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Ball der Verdammten: Mystische Schwarzwaldgeschichten II
Ball der Verdammten: Mystische Schwarzwaldgeschichten II
Ball der Verdammten: Mystische Schwarzwaldgeschichten II
eBook407 Seiten5 Stunden

Ball der Verdammten: Mystische Schwarzwaldgeschichten II

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Über dieses E-Book

Bereits als kleiner Junge besaß er die Gabe des ›Zweiten Gesichts‹. Bald war er als ›Unheilbringer‹ verschrien und von allen gemieden.
Nach seiner Lehre verlässt er seinen Heimatort und nimmt eine Stelle in Schiltach, wo niemand seine Vergangenheit kennt, an.
Dort findet er drei nette Freunde und alles könnte Bestens sein.
Bis das Schicksal brutal in sein Leben eingreift und ihm unerbittlich eine Aufgabe stellt: eine magische Schatzsuche!
Sein Leben gerät völlig durcheinander. Dabei ist ihm klar, dass bisher kaum jemand, der zum Spielball übernatürlicher Mächte wurde, heil aus der Angelegenheit hervorging!
Unterstützung findet er nur bei einem kleinen Mädchen, welches ihm unbeirrt vertraut.
Als er dem Schicksal Auge in Auge gegenübersteht, eine Entscheidung treffen muss, überschreitet Maria die ›magische Grenze‹ und folgt ihm in das ›Dunkle Land‹!
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum14. Jan. 2014
ISBN9783847667629
Ball der Verdammten: Mystische Schwarzwaldgeschichten II

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    Buchvorschau

    Ball der Verdammten - Klaus F. Kandel

    Teil I

    »Schlampen! Allesamt Schlampen!«

    Nach dieser tiefsinnigen, in nachdrücklichem Ton vorgetragenen Feststellung genehmigte sich Karl einen kräftigen Schluck – nicht sein erster am heutigen Abend! - aus seinem soeben frisch nachgeschenkten Bierglas. Er hatte ihn, seiner Meinung nach, wahrlich verdient!

    Zustimmend nickten seine drei Freunde, ebenfalls ihre Gläser aufnehmend. Nicht, dass sie Karl besonders ernst nahmen. Das Thema war keinesfalls neu. Alle paar Wochen fand sich wieder eine, welche, man konnte es wohl kaum anders ausdrücken, auf Karls Anmache hereinfiel. Dummerweise hatte es bisher keine länger als allerhöchstens vier Tage mit ihm ausgehalten.

    Karl seufzte tief auf und trank einen Schluck. Viola! Diese elende Schlampe! Eiskalt hatte sie ihn sitzen lassen! Reagierte auf keinen Anruf, auf keine SMS.

    Natürlich waren alleinig die blöden Weiber an diesen Tragödien schuld, er doch nicht! Schließlich war er ein stattlicher Mann – einige unfreundliche Zeitgenossen bezeichneten ihn als ein wenig korpulent, aber wer hörte schon auf diese? -, welcher den Tussis einiges bieten konnte. Und dies, wenn es denn gewünscht wurde, mindestens zwei Mal die Nacht. Erzählte er jedem. Ob der's wissen wollte oder nicht. Zudem, sein aufgemotzter Schlitten! Echt Spitze! Sein rasanter, dennoch sicherer Fahrstil war schließlich allererste Sahne! Die Handvoll Strafzettel stellten kein ernsthaftes Hindernis dar. Und dass er schon mal vorübergehend Fußgänger war? Pah! Lediglich einen Monat lang! Kein Beinbruch! Warum mussten diese dämlichen Sicherheitsfanatiker auch die B33 auf 80 Km/h begrenzen? Wegen der paar toten Deppen, die nicht Auto fahren konnten? Lächerlich!

    Sein guter Verdienst als Geselle in einem nahegelegenen, recht bekannten Fleischereibetrieb, Richtung Schramberg, ermöglichte ihm eine eigene kleine Zweizimmerwohnung in Schiltach. Das wichtigste Möbelstück darin bestand aus einem extrabreiten Bett. Sowie einem gut gefüllten Kühlschrank. Vor allem mit Bier. Essen? Wozu? Dafür gab's in der Nachbarschaft genügend gemütliche Kneipen!

    Und zudem besaß er, nicht zu übersehen, einen Großbildfernseher an einer aufwendigen Satellitenschüssel und einen DVD-Player – schließlich musste man die zum Anheizen vorgesehenen Filme bequem betrachten können - sowie zusätzlich eine erlesene Sammlung von Horrorfilmen. Nicht zu vergessen, seine Heavy-Metal-CDs. Halt alles, was ein richtiger Mann nun einmal brauchte.

    Kondome vor allem! Eine ganze Nachttischschublade voll! Schließlich legte er einen besonderen Wert auf Safer Sex und vor allem darauf, ja keine der Tussis versehentlich zu schwängern!

    Also wirklich! Was erwarteten diese Schlampen sonst noch?

