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Liebe, Lust und Ehebett: Ein Buch zur Sache
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eBook308 Seiten3 Stunden

Liebe, Lust und Ehebett: Ein Buch zur Sache

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Über dieses E-Book

Für frisch Verliebte ist alles leicht, beschwingt, romantisch - und oft schnell vorbei. Liebe ist Arbeit. Romantiker sind weltfremd. Sie wollen alles ohne Anstrengung: Glück, Rettung, Versorgung, Lebenssinn. Die erfahrenen Paarberater Margot & Michael Schmitz zeigen, wie dauerhafte Liebe gelingt, wie Eigenständigkeit und Individualität der Partner für Zusammenhalt, Aufregung und Verlässlichkeit sorgen. Sie beschreiben, wie Affären zu nehmen sind - als berauschende Abenteuer und als Fallen.
Wer eine Affäre eingeht, muss lügen können, so die Autoren. Bekenntnisse schmerzen zu sehr. Kommt die Sache doch ans Licht, ist harte Arbeit angesagt. Sie kann zur Trennung führen, oder zu einem Neubeginn. Um Liebe zu genießen, müssen Partner sich immer wieder auf das Gemeinsame und Verbindende besinnen. Liebe, gepaart mit Verstand, ist in der Wirklichkeit verankert, akzeptiert Sehnsüchte und kommt mit Dummheiten zurecht.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum8. Juni 2015
ISBN9783701505807
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    Buchvorschau

    Liebe, Lust und Ehebett - Margot Schmitz

    VERLIEBTHEIT – EIN RAUSCH

    Wie von Sinnen

    Katja ist frisch verliebt. In Sven. Ihrer besten Freundin schwärmt sie von ihm vor: „Mit Sven ist alles ganz anders. Er ist so aufmerksam und einfühlsam. Ich habe mich noch von niemandem so verstanden gefühlt wie von ihm. Sven ist so zärtlich. Er hat nur Augen für mich. Und er sieht toll aus. Ich fühl mich großartig an seiner Seite. Er weiß schon, was ich möchte, ohne dass ich irgendetwas sage. Wir lachen viel zusammen, über jeden Blödsinn. Wenn wir nicht zusammen sein können, schreiben wir uns andauernd kleine Nachrichten auf WhatsApp – dass wir aneinander denken, was wir gerade tun, dass wir scharf sind aufeinander. Sex ist aufregend. Wir können voneinander nicht genug kriegen. Und wenn wir mal keine Lust aufeinander haben, ist es auch gut. Es muss gar nichts passieren, dass wir uns wohl fühlen. Es ist wunderbar, einfach zusammen zu sein."

    Sven erzählt seinen Freunden mit strahlenden Augen von Katja: „Sie sieht klasse aus, sehr sexy. Sie ist völlig unkompliziert, auch im Bett. Sie ziert sich nicht. Vorspiel kann sein, muss aber nicht sein. Wir können genauso gut einfach übereinander herfallen. Alles geht spontan, ohne Gebrauchsanweisung. Sie weiß, was sie will, und lässt mich das genau spüren. Sie ist witzig und kann sogar über meinen schrägen Humor lachen. Sie interessiert sich für alles. Sie sagt mir, dass sie mich toll findet, als Liebhaber und überhaupt als Typ. Wenn ich sie dabei so verliebt anschaue, schwillt mir alles Mögliche, auch die Brust."

    Verliebte sind voneinander berauscht. Alles finden sie aneinander toll. Was vielleicht nicht so toll ist, nehmen sie nicht wahr, oder es fällt nicht ins Gewicht. Es hat für sie keine Bedeutung. Würde jemand sie darauf hinweisen, würden sie nur darüber lachen, es nicht ernst nehmen. Freunde, die Bedenken hegen, mischen sich besser nicht ein. Sie sollten den Zustand schlicht zur Kenntnis nehmen – und sich mitfreuen.

