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Der Duft der Welt: Band 2: Kurzgeschichten surreal
Der Duft der Welt: Band 2: Kurzgeschichten surreal
Der Duft der Welt: Band 2: Kurzgeschichten surreal
eBook230 Seiten3 Stunden

Der Duft der Welt: Band 2: Kurzgeschichten surreal

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Über dieses E-Book

Tagträume
Real ist, wenn Du Dich einen Augenblick auf eine Parkbank setzt und in den Tag hineinträumst. Surreal ist, wenn Du auf dieser Bank einen Traum hast, der unwiderruflich in Erfüllung geht, ob Du nun willst oder nicht. Schicksal ist, dass Du diesen Traum nicht überlebst…
Wenn das Leben net des Leben wär', müsst' man meinen, es wär' surreal.
Manchmal scheinen Situationen zu unwirklich um wahr zu sein. Was einst Traum war, ist heute Realität und schafft Platz für neue Welten in uns, durch uns. Unsere Vorstellungskraft scheint unbegreifbare Grenzen zu durchbrechen, um sie immer wieder zu erweitern. Oft scheint der Traum zu surreal, zu unerreichbar, bis wir erkennen, dass ein Teil erfüllbar wäre, Realität werden könnte. Es scheint, dass der Traum die Macht hat, sich zu verwirklichen, wenn er nur stark genug in uns verankert ist und wir verrückt/entrückt genug sind, ihn zu realisieren. So scheint das einst Surreale greifbar, wenn die Wirklichkeit den Traum einholt.
Dem Leben sind Grenzen gesteckt, dem Traum nicht - also was hält uns davon ab, direkt hineinzufliegen in unsere Träume? Ist der Traum nicht der Motor zur Realisierung unserer Vorstellungen? Also starten wir ihn, den Motor, und fliegen hinauf zu den Sternen, dorthin, wo unser Traum, unser Schicksal auf Erfüllung wartet.
So sitzt Du am Ende des Tages auf Deiner Parkbank und träumst. Nur solltest Du aufpassen was Du träumst, denn vielleicht geht Dein Traum in Erfüllung...
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum19. Feb. 2016
ISBN9783739283555
Der Duft der Welt: Band 2: Kurzgeschichten surreal
Autor

Michael Eisner

Geh Deinen eigenen Weg, und keiner kann Dich überholen. Michael Eisner, 1963 im schönen Wien geboren. Der beamtete Sinnsucher des Lebens, bringt die Liebe und den Schmerz in seinen Gedichten, Theaterstücken und Kurzgeschichten zum Ausdruck. Mit offenen Augen und offenem Herzen, schreitet der clownsophische Lyritist durch die Welt der Menschen und versucht dabei die Philanthropie nicht aus den Augen zu verlieren. Manchmal gelingt es ihm auch und es scheint, dass dadurch seine und unsere Welt etwas lebenswerter wird.

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    Buchvorschau

    Der Duft der Welt - Michael Eisner

    Dichter

    Der Stern

    Ich, ein männliches Wesen, das die Liebe verloren hatte, wollte nicht mehr einsam sein. Darum beschloss es sich einzupacken und ins Leben zu stellen. Also stellte es sich in ein dunkelblaues Packerl und packte sich mit der Hoffnung ein. Darüber band es eine Schlaufe, die dem Universum glich. Die Sternenkinder beschützten das Ich und schenkten ihm in dieser Zeit Licht. Danach stellte es sich, wie mit dem Universum vereinbart, ins Leben und wartete. Die Zeit verging, denn was sollte sie sonst machen, als zu vergehen. Eines schönen Tages kam ein weibliches Wesen an dem Sternenpackerl vorbei. Da sie sich die Zeit nahm, um ein wenig neugierig zu sein, und es ihr so gut gefiel, öffnete sie es. Das männliche Wesen sprang heraus und lächelte sie an.

    »Wer bist Du?«, fragte sie.

    »Ich«, antwortete das Ich.

    »Was willst Du?«, fragte sie.

    »Deinen Stern«, sagte das Ich.