    Tief in seine betrübten Gedanken versunken, achtete er kaum auf die Gespräche seiner Kumpel. Mit seinen neunundzwanzig Jahren war Karl der Älteste und zugleich der Wortführer des Quartetts. Normalerweise. Außer wenn ihn mal wieder eine abserviert hatte. Danach hielt er sich vorübergehend zurück.

    Die anderen drei?

    Dirk war gelernter Industriekaufmann, hochgewachsen, gut einsfünfundachtzig groß und dabei sehr schlank, eher schon recht hager. Ab und an zog er mit jungen Frauen aus der Schiltacher Firma, in der er arbeitete, um die Häuser. Aber zu einer festeren Bindung hatte es bisher nie gereicht. Im Gegensatz zu Karl nahm er die Sache mit Frauen leicht. Wenn eine ›Ja‹ sagte, gut, wenn nicht, was sollt's? Eine flüchtige Begegnung alle paar Monate genügte ihm, mehr wollte er nicht. Eine dauerhafte Beziehung? Dafür fühlte er sich noch viel zu jung. Später vielleicht. Erst wollte er mehr von seinem Leben haben. Sagte er. Wenn man genauer nachfragte, was dies bedeutete, konnte er seine Wünsche und Ziele nicht richtig beschreiben. »Abwarten!«, gab er auf diesbezügliche Fragen zur Antwort.

    Statussymbole waren ihm hingegen wichtig. Eine mit teuren Möbeln ausgestattete Zweizimmerwohnung im Kernstadtbereich, ungefähr fünfzig Quadratmeter aufweisend, war sein ganzer Stolz. Während der Arbeit trug er stets Anzüge und geschmackvolle Krawatten, immerhin hatte er dienstlich Kundenkontakte. Hinzu kam sein dunkelblauer Golf V, nicht gerade billig. Na ja, so ganz stimmte es nicht, denn genau genommen handelte es sich um einen Vorführwagen. Immerhin machte der auf dem Firmenparklatz einen guten Eindruck. Kein Vergleich zu den vielen anderen mickrigen Kleinwagen, welche dort dutzendweise herumstanden!

    Hans?

    Dieser arbeitete in der gleichen Firma wie Dirk, jedoch in der Fertigung als Feinmechaniker. Manchmal sahen sie sich in der Kantine, ansonsten hatten sie arbeitsmäßig nichts miteinander zu tun. Angestellte und Arbeiter. Eine althergebrachte Zweiklassengesellschaft. War dort schon immer so und würde es vermutlich weiterhin noch recht lange bleiben. Mit seinen achtundzwanzig Jahren wohnte er als Einziger der Freunde bei seinen Eltern. Warum auch nicht? Ein geräumiges Zimmer mit Vollversorgung im Hotel Mama und Papa. Was wollte er mehr? Sein Geld sparte er, wo es nur ging. Einzige Ausnahme waren seine Bierchen. Außerdem hatte er im Gegensatz zu seinen Kumpels eine klare Vorstellung von seiner Zukunft: ein bescheidenes Häuschen und eine nette, sparsame Frau. Des Nachbars Töchterlein? Sehr gerne! Er himmelte sie aus der Ferne an, getraute sich aber nicht, sie anzusprechen. Aber vielleicht demnächst, bei einem der üblichen Stadtfeste? Wer weiß? Andererseits, wenn er sie einladen würde, konnte das auf Dauer kräftig ins Geld gehen. Wenn sie gar bei ihm bliebe und ab und an tanzen gehen wollte? Oder womöglich ins Kino mit ihr und anschließend vielleicht zusammen noch eine Kleinigkeit essen? Beim Gedanken an die zu erwartenden Kosten wurde ihm bereits schlecht. Diese Ausgaben! Man konnte es drehen und wenden wie man wollte, nur ein Begriff wurde Hans gerecht: Er war schlicht und ergreifend geizig! Ein Schwabe wie aus dem Bilderbuch!

    Und der Letzte im Bunde?

    Ullrich, von allen stets Ulli genannt und gerufen. Mit sechsundzwanzig der Jüngste im Quartett. Und der Ruhigste. Kaum, dass er das Wort ergriff. Er stammte zudem nicht aus der Gegend. Kam aus Nordbaden. Dort hatte er keinen geeigneten Arbeitsplatz gefunden – der Betrieb, welcher ihn ausgebildet hatte, musste unerwartet Insolvenz anmelden – und war deshalb hierher gezogen. Von Anfang an bewohnte er eine winzige Dachgeschosswohnung im Hause seines jetzigen Meisters. Dieser betrieb eine kleine Möbelschreinerei, nur er und drei Gesellen, Ullrich mitgezählt. Die zwei anderen Gesellen waren älter als er, längst verheiratet und hatten Kinder. Gestandene, ernsthafte Männer. Sie hatten Ullrich gleich akzeptiert und es ihm leicht gemacht, sich hier einzugewöhnen. Lediglich mit Freunden in seinem Alter hatte es anfangs nicht so recht geklappt. Zumal er kein Auto besaß. Er legte keinen Wert auf ein eigenes Fahrzeug. Und einen Führerschein besaß er vermutlich auch nicht. Er benötigte auch keinen. Für die nähere Umgebung genügte sein Trekkingrad. Ansonsten waren die vorhandenen Bus- und Bahnverbindungen für ihn mehr als ausreichend.

