hätte jetzt gern einen warmen Leberkäse mit Kartoffelsalat und danach einen Kaiserschmarrn. Warum gibt es keine Fluglinie Bavarian Airlines, die nur Schmankerl zum Essen anbietet?

    Bauer hat einen Mittelplatz. Rechts neben ihm, am Fenster, sitzt eine ältere Dame, wahrscheinlich Ende sechzig,aberaufgebrezelt eher wie Ende fünfzig. Links neben ihm sitzt ein Chefdynamiker, ein Mann Mitte dreißig, Anzugträger, glatt rasiert. Fast die gesamte Zeit hat er in dasLaptop gestarrt, daser vor sich aufgebaut hat.

    Bauer mag solche Leute nicht, sie sind ihm zuwider. Selbst bei der Getränkebestellung ist der Mann politisch korrekt:

    „Könntensie mir bitte einen Tomatensaft geben, bitte mit Salz und Pfeffer. Und dazu bitte einen Kaffee, schwarz. Danke!"

    Aalglatter Idiot, denkt sich Bauer und wird von einer Stewardess unterbrochen:

    „Ihr Essen! Darf ich?"

    Bauer nimmt seine Hände von dem kleinen Klapptisch vor ihm und dieFlugbegleiterinstellt eine Aluminiumschale mit Plastikdeckel sowie eine Plastikschüssel dorthin.

    Bauer sieht vor seinem geistigen Auge die Bedienung, die Kathi, auf ihn zukommen. Sie trägt eine Porzellanschale und einen Teller, stellt beides ab, wünscht „An Guadn" und lächelt ihn an. Dann fischt er sich aus der Schale eine Weißwurst, tunkt sie insüßen Senf und zutzelt an ihr, beißt ein Stück aus einer Breze und trinkt zum Abschluss einen großen Schluck Weißbier.

    So wäre Bauer zufrieden, selbst wenn es, so wie heute, schon das zweite Mal Weißwürste an diesem Tag wären. Jetzt sitzt er da und hat eine breiige Reismasse und ein paar Stückchen Hähnchen vor sich. Erstens wird man von sowas nicht satt und zweitens ist es sowieso ungenießbar, denkt er. Bauer kennt das. Er war früher schon mal in USA, nur für drei Tage und einen Vortrag, aber immerhin. Damals war das Essen schon grausam. Heute hat er deshalbvorgesorgt.Gott sei Dank! Am Flughafen hat er sich noch zwei Leberkäsesemmeln gekauft, ohne alles, was soviel heißt, wie kein Senf. Die wird er jetzt essen. Diesen Fraßkann die Stewardess auf jeden Fall wieder mitnehmen. Vergiften kann er sich wo anders, denkt Bauer. Dann beginnt er die Alufolie von den Semmeln zu wickeln und beißt beherzt in eine davon.

    Bauer wird von einem starken Schütteln geweckt. Als er die Augenöffnet und aus dem Fenster schaut, erkennt er, dass das Flugzeuggerade gelandet ist.

    Anscheinend war er nach dem Essen der beiden Leberkäsesemmeln zufrieden eingeschlafen. Das Bier hat dafür gesorgt, dass er die fünf Stunden bis zur Landung nicht im Wachzustand ertragen musste. Er mag es nicht besonders, wenn Leute, die er nicht ausstehen kann, zu nahean ihn heranrücken.Deshalbistersich sicher, dass jede Sekunde, die er neben dem Chefdynamiker verbracht hätte, die reinste Qual für ihn gewesen wäre.

    Nachdem Bauer das Flugzeug verlassen, sein Gepäck vom Band geholt und die Zollkontrollen passiert hat, verlässt er den Fluggastbereich durch eine große Glasschiebetür. Vor ihr empfängt ihn eine Menschenmenge, diedieFlugreisendenerwartet.

    Bauer hasst es, wenn er sich durch Menschenmassen zwängen muss. Die Nähe tut ihm weh. Er hat es schon immer vermieden, dass ihm Menschen zu nahe kommen, auch was sein Inneres anbetrifft. Immer, wenn er es zuließ, wurde ein Teil von ihm verwüstet, beschädigt.

    Claudia war die Letzte, der es gelungen war in ihn vorzudringen, ihn zu beschädigen. Sie hat einen Krater hinterlassen, den er nicht mehr zuschütten kann. Immer wieder wird er hineinblicken, sich fragen, warum er dies alles zuließ, seine Verliebtheit, seine Geilheit und seine Verwundbarkeit.