    »Meinen Stern? Aber ich habe keinen Stern.«

    »Jeder hat einen Stern. Man braucht ihn nur zu berühren«, sagte das männliche Wesen und berührte das weibliche Wesen sanft mit der Fingerspitze unter der linken Brust. Und mit einem Male verspürte sie ein Prickeln abertausender, aufsteigender Champagnerperlen gleich, die sie von den Zehenspitzen bis zu den Haarwurzeln berührten. »Jeder hat einen Stern, siehst Du«, sagte das männliche Wesen, »man braucht ihn nur zu berühren..«

    »Ich liebe Dich«, sagte das weibliche Wesen.

    Das männliche Wesen legte ihre Hand auf seine linke Brust.

    »Dann lass uns zu den Sternen fliegen.«

    »Gut«, sagte sie. Sie nahmen sich bei der Hand und flogen hinauf, mitten hinein in all’ die funkelnden Sterne. Als sie oben angelangt waren, verschmolzen sie zu einem einzigen Stern, der alle Zeit erstrahlt.

    Und wenn man genau hinsieht, spürt man es, das Universum, mit all seinen funkelnden Sternen in seinem Ich.

    Wie auch jedes and’re Ich.

    Das Universum ist voller Sterne, man braucht sie nur zu berühren.

    Ein Tag im Leben des J. Lang

    »Darf ich mich vorstellen?

    Mein Name ist Lang, Julius Lang, Kommerzialrat Julius Lang. Das Gegenteil von kurz. Aber bitte – bitte treten Sie doch näher.«

    Und ich trat, veni – vidi mit gebotener Vorsicht, vorbei an einer tadellos klassischen Philisteruniform. Die Bügelfalten waren so scharf, dass ich in einem respektierlichen Abstand mein Heil suchte, weil ich Angst hatte, verletzt zu werden.

    Herr Lang, pardon Herr Kommerzialrat Julius Lang, stand steif, mit aufgesetztem, aber doch freundlichem Lächeln im Vorraum, und wies mir mit ausgestrecktem Arm den Weg ins Wohnzimmer.

    »Darf ich Ihnen etwas anbieten? Ein Kaffeetscherl vielleicht? Ich darf Ihnen versichern, meine Frau macht den besten Kaffee weit und breit.«

    Steif, aber mit einem herzlichen Leuchten in seinen Augen fuhr er fort.

    »Und vielleicht dazu ein Kekserl? Ich darf Ihnen versichern, meine Frau macht die besten Kekserl weit und breit.«

    Ich lehnte höflich dankend ab.

    Ungläubig verharrend, versteifte noch seine imposante Erscheinung die Gegenwart des Augenblicks, bevor ihn die Zukunft zum Aufbruch einlud. »Nun, wie Sie meinen. Entschuldigen Sie mich bitte einen Moment, ich bin noch nicht ganz fertig.«

    Mit diesen Worten verschwand er eilenden Schrittes, um sogleich mit einem raschelnden Butterbrotpapier zurückzukehren. Dieses breitete er, sorgsam glattstreifend, auf dem Esstisch aus.

    »Scha-atz, hast du mir schon deine Titten rausgelegt?«

    »Ja Schatz, sie liegen auf der Vorzimmerkommode.« Beim Hinausgehen konnte ich seinerseits noch ein leicht abwesendes »Danke« wahrnehmen. Kurz darauf kam er mit den Brüsten seiner Frau zurück ins Wohnzimmer, und sie können mir glauben, es waren schöne Brüste, denn ein möglichst beiläufiger, flüchtiger Blick meinerseits bestätigte deren anziehende Ausstrahlung.

    Kommerzialrat Julius Lang…, pardon Herr Kommerzialrat Julius Lang legte sie vorsichtig auf das ausgestrichene Butterbrotpapier und verpackte sie mit einer zärtlich pedantischen Akribie, die ihresgleichen suchte. Danach verstaute er das Paket in seiner bereits in der rechten Hand haltenden braunen Aktenrindsledertasche und klappte den braunen Aktenrindsledertaschenverschluß mit ein- einer einzigen schon perfekt verinnerlichten Bewegungsroutine in seine Ausgangsstellung zurück. Die darauf folgende Habtachthaltung würde jeden ehemaligen Gestaposchergen einen wehmütig-wärmenden Patriotenorgasmus durch die kranke Seele jagen, wäre da nur nicht dieser Anflug von Menschlichkeit in seinen Augen.