    Ein Mal die Woche fuhr er mit der Bahn nach Offenburg, der Kreisstadt der Ortenau. Niemand wusste, was er dort tat, aber jeder dachte sich seinen Teil. Zumal Ulli danach immer recht müde und erschöpft war. Ja, ja! Die jungen Männer halt! In Offenburg gab es einige mehr oder weniger diskrete Etablissements und, wie man von einigen Seiten munkeln hörte, auch viele nette Thaifrauen. Natürlich wusste niemand Genaueres. Was zusätzlich zum Tratsch beitrug. Aber da ihn keiner je dort angetroffen hatte, hüteten sich alle, zu deutlich zu werden. Schließlich wollten sie keine Anzeige wegen übler Nachrede riskieren. Im Stillen wurde indessen weiterhin fleißig getuschelt und gemutmaßt, zumal man ihn nie mit einer Frau sah. Ullrich störte es nicht und der Meister lächelte verständnisvoll. Ein junger Mann im besten Saft und voller Kraft? Verständlich! Da war ein Mal die Woche keineswegs zu viel! Zumal es der Qualität seiner Arbeit keinen Abbruch tat. Eher im Gegenteil! Am Tage ›danach‹ war seine Arbeit eher noch besser!

    Was diese anbetraf, so war Ullrich ein überaus geschickter Tischler und entwickelte sich unter den Fittichen des Meisters mehr und mehr zu einem erfolgreichen Restaurator alter Möbel hin. Was sich schnell herumsprach und der Schreinerei weitere lukrative Aufträge bescherte. Der Schreinermeister war von seinem jüngsten Mitarbeiter sehr angetan!

    »Alles ausgebuffte ...«, grummelte Karl wieder vor sich hin, wobei das letzte Wort nicht mehr verständlich war. Egal, sie konnten's sich denken.

    »Wir sollten zahlen und Karl nach Hause bringen! Der gehört ins Bett und sollte seinen Rausch ausschlafen!«

    Ullis Vorschlag wurde, wenn auch unter heftigem Protest von Karl, angenommen. War auch wirklich besser so!

    *

    Wie war er damals an die drei Kumpels geraten? Genau genommen, reiner Zufall. So richtig konnte Ulli sich nicht mehr daran erinnern.

    Am Anfang war er einfach in eines der Wirtshäuser in Schiltach gegangen. In einem Touristenort konnte man kaum fehlgehen, ein Gasthof war im Grunde genommen so gut wie der andere. Seitlich, an einem kleinen Tisch, hatte er sich mit einem Krug Bier niedergelassen – wirklich, die Biere im Schwarzwald waren ausgezeichnet! – und entspannt den anderen Gästen zugesehen. Schnell war die kleine Kneipe voll gewesen. Drei junge Männer kamen herein und sahen sich suchend um. Nur an seinem Tisch waren noch ausreichend Plätze frei.

    Sie steuerten auf ihn zu und sahen ihn fragend an, woraufhin er einladend nickend und mit einer leichten Handbewegung auf die Stühle wies.

    Es wurde anschließend ein recht gemütlicher Abend. Wenige Tage später, er probierte gerade die Gasthäuser Schiltachs durch, traf er sie wieder. Sie erkannten ihn sofort und luden in lauthals an ihren Tisch ein. Gerne setzte er sich zu ihnen. Er kannte in Schiltach niemanden in seinem Alter und ein wenig Abwechslung tat gut. Nicht immer allein zu sein, war auch recht schön. Dass man die sie heimlich das ›Loser-Trio‹ nannte – wahrscheinlich würde es nun bald ›Loser-Quartett‹ heißen -, störte ihn nicht sonderlich. Beim Bier ging es nicht um tiefsinnige Gespräche, sondern um die alltäglichen Probleme. Mit Mädchen zum Beispiel.

    Die Jungs stellten keine übertriebenen Ansprüche und nahmen ihn zu den Festen rundherum mit. Ehrlich, diese Touristenorte! Andauernd veranstalteten sie irgendwo ein Fest! Kiwi, Dorfhock, Wein- und Flößerfeste, laufend fand irgendwo eine Veranstaltung statt! Nach den ersten Ausfahrten hatte er sich angewöhnt, möglichst unauffällig bei Dirk oder Hans mitzufahren. Karls Fahrweise war ihm manchmal ein wenig zu unorthodox. Da er noch lange leben wollte ...

