Der schönste Tag
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Über dieses E-Book
Die Autorin, ausgezeichnet mit dem Leserpreis Prix’ambule, schreibt in klarer, gefühlvoller Sprache von dem Leben eines charismatischen Mannes und ihrer eigenen Kindheit in einem exzentrischen Umfeld.
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Buchvorschau
Der schönste Tag - Yassaman Montazami
Inhalt
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Originalausgabe:
Le Meilleur des jours
Sabine Wespieser éditeur, Paris 2012
Die Übersetzung aus dem Französischen wurde mit Mitteln des Auswärtigen Amtes unterstützt durch
litprom - Gesellschaft zur Förderung der Literatur
aus Afrika, Asien und Lateinamerika e.V.
„Dieses Buch erscheint im Rahmen des Förderprogramms des französischen Außenministeriums, vertreten durch
die Kulturabteilung der französichen Botschaft in Berlin."
E-Book Distribution: XinXii
www.xinxii.com
CIP - Titelaufnahme in die Deutsche Nationalbibliothek
Yassaman Montazami
Der schönste Tag
Aus dem Französischen von Jutta Himmelreich
unter Mitarbeit von Annemarie Berger
© 2013 deutsche Ausgabe by Sujet Verlag
Umschlaggestaltung: Ina Dautier
Lektorat & Korrektorat: Tonja de Almeida Madeira
Clemente, Rebekka Roth
Layout: Dunja Rühl
Digital Edition: Florian Bänsch
Druckvorstufe: Sujet Verlag, Bremen
Printed in Europe
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-944201-64-1
www.sujet-verlag.de
Yassaman Montazami
Der schönste Tag
Roman
Aus dem Französischen von
Jutta Himmelreich
Unter Mitarbeit von
Annemarie Berger
Für Eric Laurrent,
zutiefst.
Prolog
In den Anfangstagen des Sommers 2006 reiste mein Vater von Teheran nach Paris, um seinen in Kürze ablaufenden Aufenthaltstitel für Frankreich verlängern zu lassen. Angesichts meiner Verwunderung über einen Schritt, dessen Sinn sich mir nicht erschloss, da mein Vater sechs Jahre zuvor endgültig in den Iran zurückgekehrt war, hatte er mir erklärt, dass dieses Dokument zehn Jahre gültig sein und ihm folglich behördliche Scherereien ersparen würde, weil er nicht jedes Mal ein Visum beantragen müsse, wenn er uns, meinen Bruder und mich, besuchen kommen wolle. Er versetzte sich in die Zukunft. Nicht wissend, dass er keine mehr hatte.
Als ich am Tag vor seiner Ankunft auf der Couch meines Psychoanalytikers lag, entfuhr mir ein merkwürdiger Satz, der auch mich erstaunte, weil er gar nicht aus meinem Munde gekommen schien: „Bald stirbt jemand. Ein paar Minuten verstrichen, während ich mich fragte, wem die Stunde wohl bald schlagen würde, und plötzlich hörte ich mich sagen: „Damit ist mein Vater gemeint.
Da die Sitzung auf ihr Ende zuging, verabschiedete ich mich mit diesen Worten von meinem Psychoanalytiker. Der Ferien wegen würden wir uns erst in einigen Wochen wieder sehen.
Tags darauf, mein Vater war erst wenige Stunden zuvor bei meiner Mutter zuhause eingetroffen, rief sie mich an und teilte mir mit: „Behruz geht‘s nicht gut. Er hatte heftige Leibschmerzen. Der Arzt hatte ihm kurz zuvor zwar Beruhigungsmittel verordnet, jedoch auch zu gründlichen Untersuchungen geraten. „Komm schnell!
, bat mich meine Mutter noch.
In dem Augenblick, in dem ich auf den Klingelknopf drückte, war ich mir sicher: Ein einziger Blick würde mir genügen, um zu erkennen, ob mein Vater leben oder sterben würde. So wie die Hellseher und Wahrsager der Antike in den dampfenden Eingeweiden von Opfertieren lasen, würde ich dieses Omen von seinen Gesichtszügen ablesen.
