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"Hymnen an die Kirche" der Gertrud von le Fort
"Hymnen an die Kirche" der Gertrud von le Fort
"Hymnen an die Kirche" der Gertrud von le Fort
eBook216 Seiten2 Stunden

"Hymnen an die Kirche" der Gertrud von le Fort

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Über dieses E-Book

Die Studie über die ""Hymnen an die Kirche" der Gertrud von le Fort" ist eine Dissertation, die während des II. Weltkriegs unter schwersten Bedingungen wie Gewalt, Zerstörung, Hunger und Lebensgefahr von Maria Eschbach verfasst wurde.
Gertrud von le Fort betonte stets den Sieg des Glaubens und damit die Gegnerschaft zum damals herrschenden Regime.
Die verschiedenen Elemente der Hymnen werden von Maria Eschbach ausführlich und mit größtem Einfühlungsvermögen behandelt. Sie widmet sich intensiv der Vielschichtigkeit des Werks und entschlüsselt geschickt die Polarität der zahlreichen Antithesen. Des Weiteren erforscht sie die Symmetrie der Hymnen. Insbesondere zeigt die Autorin, dass es sich bei den Aussagen der Dichterin um "Botschaften höherer Wesenheiten und Wahrheiten" handelt.
SpracheDeutsch
HerausgeberEchter Verlag
Erscheinungsdatum8. Aug. 2011
ISBN9783429060237
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    Buchvorschau

    "Hymnen an die Kirche" der Gertrud von le Fort - Maria Eschbach

    Einführung

    Grund- und Wesenscharakter der Einmaligkeit Gertrud von le Forts besteht darin, dass die Dichterin das individualistisch aufklärerische Grundgefüge der neuen Zeit durchbrochen hat. Sie gibt in ihrem Werk, insbesondere in ihren »Hymnen an die Kirche«, die hier Gegenstand näherer Betrachtung sein sollen, eine künstlerische Gesamtschau, die die reine Immanenz überwunden hat. Ihre Leistung ist die Neufügung des Welt- und Menschenbildes, wie es das Mittelalter grundsätzlich und der Barock mehr willensmässig besass. Es ist die Schliessung des klaffenden Risses zwischen Barock und Aufklärung mit ihrer Dichtergestalt. Sie knüpft an die transzendente Wirklichkeit des verratenen mittelalterlichen Ordo an und bricht hervor wie ein Licht aus den von da sich ununterbrochen abzweigenden Irrgängen, die mit ihren vermessenen Zielen alle in Sackgassen geendet haben. Diese Leistung ist demnach als eine säkulare zu bewerten. Um ihr gerecht zu werden, soll im folgenden Einleitungskapitel in einer ersten Betrachtung die entwicklungsgeschichtliche Stellung und Bedeutung der Dichterin und in einer zweiten ihre formale Einordnung vorgeführt werden.

    Für den, der für seine Haltung ein klares Urteil gewinnen will, ist es notwendig, durch die Oberfläche des Geschehens hindurchzusehen und die Geschichte als Ursache und zwar als prima causa für die Entwicklung der heutigen Situation und in unserem besonderen Falle, für die Dichtung, wie wir sie heute sehen, anzunehmen.*