    Wer verliebt ist, für den ändert sich zunächst das ganze Leben. Nichts ist mehr bedrückend. Probleme schrumpfen zu Bagatellen oder lösen sich in Luft auf. Die Zeit setzt aus. Alltag als Last gibt es nicht mehr. Jede Langeweile ist verflogen. Tristesse adieu. Verliebte sind fröhlich. Sie fühlen sich beschwingt. Sie schweben in scheinbar unendlicher Leichtigkeit des Seins. Mit strahlenden Gesichtern. Schöner könnte es nicht sein. Es ist wie im Märchen.

    So fängt es an: Plötzlich tritt jemand in unser Leben, der uns vereinnahmt, uns beseelt, jemand, der uns mehr bedeutet als jeder sonst und wichtiger ist alles andere. Wir sind nicht mehr, wer wir waren. Weil wir begehren, verehren, umschwärmen, weil wir selbst begehrt, verehrt, umschwärmt werden. Wir fühlen uns erweckt, bewundert dafür, dass wir sind, wie wir sind. Nichts an uns ist unzureichend, nichts peinlich oder blöd. Mehr Selbstwert können wir nicht empfinden. Grenzen scheinen zu schwinden, die Zeit scheint stehen zu bleiben. Verliebtheit kommt wie ein großer Knall. Und hüllt uns in Illusion.

    Jonas sieht Marie in einem weißen Bikini auf der steinernen Plattform, von der Sportler zwanzig Meter hinabspringen in den Rio Santos. Lange dunkle Haare, gebräunte Haut. „Sie wandte sich um, und nun erst sah Jonas, wie umwerfend diese Frau wirklich war. Da war etwas Geheimnisvolles in ihrem Gesicht, das er nicht einordnen konnte. Sie war nicht perfekt, ihre Bewegungen waren etwas ungelenk, fast schüchtern, und sie ließ die Schultern hängen, aber sie hatte eine Aura von Größe, von Einzigartigkeit, er konnte es nicht erklären, und er hatte so etwas noch nie zuvor gesehen. Er war ihr verfallen, sofort. (Thomas Glavinic: „Das größere Wunder. S. 202)

    Es kann sehr schnell gehen. In Romanen wie im richtigen Leben. Ohne dass es dafür eine richtige Erklärung geben muss. Jedenfalls keine, die mit Vernunft zu tun hat. Alles ist plötzlich entfesseltes Gefühl. Deshalb ist die Literatur ja so fasziniert von dem Phänomen und deshalb fahren Leser und Leserinnen so sehr darauf ab. Jedem kann es widerfahren.

    „Ich habe viele Frauen gekannt, die schöner und geistreicher waren als sie, die eine bessere Figur und einen besseren Geschmack hatten. Aber diese Vergleiche sind völlig bedeutungslos. Denn, ich weiß nicht, warum, sie ist für mich ein besonderes Wesen. Vielleicht könnte man es eine Synthese nennen? Alle Eigenschaften, die sie besitzt, sind in einem Kern verdichtet. Zerlegt man alle Einzelteile, lässt sich daran nicht messen oder analysieren, wem sie unterlegen oder überlegen ist. Und das Wesen mit diesem Kern zieht mich unwiderstehlich an. Wie ein starker Magnet. Jenseits jeder Vernunft. (Haruki Murakami: „Von Männern, die keine Frauen haben. S. 102)

    Beschreibungen, wie alles anfängt, wie der Blitz einschlägt, was so besonders ist, ohne dass zu erklären wäre, warum, berühren uns. Schilderungen, wie das Faszinierende, Betörende, Vereinnahmende daherkommen kann als etwas Unscheinbares, Normales, Gewöhnliches und sich mit einem Schlag als dessen Gegenteil erweisen kann, setzen Fantasien und Sehnsüchte frei. Jeder kann sich hineinversetzen, sich selbst in der Rolle sehen, erleben.