    Nette Kumpels, die drei. Und ihre kleinen Macken? Nicht der Rede wert! Zumal, wer war schon perfekt? Dass die Jungs bei ihrer Anmache nicht allzu erfolgreich waren, wen störte es? Andere hatten meist auch nicht mehr Erfolg. Die Ansprüche der jungen Damen heutzutage - na ja, Damen waren sie meist eher selten, zumindest waren sie nicht annähernd das, was er unter einer Dame verstand -, waren ziemlich hoch. Ob diese zu Recht bestanden, bezweifelte er. Kein normaler Mann konnte mit den gestylten Typen aus Film, Fernsehen oder Hochglanzmagazinen konkurrieren. Was viele Frauen überhaupt nicht einsahen. Die blendend aussehenden Typen besaßen meist noch weniger Gehirn als ihre jeweiligen Freundinnen, welche wiederum oftmals mehr in der Bluse als im Kopf hatten. Kein Wunder, dass es derart viele alleinerziehende Mütter und gescheiterte Ehen gab!

    Und da dem ›Quartett‹ in der hiesigen Damenwelt kein allzu guter Ruf voraneilte – genauer, er war sogar äußerst negativ! -, kam er auch nicht in die Verlegenheit, sich mit Mädchen abgeben zu müssen. Sein Beruf und seine Hobbys füllten ihn voll aus. Und außerdem sollte er sich in nächster Zeit das Angebot seines Meisters in aller Ruhe überlegen ...

    Andererseits, er hasste es, von jemandem abhängig zu sein, jemandem Dank zu schulden.

    Plötzlich kam ihm die Erleuchtung: Plan ›C‹!

    Überwiegend online abgewickelt, der unumgänglich notwendige Rest an Papierkram über ein diskretes Postfach ausgeführt! Sein tariflicher Urlaub würde zwar auf Dauer nicht ausreichen, aber ein oder zwei Wochen unbezahlt freinehmen war sicher möglich! Und niemand in Schiltach würde von Plan ›C‹ erfahren! Klasse!

    Zufrieden rieb er sich die Hände.

    *

    Vor ein paar Tagen hatte ihn sein Chef, Schreinermeister Wagner, beim Frühstück angesprochen:

    »Sag mal, Ullrich! Möchtest Du nicht irgendwann einmal die Meisterprüfung ablegen? Du bist jetzt vier Jahre bei uns und willst sicherlich nicht ewig als Geselle weitermachen, oder?«

    Darauf war er nicht gefasst gewesen, sodass er den Meister überrascht angestarrt hatte. Behutsam griff dessen Frau ein:

    »Wir wissen, dass du viel mehr kannst und weißt, als du nach außen hin zeigst. Du liest viel und etliche deiner Bücher sind derart komplex, dass selbst mein Mann nichts von dem versteht, was drinsteht! Du hast ausgezeichnete Abiturnoten und bist handwerklich sehr geschickt! Du hättest auch das Zeug zum Studieren, wenn du nur wolltest. Möglicherweise liegt dir die Schule als solche nicht besonders, aber eine Meisterprüfung als Tischler oder Schreiner, vielleicht gar als Restaurator, müsste für dich, bei deinen Fähigkeiten, geradezu ein Klacks sein!«

    Er wusste nicht, was er antworten sollte. Dann ergriff der Meister wieder das Wort und meinte abschließend:

    »Überlege es dir, Ulli! Wenn's am Geld liegen sollte, wir helfen dir gerne! Nur, denke darüber nach, ob du für den Rest deines Lebens wie unsere beiden Gesellen leben willst! Sie haben nicht rechtzeitig an ihre Zukunft gedacht, und jetzt sind sie zu alt zum Lernen! Selbst deinen Freunden steht die Welt noch offen! Aus Karl kann jederzeit ein tüchtiger Metzgermeister mit einem eigenen Laden werden, Dirk kann sich ebenfalls weiterqualifizieren und wer weiß, ob sich Hans nicht sogar noch einmal aufrafft? Vielleicht schafft er's zum Industriemeister oder gar zum Techniker? Noch ist alles möglich! Aber mit jedem weiteren Jahr wird es jedem Einzelnen von euch immer schwerer fallen, sich freizumachen, um zu lernen! Nutze deine Chance, solange es noch geht!«

    Der Schreinermeister war sehr ernst geworden. Danach erhob er sich und meinte:

    »Ab in die Werkstatt! Dort warten zum Glück viele Aufträge auf uns!«

    *

    Prüfend blickte er zum Himmel. Der Tag versprach strahlend schön zu werden und vor allem trocken zu bleiben. Ein idealer Samstag für eine ausgiebige Radtour!

    Ein kleiner Rucksack mit isotonischen Getränken, eine dünne, wasserfeste Windjacke, mehr benötigte er nicht. Keine teuren Sportartikel, nur einfache Kleidung. Ja keinen Stress!

    Gemütlich mit dem Trekkingbike das Tal der Schiltach hochfahren, die Schiltachquelle aufsuchen und unterwegs nebenbei auf ein paar Ruinen hochklettern.

    Bis Schramberg ging's verhältnismäßig gemütlich. Zwar immer leicht ansteigend, aber nicht besonders anstrengend. Allerdings wurde es langsam heiß. Mitten in der Sommerzeit eine ausgedehnte Radtour, vielleicht war's doch keine gute Idee!