    Diese Geschichte mit ihrem Ursprung und Ziel in Gott hat einen Inhalt, der verwirklicht werden soll in der Anerkennung und Aneignung der von Gott festgesetzten Ordnung der Güter. Zu deren richtiger Anschauung muss sich der ganze Mensch mit seiner dreifachen Konstitution des Denkens, Wollens und Fühlens einsetzen. Das ist nicht selbstverständlich oder allgemein anerkannt. Seit der Aufklärung gibt es einen Hang, die hierarchische Ordnung zu verwirren oder zu leugnen, die Werte der Güter zu nivellieren, wodurch eine naturgegebene Ordnung in eine unnatürliche Unordnung stürzen muss. Diese hat ihre moralische Ursache in der größten Umlügung der absoluten Ordnung, sein zu wollen wie Gott, das Geschöpf wie der Schöpfer selber. Der menschliche Verstand, der nur in Bezug auf seinen Schöpfer, der damit dem Menschen höchste, gottähnliche Auszeichnung verliehen hat, Sinn haben kann, verfällt so dem Wahn der individuellen Selbstbestimmung und geht darauf aus, alles zu erkennen, wie nur Gott es kann. Da er von den menschlichen Seelenkräften den Primat hat, verursacht seine Trübung alle Unordnung der Welt, die in den verschiedenen Seinsbereichen der Lehre, der Religion und des Lebens verschiedene Namen haben kann. Das menschliche Gefühl gerät in eine phantastische Verkehrung seiner gottgewollten Kraft. Das Individuum fühlt sich wie Gott im Schöpferischen selber, das im realen Sinn ein absolut unmitteilbares göttliches Prinzip ist. Dieselbe chaotische Erhöhung beansprucht der individuelle Wille. Dessen unmittelbaren Regungen im sinnlich seelischen Leben schreibt man göttliche Kraft zu – also ist man ihnen sorgfältige Pflege und Verwirklichung schuldig. Was die immanente Logik dieses Irrtums bewirken muss, ist klar: sie führt den Menschen von Stufe zu Stufe tiefer in die Verwirrung hinab. Sie bewirkt notwendig die Loslösung aller Gebiete des Lebens, des Wissens und der Kunst von ihrer höchsten Autorität, Gott, und von seiner Sichtbarwerdung auf Erden, der Kirche. Damit aber verursacht sie gleichzeitig den Verlust der tragenden organischen Mitte und den Beginn eines Scheindaseins der aus dem nährenden Mutterboden herausgerissenen Einzelgebiete.

    Der Individualismus als historische Erscheinung ist aber nicht erschöpfend mit dieser moralischen Bewertung zu beurteilen. Es geht nicht, für sein Auftauchen nur Gründe subjektiver Art anzuführen, da es in der Geschichte der Menschheit nie etwas Sinnloses geben kann, was die menschliche Verkehrung der wahren Ordnung aber zweifellos bedeutet. So ist der moderne Individualismus nicht allein erwachsen aus dem stolzen Wahn und dem Mündigkeitsstreben des Subjekts, sondern ist auch bedingt in der historischen Situation und der tiefen Problematik des mittelalterlichen Menschen. Indem schon der spätmittelalterliche Nominalismus Vernunft und Erkennen von der religiösen Wahrheit abtrennt, und der Humanismus die ratio von den lebenspendenden Seelenkräften des Wollens und des Fühlens löst, bereiten diese beiden Geistesströmungen dem aufklärerischen Rationalismus den Weg, der die Vernunft selbstherrlich und herrisch macht. An die Stelle der lebendigen Wahrheit setzt sie leere Formeln. Aus dem blühenden Organismus der verschiedenen Wissenszweige, die in theologisch religiöser Sinngebung danach gestrebt haben, eine allgemeine Deutung der Welt von einem lebenspendenden Mittelpunkt zu geben und zu einem grossen Weltbild zu ordnen, wird mit der Leugnung des höchsten und tragenden Prinzips, Gottes, ein zusammenhangloses, voraussetzungsloses Einzelwissen, eine zwar grosse, aber letztlich sinnlose Wissensansammlung, die schliesslich wie ein versandeter Fluss in Lebensverarmung endet. Ohne die Grundlage der objektiven religiösen Wahrheit und nicht mehr zu ihr hinführend, schlägt das rationalistische Wissen bald in sein Gegenteil um, in die Skepsis, in den Zweifel an der eigenen Erkenntniskraft bis in die Verzweiflung an jeder objektiven Wahrheit überhaupt. Diese unchristliche Philosophie seit Descartes führt notwendig in die Selbstauflösung, auf welchem Wege auch nicht viel fruchtet, dass die deutsche idealistische Philosophie von Kant bis Hegel die Reste der menschlichen Erkenntnismöglichkeit zu retten sucht, und dass man heute diese Lehren zu erneuern und zu bewahren sich bemüht. Die Philosophie im Bereich des reinen Denkens ist trotz grosser Leistungen an sich selbst gescheitert. Weder dem Rationalismus noch dem Idealismus gelingt es, ein einheitliches Weltbild zu schaffen. Keine einzige der individualistischen Lehren ist eine den Menschen objektiv tragende und sichernde Macht. Im Zwiespalt zwischen Geist und Wirklichkeit tasten sie das von der Kirche gehütete Geheimnis des Göttlichen an, finden in dem Chaos ihrer individualistischen Einfälle und Beobachtungen nicht mehr den Zugang zur Wirklichkeit und berauben den Menschen der Grundlage und Voraussetzung aller Religiösität, der Ehrfurcht. So steht der Mensch der Neuzeit ohne Scheu vor dem Göttlichen und der Natur, die er als blinde Materie aus ihrer gottgewollten Bestimmung herauslöst und vergewaltigt. Dem heutigen Menschen ist auf diese Weise der Boden unter den Füssen weggezogen, wegphilosophiert worden. Die individualistische Ideologie hat sich als Leben ohne Substanz erwiesen. Gedankensysteme sind wertlos geworden. Der Mensch ist gezwungen, sich mit der wirklichen Existenz, der konkreten Wirklichkeit, der er sich müde und leer entgegengestellt sieht, auseinanderzusetzen. Nur zweierlei bleibt ihm übrig: entweder zurückzugehen an die Stelle, die vor der verhängnisvollen individualistischen Loslösung die einzig massgebende war, oder sich durch Bejahen seines Daseins und Soseins auf seine nackte Existenz zu stellen und die Verzweiflung angesichts des Nichts abzuwehren durch trotziges Jasagen zu sich selbst und dem Abgrund entgegenzuschreiten. Dieses letzte Stadium des modernen individualistischen Menschen, einsam mit seiner Existenz im Kosmos, mitten im Nichts, ist die schärfste Position des Individualismus, aus der heraus nur allerpersönlichste Entscheidung führt.

