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Lehrer mit Asperger: Cool, kompetent, anders: 22 Tipps für Lehrkräfte
Lehrer mit Asperger: Cool, kompetent, anders: 22 Tipps für Lehrkräfte
Lehrer mit Asperger: Cool, kompetent, anders: 22 Tipps für Lehrkräfte
eBook200 Seiten2 Stunden

Lehrer mit Asperger: Cool, kompetent, anders: 22 Tipps für Lehrkräfte

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Über dieses E-Book

Bei den Projekten mit seinen Schülerinnen und Schülern
wurde Lehrer Johann Alexandrow mehrfach mit zum Teil
bundesweiten Preisen ausgezeichnet. Allerdings ist
Johann Alexandrow von Geburt an Autist. Die Diagnose
erhielt er erst am Ende seiner 37-jährigen erfolgreichen
Karriere als Lehrer.
Wie er es geschafft hat, trotz seines anders verdrahteten
Gehirns eine gute und kreative Lehrkraft zu werden,
erschließt sich in diesem Buch.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum13. Mai 2024
ISBN9783944970448
Lehrer mit Asperger: Cool, kompetent, anders: 22 Tipps für Lehrkräfte

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    Buchvorschau

    Lehrer mit Asperger - Johann Alexandrow

    1. Meine Kindheit

    Ich bin im Jahr 1959 geboren. Im März 1959 hatte es im Mittel 2,4 Grad Celsius in meinem Geburtsort Einbeck. Das kann man heutzutage im Internet nachsehen. Es war ein schönes Städtchen mit heute 30.000 Einwohnern gewesen, in das es meine Eltern verschlagen hatte. Da gab es sogar damals schon eine Bürgermeisterin. Viele Jahrzehnte später erlebte ich es, dass gestandene Männer in einem kleinen Provinzstädtchen genau das verhindern wollten. Eine Frau als Bürgermeisterin? Das war ja noch nie da gewesen! Ich war im zarten Alter von sechs Monaten, da zogen meine Eltern aus Niedersachsen schon wieder nach Baden-Württemberg um. Mein Vater hatte gerade seinen Meister im Maschinenbau in der Tasche und wollte beruflich vorankommen. Diese Umzüge sollten sich noch oft in meinem Leben wiederholen. Evangelisch getauft wurde ich noch in dem Bundesland, in dem ich zur Welt kam. Die ersten bewussten Erinnerungen hatte ich dann in Plochingen in Baden-Württemberg. Dort blieben meine Eltern immerhin fünf Jahre. Einen Kindergarten besuchte ich nie, denn es gab damals zu wenige Kindergartenplätze. Vielleicht wären den Kinderpflegerinnen und Erzieherinnen damals schon einige meiner Eigenheiten aufgefallen. Ich war ein ruhiges und verträumtes Kind und spielte am liebsten alleine mit meinen Legosteinen oder ich malte auf einer großen Schiefertafel. Davon gibt es noch ein Foto zusammen mit meinem Opa mütterlicherseits. Den Großvater lernte ich bewusst aber nur dieses eine Mal kennen. Kurz darauf starb er beim Mittagsschlaf im Alter von siebzig Jahren. Er war ein starker Zigarrenraucher gewesen. Bei einem der seltenen Besuche hatte er mir ein kleines Spielzeug-Segelflugzeug mitgebracht, das man mit einer Gummischleuder starten konnte. Prompt landete es nach einigen Flugversuchen auf dem Garagendach. Mit Hilfe meines Opas kletterte ich darauf und rettete das Flugzeug. Dieses Erlebnis werde ich nie vergessen. Meinen anderen Opa, den Vater meines Vaters, lernte ich nie kennen. Der hatte vor dem Zweiten Weltkrieg als Deutscher in Polen eine Strumpffabrik zusammen mit einem ehemaligen Lehrer, ebenfalls einem Deutschen, betrieben. Diese Fabrik war in dem kleinen Städtchen Alexandrow in der Nähe von Lodz in Polen errichtet worden. Die Auslieferung der Strumpfwaren erfolgte damals noch mit einem Pferdefuhrwerk. Eine ganze Zeit vor dem Krieg lebten in Alexandrow bei Lodz etwa je ein Drittel Juden, Polen und Deutsche friedlich miteinander. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten änderte sich allmählich das Klima. Deutsche und jüdische Kinder durften auf behördliche Anordnung plötzlich nicht mehr miteinander spielen. Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht am 7. September 1939 begann man mit der Deportation der jüdischen Bevölkerung. Es hieß, sie kämen in das Generalgouvernement. Mein Opa Johann sagte bereits damals: „Wir haben den Krieg verloren." Nach der Besetzung durch die Rote Armee im Jahr 1945 war seine Frau Lydia mit den vier kleinen Kindern in den Westen geflohen. Mein Großvater hielt die Stellung, weil er an das Gute in den Menschen glaubte. In seinen letzten Tagen wurde er in den Straßen von Alexandrow beim Betteln um Brot gesehen. Sein Haus durfte er nicht mehr betreten. Irgendwann später musste er schließlich am Waldrand sein eigenes Grab schaufeln und wurde kurzerhand erschossen. So wuchs ich irgendwann fast ohne Großeltern auf. Übrig war zunächst die Mutter meines Vaters geblieben. Sie besuchten wir öfter am Wochenende in ihrem Reihenhäuschen in Nürnberg. Als sie starb, ging ich in die vierte Klasse. Ich musste bei der Beerdigung als einziges Kind mitgehen, um hinter einer Art Schaufenster ihre aufgebahrte Leiche anzusehen. Das war für mich ganz furchtbar und es hätte mir fast den Boden unter den Füßen weggezogen und ich wäre umgefallen. Das bemerkte aber niemand. Meine Mutter war ausgebildete Kinderpflegerin. Sie arbeitete nach der Heirat aber nie wieder in ihrem Beruf und blieb als Hausfrau daheim. Mein Vater war nach seiner Gesellenzeit zunächst Meister im Maschinenbau. Dann bildete er sich nebenbei zum Ingenieur weiter. Außerdem studierte er noch nebenberuflich Betriebswirtschaft und erwarb einen weiteren Abschluss. Da er sich immer wieder eine noch besser bezahlte leitende Stellung suchte, zogen wir oft um. Meine Mutter sorgte für den Haushalt und uns insgesamt vier Kinder. Mein Vater lernte und arbeitete.