    »Ich wäre soweit, wollen wir?«

    Es folgte eine herzzerreißende Abschiedszene. Man könnte meinen, er ziehe in einen Krieg.

    »Bussi, Bussi, bis heute Abend mein Schatz.« »Ja, bis heute Abend. Bussi«, Umarmung und tschüß.

    Endlich lösten wir uns aus der geborgenen Umarmung seines trauten Heimes.

    Mit schnellen, zackigen Schritten strebten wir unbeirrt und furchtlos durch den natürlichen Kohlenmonoxyd-Großstadtcharme der U-Bahnstation entgegen. Vorbei an freundlichen Morgenmenschen, mit freundlichen Morgenblicken, mit immer freundlichen Rezitationen auf den freundlichen Morgenlippen, wie z.B.: »Host an Tschik, Oida?« Langsam wurde mir bewusst, warum es Morgengrauen heißt.

    In der U-Bahnstation angekommen, waren wir nun in schneidiger Haltung bereit, die uns umgebende Aura zu verteidigen. Den Blick kommunikativ, über die Gleise hinweg, geradewegs auf ein Werbeplakat geheftet. Sei es auch noch so saublöd oder gar nicht vorhanden, das Studium einer leeren Wand erfüllte unter Umständen auch seinen Zweck. Aus wie vielen Ziegeln dürfte dieses einzigartige Kulturdenkmal wohl bestehen? Aha, eine epochale Entdeckung, der Höhepunkt sozusagen. Das ist wirklich eine schöne graue Stromleitung. So formvollendet und so sexy, ja fast schon pervers. Wohin die wohl führt? In die Wand? In den Tunnel? Ins Nirwana?

    Aber halt, aufgepasst! Nur sich ja nicht nach links oder rechts drehen, da könnte man unvermutet, völlig überraschend einem realen menschlichen Wesen in die Augen schauen. Und das wollten wir in unserer einzigartigen Hochkultur ja doch nicht – oder? Nein, oh Gott, dass wollten wir nicht. Unsere so fortschrittliche Doktrin hieß ja schließlich: Durch meine öffentlich zur Schau gestellte philantropische Unbeweglichkeit stärke ich schlussendlich mein Selbstbewusstsein.

    Jawohl!

    Wir sind daher stark und unverwundbar.

    Jawohl!

    Herr Rambo wäre stolz auf uns.

    Wenn die wüssten. Wenigstens für meinen Teil.

    Nun gut, wir verteidigten also pathosschwanger auf dem U-Bahnsteig unseren Feldherrenhügel und warteten auf das Unerwartete, Mystische.

    Den Gedanken kaum ans Universum geschickt, geschah es, das Überraschende, Unvorhergesehene. Die U-Bahn geruhte einzufahren.

    Durch die Reihen der wartenden Morgenzombies wehte ein leiser Hauch der Erleichterung. Die Situation deeskalierte. Die unerträgliche Spannung geruhte sich wieder zu entladen, in Luft aufzulösen, in kalte. Nach kurzen Momenten versteckter Unruhe kehrte die Morgenlethargie in ihren angestammten Ursprung zurück.

    Herr Lang, pardon – ups: ein Fauxpas - Herr Kommerzialrat Julius Lang, saß mir in seiner unvergleichlichen, unverspannten Kontraktionsstellung mit seinem unvergleichlich entwaffnendem Lächeln gegenüber. Auf seinen Knien ruhte die unvergleichlich braun- so braune Rindsgestapolederaktentasche. Oder war’s umgekehrt? Diese an und für sich schon völlig zwanglose Pose verstärkte sich noch durch seine unvergleichlich lockere Philistersitzhaltung. Ein Beamter, wie er im Buche steht, oder sitzt. Eben zu sein hat, zu funktionieren hat.