    Im Märchen verändert Liebe das betrüblichste Dasein. Mit einem Mal. Auf immer und ewig. Verliebtheit macht aus elenden Kreaturen unbeschwerte und glückliche Menschen. Wer – anscheinend oder scheinbar – „den Richtigen oder „die Richtige findet, erlebt das als Befreiung. Alles Unglück schwindet dahin. Alle Widerstände heben sich auf. Wer sich kümmerlich, unnütz, unbeachtet fühlte, blüht auf in grenzenloser Bewunderung. Die Gebrüder Grimm erzählen uns drastische Beispiele, die das schlagend deutlich machen. Es sind Geschichten, die noch immer die Blaupausen für die Filmindustrie und für Illustrierte liefern, die unsere Wünsche und Hoffnungen nähren: Auch wer lange verkannt wurde, darf Erlösung erwarten. Aus schrecklichen Biestern werden strahlende Helden, an ihre Seite drängen bezaubernde Beauties. Ekelige Frösche verwandeln sich, kurz gegen die Wand geschmettert, in wohlgebaute und betörende Prinzen, charmant und sexy. Aschenputtel streifen alles Hässliche von sich und erobern als Schönheitsköniginnen die Männer ihrer Träume. Lustlos erstarrte Dornröschen erweckt ein Kuss zu feuriger Liebe.

    Märchen sind Märchen. Das sagt uns unser Verstand. Und trotzdem wünschen wir sie uns herbei. Sie sollen stattfinden – in unserem Leben. Die Vorstellung, es gäbe „den Richtigen oder „die Richtige, schließt ein, dass alle anderen die Falschen sind. Nur „der Richtige/„die Richtige besitzt all die Eigenschaften, die zu uns passen, uns wunderbar ergänzen. Verliebtheit, mit all ihrem hormonellen Überschwang, gaukelt uns die ersehnte Einzigartigkeit vor, die so aber nie existiert. Verliebtheit geht einher mit der dramatisch übertriebenen Überhöhung einer einzelnen Person und damit, wie Bernhard Shaw bemerkte, der stark übertriebenen Unterscheidung zwischen einer Person und allen anderen.

    Hört die Verliebtheit auf, liegt im Bett nicht mehr der Traumpartner. Solange die Illusion vorherrscht, es könne den tadellosen Richtigen geben, offenbart sich jeder – wenn der Hormonrausch endet – als Mensch mit persönlichen Eigenheiten, die Harmoniebedürfnisse aus der Balance werfen. Dann zeigt er sich als doch der Falsche – und muss verlassen werden, und die Suche nach dem Richtigen beginnt aufs Neue.

    Wir ahnen, dass wir mit solchen Hoffnungen und Wünschen Illusions-Bedürfnisse nähren. Doch in unserem tiefsten Inneren halten wir an unserem Glauben fest, dass nur der oder die Richtige kommen muss, um in uns und für uns Liebe zu entfachen, die nie vergeht. So lange irren wir rastlos umher, damit wir es nicht verpassen, zum rechten Zeitpunkt am rechten Ort zu sein – wo die entscheidende Begegnung stattfindet. Dann soll alles wie von selbst gehen. Verliebt, verlobt, verheiratet. Wobei „verheiratet" heute nicht mehr den Trauschein verlangt. Es reicht das Versprechen der Verliebten, sich immer zu lieben und füreinander da zu sein – in guten und in schlechten Zeiten. Für Verliebte ist das gewiss.

    Sie sehen in sich Wahlverwandte. Sie glauben, in dem anderen ihre ideale Ergänzung zu finden – als Bestätigung eigener Eigenschaften und/oder komplementäre Ergänzung, mit der sie erst richtig komplett werden. Verliebte sehen, was sie sehen wollen. Eigenschaften und Eigenheiten können Verliebte sich aus Sehnsucht danach zuschreiben, ohne genau hinzuschauen oder zu prüfen, wie es wirklich um sie bestellt ist, welchen Bestand bezaubernde Erscheinungen haben.