    Im Alter von drei Jahren erlitt ich im Haus einen traumatischen Unfall beim Spielen mit meinem Vater. Ich weiß nur noch, dass er im Flur mit mir Fangen spielte. Ich rannte los, und irgendwann fing er mich nicht mehr auf. Beim Springen stürzte ich durch die Glastür im Flur. Das Glas splitterte, ich lag in einem Haufen Scherben und unter meiner Nase quoll das Blut hervor. Ich wurde auf den Wohnzimmertisch gelegt und bekam ein Pflaster. Genäht wurde nichts. Die Narbe über meiner Oberlippe ist heute noch sichtbar.

    Aus der Kleinstadt in Baden-Württemberg zog ich im Alter von fünf Jahren mit meinen Eltern in ein anderes Städtchen in der Nähe von Nürnberg. Dort lernte ich das Fahrradfahren in einem kleinen Innenhof. Zunächst fuhr ich mit Stützrädern. Das ging natürlich ganz gut. Irgendwann aber montierte mein Vater die Stützräder ab. Dann fuhr ich los und stürzte oft. Aber irgendwann konnte ich mich dann auf dem Fahrrad halten. In Roth bei Nürnberg wurde ich eingeschult. Ich besitze heute noch ein Foto, auf dem ich mit meiner Schultüte neben einem kleinen Kachelofen stehe. Ich hatte mich damals sehr auf die Schule gefreut. Ich wollte unbedingt lesen und schreiben lernen. Vier Wochen nach meiner Einschulung zogen wir nach Schwabach. Ich hatte Mühe, mich in meiner neuen Umgebung zurechtzufinden. Ich hatte keine Freunde, und manchmal bedrohten und schlugen mich die Mitschüler. Ich flüchtete mich in die Welt der Bücher, und schon bald verschlang ich unter anderem die Abenteuer von Winnetou und Old Shatterhand. Mit meinen beiden Schwestern, die ein und fünf Jahre jünger waren, spielte ich kaum. Meist blieb ich für mich alleine und las oder malte. Oft war ich auch draußen in der Natur zu finden. Im Alter von acht Jahren bekam ich noch einen Bruder. Meine Eltern hatten damit vier Kinder. In der Schule war ich in allen Fächern ziemlich gut. Die Zeugnisbemerkung in der dritten Klasse gab einen Hinweis darauf, ich solle im Unterricht wieder reger mitarbeiten. Mein Betragen sei recht gut. In der vierten Klasse hatte ich fast nur Einsen. Die Lehrerin schrieb, ich sei ein anständiger, strebsamer und zuverlässiger Schüler, der aus eigenem Antrieb heraus seine Pflichten erfülle. Fleiß und Betragen verdienten volles Lob. Und so kam ich im Alter von zehn Jahren auf das Gymnasium.

