Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

900 MINUTEN: Zombie-Thriller
900 MINUTEN: Zombie-Thriller
900 MINUTEN: Zombie-Thriller
eBook345 Seiten4 Stunden

900 MINUTEN: Zombie-Thriller

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Die rasante Fortsetzung des Zombie-Bestsellers 900 MEILEN!

John ist Vater. Das war er nicht immer. Vor der Apokalypse hatte er einen anderen Job.

Sieben Monate nach den Ereignissen von 900 MEILEN treffen wir wieder auf Kyle und John, die sich nach Avalon zurückgezogen haben.
Sie müssen die schützenden Mauern verlassen und sich in die Welt wagen, die von den Toten beherrscht wird. Sie müssen plündern. Eigentlich sollte es ein Routineeinsatz sein, jedoch merken sie schnell, dass Kräfte im Spiel sind, die diese Reise alles andere als leicht machen …
Die Rückkehr nach Avalon wird zu einem tödlichen Wettlauf gegen die Zeit - durch eine Welt voller Verrückter, die versessen darauf sind, ihnen das Letzte zu nehmen, was ihnen noch geblieben ist: das nackte Leben.
Letztlich muss John herausfinden, ob er nach den Regeln dieser neuen Welt spielen will. Einer Welt, in der die meisten Menschen bereit sind, für das eigene Überleben zu morden. Einer Welt, in der die Menschheit die eigentliche Plage ist.
Wie weit würde ein Vater gehen, um seinen Sohn zu retten?

Macht euch bereit und springt wieder mit Kyle und John in den Hummer - in diesem tempogeladenen Thriller, einer Mischung aus Zombie-Horror und mittelalterlicher Belagerungsschlacht!

----------------------------------------------------------

"Was grandios begonnen hat, wird in diesem Buch klasse und glaubwürdig weiter geführt. Man kann das Buch kaum wieder aus der Hand legen." [Lesermeinung]

"Tolle Figuren, spannend erzählt, bis zum letzten Satz" [Lesermeinung]

"Ein Thriller der Extraklasse. Davon müsste es mehr geben." [Lesermeinung]
SpracheDeutsch
HerausgeberLuzifer-Verlag
Erscheinungsdatum21. Okt. 2020
ISBN9783958350557
900 MINUTEN: Zombie-Thriller

Mehr von S. Johnathan Davis lesen

Ähnlich wie 900 MINUTEN

Titel in dieser Serie (2)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Science-Fiction für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für 900 MINUTEN

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    900 MINUTEN - S. Johnathan Davis

    Plage.

    Kapitel 1

    Meine Knöchel wurden weiß. Ich drückte mich gegen die Instrumententafel. Tasten und Anzeigen blinkten wild durcheinander. Ich bereitete mich auf den Aufprall vor. Ich hatte ein flaues Gefühl in der Magengrube. Der Helikopter machte förmlich einen Sprung in der Luft. Ich glaubte, dass ich schrie. Sicher war ich mir nicht. Es ging alles so schnell. Unter uns sah ich ruhiges, flaches Wasser. Der Strahl des Chopper-Scheinwerfers spiegelte sich darin. Der Lichtkegel wurde kleiner und kleiner. Ich blickte zu Kyle hinüber. Er bog seinen Körper nach hinten, während er wie ein Irrer am Steuerbügel riss. Auch er konnte das nicht aufhalten.

    Ich sah den Aufprall auf dem Wasser mehr, als dass ich ihn spürte. Unbefestigte Gegenstände wurden in einem irren Chaos nach vorne geschleudert. Ich glaubte, die Rotorblätter schlugen als Erstes auf. Der Hubschrauber drehte sich auf die Seite. Ein Verbandskasten flog wie ein Geschoss durch die Kabine. Es gab ein krachendes Geräusch, als er gegen Jarvis’ Kopf schlug. Dunkles Blut spritzte gegen die Frontscheibe. Der Chopper drehte sich wie ein Karussell. Noch eine weitere Drehung und wir wurden durchgerüttelt, als das Heck auf die dunklen Wellen traf. Dadurch prallte ich gegen die Decke des Cockpits. Ein stechender Schmerz durchzuckte meinen Nacken. Mein Körper wurde wie eine Stoffpuppe hin und her geschleudert … ich konnte kaum noch atmen. Die Welt um mich herum verblasste.