    Ein plötzlicher Schauer durchfuhr den vom Staate ausgemergelten Verwaltungskörper.

    »Brrr – finden Sie nicht auch, dass es heute etwas frisch ist, mein Lieber? Meine Hände sind schon ganz steif geworden.«

    Währenddessen glitt eine Hand gemächlich in die braune Gestaporindslederaktentasche. Sein darauf folgendes zufriedenes Lächeln, ließ auf eine erstaunlich harmonische Symbiose schließen, deren Herzlichkeit sich in der dunklen Geborgenheit entfalten durfte.

    Auch ich musste gestehen, dass es ein wenig frisch geworden war. Eigene regionale Körperteile hatten in der Zwischenzeit Gelegenheit, noch dazu ohne meine ausdrückliche Erlaubnis, sich ebenfalls zu entfalten. Ja, ich stimmte dem vorbehaltlos zu es musste wohl an der Kälte liegen.

    Ein kurzes Grunzen, oder war es ein Räuspern? Auf jeden Fall kam die Hand des wohl verehrten Kommerzienrates wieder zum Vorschein.

    »Die Kälte hat sich schon gelegt, mein Freund

    Schön für ihn. Ich für meinen Teil musste, um dieselbe erfolgversprechend abbauen zu können, aus dem Fenster der fahrenden U-Bahn schauen, die sich nun auf einer höher gelegenen Trasse fortzubewegen geruhte. Dabei hatte ich die Gelegenheit, die einzigartige Architektur der Jahrhundertwende zu klassifizieren.

    Aha – ein Haus – und noch ein Haus – ein weißes Haus – ein großes Haus – ein Loch – kein Haus… Es half, langsam wurde mir, wie dem Kommerzienrat, wieder wärmer.

    Endlich waren wir angekommen und durchschritten das Tor der Macht, der Demokratie! Macht ja nichts – oder? Ein devoter Augenblick der Ehrfurcht durchdrang das Bürgergebein. Über dem Tore der unaufdringlich demokratischen Machtausübung prangte in großen Lettern:

    Ministerium für irgendwelche Angelegenheiten

    Im Schatten des Kommerzienrates Herrn Julius Lang schwebte ich als Bürgerschatten mit in seine bescheidene Volksverwaltungsstätte und nahm, eines guten Staatsbürgers würdig und vor allem demokratisch widerspruchslos, den mir zugewiesenen Platz ein. Herr Kommerzienrat Lang, Julius Lang, schwebte weiter zum Platze seiner Herrschaftsgewalt, kauerte sich in seinen bescheidenen Jugendstilledersessel, um sogleich hinter seinem bescheidenem Jugendstilschreibtisch zu verschwinden. Was die Macht jetzt bloß machte? Oder macht dies ja nichts? Wie dem auch sei, da ich, der Bürger, seiner Person einen Moment nicht ansichtig war, wusste ich es eben nicht. Hatte er einen akuten Bandscheibenvorfall? Schlief er? War er schon gegangen?

    Nein, welch unerhörter Gedankengang meinerseits. Er, der Mächtige, geruhte sich nur kurz zu bücken, um in der Sicherheit der Sichtlosigkeit eine am Rande befindliche Bundeslade erreichen zu können. Und Bücken war er durch oftmaliges Hinaufschauen im Leben wohl gewohnt. Kurz und gut, er richtete sich also wieder auf und kam mit zwei Brettchen zum Vorschein, die er auf den Tisch legte. Es waren jene Brettchen, auf die Jäger Trophäen zu befestigen pflegten. Nach einem kurzzeitig schon bekannten Rascheln nagelte er die Brüste mit kleinen niedlichen Nägelchen auf die beiden Brettchen. Des Weiteren befand sich ein Porträt im schwülstigen, güldenen Rahmen auf dem Schreibtisch. Darauf waren die Gesichtszüge der ehrenwerten Frau Kommerzienrat zu erkennen, die mit erwartungsvoll aufgerissenen Augen und mit gespitzten roten Kussmundlippen einen erwartungsvoll verführerischen Kuss in den Raum hauchte. Darunter der zart, feminine Orakelspruch der Göttergattin. »Ich liebe dich – Bussi – Dein Schatzi

    Welch bewegender Augenblick des Seins. Die Zeit schien stehenzubleiben. Mir war, als flögen Engelein durch den Raum. Ihr Flügelschlag lag in der Luft.