    Bauers Blick wandert über die Körper der Wartenden. Man hatte ihm angekündigt, dass die hiesige Mordkommission einen Beamten schicken würde, der ihn abholt.

    Ein Mann hält ein Pappschild hoch, auf dem „Mr. Helmut Bauer" steht. Der Mann dürfte so etwa 40 Jahre alt sein, trägt Jeans und eine schwarze Lederjacke. Sein Gesicht sieht kantig aus und seine Haare sind schwarz, durchzogen von leichten grauen Stellen an den Schläfen.

    Bauer schiebt seinen Gepäckwagen auf den Mann zu und stellt ihn dann anschließend seitlich ab, um seinen kanadischen Kollegen begrüßen zu können.

    „Grüß Gott, ich bin Helmut Bauer aus München", sagt er und streckt seine Hand aus. Der Angesprochene mustert Bauer mit einem schnellen Blick und schüttelt seine Hand. Auf Deutsch, mit leicht englischem Akzent, erwidert er:

    „Servus, ich bin der Bruce Hinterstocker!"

    Bauer schaut Hinterstocker überrascht an, er hätte nie erwartet, dass er hier auf Deutsch begrüßt werden würde. Hinterstocker bemerkt das und erklärt:

    „Also, eigentlich bin ich der Bonifatius Hinterstocker aus Telfs in Tirol, aber nach meinem Matura hab‘ ich mir in den Kopf gesetzt nach Kanada auszuwandern. Und Bruce nenn‘ ich mich, weil’s halt im Englischen besser klingt, als mein richtiger First Name."

    „Aha", entgegnet Bauer knapp.

    „So,jetzt sollten wiraber schnell zum Car gehen!", fordert der Tiroler Bauer auf. Der ist zwar froh, dass er es mit einem deutschsprachigen Kollegen zu tun hat, aber muss es unbedingt ein Tiroler sein?

    Früher waren die Tiroler entweder arme Almbauern oder Raubritter, da ist er sich sicher. Da hat sich bis heute nichtsgeändert, meint er. Ein Tiroler ist nur solange freundlich, solange er an dein Geld kommen will. Was anderes interessiert ihn gar nicht. Naja, einen Vorteil hat ein Tiroler schon, er redet wenig. Das ist angenehm, findet Bauer.

    Nachdem das Gepäck im Wagen verladen ist, machen sie sich auf den Weg zu Bauers Hotel.

    „Wir habenihnen ein Room im Kensington Hotel gebucht. Das ist relativ nahe an unserem Präsidium undsie können zu Fuß ins Office kommen! Übrigens, ich bin der Bruce!"

    Bauer ist wieder überrascht, denn schon nach fünf Minuten hat ihm sein neuer Kollege das „Du" angeboten. Eigentlich ist es ihm sympathisch. Im Schlachthofviertel, da wo er herkommt, duzt man sich, außer man ist sich unsympathisch. Hinterstocker ist ihm nicht unsympathisch, eher ein bisschen unheimlich. Er ist flott, direkt und unkompliziert, denkt Bauer. Er kennt ihn jetzt erst ein paar Minuten, aber er kann Menschen schon nach kurzer Zeit einschätzen. Das ist sein Beruf. Es ist eine Gabe, die man nichterlernen kann. Bauer braucht, dass es menschelt, dass man offen miteinander umgeht. So ist er aufgewachsen, so geht er mit den Menschen in seinem Viertel um, egal wie bedeutend sein Gegenüber ist. Doch zu schnell will er niemandem zu nahe kommen. Davor scheut er sich, deshalb sagt er zögernd:

    „Ich bin der Helmut. Kannst‘ auch Helli zu mir sagen, wenn’s pressiert!"

    Bauer war noch nie in Kanada, erst recht nicht in Toronto. Jetzt, wo sie sich vonWestenher in die Stadt hinein bewegen, ist er von der Kulisse der Wolkenkratzer, die vor ihnen auftaucht, beeindruckt. In München gibt es so etwas nicht, dort dürfen die Gebäude der Innenstadt maximal die Höhe der Frauentürme erreichen. Bauer fand das immer gut, doch jetzt ist er einfach erschlagen von dieser Größe und Pracht, die sich da nähert.