    Die Burgruine Schilteck und die Ruine Nippenburg, allgemein eher als Hohen-Schramberg bekannt, interessierten ihn nicht. Zu sehr für Touristen hergerichtet. Doch gleich hinter Schramberg lag die Ruine Falkenstein.

    Genau genommen gab es zwei übereinanderliegende Ruinen, die Obere und Untere Falkenstein. Drei Wege führten den Berg hinauf, wobei einzig der mittlere auch über die untere Ruine verlief. Sein Fahrrad band er mit einer festen Kette am Geländer des kleinen Kanals an, welcher zu der Sägerei am Ortsende floss.

    Der Weg führte überraschend steil hoch. Zwar war er einigermaßen breit und bequem, aber die Steigung hatte es in sich. An der Ruine angelangt, ging es durch eine verfallene Mauer in einen Graben. Ziemlich enttäuschend! Gleich darauf erkannte er, wie sehr er sich geirrt hatte. Kaum dreißig Meter weiter erhob sich rechts, ein wenig seitlich und gut zehn Meter hinter ihm, die bisher vor seinen Blicken verborgen gelegene Ruine! Alle Achtung! Er umrundete das Gemäuer und konnte dann das Innere betreten.

    Wirklich, allein schon wegen der Aussicht hatte sich der Aufstieg gelohnt.

    Zuerst ein paar Bilder geknipst, dann eine Rast eingelegt. Seine digitale Pocketkamera reichte für anspruchslose Erinnerungsfotos durchaus, denn seine Ansprüche waren nicht gerade als hoch zu bezeichnen. Hauptsache war doch, man erkannte auf den Bildern überhaupt etwas!

    Nachdem er sich einige Minuten ausgeruht und ein paar Schlucke getrunken hatte, machte er sich weiter auf den Anstieg zur Oberen Falkenstein. Also, was die Steigung anbetraf, es wurde eher noch steiler! Und was den Weg anging, mehr als schmal und dann, der Blick nach unten ...

    Verdammt! Das war stellenweise ja geradezu gefährlich! Er durfte halt nicht dauernd ins Tal hinabblicken!

    Irgendwann war auch das geschafft. Die obere Burgruine war sogar wesentlich besser erhalten als die untere. Ein schmaler Gang führte durch wuchtige Mauern zur höchsten Plattform. Dabei kam er an einer hölzernen Tür vorbei, welche, wie er sich durch kräftiges Rütteln überzeugte, leider verschlossen war. Ein schmaler Spalt gab einen Blick auf einen schweren Holztisch mit geschnitzten Stühlen frei. Ob da drinnen auch noch heutzutage ab und an gefeiert wurde?

    Das Mittelalter ...

    Sein heimlicher Traum, seine innerlich tief brennende Sehnsucht ...

    Eindeutig! Er lebte in der falschen Zeit! Ritter, Knappen und wunderschöne Burgfräulein! Feste und Schlachten, Kämpfe und ausufernde Gelage! Auf sein unbesiegbares Langschwert gestützt, in schimmernder Rüstung, eine holde, blond gelockte Maid im Arm, hoch auf den Zinnen von ...

    Sich nähernder Kinderlärm schreckte ihn aus seinen Tagträumen hoch. Touristen! Sie hatten wohl den breiten, harmlosen Weg Nr. 1 gewählt. Traurig stieg er die ausgetretenen Stufen endgültig hoch, sich oben an die Mauer lehnend, den Blick das Tal hinauf gerichtet. Wieder stiegen Träume in ihm auf. Prächtig gewandete Reiter auf stolzen Rossen, mit wehenden Flaggen und Standarten, gefolgt von knarrenden, ächzenden Wagen ...

    Seine Reisigen, seine Untergebenen ...

    Die Vision war kurz. Gleich darauf fand er wieder in die Realität zurück. Und wieder einmal fragte er sich: Wer war er wirklich? Die Erkenntnis war, wie schon oft, sehr bitter: Lediglich ein dummer Tagträumer der Neuzeit, ohne Ziel und ohne Antrieb. Kein inneres Feuer brannte in ihm. Da war nur kalte, mit der Zeit verwehende Asche ...

    Eine trostlose Zukunft! In den nächsten dreißig Jahren erwartete ihn tagaus, tagein der gleiche Trott! Danach? Rente, Altersschwäche, Krankheit und irgendwann der Tod!

    Keine Abenteuer! Keine Feuer speienden Drachen, keine holde Maid, die es zu erretten galt, keine Wanderungen von Burg zu Burg, überall seine ritterlichen Dienste anbietend, um nach getanem Werk frohgemut weiter zu ziehen. Um am Ende seiner Tage im heldenhaften Zweikampf den eines edlen Recken würdigen Tod zu finden, oder ehrenvoll in einer Schlacht auf der Walstatt zu bleiben! Eine verrostete Rüstung, ein vermodertes Banner, mehr würde danach nicht von ihm Zeugnis ablegen.