    Dann gab es nichts als Dunkelheit.

    Es kam mir so vor, als wäre mir das eisige Wasser nur einen Augenblick später ins Gesicht geschlagen. Ich riss meine Augen auf. Langsam drückte ich mich hoch und musste feststellen, dass ich mich auf der Cockpitdecke befand und zu dem Sitz hinaufsah, auf dem ich gesessen hatte. Das einzige Licht in der Kabine kam von dem, was von der blinkenden Instrumententafel übrig war, die nun über meinem Kopf baumelte.

    Ich fühlte, wie der Druck in meinen Ohren nachließ. Dann biss ich die Zähne aufeinander. Der Chopper sank. Ich drehte mich um, damit ich einen Blick auf die Frontscheibe werfen konnte. Ich keuchte beim Anblick des Wassers, das durch die Fugen der Glasscheibe eindrang. Das Fenster schien dem wachsenden Druck im Augenblick noch standzuhalten. Etwas erregte meine Aufmerksamkeit. Ich bemerkte, dass der Scheinwerfer des Helikopters immer noch eingeschaltet war. Es flackerte kurz und unregelmäßig zwischen langen Seealgen hindurch und winkte zum Abschied, während wir weiter in den Abgrund gezogen wurden.

    Ich blickte zu Kyle hinüber. Er hing kopfüber im Pilotensitz. Kyle war klug genug gewesen, seinen Sicherheitsgurt zu benutzen. Der Schnappverschluss öffnete sich, als ich an einem Hebel zog. Er fiel mit dem Kopf voran und schlug gegen die Cockpitdecke. Kyle landete mit ausgestreckten Armen und konnte sich so mit einer schnellen Bewegung aufrichten. Er sah zu mir herüber und sagte: »Ich hatte schon bessere Landungen.«

    Ich nickte müde und griff mir an den Kopf. Blut tropfe von meiner Stirn. Ich wusste nicht, ob es mein Eigenes war, oder das von jemand anderem.

    »Jarvis ist bewusstlos, aber er lebt!«, schrie Kyle. Er hatte zwei Finger an Jarvis Hals gedrückt und zog sie nun wieder weg. »Wo zum Teufel ist die Waffe?«

    Wir beide richteten unsere Aufmerksamkeit auf die Kabine hinter uns. Die Waffe, eine kleine Neun-Millimeter-Pistole, lag außerhalb von Rodgers Reichweite, unserem vierten und letzten Passagier. Auch er war bewusstlos und beide Beine schienen unter einem der Sitze, der sich gelöst hatte, eingeklemmt worden zu sein.

    Ich tauchte nach vorne, um nach der Pistole zu greifen. Genau in dem Moment kam Rodgers zu sich. Seine Augen waren voller Panik, als er die Situation erkannte, in der er sich befand. Niemand sagte ein Wort. Man konnte kein Geräusch hören, bis auf das allgegenwärtige Tropfen des Wassers, das langsam den Chopper füllte.

    Wir sanken weiter.

    »Holt mich verdammt nochmal hier raus. Meine Beine sind eingeklemmt!«, schrie Rodgers.

    Ich warf einen Blick auf die Waffe in meiner Hand. Das knackende Geräusch der Windschutzscheibe zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Dann breitete sich der erste Riss auf der Oberfläche aus. Wir mussten aus diesem Grab raus.

    Rodgers konnte sehen, was ich dachte. »Wag es ja nicht, John!«, schrie er. »Schieß nicht dieses Glas raus.«

    Ich warf einen kurzen Blick zurück auf die Frontscheibe und konnte sehen, wie die Außenbeleuchtung das trübe Wasser erhellte. Dann landeten wir sanft und mit einem dumpfen Schlag verkehrt herum auf dem schlammigen Grund des Sees. Der Helikopter bewegte sich nach vorne, dann zur Seite. Wir alle rollten mit ihm hin und her, bis er endlich liegenblieb. Eine Bewegung draußen erregte meine Aufmerksamkeit. Etwas hatte sich in der Strömung bewegt. Genau am Rande dessen, was durch die Außenbeleuchtung sichtbar war.

