Angelus Silesius: Textauswahl und Kommentar von Gerhard Wehr
Von Angelus Silesius
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Über dieses E-Book
"Was man von Gott gesagt, genüget mir noch nicht;
Die Über-Gottheit ist mein Leben und mein Licht."
"Wird Christus tausendmal zu Betlehem geboren
und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren."
"Mensch, werde wesentlich, denn wenn die Welt vergeht,
so fällt der Zufall weg, das Wesen, das besteht."
Die berühmten Zweizeiler des "Cherubinischen Wandersmanns" aus der Feder Johann Schefflers, genannt "Angelus Silesius" (1624-1677), gehören zu den Perlen mystischer Literatur der Barockzeit. Sie atmen den Geist eines Meister Eckhart, Jakob Böhme und anderer, von der inneren Glut der Gotteserfahrung Ergriffener. In ebenso kühnen wie scharf ausgeprägten Versen bezeugt er dieses Erleben. Einführend und knapp kommentierend bietet Gerhard Wehr eine konzentrierte Auswahl des Buches, das Unzähligen längst zu einem geistlichen Vademecum (Begleitbuch) geworden ist. Er zeichnet den Weg des jungen Arztes nach, der in den Niederlanden auf seinen schlesischen Landsmann Jakob Böhme aufmerksam wurde und nach schweren Auseinandersetzungen mit lutherischen Theologen zu einer Verinnerlichung seiner Spiritualität gelangt ist.
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Buchvorschau
Angelus Silesius - Angelus Silesius
Cover
Über den Autor
Über den Autor
Dr. theol. h.c. Gerhard Wehr, geb. 1931 in Schweinfurt/Main. Nach langjähriger Tätigkeit auf verschiedenen Feldern der Diakonie und der Erwachsenenbildung, zuletzt als Lehrbeauftragter an der Fachakademie für Sozialpädagogik in Rummelsberg/Nürnberg, arbeitet er als freier Schriftsteller in Schwarzenbruck bei Nürnberg. Ein Großteil seiner Werke zur neueren Religions- und Geistesgeschichte ist in mehreren europäischen und asiatischen Sprachen verbreitet.
Zum Buch
Zum Buch
Eine Auswahl aus dem „Cherubinischen Wandersmann"
„Was man von Gott gesagt, genüget mir noch nicht;
Die Über-Gottheit ist mein Leben und mein Licht."
„Wird Christus tausendmal zu Betlehem geboren
und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren."
„Mensch, werde wesentlich, denn wenn die Welt vergeht,
so fällt der Zufall weg, das Wesen, das besteht."
Die berühmten Zweizeiler des „Cherubinischen Wandersmanns aus der Feder Johann Schefflers, genannt „Angelus Silesius
(1624–1677), gehören zu den Perlen mystischer Literatur der Barockzeit. Sie atmen den Geist eines Meister Eckhart, Jakob Böhme und anderer, von der inneren Glut der Gotteserfahrung Ergriffener. In ebenso kühnen wie scharf ausgeprägten Versen bezeugt er dieses Erleben. Einführend und knapp kommentierend bietet Gerhard Wehr eine konzentrierte Auswahl des Buches, das Unzähligen längst zu einem geistlichen Vademecum (Begleitbuch) geworden ist. Er zeichnet den Weg des jungen Arztes nach, der in den Niederlanden auf seinen schlesischen Landsmann Jakob Böhme aufmerksam wurde und nach schweren Auseinandersetzungen mit lutherischen Theologen zu einer Verinnerlichung seiner Spiritualität gelangt ist.
Haupttitel
Angelus Silesius
Textauswahl und Kommentar von Gerhard Wehr
marixverlagImpressum
Inhalt
I. Einführung
1. Johann Schefflers Lebenslauf
2. Das dichterische Werk
3. Stimmen und Zeugnisse
4. Zur vorliegenden Auswahl
II. Der cherubinische Wandersmann (Textauswahl)
Das erste Buch
Aus dem zweiten Buch
Aus dem dritten Buch
Aus dem vierten Buch
Aus dem fünften Buch
Aus dem sechsten Buch
Literaturhinweise
I. Werkausgaben
II. Sekundärliteratur
Fußnoten
Kontakt zum Verlag
I. Einführung
Wird Christus tausendmal zu Betlehem geboren
Und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren.
Dieser Zweizeiler gehört zu den bekanntesten Versen aus dem Cherubinischen Wandersmann, dieser einzigartigen Perle aus dem mystischen Schrifttum der Barockzeit. Sein Autor Johann Scheffler (1624 – 1677) ist nicht nur dem Literaturfreund bekannt. Noch mehr schätzen ihn die Suchenden auf dem inneren Weg, die Freunde und Freundinnen christlicher Mystik. Längst hat er bei der singenden Gemeinde, bei der evangelischen wie der katholischen, Heimatrecht erlangt. Das zeigen bis heute die Liedstrophen der diversen kirchlichen Gesangbücher. Insofern gehört das Weisheitsgut des Schlesischen Boten zum Grundbestand dichterisch gestalteter Glaubenserfahrung und Gottessehnsucht. Darüber sei nicht verschwiegen, dass auf dem frommen Mystiker ein dunkler Schatten liegt, denkt man an die heute kaum mehr verständlichen Pamphlete des zum Katholizismus konvertierten Streittheologen. Umso eindringlicher wirkt Schefflers Ermunterung und sein Appell:
Halt an, wo läufst du hin – der Himmel ist in dir!