    Aus dieser Sehnsucht und der ihr folgenden Wahrnehmung ist eine weitere Illusion zu verstehen: Verliebte meinen, sich gefunden zu haben und eigentlich schon lange zu kennen. Sie glauben, einander blind zu verstehen. Jedenfalls wünschen sie es sich eindringlich. Gerade das soll der Beweis für ihre innige Verbundenheit sein. Kleine Unstimmigkeiten können sie zutiefst betrüben. Alles gerät außer Proportion. Sie müssen sich sogleich versichern, dass Unstimmigkeiten eigentlich gar nicht bestehen oder nur auf dummen Missverständnissen beruhen. Interessensgegensätzen räumen sie keinen Platz ein. Alles, was ihnen wichtig ist, wollen sie gemeinsam erleben. Lust erscheint ihnen nur miteinander möglich – oder zumindest legitim. Keine Zeit darf schöner sein als die miteinander verbrachte, kein Gespräch intimer, ehrlicher, vertrauter als das zu zweit. Ihr Sex muss aufregender, außergewöhnlicher sein als jeder, den sie zuvor erlebt haben. Dann ist die wechselseitige Bestätigung komplett. Aus Verliebtheit wächst Eigenliebe. Sie zerstört alle Selbstzweifel. Sie lässt das Selbstbewusstsein aufblühen.

    Eins-Sein

    Katja und Sven fassen sich unaufhörlich an, greifen nach ihren Händen, streicheln Arme oder Rücken, drücken ihre Nasen aneinander, funkeln mit den Augen. Auch wenn sie mit Freunden unterwegs sind. Zwischen sie kommt so leicht keiner.

    Sie kennen sich nun seit drei Monaten, möchten sich andauernd sehen, beisammen sein und alles scheint ihnen so wunderbar wie am ersten Tag. Noch hat jeder von ihnen seine eigene Wohnung. Aber sie sprechen schon darüber, dass sie zusammenziehen möchten. Sie finden, Svens Wohnung biete sich dafür an. Schon jetzt sind sie, wenn sie nicht arbeiten oder um die Häuser ziehen, die meiste Zeit dort. Ab und an haben sie mal einen Tag für sich. Aber sie stimmen ihre Tagesabläufe weitgehend ab, planen, was sie gemeinsam unternehmen könnten, halten sich Zeit frei, wenn noch unklar ist, wie der andere es einrichten kann, dass sie sich treffen.

    Verliebte sind unzertrennlich. Vertrauen entsteht aus körperlicher Nähe. Aus Zärtlichkeit und Sex. Mehr als aus Beteuerungen. Obwohl auch die ununterbrochen gegeben werden. Verliebte suchen Halt und Geborgenheit – Sicherheit, die sie sonst so oft vermissen, in einer Welt, die unübersichtlich ist und keine Verlässlichkeit bietet. Übersichtlich und sicher schien es vielleicht vor langer Zeit einmal, als die Verliebten noch Kinder waren, wenn sie aufmerksame, umsorgende, liebende Eltern hatten. In Liebesbeziehungen, vermutet der Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer, suchen wir immer auch einen Elternersatz. Wir wünschen uns Personen, die Gefahren von uns fernhalten, uns Geborgenheit schenken, für uns einen sicheren Raum schaffen.

    In der Verliebtheit schwindet jede Angst. Denn nichts ist so bedeutend wie die Liebe. Selbst der Tod verliert seinen Schrecken. Ein ewiges Thema auch in der Kunst. Goethes Werther erschießt sich, weil er nicht diejenige begehren darf, die er liebt. Verdis Gilda opfert sich für den Geliebten, der sie verschmäht, und lässt sich bereitwillig erdolchen. Höchste Vereinigung bringt der Tod als gemeinsamer Liebestod. Selbst bitteres Gift schmeckt süß. Shakespeare, Puccini, Wagner schufen mit dem Stoff große Klassiker. Romeo und Julia, Cavaradossi und Tosca, Tristan und Isolde. Im Tod ewig ein Paar. Unzertrennlich.