    »Was war das? Was zur Hölle war das?«, brüllte Rodgers und bewegte sich hin und her, um seine Beine zu befreien.

    »Pssst«, flüsterte Kyle, während er den Kopf zur Seite legte.

    Vor Schreck hielten wir alle inne und starrten in die flimmernde Außenbeleuchtung.

    Ein dumpfes Klopfen über uns brach die Stille. Wir waren wie erstarrt. Keiner von uns bewegte sich, als plötzlich ein dumpfes und kratzendes Geräusch zu hören war. Erst war es leise, dann wurde es langsam lauter.

    »Sie sind da draußen, Mann. Zerschieß das Glas nicht. Tue es nicht!«, sagte Rodgers gegen alle Vernunft wieder. Dieses Mal sah er mich direkt an. »Heilige Scheiße … heilige verfluchte Scheiße!«, rief er und deutete auf die Frontscheibe.

    Als wir es alle sahen, fühlte ich, wie mir das Herz in die Hose rutschte. Das schwache Leuchten der Instrumententafel enthüllte zwei leere, rote Augen, die zu uns hineinsahen. Die Augen verrieten, dass es sich um einen Untoten handelte. Die Kreatur glitt vom Fenster in den Schlamm. Für einen Moment verloren wir sie aus den Augen. Dann stand das Monster in all seiner tödlichen Pracht auf, direkt vor der Außenbeleuchtung. In der dunklen Strömung hing die Kleidung locker herunter.

    Ein Schweißtropfen rann über mein Gesicht und meine Hände fingen an zu zittern. Ich konnte fühlen, wie die Waffe wackelte, als die Kreatur auf uns zuwatete und ihr durch das Wasser aufgedunsenes, weißes Gesicht gegen die Scheibe presste. Dadurch wanderte der kleine Riss nur noch weiter die Windschutzscheibe hinunter.

    Das Wasser stieg und war knöcheltief, als Jarvis den Kopf hob. Er schaute sich um und sah mich an, er erkannte die Pistole in meiner Hand und dann sagte er müde: »Sieht so aus, als wären wir in einer etwas misslichen Lage. Nicht wahr, Jungs?«

    Noch mehr Kratzen vom Dach. Zu der Kreatur gesellte sich eine zweite. Beide hämmerten langsam gegen das Glas. Er hatte recht. Wir waren am Arsch.

    »Schaffst du es?«, fragte Kyle und sah auf Jarvis herab.

    »Ich fürchte, ich muss bei dieser gemütlichen Schwimmrunde passen, meine Freunde«, sagte er. Er nahm seine Hand vom Bein und zeigte, dass sie voller Blut war. Ich biss mir fest auf die Lippe, um die aufkommende Hysterie zu verbergen, als wir das Metallrohr sahen, das aus seinem Oberschenkel ragte.

    Die Kreaturen drückten weiter von außen. Das Wasser stand mir bis zum Knie, als Kyle hinter Jarvis ging, um seinen Kopf zu heben.

    »Von wegen, du bist nicht bereit dafür«, sagte Kyle ruhig. »Reiß dich verdammt nochmal zusammen. Wir werden hier rauskommen.«

    »Zerschieß nicht die verdammte Scheibe, John. Es muss einen anderen Weg geben!«, schrie Rodgers wieder. Ich drehte mich um und sah, dass er sich befreit hatte. Seine Augen landeten auf der Waffe, als er auf allen vieren unter dem Metallsitz hervorkroch. Er sah so aus, als wäre er sprungbereit, um mich aufzuhalten.

    Die Luft war abgestanden und ich konnte die sprudelnden Wassermassen hören. Ich beobachtete, wie das Wasser schnell an der Wand des Choppers anstieg.

    Ein Knistern dröhnte aus dem Funkgerät, was unsere Aufmerksamkeit erregte.

    »Jarvis … oh Jarvis. Du bist da unten besser nicht gestorben. Wir sind noch nicht fertig mit dir«, dröhnte eine Stimme aus dem Lautsprecher.