Meine Mutter öffnete mir und bat mich wortlos herein. Ich folgte ihr in das Zimmer, in dem mein Vater lag. Tatsächlich genügte mir ein Blick, um zu sehen, dass er dem Tod geweiht war. Der Schmerz hatte sein Gesicht bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Dennoch begrüßte ich meinen Vater ungezwungen, mit schriller Stimme, deren gespielte Unbekümmertheit mich beschämte. Mein Vater richtete sich auf und lächelte mich an. Ich trat an sein Bett und wir schlossen einander in die Arme. Dann, instinktiv wohl, küsste ich ihn auf die Stirn, schien mich schon jetzt von ihm zu verabschieden.
Zwei Monate später ruhte seine Asche auf dem Grund einer Urne im Kolumbarium des Friedhofs Père Lachaise.
„Mein Vater ist tot", waren meine ersten Worte beim nächsten Treffen mit meinem Psychoanalytiker.
1
Mein Vater wurde in Teheran geboren, mehrere Wochen früher als geplant. In den 1940er Jahren waren die Überlebenschancen für Frühgeborene verschwindend gering. Zudem hatte die Hebamme, die ihn zur Welt gebracht hatte, der jungen Mutter nach einem prüfenden Blick auf das Kind gesagt: „Gnädige Frau, ich rate Ihnen, schließen Sie‘s nicht ihr Herz. Der Kleine ist nicht lebensfähig. Er hat ja auch gar nicht geschrien. Bevor sie sich verabschiedete, hatte sie noch hinzugesetzt: „Aber Gott ist groß, er wird Ihnen weitere Kinder schenken.
Mit diesen Worten hatte sie das Zimmer verlassen.
Rosa hatte sich bis dahin nie Kinder gewünscht. Sie war jung, sie wollte frei sein und sich, abgesehen von ihrem eigenen, mit keinem zusätzlichen Leben belasten. Im Übrigen hatte sie bereits mehrfach bedenkenlos abgetrieben. Durch welches Wunder war dieser Fötus den geübten, fins-teren Händen der Engelmacherin nur entwischt? In welchem entfernten Winkel ihres Bauches hatte er sich verkrochen? Rosa sah ihn lange an: Er wirkte unglaublich zart und schwach, entstellt durch schreckliche, stumme Fratzen, die scheinbar von Schmerzen herrührten. In diesen Momenten vollzog sich in Rosa ein Sinneswandel. Die Tatsache, dass dieses Kind überlebt hatte, erlegte ihr eine Pflicht auf. Sie spürte, dass es nun ihre Aufgabe war, den wunderbaren Lebenswillen in ihm zu erhalten, den er bei der Geburt bewiesen hatte.
Da das Neugeborene völlig erschöpft schien, als habe es seine letzten Kräfte aufgeboten, um auf die Welt zu kommen, rief Rosa laut nach dem kleinen, knapp zehnjährigen Bauernkind, das ihr als Hausmädchen zur Hand ging und trug ihr umgehend auf, im kleinsten Zimmer im Erdgeschoss ein Kohlenbecken aufzustellen und sämtliche Ritzen an der Tür und den Fenstern mit Resten aus jenem Stoff zu stopfen, aus dem man Scharpie zupft: Trotz der Augusthitze befand sie das Zimmer noch für zu kalt – Rosa wollte es so warm wie möglich. Da der Milcheinschuss ausblieb, schickte sie das Mädchen anschließend, Milch von der Nachbarin zu kaufen, denn dank des Klatschs in der Nachbarschaft wusste sie, dass die Weißnäherin gerade ebenfalls Mutter geworden war. Rosa richtete sich mit ihrem Sohn in dem glühend heißen Zimmer ein.
Auf Abis Drängen hin, der überzeugt war, seine Frau habe durch die Geburt