    2. Meine Jugendzeit

    Nachdem ich auf der Grundschule ziemlich gut gewesen war, änderte sich das auf dem Gymnasium schon zum Teil. In der fünften Klasse erbrachte ich in den meisten Fächern nur durchschnittliche Schulleistungen. In Kunsterziehung, Musik, Sport und im Schreiben dagegen waren meine Leistungen gut. Dann zogen wir nach Ansbach. Dort gefiel es meinem Vater in seinem Betrieb nicht. So blieben wir dort leider nur ein Jahr. Anschließend verbrachten wir zwei Jahre in dem kleinen Städtchen Westerburg im Westerwald. Der Schulwechsel in ein anderes Bundesland tat mir gar nicht gut. Meine Leistungen waren in der neunten Klasse so weit abgefallen, dass ich fast sitzen geblieben wäre. Vielleicht lag das auch daran, dass ich als dritte Fremdsprache ein Jahr lang Französisch hatte. Es könnte aber auch an der Pubertät gelegen haben. In dieser Situation bot mir unser damaliger Vermieter eine Stelle als Maurerlehrling an. Glücklicherweise zogen wir aber dann wieder zurück nach Bayern. Am Steller–Gymnasium in Bad Windsheim verbrachte ich meine restliche Schulzeit ohne weitere größere Beanstandungen. In allen meinen Zeugnissen wurde allerdings immer meine zurückhaltende Mitarbeit im Unterricht bemängelt. Da vor allem mein Vater sehr streng war, bekam ich ab der Note befriedigend oder schlechter Probleme. Manchmal rastete er regelrecht aus. Schläge wie in meiner Kindheit bekam ich aber zum Glück keine mehr. Allerdings entwickelte ich mit der Zeit eine regelrechte Angst vor dem Fach Mathematik. Das lag aber auch zum Teil daran, dass ich mit dem mit seiner Familie im gleichen Haus wohnenden Wolfgang E. gemeinsam die Mathe-Hausaufgaben machen sollte. Weil er in dem Fach viel flinker war als ich und mir nichts erklären konnte oder wollte, blieb mir nur das Abschreiben der gelösten Aufgaben. So hatte ich natürlich Schwierigkeiten bei den anstehenden Probearbeiten. Dennoch erhielt ich einmal 7 und einmal 10 Punkte in Mathematik, also immerhin eine zwei minus und eine drei minus. Die Lust an diesem Fach aber hatte ich ein für alle Mal verloren. Insgesamt aber musste ich mich kaum für die Probearbeiten vorbereiten. Dennoch litt ich unter Schulangst. Ich sorgte selbst für Auszeiten und verschaffte mir gelegentlich einige Krankheitstage zu Hause mit einem Trick. Ich löste zwei, drei Löffel gemahlene Muskatnuss in Wasser auf, hielt mir die Nase zu und schluckte das Zeug. Es schmeckte extrem eklig, aber war wirksam. Am nächsten Tag hatte ich Schwindelanfälle, ich war leichenblass und durfte mindestens einen Tag die Zeit im Bett verbringen. So hatte ich wieder Zeit, ein paar Bücher zu lesen. Irgendwann war die Schulzeit zu Ende und ich schloss mein Abitur mit guten Leistungen ab. Das war nicht selbstverständlich, denn ein gutes halbes Jahr vorher hatte sich meine Schwester Uschi umgebracht. Sie hatte es wohl schon vorher probiert gehabt mit Schlaftabletten. Das hatten meine Eltern aber vor uns anderen Kindern verheimlicht. Am Abend vor ihrem schließlich erfolgreichen Suizid war ich mit ihr noch gemeinsam zur Kirchenchorprobe gegangen. Sie war da schon außergewöhnlich schweigsam gewesen, noch mehr als sonst. Am nächsten Tag, es war ein 11. November gewesen, hatte mein kleiner Bruder Geburtstag. Als Geschenk von meiner Schwester hatte er einen kleinen Kaktus bekommen. Als ich von der Schule heimkam, hieß es, meine Schwester Uschi sei verschwunden. Einfach so, mitten im Unterricht, sei sie aufgestanden und gegangen. Das war ein Freitag gewesen. Die Suche nach der Vermissten begann aber erst in der darauffolgenden Woche. Da muss sie schon tot gewesen sein. Suchhunde waren nicht im Einsatz, sonst hätte man sie vielleicht noch retten können. Jedenfalls blieben uns etwa fünf Monate bange Ungewissheit, in denen ich mich auch nicht großartig auf das anstehende Abitur vorbereiten konnte. Ich muss in dieser Zeit noch weiter in mich gekehrt gewesen sein und hörte viel Musik. Im April 1978 entdeckten spielende Kinder die Leiche von Uschi in einem Gebüsch, nicht einmal einen Kilometer von unserer damaligen Wohnung entfernt. Meine Eltern mussten sie glücklicherweise nur anhand ihrer Armbanduhr und anderen persönlichen Gegenständen identifizieren, die man bei ihr gefunden hatte. Bei ihrer Beerdigung erinnere ich mich nur noch an einen weißen Sarg, der vorne stand. Viele Menschen auf dem Friedhof. Mein Physiklehrer hatte mich damals vor dem offenen Grab einfach in den Arm genommen. Seine Frau war einige Monate zuvor an Krebs gestorben. Ich verstand.