    Mein Blut kochte, als ich die Waffe hob und auf die Scheibe richtete. Dieser Hurensohn am anderen Ende des Funkgeräts hatte uns so viel Schmerz bereitet.

    »Du musst abdrücken. Ihr habt nicht mehr viel Zeit. Tue es«, flüsterte Jarvis.

    Kyle griff nach unten und legte seine Hand auf das Rohr, das aus Jarvis’ schlimm zugerichtetem Bein ragte.

    »Es tut mir leid, alter Freund.« Mit einem schnellen Ruck wackelte er an dem Metallrohr hin und her und riss es von der Decke des Cockpits los.

    Jarvis biss die Zähne zusammen, und ich konnte sehen, wie eine Träne über sein rotes Gesicht lief, aber er schrie nicht. Kyle ließ das Metallrohr fest in seinem Bein und brachte Jarvis in eine sitzende Position, lehnte ihn gegen die Wand aus verdrehten Drähten und Metall.

    Das Funkgerät knisterte erneut. »Kommt schon, Jungs. Ihr gebt doch nicht schon auf, oder? Wir haben so viel Spaß vor uns.«

    Rodgers hielt Abstand von mir und schrie vergeblich in Richtung des Funkgeräts. Er rief nach Hilfe. Dann fixierte er wieder die Waffe. Ich konnte sehen, dass er mich aufhalten wollte, aber ich hielt die Karten in der Hand und er wusste, dass ich nicht in der Stimmung war zu bluffen.

    Kyle hob Jarvis zum vorderen Bereich des Choppers und stütze sich selbst gegen den Sitz davor. Dann sah er mich an.

    »Bist du bereit?«

    »Nein«, erwiderte ich und sah ihm direkt in die Augen.

    »Ich auch nicht«, entgegnete er mit einem grimmigen Lächeln. Ich sah mich zu Rodgers um, während ich die Waffe hochnahm und auf die Scheibe zielte.

    Dreihundert Kilometer lagen noch vor uns, ein Verrückter war uns auf den Fersen … die Welt hatte sich gegen uns verschworen. Aber wie heißt es so schön? Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

    »Tue es nicht, Mann. John. John! Bitte Mann, tue es nicht. Es muss einen anderen Weg geben!«, flehte Rodgers mich an und kam näher.

    Das Funkgerät knackte ein letztes Mal. »Kommt schon hoch, Leute … dieses Spiel hat gerade erst begonnen.«

    Vor seiner Stimme abgeschreckt spähte ich durch das knackende Fenster, und ein einziger Gedanke lief durch meinen Verstand. Die Uhr tickte. Wir hatten nur noch fünfzehn Stunden Zeit. Mit jeder Sekunde, die verging, verloren wir ein kleines Stück unserer verbleibenden …

    900 Minuten

    Früher an diesem Tag, bevor wir in einem Unterwassergrab festsaßen, umgeben von den Toten, die dort herumkrochen … und uns ein Verrückter auf den Fersen war.

    Kapitel 2

    In dieser neuen Welt war ich zu einem Todbringer geworden, und dieser Hammer war mein Ass im Ärmel.

    Ich hatte mich seit zwei Wochen nicht mehr rasiert. Die Stoppeln hätten ein Bart sein können, wenn ich mit einem ordentlichen Bartwuchs gesegnet gewesen wäre. Die Haarpracht war nicht mehr, als ein Durcheinander voller Lücken und bedeckte nur Teile meines Gesichts. Mein Spiegelbild zeigte mir Augenringe, die schlimmer zu sein schienen als sonst. Ich atmete tief ein und sah, wie sich mein Brustkorb hob und wieder senkte. Dabei bemerkte ich, dass mein Gesicht um zehn Jahre gealtert zu sein schien. Zumindest seitdem die Toten angefangen hatten … nun, nicht tot zu bleiben. Ich war tief im unterirdischen Bunker begraben und fragte mich oft, ob wir die richtige Wahl getroffen hatten … diese schicksalhafte Entscheidung, nach Avalon zurückzukehren. Selbst damals schien es eine ziemlich furchtbare Idee gewesen zu sein, zu einem Ort zurückzukehren, an dem wir dazu gezwungen worden waren, als Gladiatoren in einer Arena zu kämpfen, während eine Revolte in den Mauern dieses angeblich sicheren Hafens ausbrach.

