Freundschaft macht glücklich!: Warum wir Weggefährten brauchen
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Über dieses E-Book
Beate M. Weingardt
Dr. Beate Maria Weingardt, geb. 1960, hat Psychologie und Ev. Theologie studiert und 1999 über den "Prozess des Vergebens in Theorie und Empirie" promoviert. Beate Weingardt ist mit vielen Themen in der Erwachsenenbildung tätig.
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Buchvorschau
Freundschaft macht glücklich! - Beate M. Weingardt
1 Freunde in der Not – wer ist ein Freund / eine Freundin?
Gib einen alten Freund nicht auf,
denn du weißt nicht, was du am neuen hast.
Ein neuer Freund ist wie junger Wein;
lass ihn erst alt werden, so wird er dir gut schmecken.
Sirach 9, 14 f
Eine alte Freundin – da fällt mir meine gute, altbewährte Schulfreundin Gabi ein. Ich war schätzungsweise dreizehn, sie vierzehn, als sie anlässlich einer „Ehrenrunde" in unsere Klasse kam. Ich, bis dahin ohne wirklich enge Freundin, sah meine Chance: Das ist sie, die treue Seele, die in der Pause einen kleinen, aber flotten Spaziergang mit mir macht und mit meinen Macken nachsichtig ist. Sie war (und ist) so ganz anders als ich: ausgeglichen, geduldig, nachsichtig, friedfertig – für mich die ideale Ergänzung! Und ich täuschte mich nicht. Wenige Jahre später, als ich schwangerschaftsbedingt ein halbes Jahr der Schule fernblieb, war sie meine Stütze, die mir täglich ihre Unterrichtsmitschriften zukommen ließ, sodass ich nicht den Anschluss verlor. Die Freundschaft hat sich bewährt – bis heute. Zwischendurch lag sie etwas auf Eis, weil wir weit voneinander entfernt lebten, doch sie schlief nie ganz ein. Bald sind es vierzig Jahre, seit wir uns kennengelernt haben!
Vielen geht es so wie mir – sie haben alte Freunde und Freundinnen aus Kindertagen oder aus der Schulzeit. Damals teilte man so viel Zeit miteinander, so viele Erfahrungen, dass es leicht war, sich ungezwungen anzunähern, engere Bande zu knüpfen und Freundschaft zu schließen. Doch wie ging es mit den Freunden weiter? Auch in Ausbildung oder Studium lernten und lernen wir viele Menschen kennen, ebenso später in Beruf und Freizeit, bei Ehrenämtern und Elternversammlungen, in der Kur und auf Reisen. Und natürlich ist kein Mensch, dem wir begegnen, ab dem ersten Moment unser Freund oder unsere Freundin. Es gibt vielleicht die Liebe auf den ersten Blick (wobei ich hier auch vorsichtig wäre) – die Freundschaft auf den ersten Blick gibt es selten, allenfalls erleben wir so etwas wie spontane Sympathie oder spontanes Vertrauen.
Echte Freundschaft setzt immer einen Prozess der Annäherung von beiden Seiten voraus, der manchmal sehr rasch, häufiger aber in gemächlichem Tempo seinen Lauf nimmt. Wohl am häufigsten kreuzen sich die Wege bei einer gemeinsamen Aktivität, sei es am Arbeitsplatz oder in der Freizeit. Wer gemeinsam etwas macht und sich dabei auch gelegentlich austauscht, kann sich auch unaufdringlich und unauffällig näher kennenlernen und etwaige weitere Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen entdecken. Aus einem gemeinsamen Interesse ergibt sich meist mühelos ein interessantes Gespräch. Doch wie wird mehr daraus? Folgende Voraussetzungen sollten erfüllt sein:
Wir finden unser Gegenüber grundsätzlich sympathisch, anziehend und interessant. Unsere Zuneigung entdeckt sozusagen einen Widerhaken, an dem sie sich beim anderen festmachen kann.
Wir entwickeln Vertrauen. Das fällt umso leichter, je mehr Erfahrungen wir miteinander machen und je mehr wir uns gegenseitig öffnen, sprich: Nähe schaffen und Nähe zulassen. Behutsamkeit und Einfühlungsvermögen sind hilfreich, um sich dem Tempo des Gegenübers anzupassen – zu stürmische und rückhaltlose Annäherung kann ebenso verprellen wie zu zögerliche und verschlossene Reaktionen.