    3. Bei der Bundesmarine

    Wie das damals so üblich war, irgendwann erhielt ich im Alter von 18 Jahren meinen Einberufungsbescheid für den Grundwehrdienst als Wehrpflichtiger. Ich hatte mich vorher eingehend durch das Lesen von Informationsmaterial informiert. Ich wollte entweder Fallschirmspringer werden oder zur Marine, auf jeden Fall weit weg von zuhause. Leider war kurz vorher die dreijährige Dienstzeit für Offiziere bei der Marine abgeschafft worden. Das hätte ich toll gefunden. Vier Jahre Bundeswehr erschienen mir allerdings schon zu lang. So liebäugelte ich mit der zweijährigen Dienstzeit und der damit verbundenen Ausbildung zum Unteroffizier. Irgendwann musste ich dann zunächst einmal für drei Tage zum Eignungstest mit dem Zug nach Köln fahren. Dort wurde man auf Herz und Nieren, auf körperliche Belastbarkeit, die politische Einstellung und natürlich auch eingehend psychologisch getestet. Bei der medizinischen Untersuchung ergab sich, dass ich aufgrund einer Wirbelsäulenverkrümmung nicht Fallschirm springen durfte. Bei den psychologischen Tests stellte man fest, dass ich zur Ausbildung als Signäler geeignet war. Ich reagierte schnell auf optische und akustische Signale und konnte sie hervorragend wiedergeben. Auch waren meine Englischkenntnisse sehr gut. Infolgedessen würden später der Sprechfunk an Bord, das Signalisieren mit Flaggen und Lichtmorsen hauptsächlich meine Aufgaben bei der Marine an Bord sein. Am 23. Juni unterschrieb ich meine Verpflichtungserklärung für die zweijährige Dienstzeit bei der Bundesmarine. Ab dem 1. Oktober 1978 wurde meine Dienstzeit zunächst auf sechs Monate festgesetzt. Es ging sofort los mit der Grundausbildung der Ausbildungsreihe 27 in der Marinefernmeldeschule in Eckernförde. Da wurde uns zunächst das soldatische Rüstzeug, der Umgang mit den Waffen, das Marschieren, aber auch viel Theorie vermittelt. Auch Sanitätsausbildung und Englisch gehörten dazu. In

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