    Am Ende kehrten wir vor allen Dingen deswegen zurück, weil wir nirgendwo anders hingehen konnten. Wir hatten also keine richtige Wahl. Da war nur noch Fort Gordon in Augusta und Georgia, was aber eine Sackgasse war. Außerdem waren die Bewohner Avalons dazu bereit, uns mit offenen Armen zu empfangen. Die Helden der Arena. Die Männer, die dabei geholfen hatten, die Elite zu stürzen.

    Ich persönlich war der Meinung, als wäre das alles Bullshit. Wir hatten nur versucht, zu überleben.

    Im Waschbecken spülte ich die siebeneinhalb Zentimeter lange Rasierklinge aus Metall ab und beobachtete, wie die klare Flüssigkeit die Metallschüssel füllte und dann in einer Spirale den Abfluss hinunterfloss. Rasiercreme war heutzutage ein seltenes Gut und ich hatte mich schon viel zu lang davor gedrückt.

    Ich wandte mich vom Spiegel ab und hörte ein winziges Husten aus dem schwach beleuchteten, provisorischen Kinderbett auf der anderen Seite des Raums. Dann legte ich die Rasierklinge hin und schüttelte eine Plastikflasche, die ich in jener Nacht bereits vorbereitet hatte, ging um den Tisch herum und an der langen Seite des Bettes vorbei. Dort lag Tyler. Seine tiefblauen Augen blickten zu mir auf, während er seine klitzekleinen Füße zu seinem Gesicht zog und sie durchknetete.

    Mit meinem linken Arm griff ich nach unten und nahm ihn vom Kinderbettchen hoch. Dann plumpsten wir zusammen auf die Couch. Im Vergleich zu dem, was die meisten Menschen in Avalon hatten, war dieser Raum riesig. Ich denke, die anderen hatten ihn uns nur überlassen, weit weg vom Gemeinschaftsbereich, damit sie nicht mitten in der Nacht das Babygeschrei hören mussten.

    Na ja … ich beschwerte mich nicht.

    Langsam steckte ich ihm den Sauger der Flasche in den Mund und sah auf seine inzwischen geschlossenen Augen hinunter, während er die Milch in einem Zug hinunterstürzte. Man hätte denken können, dass er tagelang nichts zu essen bekommen hatte, aber ich hatte genau dasselbe nur Stunden zuvor getan.

    Ausspülen und wiederholen, die ganze Nacht lang, bis zum Morgen.

    Diese dunklen Nächte mit meinem Sohn, während ich ihn nah an mich drückte und seinen Herzschlag spürte, sollten die schönsten Momente meines Lebens sein. Stattdessen schien ich dadurch einfach viel zu viel Zeit zum Nachdenken zu haben. Zu viel Zeit für Erinnerungen. Zu viel Zeit für Schmerzen.

    Ich saß in der Dunkelheit und versuchte meinen Kopf freizubekommen, aber ich konnte nicht anders und starrte auf sein Gesicht hinunter. Meine Augen wollten sich mit Tränen füllen. Ich schüttelte den Kopf und sah mir den Rost an, der über die metallverkleidete Decke kroch. Noch einmal atmete ich die wiederaufbereitete Luft in meine Lungen.

    Er sah ihr so ähnlich …

    Meine Gedanken drifteten oft zu dem Moment ab, als ich meine Frau zum letzten Mal gesehen hatte. Die Erinnerungen schienen sich immer einen Weg durch diesen dunklen Pfad zu bahnen, bis zu dem Moment, wo sie sich verwandelt hatte. Diese wilden, roten Augen starrten mich ausdruckslos an.

    Ich denke an den Tag zurück, als ich an ihrem Grab stand.

    Das Meiste, was an diesem Tag geschah, war verschwommen … bis auf den Moment, in dem ich meine Frau begraben hatte.

    Ich erinnere mich daran, dass ich eine verrostete Schaufel benutzte. Meine Hände bekamen Blasen wegen des abgenutzten Griffs, während ich haufenweise rote Tonerde hochschaufelte, um ein flaches Grab auszuheben … ich bettete ihren Leichnam genau in der Nähe des Landeplatzes in Augusta zur Ruhe.