    An dieser Entwicklung und den Auswirkungen des Individualismus hat die Dichtung gespannt und gequält wie keine andere menschliche Äusserung und Erscheinung teilgenommen, da sie als Puls- und Herzschlag des Lebensganzen alle dessen Seinsbereiche mit einbezieht und sich mit ihnen auseinandersetzen muss. Weder rein geistig noch rein sinnlich, sondern sinnlich und geistig zugleich, wird sie sowohl von den leiblichen als den geistigen Kräften des Lebens geformt. Sie bedarf also für ihre Aufgabe, geformter Lebensausdruck und erhebende Wesenserhellung einer lebendigen Menschengemeinschaft zu sein, einer allgemein gültigen objektiven physischen und metaphysischen Ordnung, d. h. einer tragenden Volks- und Religionsgemeinschaft. Das individualistische Zeitalter aber löst mit seinen zersetzenden Ideen diese Erscheinung auf und setzt an ihre Stelle tote mechanistische Formen. Damit wird Kunst als Ausdruck eines organischen Gesamtlebens unmöglich. Nachdem der Katholizismus im Barock dem Abendland seinen letzten Stil geschenkt hat und über alle beginnende Zersetzung hinweg noch einmal zu einer vollen Harmonie gelangt ist, ist nie wieder ein Ausdruck des Lebensganzen erreicht worden. Was es danach an Kunstformen gibt, sind nur wechselnde Erscheinungen persönlicher Art, Namen, die nichts mehr mit einem gemeinschaftlichen Lebensgefühl und seiner Ausdrucksform zu tun haben. Im Zeitalter des Individualismus gibt es keine allgemein anerkannten Kulturziele mehr, wohl aber eine Menge Einzelpersonen, von denen jede ihre eigene Kultur pflegt. Es werden dabei Werte von hohem, teilweise unvergänglichem Wert hervorgebracht, aber diese Werte haben keine tragende objektive Grundlage mehr. Die so an ihren Wurzeln geschädigte Dichtung kann keine Kräfte und Säfte mehr aus dem Volkstum, der leiblich geistigen Urkraft aller Dichtung, empfangen, und ihre Früchte können nicht länger nährende Kost sein für das Volk, da sich der individualistische Dichter nicht mehr als Glied, als Instrument und Durchbruchsstelle der durch Blut und Geist des Volksganzen strömenden Kraft fühlt. Er vergisst, dass in den Gestalten, die er aus dem im Volk ruhenden Leben schaffen soll, dieses sich selbst wiedererkennen muss. Er glaubt sich ein Einzelner und das Dichten ein Vorrecht seines Geistes und seiner Bildung. Darum bringt er auch kein dienendes Kunstwerk, d. h. um der Wesensdeutung und Erziehung des Volkes willen fertig, sondern nimmt die Dichtung vielmehr in den Dienst seines Ichkults. Seine Dichtung ist nicht mehr Geist und Leben, in das ein Strahl des höchsten göttlichen Geistes und Lebens fällt, weil ihr dessen Träger, die Religion, entzogen und damit das Versiegen der universalsten und stärksten Lebensquelle bewirkt wird.