    Da saß er nun, der Herr Kommerzienrat Julius Lang, eingerahmt in der Aura der Liebe. Mit beiden Händen auf den Brüsten der Frau Kommerzienrat, sah er mit aufgerissenen Augen, den Tränen nahe, seiner Helena entgegen. »Ich liebe Dich auch mein Schatzi, ein dickes Bussi, Dein Mausebärli.« Dabei spitzte er ebenso den Mund. Ein ergreifendes Bildnis inniger Zweisamkeit.

    Stille - die Zeit des Schweigens und der Andacht zog über das Land. Mögen es Minuten, Stunden, Tage oder Wochen sein, ich wusste es nicht, letztendlich war es auch nicht von epochaler Bedeutung. Und in dieser Stille verschwand eine Träne, die sich ihres plötzlichen Gefühlsausbruches bewusst, aber in keinster Weise verlegen war, durch eine kleine Handbewegung des Kommerzienrates im Augenblick ihrer Geburt. Ein letzter Seufzer, danach reckte der Herr Kommerzienrat pflichtbewusst seinen geschundenen Beamtenkörper dem Bildnis des Staatsoberhauptes entgegen. Einen kurzen Moment war ich der Meinung, dass seine Knie wankten. Doch ich, der Unwissende, der Bürger irrte. Denn er, der Kommerzienrat, hatte alles fest in den Händen. Fest? Sagen wir einmal mit gebotener Vorsicht. Und mit eben dieser Vorsicht trug er sie, die Brüste der Frau Kommerzienrat, zur gegenüberliegenden Wand, um sie mittig, der Erdanziehungskraft folgend, aufzuhängen.

    Ich konnte meiner Bewunderung nur den ihr gebührenden Ausdruck verleihen, dass sie schön anzusehen waren, die Zwei. Sie fügten sich - nahtlos gebräunt - zwischen all den Porträts der führenden Staatsmänner und Staatsfrauen ein. Ein Stilleben der Be-Sinnlichkeit. Eine Oase des Friedens, zwischen all dem trügerischen Schein, zwischen all den trügerischen Scheinen.

    Ob die Engel wieder kommen? Ich spürte gar nicht mehr den Hauch ihres Flügelschlages -schlages -schlages.

    Und so träumte er weiter, der Bürger, bis ihm sein Verstand wieder in die Schranken seines Standes verwies. Plötzlich wurde der Herzschlag des Bürgers schneller, das Haupte von einer leichten Röte umgeben. Er begehrte aufzubegehren, dieser Querulant, dieser Wicht. Blasphemie, Verrat, man hole den Inquisitor! Er walte unverzüglich seines Amtes!

    Oooh – Entschuldigung! Nach reichlicher Überlegung kam ich dann doch zu dem Schluss, dass dies natürlich nicht stimmen konnte. Ich nahm alles zurück, alles, auch den Gedanken. Tut mir wirklich sehr leid, Entschuldigung. Hoffentlich konnte der Kommerzialrat, pardon: der Herr Kommerzialrat nicht Gedanken lesen. Mit der einen Hand an einem religiösen Werke freier Wahl, die andere zum Schwure hochgereckt, kam ich zu der unumstößlichen Überzeugung: Brüste sind viel ansprechender, angreifbarer, überzeugender, wärmer, verlässlicher, sind meistens da, wenn man sie braucht! Kurz gesagt, sie halten das, was sie versprechen. Ich stehe dazu, sie lassen einen niemals hängen. Und ganz unter uns, im Vertrauen: Im Gegensatz zu den farblosen Bildnissen, stehen, nein stechen sie so wundervoll hervor, so dreidimensional, so warm, so, so….?

    Ob ich sie wohl angreifen darf? Nur einmal, ganz kurz?

    Schon gut, ich mach’s nicht!