    Eine Frau wurde ihrem Mann entrissen. Ein Junge, der niemals seine Mutter kennenlernen würde.

    Wir konnten sie nicht mitnehmen und ich wollte sie nicht zum Verwesen zurücklassen. Ich erinnerte mich daran, wie ich über ihrem Grab stand und meinen Ehering betastete, ihn um meinen geschwollenen Finger drehte. Sie hatte mir gesagt, dass der Ring ein Leben lang hält. Er war aus Titan, einem nahezu unzerstörbaren Metall. Er symbolisierte unser gemeinsames Leben, das wir für immer miteinander verbringen sollten. Meine Hände waren voller Blut, Schmutz und Gott weiß was noch. Wut breitete sich in meinem Körper aus, als ich den Ring abzog und ihn in die frische Erde schmiss. Ich verdiente es nicht, solch ein heiliges Gelübde zu tragen.

    Ich musste sie sterben lassen.

    Dann fühlte ich, wie meine Knie zitterten, und ich fiel zu Boden, um Halt zu finden.

    In diesem Moment fiel mir mein Ehering ins Auge. Ich werde es nicht Schicksal nennen. Es war nicht mehr als ein Sonnenstrahl, der über ihn hinweghuschte, aber ich fühlte mich dazu verpflichtet, hinunterzulangen und den Schmutz davon abzuwischen. Ich hielt inne. Dann hob ich ihn auf und schob das Gelübde zurück auf meinen Finger.

    So leicht konnte ich mich nicht aus der Verantwortung stehlen.

    Letztendlich hat es uns alle umgehauen. Manchmal trifft es uns härter und brutaler als andere. Die Frage ist immer, ob man die Kraft haben wird, wieder aufzustehen? An diesem Tag konnte ich graben und das finden, was ich brauchte, um den Kopf nicht hängenzulassen und weiterzumachen.

    Egal wie schwer ich getroffen worden war und wie einfach es gewesen wäre, sich zusammenzurollen und zu sterben … am Ende durfte ich nicht nur an mich selbst denken. Immerhin hatte ich noch eine Sache, für die es sich zu leben lohnte. Meinen Sohn.

    Ich wischte mit einem Ärmel über mein Gesicht, setzte mich auf, nahm meinen Fuß von dem Tisch vor uns und beugte mich nach vorne, um den Zerstäuber einzustellen. Dieses kleine, medizinische Gerät, das Flüssigkeit verdampfte, wurde dazu entwickelt, den feinen, lebensrettenden Nebel in Tylers Lungen zu pumpen. Ich rieb mit der Außenseite meines Fingers über seine weiche Wange und stieß einen tiefen Seufzer aus, als ich mich vergewisserte, dass seine Gesichtsmaske, die über Nase und Mund saß, immer noch fest an ihrem Platz war.

    Die kostbare Medizin wurde ihm direkt in die Lungen verabreicht. Meine eigene Brust schnürte sich zu, als ich feststellte, dass dies hier im Zimmer das letzte Medikament war. Ich musste mich wieder zum MedCenter begeben, um vor der Dosis noch mehr zu holen.

    Der Countdown lief jetzt für Tyler und ich hatte keine Ahnung, dass die Starttaste bereits gedrückt worden war. Wenn ich nur gewusst hätte, was den Flur hinunter passierte. Das Chaos, das bereits ausgebrochen war. Ich hätte ihn ein wenig fester gehalten, ihn mehr geküsst und ihn mit ein wenig mehr Liebe umarmt. Aber so funktionierte die neue Welt jetzt.

    Im Nu konnte sich alles ändern.

    Der Arzt hatte es bronchiale Entzündung der Atemwege genannt. Tyler hatte das Scheißglück, zu früh zur Welt gekommen zu sein. Darum waren seine Lungen eben unterentwickelt. Der Arzt erklärte, das würde dazu führen, dass Tylers Lungen anschwollen, sich zusammenzogen und sich eine Scheißtonne Schleim darin bildete. Etwas, das man mit einem einfachen Inhalator leicht in den Griff bekam.

    Jetzt waren die Dinge anders.