    Fest aber gegen alle individualistischen Auflösungen steht das katholische Einheitsbewusstsein im grossen organischen, Geist und Leben umfassenden Weltbilde, das der Mensch voller Ehrfurcht, im Bewusstsein der Wirklichkeit und eines tiefen Lebenszusammenhanges mit ihm, nie mit dem Verstand zerlegt, sondern mit ungeteilten Seelenkräften in sich aufnimmt, das Weltbild, in dessen Mitte als sichtbare Erscheinungsform die Kirche erlebt wird: sie ist das oberste Lebensprinzip über allen Gemeinschaften und Einrichtungen der Welt und ihrem tiefsten Wesen nach mehr als ein Menschengefüge. Sie ist vielmehr im eucharistisch mystischen Christus der fortlebende Gott in und über der Welt und damit die letzte wirkliche Einheit zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen Mensch und Gott, zwischen Natur und Übernatur. Aus diesem Grund bedeutet sie für die von Gott geschaffene Schöpfung den wirklichen Mutter- und Wurzelboden, das geheime übernatürliche Lebensprinzip und damit ihre notwendige Erfüllung und Beseligung. Der in Christus geoffenbarte Gott hat sich in ihr auf die Erde zu den Menschen gegeben, um gleichsam deren dynamische Wesensform, in gewissem Sinne »Entelechie«, zu werden. Als die höchste der in der Natur stufenförmig aufsteigenden Wirklichkeitsformen werden die Menschen im Verhältnis der Einwohnung Gottes und der Verähnlichung mit ihm zu Einzelpersönlichkeiten erhoben und darüber hinaus durch ihn mit der Gesamtheit der Menschen zusammengefasst. Diese Gemeinschaft versinnlicht Christus im Vergleich mit dem Weinstock, den er selbst darstellt als Lebensspender für die einzelnen Reben, die Menschen. Deren natürliche biologische Beschaffenheit, die äussere Form und Abstammung, wird durch ihn mit dem inneren Leben erfüllt. In geschöpflich angepasster Weise lässt er den Strom göttlichen Lebens ein und durchseelt in barmherzigem Ringen die ihm angegliederte Menschheit unter den eucharistischen Gestalten. Der für diese Gnade bereite und empfängliche Mensch löst sein Ich aus eigenwilliger Verkrampfung, erfährt höchste Erhöhung und Vervollkommung seiner natürlichen Gegebenheiten und festigt sich zur eigenen Unzerstörbarkeit und Unverlierbarkeit in der übernatürlichen Gemeinschaft des Corpus Christi Mysticum. Die juridische Konstitution der Kirche dagegen ist nichts anders, als dieser tiefsten Kirchennatur äussere reale Überbauung, die unzerstörbare sichtbare Stiftung Jesu Christi, in der er das Samenkorn des göttlichen übernatürlichen Lebens für die Welt grundgelegt hat. Als solches beginnt es mit vitalem Drang der Expansionskraft des Organischen zu wachsen, alle Lebensbezirke zu durchbluten, Gegensätze zu umspannen und alle Kulturen, Völker und Menschentypen in sich aufzunehmen.