    Wieder schrak er auf. Diese ungezogenen Gören! Lauthals brüllend und schreiend quollen sie streitend aus dem engen Gang, sofort die ganze Aussichtsplattform rücksichtslos als ihr Eigentum betrachtend.

    Resigniert stieg er wieder in den Burghof hinab und verließ die in seinen Augen ungebührlich entweihte Ruhe der ehrwürdigen Ruine. Was sollt's. Die Welt war nun einmal hektisch und laut geworden. Wenn er allerdings ein paar Jahrhunderte früher gelebt hätte?

    Müßig, darüber nachzudenken. Eines nahm er sich für seine eigene Zukunft fest vor: keine Freundin und erst recht keine Frau! Die würde vielleicht gar Kinder wollen, solche verzogenen Plagen wie eben. Widerlich! Er schüttelte sich. Und stieg Weg Nummer 3 hinab. Nicht zu steil und dennoch weit weg vom lästigen Teil der Menschheit, weg von den Massentouristen!

    Hinter Schramberg stieg die L175 kräftig an, sodass er froh war, nach rund zwei oder drei Kilometern - er hatte nicht auf den Zählerstand geachtet - die Stelle unterhalb des Felsens zu erreichen, auf der angeblich letzte Mauern der Ruine Ramstein zu finden sein sollten.

    Er fragte einen Bauer, der eben aus dem Feld kam, nach dem Aufstieg zur Ruine. Der lachte und meinte:

    »Links unten am Felsen führt ein Katzensteig hoch! Äußerst steil! Besser wäre es, wenn Sie ein paar hundert Meter weiterfahren und dann scharf rechts zurück abbiegen. Dann kommen Sie auf den Weg, am Steinbruch vorbei, zum Kapellhof! Rund hundert Meter vor den ersten Häusern nach rechts abbiegen, immer am Waldrand und der Bergkante entlang dem breiten Weg folgen!«

    Der Mann lachte wieder, grüßte und ging weiter.

    Ein Katzensteig? Nicht nur steil, sondern wahrscheinlich auch recht schmal? Nicht unbedingt sein Fall!

    Also folgte er dem Vorschlag des Bauern. Dank dessen Beschreibung war alles leicht zu finden. Kritisch wurde es allerdings, als der breite Weg nach kaum zweihundert Metern urplötzlich endete. Ein wenig ratlos sah er sich um, schritt zum Wegende, untersuchte dieses gründlich und wurde zu seinem Entsetzen auch fündig. Ein schmaler Trampelpfad!

    Weiter oder nicht weiter?

    Weiter! Hier winkte immerhin das Abenteuer, auch wenn es noch so klein war. Wollte er nicht immer der mutige und tapfere Ritter sein? Die Wege zu den Drachenhöhlen waren einstens ebenfalls schmal, steil und voller Gefahren!

    Er legte sein Trekkingbike ins Gras, hoffend, dass es niemand mitnehmen würde. Danach machte er sich mit bedenklicher Miene auf den Weg. Seine Besorgnis wurde gleich voll bestätigt. Nach zehn Metern führte der immer tiefer führende Steig den Berghang entlang. Rutschig und kaum mehr als zwanzig Zentimeter breit. Anschließend folgte ein höchstens drei Meter breiter Felsrücken. Rechts und links davon ...

    Wer da hinabrutschte, der würde so schnell nicht mehr anhalten können! Tapfer, wenn auch ziemlich unsicher, tastete er sich mit vorsichtigen Schritten weiter. Er gab es ungern zu, aber besonders schwindelfrei war er nicht. Nicht in dieser Höhe!

    Danach blieb er stehen. Sieh an! Ein ehemaliger Burggraben!

    Augen zu und durch! Selbst wenn gegenüber ein Schild mit ›Betreten verboten‹ an einem morschen Geländer angebracht war. Immerhin, er konnte es verstehen. Allerdings, hundert Meter früher wäre das Schild wohl besser angebracht gewesen! Rechtzeitig zur Warnung, bevor man riskant hierher balancierte. Jetzt gab es für ihn kein Zurück mehr!

    Nach überwundenem Graben, oben auf dem Felsen, zwischen den spärlichen Mauerresten, war überraschend viel Platz. Vorsichtig schritt er weiter auf das in der Sonne liegende Felsenende zu. Bevor es ihm endgültig als zu gefährlich erschien, setzte er sich und sah hinaus ins Tal. Hier oben war er ganz allein. Ein wunderschöner Platz zum Träumen! Ob der Burgherr dies einstens auch so sah? Andererseits, derart hoch und kühn eine Burg auf einen nahezu frei stehenden Felsen bauen, immer in der Gefahr, dass diese eines Tages ins Tal hinabdonnerte. Nein, das war schon wagemutig! Er hätte sich hier sicherlich nicht wohlgefühlt. Zu verwegen errichtet, zu unsicher!

    Trotzdem, der Weg hierher hatte sich gelohnt, auch wenn er sich eingestand, dass er kein zweites Mal hierher kommen würde. Dieser Besuch reichte ihm ein für alle Mal!