    Zwischen der Sauerstofftherapie, die seine Lungen in den ersten Monaten seines Lebens beweglich hielt und dem täglichen Medikamentenplan, den wir ihm auferlegt hatten, dachte ich, dass wir alles abgedeckt hatten. Immerhin hatten wir genug Vorräte. Die sollten eine Weile halten …

    Ich schaute zum Spiegel hinüber und sah die Reflexion von uns beiden zurückstarren. Dann holte ich tief Luft und stieß diese mit einem weiteren Seufzer aus. Meine Augen landeten auf der Rasierklinge, die auf dem Waschbecken lag. Ich musste mich noch rasieren.

    Ich trat vom Kinderbett zurück, in dem Tyler lag, und ging zum Wasserhahn rüber. Dort schmierte ich mir weißen Schaum auf die Wangen. Genau in diesem Augenblick klopfte es an der Stahltür, die zu unserem Zimmer führte. Ich rollte mit den Augen, ließ den Rasierer fallen und wischte mein Gesicht ab. Das Rasieren würde noch etwas warten und das würdevolle Äußere würde ich auf ein anderes Mal verschieben müssen.

    Sanft entfernte ich die Maske von Tylers Gesicht und nahm ihn aus dem Kinderbettchen, während ich zur Tür ging und ihn an der empfindlichen Stelle unter den Armen kitzelte – genoss jeden Augenblick. Ich grinste, als sich ein Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete, das von einem rauen, aber echten Kichern begleitet wurde. Er streckte sich über meine Schulter, versuchte zu entkommen. Leider hatte der kleine Mann kein Glück.

    Es spielte keine Rolle, dass es keinen Spion in der Tür gab. Ich wusste bereits, wer geduldig auf der anderen Seite wartete. Mit einem Seufzer griff ich zum Türknauf. Ich bemerkte den Ring, der an meinem Finger steckte, bevor ich den Knauf nach links drehte.

    Wenn ich gewusst hätte, was bereits auf der anderen Seite des Komplexes vor sich ging, wäre ich viel vorsichtiger gewesen …

    Die Tür öffnete sich mit einem vernehmbaren Quietschen von Metall auf Metall. Ich ließ ein Lächeln aufblitzen, aber es war nicht sehr überzeugend.

    »Oh, du musst es nicht vortäuschen«, sagte sie, als sie die Hände ausstreckte, um Tyler in ihre Arme zu nehmen. »Ich weiß, dass du letzte Nacht keinen Schlaf bekommen hast. Also gib mir jetzt den kleinen Mann.«

    Ich nickte träge und wischte ein kleines bisschen Creme weg, die ich vergessen hatte. »Nun, dir auch einen guten Morgen, Deanna.«

    Deanna sah so gut wie jeden Tag nach Tyler. Vor langer Zeit war sie Mutter gewesen, aber sie sprach nie davon. Zum Glück sagten mir die Falten in ihrem Gesicht, dass ihre Kinder schon erwachsen gewesen waren, als die Welt zu einem Scheißhaufen wurde. Ich wusste, dass sie nicht hier in Avalon waren, was allem Anschein nach bedeutete, dass sie womöglich nicht mehr unter den Lebenden weilten. Sie wusste das wahrscheinlich auch.

    Tief unten in dieser Welt befürchteten wir das Schlimmste.

    Ich legte eine Hand auf den Türrahmen und bemerkte das Hinken, das mit dem Alter kam, als sie in den Raum trat. Ihr graues Haar hatte sie zu einem Knoten gebunden und sie trug ein buntes Kleid, das locker über ihren Körper fiel.

    Deanna liebte Tyler und ich machte mir nie Sorgen, wenn ich ihn bei ihr ließ. Sie war dieser perfekte Typ von Großmutter und ich habe mich oft gefragt, wie sie es überhaupt geschafft hatte, die ersten Tage zu überleben. Schließlich vermutete ich einfach, dass sie fest entschlossen war, zu leben, weil sie zu viel Angst vorm Sterben hatte … genau wie der Rest von uns.