    Dieses im Mittelalter selbstverständliche und zu höchster Blüte gelangte, dagegen heute nur noch vom katholischen Menschen anerkannte, gottgeordnete Weltbild fällt der individualistischen Zersetzung zum Opfer. Seit der mit der Aufklärung wachsenden Verkennung einer übernatürlichen Ordnung hat deren Trägerin, die Kirche, eine defensive Haltung eingenommen. Aber trotz des steigenden Verlustes ihrer Glieder ist an ihrem Grundbestand, an ihrem eigentlichen Leben, nie etwas verändert worden. Sie geht durch die Zeit der Zersprengung und Auflösungen gesammelt und immer gefestigter hindurch. Wie in einer gottgefügten Entwicklung werden nach und nach die seit dem Individualismus betretenen Wege, der Ausschreitungen, die in flimmernde Subjektivität ohne reale fassbare Ziele geführt haben, zurückgegangen und zwar ehrlich sich mühenden Herzens auf der Suche nach etwas Verlorenem, was dunkel gefühlt wird. Seit alle Selbstherrlichkeit mit ihren verschiedenen vermessenen Ansprüchen und ihrer verwirrten Ordnung, anstatt zur erwarteten menschlichen Göttlichkeit in tiefstes Dunkel und leeres Nichts, ins ohnmächtige Gefühl menschlicher Unzulänglichkeit geführt hat und dort zusammengebrochen ist, schlägt die Stunde der Kirche, aus ihrer Bewahrung herauszutreten und ihre Türen weit zu öffnen für die, die von den verstaubten Strassen und schlecht gewordenen Plätzen aus ihr Licht gesehen haben und in das Haus einzugehen begehren. Um die Jahrhundertwende beginnt die in Unruhe und Bewegung geratene Kirche von neuem ihre objektiven Werte auf allen Gebieten in ihrer unzerstörten Ordnung im Ausweis neuen Glanzes zu zeigen. Sie gibt die erste klare Deutung der Welt und des Lebens von ihrem tragenden göttlichen Mittelpunkt aus im Gegensatz zu den schrankenlosen Überspitzungen des Individualismus, nicht wie ein für die Zeit erblindeter und erstorbener Fremdkörper, sondern als echte geistbewahrende Macht, die sich gegen das Schädliche und Lebensunfähige, Übergriffene der sich schnell ändernden Zeitströmungen absetzt, aber das, was sich als wahr und fruchtbar erweist, in ihren Organismus aufnimmt. Die im Individualismus unsinnig aus ihrem Nährboden gerissenen Einzelwissenschaften bleiben für die Kirche synthetisch, d. h. sie ordnen sich zu einem grossen Weltbild, wie es allgemein im Mittelalter und zuletzt im Barock geschah. Die grossen klassischen Systeme sind dabei richtunggebend. Die Kirche schleppt aber damit keineswegs einen leblosen Gedankenkoloss von Zeitalter zu Zeitalter weiter, sondern sie verarbeitet ihn in der Auseinandersetzung mit den Problemen der Zeit und bedeutet damit die lebendigste Wahrheitsquelle für jede Epoche. Sie konzentriert und schärft ihr Gedankengut in der Abwehr gegen die rationalistisch aufgeklärten Angriffe, deren Waffen sie sich anpassen lernt. Sie bereichert sich an dem hohen Gedankenflug der idealistischen Philosophie ohne aber wie diese dabei den Boden unter den Füssen zu verlieren. Sie macht die Wendung der modernen Philosophie aus dem Abstrakten ins Konkrete mit. Auch sie sieht sich mit plötzlich verändertem Blick der Wirklichkeit, der nackten Existenz gegenübergestellt wie die Existentialphilosophie, bleibt aber nicht wie sie mit ihrer Entscheidung in der trotzig verzweifelnden Selbstpreisgabe stehen, überschweigt nicht den aufdrohenden Abgrund, findet nicht die Lösung der Situation im entschlossenen Schreiten mitten in den Abgrund hinein, sondern gelangt gerade aus dem Gefühl der restlos erkannten Wirklichkeit, aus ohnmächtig subjektiver Verlassenheit und dem Bedürfnis der Hingabe an eine objektive Realität am tiefsten und innigsten zu ihr. Der menschliche Stolz, wie ein zerfetztes Narrentuch um den ausgehungerten Menschen wehend, wird zur letzten demütig starken Entscheidung, sich angesichts der Trostlosigkeit um sich her mit allem Glauben, mit aller Hoffnung und aller Liebe in die Tiefen des Glaubens fallen zu lassen, das »Wagnis des Glaubens« zu vollziehen.

    Mit der seit der Glaubensspaltung notwendig gewordenen Konzentration der Kräfte und der Abwehr gegen äussere Angriffe tritt das dichterische Formschaffen

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