    Jeder von uns möchte besonders sein. Besonderheit macht unsere Individualität aus. Wir möchten sie bewahren, einzigartig sein. Damit sind wir allerdings auch für unser Leben verantwortlich, für alles, was wir tun oder nicht tun. Wir sind gefordert, andauernd Entscheidungen für uns zu treffen, obwohl wir nicht vorhersehen können, welche Konsequenzen sie für uns haben. Das ist anstrengend und oft erschreckend. Freiheit, bemerkte schon Erich Fromm, geht einher mit der Furcht vor Freiheit. Aus Furcht suchen wir Geborgenheit.

    Die größte Geborgenheit finden wir durch Menschen, die uns lieben, die nichts an uns auszusetzen haben, für die wir ok sind, so wie wir sind. Wir sehnen uns nach Übereinstimmung, weil sie uns eine Harmonie der Gefühle verspricht. Sie scheint uns Sicherheit zu geben. In jedem von uns steckt die Sehnsucht, für einen anderen alles zu sein und von ihm alles zu bekommen, was wir selbst brauchen. Unser Ideal ist die symbiotische Liebe. In völliger Übereinstimmung freilich lösen wir unsere Individualität auf.

    In der Verliebtheit setzt unser Verstand aus. Sehnsüchte nach Harmonie, seelische Bedürfnisse, Erotik und sexuelle Begierden bestimmen das Fühlen und Handeln. Das Denken ist eingeengt, exaltiert und hochgradig labil. Das menschliche Hirn produziert dazu sämtliche Rauschmittel – Hormone, Peptide, Botenstoffe wie Dopamin, Oxytocin und körpereigene Opiate. Der Rausch ist genussvoll, wunderbar. Er soll nie aufhören. Solange wir die nötigen Rauschmittel produzieren, ist die Welt großartig – dank des Menschen, in den wir verliebt sind, den wir berauscht umkreisen als unseren strahlenden Himmelsstern. Schon Plato nannte die Verliebtheit einen „göttlichen Wahnsinn. Dort hat der Verstand nichts zu suchen. Der Psychiater Luc Ciompi ist kritischer. Er glaubt, „manche Übereinstimmung mit der Struktur einer krankhaft affektiv-kognitiven Verrücktheit zu erkennen.

    Glücklich bis ans Ende unserer Tage. So wie es Märchen uns versprechen. Märchen enden, wenn Verliebtheit sich ihre Bahn gebrochen hat. Dann herrscht endlose Seligkeit. Es geschieht nichts weiter. Es gibt nichts mehr zu erzählen. Alles scheint nur noch Glück. Nichts Überraschendes geschieht. Es gibt kein Staunen mehr. Neugier stirbt. Jede persönliche Entwicklung kommt zum Stillstand. Das Leben geht weiter und ist so doch zu Ende.

    Glück ist nicht Euphorie. Euphorie ist Bekifft-Sein. Unsere körpereigenen Drogen versetzen uns in euphorische Zustände. Diese Stoffe werden in Illustrierten gerne als „Glückshormone" bezeichnet. Doch der Begriff führt in die Irre. Drogen bescheren kurzweilige Rauschzustände. Sie bieten Fluchten aus tristem Alltag. Und machen abhängig, wenn der Alltag nur mit ihnen auszuhalten ist. Sie wecken die Illusion von Glück, aber schenken kein Lebens-Glück. Glück ist kein biologisches Programm. Es entstammt keinem körperlichen Reiz-Reaktions-Schema. Glück kann berauschen und ist doch nicht bloßer Rausch.