Wir haben ein Interesse daran, unser Gegenüber näher kennenzulernen. Wer nur passiv abwartet und es dem Zufall überlässt, ob aus Bekanntschaften und Kontakten engere Freundschaften entstehen, geht meistens leer aus. Wichtig ist stattdessen, dass man der Bekannten/dem Bekannten gegenüber Interesse signalisiert.
Schüchternen Menschen mit wenig Selbstbewusstsein fällt es allerdings schwer, offen auf andere zuzugehen. Das macht sie sehr abhängig von der Initiative anderer.
Sind die genannten drei Voraussetzungen erfüllt, werden wir bei näherem Kennenlernen bald herausfinden, ob unser Gegenüber als Freund oder Freundin für uns infrage kommt. Wie in stabilen und zufriedenen Partnerschaften gilt dabei auf die Dauer eher die Regel „Gleich und Gleich gesellt sich gern. Wir finden leichter zueinander, wenn wir ähnliche Interessen, einen ähnlichen Bildungshintergrund, ähnliche Werte und häufig auch ein ähnliches Alter haben. Durch diese Ähnlichkeiten wird die „gemeinsame Schnittmenge
vergrößert. Schließlich hat man in ähnlichen Altersklassen oft ähnliche Lebensthemen („Warst du auch schon bei der Vorsorgeuntersuchung? Wie wars?), und bei ähnlichem Bildungshintergrund hat man häufig ähnlichere Lebensgewohnheiten und Interessen („Die neue Dürer-Ausstellung musst du dir unbedingt anschauen!
). Ähnliche ethische Werte führen oft zu ähnlichen Zielen und ähnlichen Entscheidungen im Leben („Ich reise in kein Land, in dem noch gefoltert wird, und du? – „Geht mir genauso!
).
Doch selbst wenn die „Startbedingungen erfüllt sind, ist es noch ein weiter Weg von einer Bekanntschaft bis zu einer Freundschaft. Man könnte auch mit den Worten eines Liedes sagen: „Über sieben Brücken musst du gehen …
– sieben Voraussetzungen sollten – mehr oder weniger – erfüllt sein, damit wir uns selbst oder einen anderen als Freund oder Freundin bezeichnen können:
1. „Ich brauche Unterstützung!" Bei einem dringenden Problem kann eine Freundin uns jederzeit um Hilfe bitten. So hat es auch Jesus gesehen, denn er sagte einmal zu seinen Zuhörern: „Gesetzt den Fall, jemand unter euch hat einen Freund und geht zu ihm um Mitternacht und sagt zu ihm: , Lieber Freund, leih mir drei Brote, denn ein Freund ist auf der Durchreise zu mir gekommen, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann!’ Stellt euch vor, der Freund würde antworten: , Störe mich nicht! Ich habe schon abgeschlossen, und wir liegen alle schon im Bett; ich kann nicht mehr aufstehen und dir etwas geben!‘" (Lukas 11, 5-7). – Der von Jesus skizzierte Mensch verhält sich gerade nicht wie ein Freund, weil er in einer Notlage die Hilfe verweigert! Deutlich wird, dass es sich um eine egoistische Verweigerung handelt – der bittende Freund ist dem schon im Bett liegenden Freund das Aufstehen nicht wert. Uns mag es heute unangemessen vorkommen, wegen ein paar fehlender Brote einen Freund aus dem Bett zu holen. Aber im Orient gehört Gastfreundschaft bis heute zu den heiligsten Pflichten eines Menschen. Wer diese Gastfreundschaft nicht praktizieren kann, kommt in eine echte Notlage, die das nächtliche Klopfen an der Tür des „Freundes" durchaus rechtfertigt. Zur Freundschaft gehört also: dem anderen in Not beizustehen und dabei eigene Bedürfnisse vorübergehend auch zurückzustellen. Dies schließt, wie Jesu Beispiel deutlich macht, auch materielle, ja finanzielle Hilfe mit ein.
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