Suchst du Gott anderswo, du fehlst ihn für und für.
An diesen Sinnspruch knüpfte der Schweizer Kirchenhistoriker Walter Nigg (1903 – 1988) sein Wort zum unruhigen Leben des Dichters: »Es war ein ungewöhnlicher Lauf, zu dem der Schlesier ansetzte, außerordentlich bewegt und um scharfe Kurven biegend. Des Dichters Lebenslandschaft ohne innere Anteilnahme zu betrachten ist unmöglich … Aber Angelus Silesius ließ sich durch keinen Zwischenruf zum Anhalten bewegen, er lief ohne Unterbrechung und klammerte sich – himmelssehnsüchtig – an den anderen Sinnspruch:
Christ, laufe, was du kannst, willst du in Himmel ein!
Es heißt nicht stille stehn, du musst der Erste sein.«¹
1. Johann Schefflers Lebenslauf
Johann Scheffler wird Ende Dezember 1624 – der Tag ist nicht mehr exakt zu ermitteln – in Breslau (heute Polen) geboren. Seit sechs Jahren tobt der Dreißigjährige Krieg. Der Vater Stenzel (Stanislaus) Scheffler, ein begüterter polnischer Landedelmann lutherischen Bekenntnisses, ist bereits 62 Jahre alt, als ihm seine 24-jährige Frau Maria, geborene Hennemann, Tochter eines Breslauer Arztes, diesen ersten Sohn schenkt. Am ersten Weihnachtstag empfängt das Kind in der Breslauer Elisabeth-Kirche die Taufe.
Dem Vater ist an einer streng lutherischen Erziehung gelegen. Es ist die nachreformatorische Zeit, in der die beiden Konfessionen einander feindselig gegenüberstehen – der mörderische Krieg, der sich über drei Jahrzehnte erstreckte, beweist es. Der Knabe ist erst dreizehn Jahre alt, als der Vater stirbt. Zwei Jahre später verlieren er und seine beiden jüngeren Geschwister auch die Mutter. Wer von da an für die drei Kinder gesorgt hat, ist nicht bekannt. Wir wissen nur, dass die bei Ableben des Vaters bestellten Vormünder den kleinen Johann ins Elisabeth-Gymnasium der Vaterstadt geschickt haben. Wir hören von der Wertschätzung durch seine Breslauer Lehrer, denen das dichterische Talent des Heranwachsenden auffällt.
18-jährig bezieht Scheffler die heimatliche Universität im Frühjahr 1643, um dort – dem Beruf seines Vaters und Großvaters folgend – Medizin zu studieren. Schon ein Jahr später begibt sich der junge Mann nach Leiden in Holland. Aber es ist nicht allein die Heilkunst, die sein Interesse erweckt. Der Studiosus gerät an mystische Kreise. In den Niederlanden trägt man in jenen Jahren religiös-mystisches Schriftgut zusammen, beispielsweise die damals zum Teil noch ungedruckten Manuskripte des Görlitzer Schusters Jakob Böhme (1575 – 1624), der im Geburtsjahr Schefflers gestorben war. Holländische Böhme-Freunde sind es, die den angehenden Mediziner mit den Schriften seines schlesischen Landsmanns bekannt machen. Aber auch andere mystische Literatur kommt ihm in diesem Zusammenhang zu Gesicht. In einer seiner späteren Verteidigungsreden, die er nach seiner Konversion fanatischen Lutheranern entgegenschleudert, bekennt er zu deren Missfallen: »Dass ich aber etliche Schriften von Jakob Böhme gelesen, weil einem in Holland allerlei unter Händen kommt, ist wahr, und ich danke Gott dafür. Denn sie sind große Ursache gewesen, dass ich zur Erkenntnis der Wahrheit gekommen.«² Der nunmehr begeisterte Katholik spricht offen aus, was er dem lutherischen Mystiker und Theosophen verdankt und was unverlierbar zu seinem Lebensthema geworden ist.
Der Gepflogenheit der Zeit folgend, verbringt der angehende Mediziner einige Jahre in Padua, wo er seine Studien abschließt, nämlich am 9. Juli 1648, mit dem Diplom des Dr. med. et phil. Damit sind die bildungsmäßigen Voraussetzungen für die Ausübung des Arztberufs gegeben. Es ist das Jahr, in dem sich der Dreißigjährige Krieg dem Ende zuneigt. Aber Padua hat dem jungen Doktor nicht nur das wissenschaftliche Rüstzeug geliefert. Der Protestant hat den italienischen Katholizismus kennengelernt, und zwar als einer, den bereits das Feuer der Mystik entflammt hat. Jakob Böhme ist in Schefflers Leben getreten.
Nach der Rückkehr in die Heimat, wo er Gleichgesinnte findet, tritt er in einen Freundeskreis ein, zu dem Daniel Czepko von Reigersfeld gehört, ein Dichter mystisch-religiöser Verse, in denen die Spiritualität Meister Eckarts sowie der schlesischen Landsleute Valentin Weigel und Jakob Böhme poetische Gestalt gewinnt. Für Czepko ist der Mensch das Wesen, das im Spannungsfeld zwischen Zeit und Ewigkeit steht, denn – so heißt es in seiner Consolatio einmal:
»Der Mensch ist ein Port oder Eck, daran sich stößet Zeit und Ewigkeit: und ist