    Vielleicht?

    Nein, aus jetzt, aber sind wir einmal ehrlich, der Fluktuation der an der Wand prangenden Bildnisse steht die ewige Evolution der Brüste entgegen. Ist das nicht herrlich? Es gab sie, es gibt sie, und es wird sie immer geben. Ist dies der Anfang einer neuen Zeit? Das Brustzeitalter? Oder war gar eine neue Bewegung geboren? Und wie sollte sich diese nennen? Statt der Fahnen vielleicht „Hoch die Brüste oder „Freiheit, Brüderlichkeit, Sinnlichkeit? Oder nennen wir sie einfach die…?… die…?… bewegung! -??? Na gut, vielleicht später. Ich kann mir die Geburt dieser Epoche auch zu einem späteren Zeitpunkt durch den Kopf gehen lassen. Gehen wir wieder zurück in die Wiege der Geborgenheit, der Demokratie.

    Mein Blick streifte wie zufällig an der Wand entlang. Da hingen sie also, die Brüste der Frau Kommerzienrat. Und während ich so in meinen Träumen schwelgte, und mir die Tittenevolutionsgeschichte mit all ihrem Facettenreichtum vorzustellen versuchte, wurde ich durch ein leises Geräusch wieder in die raue Wirklichkeit zurückgeholt. Herr Kommerzienrat Julius Lang war gerade dabei, ein braunes Blatt, ein braunes, dem die Fotosynthese des Lebens nicht gewogen war, von seinem Ficus benjamina zu entfernen. Pedantisch trennte er die braune Minderheit aus dem streng hierarchischen Konglomerat der grünen Blätterschar. Täuschte ich mich oder konnte es sein, dass er mit dem Grünzeug im Dialog stand? Er zupfte hier und da, goss sie, lächelte oder brüllte sie an. Das Blattindividuum wurde grüner oder gelber, je nach dem Grad der Zuneigungswillkür. Es wurde da und dort gestreichelt, ehrfurchtsvoll, manchmal gnädig gezogen, ausgerissen, und auf einmal stand er still, der Herr Rat, sichtlich mit sich und dem Ficus benjamina zufrieden und betrachtete sein Wunderwerk. Mit einem wohlwollenden Lächeln um die Mundwinkel, die Gießkanne noch in Händen haltend, drehte er sich zu mir um, dem Bürger, dem Blättchen im Blätterwald.

    »Meein liieeber, lieebär Freund! Ich verspüre plötzlich den Anflug eines leichten Hungergefühles. Wollen wir uns nicht zu Tische begeben?«

    Dass wir wollen, war natürlich außer Frage zu stellen. Nachdem er die Gießkanne mit der rechten Titte seiner Frau ausgetauscht und diese in der Brusttasche seines Sakkos verstaut hatte, also an seinem Herzen trug, schwebten wir in gewohnter Manier, ich in seinem Schatten, zu Tische.

    Die ausgemergelten, stummen Servierkörper schlichen durch den Raum, um den Doppelkinnen und Wohlstandsbäuchen der Macht zu dienen. Selbst der Protagonist eines an der Wand hängenden Dritten-Welt-Plakates, schien aufgrund der bitteren Einfachheit die entwaffnende Wahrheit in den Raum zu stellen. Das Bildnis würde harmonisch mit der Welt des Überflusses verschmelzen, wenn da nicht diese diskrete Aufschrift wäre - PSK Konto Nr. -, doch es schien in keinster Weise Aufmerksamkeit, Interesse zu erwecken. Sein Zweck war einfach nur, stumm und leidensfähig, eine der Seiten des Seins ertragen zu dürfen. Aber wie es schien, hatte es allein durch seine Präsenz eine eigene, einzigartige Daseinsberechtigung erlangt. Nein, nicht erlangt, erkämpft, eingefordert. Ein munchischer Schrei aus dem sozialen Abseits und ein Blick in die Runde bestätigte die triviale Wahrheit. Es schien niemand auf den mit gehärteten Fetten gefülltem Magen zu schlagen, im Gegenteil….

    Herr Kommerzialrat Lang, Julius

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