    Wir wollen Glück als Lebens-Glück. Das fällt nicht vom Himmel. Es erwartet uns kein Paradies. Lebens-Glück entsteht nicht aus glücklichen Umständen. Zwar gibt es Zufalls-Glück, doch das verfällt, wenn wir nicht selbst daraus das Richtige machen. Lebens-Glück schaffen wir uns, wenn uns unser Leben gelingt. Wir müssen unser Leben selbst in die Hand nehmen, es nach unseren Möglichkeiten, Wünschen und Zielen gestalten, dabei akzeptieren, dass wir nicht alles bestimmen und „im Griff haben können. Doch mit dem, was wir tun und lassen, sollte es für uns „unter dem Strich stimmen. Wir sollten uns oft sagen können, so wie es ist, ist es gut, wir hätten nichts anders machen sollen. So sollten wir auch der Liebe begegnen. Sie passiert uns nicht. Wir müssen sie uns erobern, sie gestalten und bewahren. Und das geht nie allein. Es geht immer nur gemeinsam mit anderen – als Beziehung kompletter und komplexer Menschen. Liebe speist sich aus der Neugier am Anderssein, in wechselseitiger Anerkennung und Wertschätzung von Individualität.

    Märchenhafter als ein Märchen

    Von Sex, Lust und Geilheit ist in Märchen nicht die Rede. So gesehen wünschen wir uns eine Liebe, die noch märchenhafter als die Märchen ist, von denen wir uns so gerne vorschwärmen lassen – von alten und von neuen Geschichtenerzählern. In Romanen, Soap Operas und Kinofilmen. Damit führen wir uns selbst hinters Licht: Liebe soll wie Verliebtheit sein. Aber das geht nicht. Verliebtheit schickt uns auf einen Drogen-Trip. Wir haben nicht gelernt, mit Drogen so umzugehen. Um von diesem Trip runterzukommen, ohne Absturz, um aus Verliebtheit Liebe entwickeln zu können, müssen wir uns zu kundigen Drogenbeauftragten ausbilden, anstatt zu Drogenabhängigen zu werden.

    Verliebte genügen im Rausch sich selbst. So soll es immer währen. Das ist das Sucht-Programm. Verliebte setzen auf spontane Stimulation. Sie nehmen nichts aneinander wahr, das sie trennen könnte. Oder sie nehmen, was sie vage ahnen, nicht ernst. Es rauscht unbeschwert und unbedacht durch ihre Köpfe. Ihre beiderseitigen Empfindungen, Begehrlichkeiten, Eigenschaften, Ambitionen erleben Verliebte als Gleichklang. Hinweise, was mit dem anderen womöglich nicht zusammenpassen könnte – Eigenheiten, Interessen, Wünsche, Ängste, Persönlichkeitsmerkmale –, blenden sie aus. Die Grenzen des Ich lösen sich auf. Der Wunsch, du bist ich und ich bin du, nimmt Fühlen und Denken in Beschlag. Verliebte sind aufeinander fixiert, empfinden sich als eins, vereinnahmen sich. Dabei bleibt für sie die Zeit stehen. Darum denken sie nicht darüber nach, wie sie miteinander Beziehung leben wollen, wenn der Rausch nachlässt und sie nicht mehr ineinander verliebt sind. Sie verwechseln akute Verliebtheit mit beständiger Liebe, oder wie Paartherapeut Hans Jellouschek sagen würde, Liebe mit Liebeserlebnissen.