    Ich nahm die Flasche hoch, die ich zuvor gemacht hatte, und musste feststellen, dass sie leer war. Sie sah mich mit einem Blick an, der sagte: »Danke für deine Hilfe, du Depp!«

    Ich streckte meine Hand vor mir aus und deutete auf mein Gesicht. »Ich habe noch nicht mal Zeit, um mich zu rasieren.«

    Sie schüttelte den Kopf, während sie rüberging, um eine neue Flasche zu machen. Aus dem Augenwinkel sah sie mich an und fragte: »Was habt ihr Jungs heute vor?«

    In Avalon suchte sie immer nach Staubkörnchen.

    »Äußere Verteidigung.«

    Verständnislos sah sie sich im Zimmer um und dachte gründlich darüber nach, bevor sie antwortete: »Außerhalb der Mauer?«

    »Das ist es zumindest, was sie mir erzählt haben. Ich schätze, wir werden die Zis in den Stall der Toten treiben.«

    »Ich hasse diesen Ort. Er scheint so gefährlich zu sein … Was ist, wenn sich die Dinger losreißen?«

    Vor Monaten hatten wir eine bewusste Entscheidung getroffen. Wir beschlossen, außerhalb der Betonmauern von Avalon ein kleines Gehege zu bauen. Das Gehege, das zum Großteil aus stabilen Holzplanken gemacht war, sah aus wie ein alter, übergroßer Schuppen. Ein potenzieller Angreifer würde kaum wissen, dass dieser bis zum Rand mit Zis gefüllt war, die wir seit Monaten dort sammelten. Wenn irgendjemand, mit dem wir es nicht aufnehmen konnten, jemals beschloss, unsere Mauern zu stürmen, war dies die beste Verteidigung.

    »Das ist der Punkt, Deanna. Sie sollen sich losreißen … wenn wir es wollen«, sagte ich und versuchte, ein wenig Zuversicht vorzutäuschen.

    »Trotzdem mag ich es immer noch nicht …«

    Ich nickte, ging zum Schrank rüber und holte einen abgewetzten, schwarzen Helm heraus, der zur schwarzen Panzerweste passte, die ich trug. Dann legte ich einen Schalter an meinem Gürtel um und hörte ein leises Rauschen durch das Sprechfunkgerät, das sich an meiner Schulter befand. Ich musste an die Herkunft des Anzugs denken. Ein Überbleibsel der gefallenen Menschen, die einst Avalon bewachten. Ich fühlte mich immer etwas seltsam in dem Wissen, das jemand wahrscheinlich darin gestorben war.

    Ich griff in meinen Schrank und holte eine Neun-Millimeter heraus, die ich in den letzten Monaten mit mir herumgetragen hatte. Eine Waffe zu haben, ist eine lustige Sache. Es gibt einem ein falsches Gefühl von Sicherheit. In der Welt der Toten war es nur ein Stück Metall, das Projektile schoss. Es sei denn, man war ein Meisterschütze. Ja, manchmal war das effektiv, aber man konnte das Knirschen des Schädels nicht fühlen, um zu wissen, dass man den Job richtig gemacht hatte.

    Dafür brauchte ich den Hammer.

    Ich steckte die Waffe ins Halfter und griff wieder in den Schrank, um den Hammer herauszuholen, der unten lag und den ich seit Anbeginn an meiner Seite hatte. Mein zuverlässiger Hammer. Ich würde ihn nie für eine andere Waffe eintauschen, wenn ich gegen Zis kämpfen musste. Es ist schwer, jetzt zurückzublicken und zu wissen, wie viele Tote der Metallkopf ausgeschaltet hatte. Eines war allerdings sicher; ich war verdammt gut darin geworden, sie zu töten.

    In dieser neuen Welt war ich zu einem Todbringer geworden, und dieser Hammer war mein Ass im Ärmel.

    Kapitel 3

    Ich zog feurigen Atem in meine Lungen und sah mit gezücktem Hammer nach oben.

    Ich warf einen Blick auf den roten, blinkenden Wecker, der neben meinem Bett stand, und stellte fest, dass es fast an der Zeit war, sich oben mit dem Team zu treffen. Es war an der Zeit, meinen Sohn alleine zu lassen. Ich beugte mich zu ihm hinunter, hob ihn hoch und hielt

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1