    Hungrig untersuchte er den Inhalt seines Rucksackes. Zu Trinken war leider nicht mehr viel da. Und zum Essen? Einige wenige trockene Kekse. Aber diese hier oben - beinahe so frei wie ein Vogel in der Luft! - zu verzehren war ein nahezu himmlischer Genuss! Nachher, in Tennenbronn, konnte er seine Vorräte sicherlich wieder auffüllen.

    *

    Längst lag die Ruine Ramstein hinter ihm. In Tennenbronn hatte er seine Vorräte erneuert und verfluchte jetzt seine miese Kondition!

    Anscheinend hatte er das Training zu lange vernachlässigt, denn der letzte Anstieg, hoch nach Langenschiltach, raubte ihm einen Großteil seiner Kraft und zwang ihn, zweimal eine ungeplante Pause einzulegen. Langsam wurde er wirklich alt. Dann lachte er über sich selbst. Mit knapp siebenundzwanzig Jahren war er noch lange nicht alt!

    Endlich, es war bereits später Nachmittag, erreichte er seinen Zielort. Doch wie nun die Quelle finden?

    Eine ältere Frau, die er im Dorf antraf, verwies ihn an die Wirtin der ›Krone‹ mitten im Ort. Er hatte es zuerst nebenan in der Ortsverwaltung versucht, aber da war kein Mensch anzutreffen. Die Wirtin, eine resolute ältere Dame, kannte die Schiltachquelle.

    »Fahren Sie rund drei Kilometer auf der Straße weiter. Danach kommen sie zum Gasthof ›Staude‹. Die Quelle entspringt dort in der Nähe! Erkundigen Sie sich in der Gaststätte nach ihr!«

    Na also! Jetzt konnte nichts mehr schiefgehen! Nach ein wenig Auf und Ab, eben war hier nichts, war er recht froh, endlich angelangt zu sein. Schnell in der ›Staude‹ nach der Quelle fragen und anschließend gemütlich vespern!

    Denkste! Niemand kannte dort die genaue Lage Schiltachquelle. Eine der üblichen Ausschilderungen nach dem Motto: ›Zur Quelle‹ hatte er auch nirgends gefunden. Dem hiesigen Fremdenverkehrsverein wünschte er erst einmal in Gedanken die Pest an den Hals. Der Ortsverwaltung von Langenschiltach ebenfalls.

    Laut seiner Wanderkarte kamen mehrere Quellen in der näheren Umgebung in Betracht. Aber welche war es denn nun? Die beim Oberhof? Oder die bei den Deisenhöfen? Oder eine der anderen nicht genau gekennzeichneten Quellen, irgendwo inmitten der Weiden und Wiesen? Er konnte sich nicht entschließen. Verägert gab er auf. Sollten sie sich ihre blöde Quelle sonst wo hinstecken!

    Inzwischen war er müde, hungrig und auch durstig. Die Rückfahrt nach Schiltach würde kein Problem sein, auch zeitlich gesehen nicht, da es überwiegend bergab ging. Was hieß, dass er sich erst einmal ausruhen konnte.

    Natürlich war der weithin bekannte Gasthof, nicht verwunderlich für einen Samstagabend in der Hauptferienzeit, proppenvoll. Sie setzten ihn freundlicherweise auf einen der wenigen freien Stühle am normalerweise reservierten Stammtisch. Die vier dort anwesenden älteren Männer musterten ihn kurz und einer meinte:

    »Sind Sie nicht der junge Mann, welcher vorhin nach der Schiltachquelle fragte?«

    Nickend bestätigte er.

    Einer der Alten, er hielt ihn seinem Aussehen nach für einen Jäger oder Förster, meinte:

    »Ich kann mich auch nicht erinnern, welche derzeit amtlich die ›echte‹ Quelle ist, zumal sich diese kleinen Quellen laufend verändern! Mal versickern sie, mal kommen sie einige Meter weiter oben oder unten wieder zum Vorschein. Aber dies hier ist zumindest das Quellgebiet der Schiltach!«

    Zustimmend äußerten sich hierzu die anderen am Stammtisch, auch wenn er sie nicht so richtig verstand. Ihr Dialekt war viel zu undeutlich. Seltsam und ungewohnt altertümlich klingend.

    »Warum suchen Sie denn die Quelle?«

    Ulli lachte kurz auf:

    »Ach, nur so! Ich bin vor Jahren von Nordbaden nach Schiltach gezogen und wollte rein aus persönlicher Neugier einmal sehen, wo der Fluss entspringt, welcher in Schiltach gleichsam in der Kinzig untergeht! Nicht allein das Ende, sondern auch den Anfang des Flusses kennenlernen!«

    Das schienen sie sofort zu akzeptieren. In diesem Moment bekam er sein Essen serviert, über welches er sich hungrig hermachte.

    Die Männer hatten ihre Stimmen gesenkt, sodass er lediglich einige wenige Wortfetzen mitbekam, zumal er, mit vollen Backen kauend, sowieso kaum etwas verstand.