    Sie fahren durch eine schier endlose Straßenschlucht zwischen mehrstöckigen Gebäuden und Hinterstocker hat angefangen, Bauer seine Lebensgeschichte zu erzählen:

    „Irgendwann istmir dann Telfs einfach zu eng geworden, eingezwängt zwischen denHills. Dann bin ich erst nach Munich, hab‘ mich da mit Gelegenheitsjobs durchgebracht und hab‘ angefangen Money zu sparen. Ich wollt‘ ja weiter weg und dazu brauchst eben das nötige Cash."

    Bauer hat sich geirrt. Sein Kollege aus Tirol ist nicht schweigsam, sondern ekelhaft redselig. Hoffentlich bleibt der ihm nicht die ganzen sechs Wochen erhalten,denkter.

    „Ja. Und wie ich dann das Cash beieinander gehabt hab‘, bin ich halt rüber, zuerst nach Halifax und dann weiter nach Toronto. Da bin ich dann hängengeblieben. Ah, wir sind ja schonda", staunt Hinterstockerüber die Kurzweiligkeit der Fahrt.

    Sie waren zuvor in die Bathurst Street eingebogen, die die College Street kreuzt,in dersich das Revier befindet, wo Bauer arbeiten wird.

    Er ist froh, dass er am Hotel angekommen ist und endlich der Moment da ist, wo er seinen Kollegen verabschieden kann. Der hilft ihm noch die Koffer aus dem Wagen zu nehmen und hat sich nun zum Abschied aufgestellt.

    „Also dann, Helli. Dann sehen wir uns morgen um nine o‘clock hier in alter Frische. Andeinem ersten Workday hol‘ ichdich natürlich mit dem Car ab. Aber glaub‘ nicht, dass ich das die nächsten sechs Wochen machen werd‘, in denen wir zusammenarbeiten!", freut sich Hinterstocker.

    Bauer zieht ein kalter Schauder über den Rücken. Muss er jetzt wirklich die nächsten Wochen mit diesem Plapperer verbringen, der offenbar froh ist, dass er endlich mal wieder deutsch reden kann? Er kann Tiroler nicht leiden, aber dauerredende Tiroler schon erst recht nicht. Das einzig Gute ist, dass er Hinterstocker jetzt zunächst mal los ist.

    „Ja, dann bis morgen, Bonifaz", verabschiedet sich Bauer.

    Er hat extra ‚Bonifaz‘ gesagt, weil er denkt, dass Hinterstocker seinen ‚Bruce‘ cool findet und ihn Bauers Betitelung ziemlich nerven wird. Jetzt habeich den Salat, denkt Bauer, nachdem er gedanklich das Wort ‚cool‘ verwendet hat. Er will nicht so werden, wie sein neuer Kollege und im Sprachwirrwarr enden.

    Hinterstocker ist verschwunden und Bauer nimmt seine beiden Koffer, um im Hotel einzuchecken. Nachdem er an der Rezeption sehr freundlich begrüßt wurde und die Empfangsdame ihn sogar gefragt hat, wie es ihm geht, sitzt Bauer nun auf dem Bett in seinem Zimmer. Es ist kärglich möbliert und überschaubar groß. Eine Kaffeemaschine ist auf einem kleinen Tisch platziert. Das Bad besitzt eine Badewanne mit Duschvorhang.

    Warum macht er das alles? Er verlässt sein Viertel, sein Rückhaltebecken, um hier an einem Ort, der ihm fremd ist, zu sinnieren und sich doch nicht weiter von Claudia zu entfernen, was er eigentlichbezweckenwollte, als er beschloss nach Kanada zu gehen.

    Eigentlich, so denkt Bauer, ist diese ganze Aktion doch ein riesengroßer Mist. Er könnte jetzt beim Gino sitzen, hätte sicher schon zwei Liter Chianti getrunken und wäre glücklich. So, sitzt ernunin einem kargen Hotelzimmer und hat keinen blassen Schimmer, wo er hier überhaupt etwas Gescheites zu Trinken herbekommt. Sicher, kanadisches Bier bekommt man hier bestimmt überall, aber bayrisches?

    Nachdem Bauer seine Koffer ausgepackt und den Inhalt in einem Schrank verstaut hat, legt er sich für eine Stunde aufs Ohr. Danach will er zu Fuß durch die nähere Umgebung streifen und sehen, wo es sich gut Essen und Trinken lässt.

    Als er sich auf den Weg macht, ist es etwa sieben Uhr. Der starke Berufsverkehr hat merklich nachgelassen und Bauer ist froh, dass dieser anhaltende Straßenlärm ihn nicht mehr so penetrant quält. Die Dämmerung hat deutlich eingesetzt und ganz

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