    Der Verstand offeriert die Einsicht, dass Verliebtheit nicht von Dauer ist. Verliebte wissen es, aber der Gedanke lässt sie unberührt, er schwebt im Irgendwo als flaue Theorie, ohne spürbaren Bezug zu ihrer Wirklichkeit. Sie wissen es und wissen es doch nicht. Im Rauschzustand betört, können sie nicht erkennen, wann und wie der Rausch endet – und was dann auf sie zukommt. Das zeitweilige Aussetzen der Vernunft ist verliebtheitsbedingt und damit unvermeidbar. Vernunft ist die Fähigkeit, Denken und Fühlen zu verstehen und nicht getrennt und unvermittelt nebeneinander bestehen zu lassen. Die Gefühlsturbulenzen der Verliebtheit und das mit ihnen verbundene Aussetzen der Vernunft treffen Frauen grundsätzlich nicht anders als Männer. Beiden geht die Voraussicht gleichermaßen verloren. Oft verstehen sie nicht einmal im Rückblick, was mit ihnen geschehen ist – was sie selbst inszeniert haben. Allerdings werden mit dem Ende der Verliebtheit die Geschehnisse nun der Vernunft wieder zugänglich.

    Aus Verliebtheit entsteht nur Liebe, wenn der wirkliche Mensch gewollt wird – mit seinen Eigenschaften und Eigenarten, Stärken und Schwächen, Bedürfnissen und Ambitionen. Wenn Partner sich annehmen und aufeinander einlassen, sich gegenseitig Anstöße geben, neugierig bleiben und sich neugierig machen, sich überraschen, gemeinsame Ziele verfolgen und sich eigene Ziele zugestehen, Freuden und Anstrengungen teilen, Erfolge gemeinsam erleben und Niederlagen zusammen wegstecken; wenn sie im wirklichen Leben zu Reisebegleitern und Mitstreitern werden, mal voranschreiten und mal folgen, sich auch eigene Erkundungen und Wege gestatten, sich anlehnen und den Partner sich anlehnen lassen können – dann ist es Liebe.

    Grimms Rache

    Menschen handeln gefühlsgetrieben. Stärker als der Verstand sind unsere Leidenschaften. Auf die Liebe, die mehr ist als Leidenschaft, die tiefste Sehnsüchte nach Sicherheit und Geborgenheit erfüllen soll, bereiten sich die meisten nicht vor. Das rächt sich – meistens. Die meisten Menschen haben kein Konzept, was ihre Liebe sein soll. Liebe „an sich gibt es nicht. Sie kann nur in wirklicher Beziehung entstehen, zwischen wirklichen Menschen, mit ihren jeweiligen Besonderheiten. Für Liebe gibt es kein Standard-Rezept, kein ABC, das zu lernen wäre, um „Erfolg zu haben, so wie Illustrierte es gerne behaupten. Die meisten Menschen haben keine Idee, wie ihre Liebe zu leben, zu nähren und zu bewahren wäre. Sofern sie der Liebe überhaupt begegnet sind, geht sie ihnen im Alltag leicht verloren. Gerade deswegen wünschen sich so viele ein Liebes-Rezept, fallen bereitwillig auf derartige Versprechen herein, geben sich unreflektierten Illusionen hin, die sie Träume nennen.

    Wenn die Eigenheiten, die wir in der Verliebtheit so nett fanden, uns auf die Nerven gehen, sollten wir wissen: Es ist etwas kaputt gegangen.

    Katja und Sven sind mittlerweile eineinhalb Jahre zusammen. Katja erzählt: „Sven hat nur noch seinen Beruf im Kopf. Morgens springt er beim Klingeln des Weckers aus dem Bett, duscht, kippt einen Espresso und rennt aus dem Haus. Kuscheln, das war mal. Abends kommt er meist spät nach Hause. Lieber geht er mit Kollegen noch einen trinken, als mit mir etwas zu unternehmen. Ich koche gerne und würde gerne mit ihm gemeinsam essen. Aber da wird selten etwas draus. Meist lass ich das Essen für ihn stehen. Das isst er dann kalt. Da lieg ich schon im Bett und schlafe. Er haut sich neben mich. Dass er da ist, merke ich, wenn ich von seinem Schnarchen wach werde. Oder wenn er anfängt, an mir rumzufummeln. Aber so habe ich keine

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