    »... Schiltach? ... unter der Ruine? ... Nein! Hör endlich richtig zu!« Eine der Stimmen wurde geringfügig lauter. »Nordöstlich überm Fluss ... im Felsen! ... aber nur mit dem richtigen Schlüssel!«

    Vorsichtig sah sich einer der Alten um, als ob er nachschauen wollte, ob ihnen einer unerlaubt zuhörte. Wie erwartet kümmerte sich keiner um die Männer am Stammtisch und er selbst setzte ein möglichst unbeteiligtes Gesicht auf und tat, als ob er sich einzig und allein mit seiner Mahlzeit beschäftigen würde.

    Dennoch sprachen sie ab sofort wiederum leiser, steckten die Köpfe eng zusammen. Er strengte sein Gehör an, aber sie waren nicht mehr zu verstehen. Inzwischen war er satt und saß zufrieden da. Plötzlich vernahm er noch zwei deutliche Worte:

    »... Rübezahls Kräutergarten ...!«

    Rübezahl? Was hatte der mit dem Schwarzwald zu tun? Dessen Heimat und Spukgebiet war seines Wissens nach ausschließlich das Riesengebirge.

    In diesem Augenblick kamen lärmend die nächsten Gäste zur Tür herein, was bedeutete, dass er ab sofort endgültig nichts mehr verstand. Andererseits, was gingen ihn die Gespräche der Männer hier am Tisch an? Nichts! Gar nichts!

    Er winkte der Bedienung und zahlte. Danach ging er, seinen vier Tischgenossen freundlich grüßend zunickend. Es war nett von denen, dass sie ihn am Stammtisch essen ließen und sich durch ihn nicht gestört fühlten.

    Nun war es höchste Zeit heimzufahren, vor allem, wenn er einigermaßen im Hellen in Schiltach ankommen wollte. Behände schwang er sich auf sein Rad und fuhr los.

    Niemand beachtete die Männer, welche vor der Tür des Gasthofes standen und Ullrich aufmerksam hinterher sahen.

    »Er hat es gehört! Ob er wirklich derjenige ist, den die Zeichen verkündet haben?«

    Eine rein rhetorische Frage.

    Verblüfft rieb sich ein junges Pärchen die Augen. Hatten nicht gerade eben vier Männer neben der Gasthoftür gestanden? Wohin waren die denn so plötzlich verschwunden?

    Aber weit und breit war niemand zu sehen! Achselzuckend ging das Paar weiter. Und vergaß ...

    *

    Angstvoll stöhnend, schwitzend und zitternd erwachte er. Einige Herzschläge lang versuchte er herauszufinden, wo er war.

    In seinem Bett! Kaum, dass er es glauben konnte!

    Soeben noch jagte ihn ein riesiger, schwarzer Hund mit feurig gelb flammenden Augen durch von düsterem Grauen erfüllte Höhlen, im nächsten Moment stürzte er durch endlose Schluchten, um atemringend in eiskalten Strudeln unterzugehen. Albträume! Furchtbare, Angst einflößende, unerklärliche Albträume!

    Sein Kopfkissen, sein Laken, beides durchgeschwitzt! Zudem fror er erbärmlich! Seine Bettdecke? Die lag zerknüllt auf dem Bettvorleger und durch das Fenster fielen eiskalte Regentropfen herein! Verdammt! Ein in der Nacht überraschend aufgetauchtes Gewitter hatte schlagartig die milde Abendluft verdrängt. Der dadurch jäh eingetretene Temperatursturz betrug sicherlich mehr als zehn Grad! Mist!

    Fluchend schloss er das Fenster und machte, dass er, obwohl es mitten in der Nacht war, schleunigst unter die warme Dusche kam. Anschließend zerrte er ein frisches Kopfkissen aus dem Schrank und bezog wütend die Matratze mit einer trockenen Zwischenlage und einem neuen Spannbetttuch.

    Das ununterbrochene Prasseln an den Fenstern, die laufend aufzuckenden Blitze und der krachende Donner nervten ihn ziemlich und verhinderten, dass er gleich wieder einschlafen konnte. Am nächsten Morgen erwachte er unausgeschlafen und wie gerädert.

    Ein Blick in den Spiegel ...

    Eindeutig! Er hatte sich gestern einen kräftigen Sonnenbrand und darüber hinaus auch einen satten Sonnenstich geholt, der Übelkeit und dem Schwindel nach zu urteilen. Seine Augen glänzten fiebrig.

    Viel konnte er dagegen nicht tun. Ein fiebersenkendes Mittel, ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen und gleich wieder hinlegen. Den Sonntag zum Ausruhen nutzen und ansonsten vergessen! Sch...!

    *

    Besorgt betrachtete Frau Wagner ihren jüngsten Gesellen. Na, den hatte es böse erwischt!

    Als sich Ulli nach dem Frühstück in die Werkstatt begeben wollte, schritt sie energisch ein:

    »Halt, Ulli!

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